Internet- und Computerspielsucht: Gefahren durch den Konsum von Neuen Medien

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Transkript:

Internet- und Computerspielsucht: Gefahren durch den Konsum von Neuen Medien Fachveranstaltung: Game Over Wenn Spiel zur Sucht wird Asklepios Klinik Brandenburg 28.09.2016 Dipl.-Psych. Dennis Bikki

Zitate von Computerspielsüchtigen Ich habe 2 Jahre im Internet verloren, an die ich mich kaum erinnere Die Abhängigkeit hat aus mir einen Menschen gemacht, der ich nie sein wollte

Erklärungsansätze für exzessives Computerspielen Virtuelle Online-Beziehungen sind vorhersagbar und kontrollierbar Alternative Anerkennung und Prestige statt Rückschläge oder Kränkungen im realen Leben Zugehörigkeit zu Gilden schafft multiple soziale (alternative) Kontakte Spielen wird genutzt zur leichteren Emotions- und Stressregulation Perfektes Kontingenzmanagement, Bindung und Langzeitmotivation (hoch stimulierend)

MMORPGs etc. (Massively multiplayer online role playing games) 24h verfügbar in Echtzeit Organisation der Spieler in Gilden soziale Verpflichtungen (Quests nur gemeinsam lösbar) Spielstärke des Avatar steigt Entwicklung soziale Anerkennung Heroinware

Drei Stufen zur Computersucht Einstiegsphase: - Positive, alltagsablenkende Assoziationen mit dem Spiel Beginnende Abhängigkeit: - Aufbau positiver Effekte, Minderung negativer Effekte Stabilisation der Abhängigkeit: - Teufelskreis aus langfristig negativen Konsequenzen - Druck oder Zwang spielen zu müssen

Kriterienvorschlag für Computersucht Starkes Verlangen Toleranzentwicklung Verminderte Selbstkontrolle Vernachlässigung sozialer Beziehungen Entzugssymptome Exzessiver Gebrauch trotz negativer Konsequenzen

Gewalt in Computerspielen Ob jemand tatsächlich aggressives Verhalten zeigt, hängt vom Zusammenwirken mehrerer Faktoren ab: - Biologische Prädispositionen (starke Emotionalität, Impulsivität, männliches Geschlecht) - Sozialisationsfaktoren (z.b. geringer Bildungsstand, gewaltbejahendes Umfeld, reale Gewalterfahrungen, fehlende Medien-Erziehung, negative Eltern-Kind- Beziehung) - Aktuelle situative Bedingungen (z.b. Substanzabusus)

Wissenschaftliche Ergebnisse Metaanalysen (Zusammenfassung von ca. 300 Studien) Verstärkung aggressiver Verhaltensweisen (r =.31) erhöhte Aggressionswerte Desensibilisierung gegenüber Aggressionen Reduziertes prosoziales Verhalten Geringere Empathiefähigkeit Geschwächtes Vermeidungsverhalten Aufbau unbewusster aggressiver Neigungen

Erklärungsansätze von Gewaltverhalten Skripttheorie - Gelerntes Verhalten (Konsequenz bei Aggressionen) Desensibilisierungshypothese - Emotionales und physiologisches Erregungsniveau nimmt ab Sozialisationshypothese - Gewalt in Medien kann aggressives Verhalten erhöhen Gewalt in Medien ist ein Risikofaktor, darf aber nicht monokausal überinterpretiert werden

Teil 2: Weiter zum Internet

Ist das normal oder schon Sucht? digital immigrants vs. digital natives - Generationenkonflikt - Computersucht oder technologischer Fortschritt? Internetabhängigkeit - Definition: Pathologische Internetnutzung ist die Unfähigkeit von Individuen, ihre Nutzung zu kontrollieren, wenn diese zu bedeutsamen Leiden und/oder Beeinträchtigung der Funktionalität im Alltag führt (Kratzer, 2011)

Online Craving Hoch Gering Die 4 Internettypen (neben dem Typ: Immer On(line) Offline Engagement Gering Hoch Typ D: Zeit totschlagen Typ C: Erfolgreich selbst regulieren Typ A: Im Netz gefangen Typ B: Alles auf die Reihe bekommen EU NET ADB Studie

Die 4 Internettypen Adaptive Strategien (erhöht Offline-Engagement) - Selbstkontrolle - Priorisierung - Ausprobieren von Offline-Alternativen Maladaptive Strategien (senkt Offline-Engagement) - Keine elterliche Kontrolle - Bagatellisieren - Nutzung legitimieren

Risikofaktoren Schulversagen / Mobbing Soziale Ängste / Schüchternheit Broken-Home Situationen Online(rollen)spiele oder Online-Glücksspiele Frühes Einstiegsalter Männliches Geschlecht Computerspielende Eltern / Geschwister Geringer sozioökonomischer Status

Folgen von Mediensucht Sozialer Rückzug von Freunden und Familie Eingeschränkte (nicht digitale) Freizeitaktivitäten Antriebsverlust in Schule und/oder Freizeit Psychische Auffälligkeiten wie Angst, Depression Probleme im Selbstbewusstsein (real vs. digital) Vernachlässigung der Körperpflege Vernachlässigung/Schaden der eigenen Gesundheit Störung im Schlafrhythmus und Qualität Einschränkungen bei der Alltagsbewältigung Nach: Schuhler & Kratzer

Checkliste für Eltern / Betreuer Suchen Sie sich Hilfe, wenn: - Täglich mehr als 5h PC bzw. Mediennutzung - Soziale Kontakte vernachlässigt werden, Rückzug - Andere Hobbys/Beschäftigungen eingestellt werden - Auf Medien-Verbote aggressiv, gereizt oder stark deprimiert reagiert wird - Essenszeiten nur noch ungern wahrgenommen werden - Schlafrhythmus verschoben ist, chronischer Schlafmangel - Leistungsabfall in der Schule oder Schwänzen auftritt Nach: Guba, Gesundheitsamt Bremen

Was sollten Eltern beachten Klare Regeln im Umgang mit digitalen Medien FSK Alterskennzeichnung beachten (Jugendschutz) Neue Medien nicht als Babysitter einsetzen Körperlichen und geistigen Ausgleich schaffen Keine soziale Verwilderung in der Familie dulden Sich selbst in Medien/Internet weiterbilden (lassen) Auf Gefahren im Internet hinweisen Sich für Spiele, Sozialportale, Smartphone des Kindes interessieren (am besten ausprobieren) Nach: Suchtberatung Trier

Teil 3: Weiter zu den Smartphones...

Gefahren durch FtP Spiele FtP steht für Free to Play Prinzip eines grundsätzlich kostenfreien Spiels, indem bestimmte Gegenstände gekauft werden können, die den Spieler erfolgreicher machen oder schneller ans nächste Ziel bringen (was auch PtW Pay to Win genannt wird) Oft laufen die Spiele in Echtzeit, d.h. jederzeit kann ein Ereignis passieren, dass sofort die Anwesenheit am Smartphone benötigt (Problem in der Schule, Arbeit, nachts) Gefahr durch ständige Verfügbarkeit, häufige Ingame-Käufe, stimulierenden Charakter des Spiels Prinzip der Kosten-Nutzen-Analyse Ich habe jetzt schon so viel Zeit investiert, jetzt kaufe ich lieber etwas, anstatt aufzugeben

Gefahren durch Pädophilie Anbahnungsebene - Habbo Hotel, Moviestarplanet, selbst Quiz Duell - Jedes Kind wird online mit sex. Belästigung konfrontiert - 45% Viktimisierung bei Mädchen, 15% bei Jungen Kommunikationsebene - Kik Messenger, Kakaotalk, etc. Offlinetreffen Missbrauch - Erpressung mit vorher geschickten Fotos - Offlinetreffen es kommt bei 100% der Fälle zum Missbrauch

Fantasien zu sex. Handlungen mit Kindern Mikado Studie

Täter in der männlichen Bevölkerung Mikado Studie

Sexuelle Onlineinteraktion mit Mikado Studie

Gesetzeslage 0,03% strafrechtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit Jugendliche und Erwachsene machen sich strafbar, wenn sie Kinder unter 14 Jahren mit sexuellen Absichten anschreiben - 25% der Täter sind Jugendliche, 10% der Täter selbst Kinder Über 14 Jahren Strafmündigkeit bei Beleidigungen, etc. Unter 14 Jahren werden die Eltern des Täters bestraft - 12 Jähriger Cybermobber 1500 Euro Schadensersatz