Kolloquium Insolvenzanfechtung Sommersemester 2010 Professor Dr. Christoph G. Paulus, LL.M. (Berkeley) Wolfgang Zenker Dienstag, 25. Mai 2010
Gläubigerbenachteiligung bei bedingter Pfändbarkeit I. Sachverhalt (IX ZR 189/08) II. Rechtlicher Rahmen III. Masse / bedingte Pfändbarkeit / Übertragbarkeit IV. Lösung des BGH V. Würdigung VI. AlternaNvlösungen VII. Vorschau
Sachverhalt (BGH, Urt. v. 3.12.2009 IX ZR 189/08) Schuldner S haue eine BU- Versicherung bei der Versicherung V. Nach EintriU seiner Berufsunfähigkeit und knapp zwei Jahre vor seiner Insolvenz übertrug S die Rechte aus der BUV auf seine Ehefrau F. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erkannte V die Leistungspflicht rückwirkend an und zahlte an die F rückwirkend 190.000 und laufend 5.000 monatlich. Insolvenzverwalter I verlangt von F Auskehr der von V gezahlten Beträge und Rückgewähr der Versicherung an die Masse.
Rechtlicher Rahmen 1. Bei der Übertragung der Rechte aus der BUV handelt es sich um eine Rechtshandlung des S und eine Leistung des S an F. 2. Dafür kommt es nicht darauf an, ob die Übertragung vermögensrechtlich wirksam ist (zweifelhae wg. 400 BGB), da sie die V jedenfalls zu Zahlungen an F veranlasst (hat). 3. Die Übertragung erfolgte nicht zur (teilweisen) Erfüllung von Unterhaltsforderungen (war umstriuen), also unentgeltlich. 4. Die Rechtshandlung wurde in den letzten vier Jahren vor Insolvenzantrag vorgenommen. 5. Kein gebräuchliches Gelegenheitsgeschenk geringen Werts. besondere Voraussetzungen von 134 liegen vor, problemansch allein die Gläubigerbenachteiligung OLG: BUV nur bedingt pfändbar, 850b ZPO, daher nicht Masse, 36
Exkurs: Masse 1. Zur Insolvenzmasse, die den Insolvenzgläubigern haeet, gehört grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners bei Verfahrenseröffnung sowie der Neuerwerb, 35 I. neue und praknsch wichnge Regelung für Selbständige: 35 II, III 2. Auch Absonderungsgut gehört bis zur Verwertung [mit dem Vorrecht belastet] zur Masse, nicht aber Aussonderungsgut. 3. 36 I 1: Unpfändbares idr nicht Masse (s. auch II, III) seit 2001 [2007]: 36 I 2: Verweis auf 850, 850a, 850c, 850e, 850f I, 850g- i, [851c, d] ZPO; Sonderzuständigkeit des Insolvenzgerichts (IV) Begründung (BT- Drs. 14/6468, S. 17): Unterschiede zwischen den Vorschri6en, die die Pfändbarkeit für alle Gläubigergruppen erweitern oder beschränken, und denen, die die Pfändbarkeit für bes@mmte Gläubiger modifizieren ( 850d, 850f II ZPO). ist eine entsprechende Anwendung dann gerechner@gt, wenn der Zweck mit dem Ziel der Gesamtvollstreckung in Einklang steht.
Exkurs: bedingte Pfändbarkeit 850b ZPO: (1) Unpfändbar sind ferner 1. Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind; (2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschri6en gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sons@ge bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht. Entstehungsgeschichte: Die Möglichkeit der Billigkeits- entscheidung wurde durch die LohnpfändungsVO 1940 eingeführt, 1953 ohne sachl. Änderung in die ZPO überführt. Erfasst auch aufgrund Versicherungsvertrags gewährte BU- Renten sowie Einmalzahlungen auf Rückstände.
Exkurs: Übertragbarkeit 1. Was wurde übertragen? BGH formuliert widersprüchlich: übertrug die Rechte aus dieser Versicherung (Tz. 1) Übertragung der Versicherungsnehmerstellung (Tz. 4, 15) Übertragung dieser Bezüge (Tz. 5) übertragenen BU- Versicherung (Tz. 1) Abtretung (Tz. 1) bzw. abgetretene Ansprüche (Tz. 16) 2. Aus dem ersnnstanzlichen Urteil: übertrug der Schuldner seine Versicherungsnehmerstellung aus dieser Versicherung mit allen Rechten und Pflichten auf seine Ehefrau Versicherte Person blieb weiterhin der Schuldner. 3. Problem: 400 BGB auch bei bedingter Pfändbarkeit IV ZR 39/08, Tz. 22: Ansprüche aus BU- Versicherung nicht abtretbar auf Vertragsübernahme ist 400 BGB grdstzl. analog anzuwenden jedenfalls nach EintriU des Versicherungsfalls kann das ue nicht durch Übertragung der Versicherungsnehmerstellung bei Beibehaltung des versicherten Risikos umgangen werden
Lösung des BGH 1. Todesfallversicherung ( 850b I Nr. 4 ZPO) ihv ca. 2.750 nicht Bestandteil der Masse (IX ZA 2/09) daran wird festgehalten 2. 36 I 2 verweist nicht auf 850b ZPO. dies gilt aber nicht nur für II und III, sondern auch für I Geltung von I folge nicht zwangsläufig aus 36 I 1 (vgl. I 2, 850a ZPO) Wortlaut von 36 I nicht aussagekräeig 3. 36 I 2 soll I 1 nicht einschränken, nur flexible Lösungen eröffnen, wo sie mit dem Zweck der Insolvenz vereinbar sind 4. Teleologie gebietet Anwendung von 850b I III ZPO (mit der Zuständigkeit des Insolvenz- oder Prozessgerichts für II) Zweck: Existenzsicherung nicht ganz unanwendbar Zweck: angemessener Ausgleich nach Billigkeit gilt auch in Insolvenz durch 89 I, 294 I Überprivilegierung des insolventen Schuldners Abwägung nicht mit Einzel-, sondern mit GesamNnteresse; erhöhter Bedarf zu berücksichngen, sonst ggf. Anwendung von 850c I (?) ZPO
Würdigung 1. Der BGH findet immer dann einen kreanven Weg zur Anfechtbarkeit trotz Unpfändbarkeit, wenn es um erhebliche Vermögenswerte geht. (frei nach Bi^er, FS K. Schmidt, S. 127) 2. Tz. 11: das Argument ( 850b sei unanwendbar) ist nicht tragfähig. Es wird schon durch den Umstand widerlegt, dass auch die herrschende Meinung 850b I ZPO anwenden will. Musterbeispiel, wie man es nicht macht! 3. Soll 850b II ZPO ausnahmsweise besnmmte Gläubiger schützen oder nur allg. zu einem fairen Ausgleich führen? 4. Auf welchen Gläubiger ist ggf. in der Insolvenz abzustellen? 5. Rechtsfolge: Übertragung auf S (insgesamt?), nicht auf I, und Rückzahlung des vom Gericht besnmmten Teils von F an I Konsequenz der unterstellten Unwirksamkeit der Übertragung? Abwicklung? was, wenn V mit Rückübertragung nicht einverstanden?
AlternaNvlösungen 1. potenzielle Masse : durch Weggabe verzichtet Schuldner auf den soziale Zwecke verfolgenden Pfändungsschutz umfassende Anfechtbarkeit der Weggabe auf den ersten Blick und grdstzl. recht plausibel evtl. wird aber der soziale Zweck auch in der Weggabe perpetuiert (Unterhaltszahlungen, Sicherung von Pflegeleistungen, etc.) 2. Ausnahme vom Vollstreckungsverbot: BU- Versicherung ist insolvenzfreies Vermögen des Schuldners, in das aber (gegen 89 I, 294 I) nach 850b II ZPO vollstreckt werden kann hier müsste dann eine Anfechtung nach 4 AnfG erfolgen umständlich und teuer (Titulierung?) und jdf. nicht gesetzesnäher hier drohte zudem ein GläubigerweUlauf
Vorschau 1.6.2010 Übergabe von Kundenschecks BGH, Urt. v. 14.5.2009 IX ZR 63/08