Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Wiss. Ang. Silke Knaut Arbeitsgemeinschaft für Anfänger Strafrecht Besonderer Teil SS 2002 Abgrenzung zwischen Betrug und Trickdiebstahl Für die Abgrenzung kommt es allein darauf an, ob der Täter die fremde bewegliche Sache weggenommen hat oder ob das Opfer eine Vermögensverfügung vorgenommen hat Lösung von Fall 1: Strafbarkeit des A A. 242 Abs. 1 1. fremde bewegliche Sache 1) waren die CD s etc. noch fremd oder hat infolge der Abfertigung durch K eine Eigentumsübertragung ( 929 S. 1 BGB) stattgefunden? =Auslegung der sachenrechtlichen Einigung gemäß 133, 157 BGB erforderlich >trotz sachenrechtlichen Abstraktionsprinzips Heranziehung des Kaufvertrages notwendig >A machte der K nur ein Kaufangebot bzgl. der präsentierten Sachen, welches von der K auch angenommen wurde >damit bezog sich das Übereignugsangebot der K auch nur auf diese zur Bezahlung vorgelegten und nicht auf die versteckten Waren >keine sachenrechtliche Einigung hinsichtlich der CD s etc. 2) Ergebnis Die CD s etc. waren für A noch fremde bewegliche Sachen; sie standen nicht in seinem Alleineigentum. 2. Wegnahme 1) Mit dem Verstecken im Einkaufswagen? >als A die CD s etc. in den Einkaufswagen legte und versteckte, hat er noch keine Wegnahme begangen, weil er noch mit Nachfragen des Kassenpersonals nach Inhalt des Einkaufswagens rechnen mußte, also noch keinen ungehinderten Zugriff hatte 2) Mit dem Passieren der Kasse? >mit dem Passieren der Kasse erlangt man in Selbstbedienungsläden in der Regel dann eigenen Gewahrsam, wenn man entweder den Kassenbereich räumlich verlassen hat oder wenn das Kassenpersonal die Abfertigung des Kunden als abgeschlossen ansieht >A hatte also nach dem Bezahlen und Verlassen des Kassenbereiches eigenen Gewahrsam begründet spätestens mit dem Einpacken der Waren in seinen Rucksack als Gewahrsamsenklave hat A den Gewahrsamsbruch begangen
3) Tatbestandsausschließendes Einverständnis, =indem die K die Abfertigung des A als abgeschlossen ansah, als dieser den Preis für die anderen Waren zahlte? >da die K vom Geschäftsinhaber gerade zum Zweck der Kontrolle des Warenausgangs in diesem Bereich eingestellt worden war, würde ihr Einverständnis stellvertretend für alle anderen Mitgewahrsamsinhaber gelten >fraglich ist aber, ob die K überhaupt einen auf die CD s etc. gerichteten Übertragungswillen hatte, da sie diese im Einkaufswagen gar nicht bemerkt hatte =wie stark muß sich das Einverständnis bei der Wegnahme konkretisiert haben? tva: genereller Wille zur Gewahrsamsübertragung genügt >es sei entscheidend, daß die K willentlich den Gewahrsam an allen Sachen im Einkaufswagen übertragen habe >daß dieses Einverständnis irrtumsbedingt erfolgt war, weil sie von den CD s etc. nichts wußte, sei unbeachtlich (tatbestandsausschließendes Einverständnis ist auch wirksam, wenn es erschlichen wurde) (OLG Dü dorf NJW 1988, 922 f und NJW 1993, 1407 f) ivf.: mangels Wegnahme kein Diebstahl (sondern Betrug) hm (BGH): zur Bejahung eines tatbestandsausschließendes Einverständnis ist der Wille, den Gewahrsam am konkreten Gegenstand aufzugeben erforderlich >K konkretisiert ihren Verfügungswillen grundsätzlich erst dadurch, daß sie die Preise der vorgelegten Waren eintippt >wer nichts von der konkreten Sache wisse, verfüge nicht irrtumsbedingt, sondern überhaupt nicht >die Annahme eines generellen Verfügungswillens des Kassenpersonals laufe auf eine bloße Fiktion hinaus ivf.: kein wirksames Einverständnis der K; im Vorbeischmuggeln der CD s etc. liegt eine vollendete Wegnahme. II. subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz bzgl. der Wegnahme fremder beweglicher Sache 2. Absicht, sich die Sachen rechtswidrig zuzueignen 1) Zueignungsabsicht 2) Rechtswidrigkeit der Zueignung 3) Vorsatz bzgl. Rechtswidrigkeit der Zueignung III. Rechtswidrigkeit und Schuld IV. Ergebnis A hat sich wegen Diebstahls strafbar gemacht. (Das Ergebnis ist auch deswegen vorzugswürdig, weil nur so 252 eingreift, wenn der Täter zur Sicherung der Beute Gewalt gegenüber den Detektiven anwendet. Das andere Ergebnis würde zu Wertungswidersprüchen mit anderen sehr ähnlich gelagerten Konstellationen führen.)
B. 263 Abs. 1 1. Täuschung über Tatsachen, da A die K über die zu zahlenden Waren täuschte 2. kausaler Irrtum der K, da diese davon ausgeht, A habe alle zu zahlenden Waren auf das Band gelegt (Fehlvorstellung) 3. kausale Vermögensverfügung Pbl.: ob die K eine Vermögensverfügung tätigt, wenn sie Kunden mit versteckter Ware passieren läßt >ausnahmsweise bewußte Vermögensverfügung erforderlich: zur Absicherung des Exklusivitätsverhältnisses zwischen Betrug und Diebstahl muß der vom Täter erlangte Besitz auf einer bewußten Vermögensverfügung, also einer willentlichen Gewahrsamsübertragung, beruhen >verlangt wird hier ein konkretisiertes Verfügungsbewußtsein (deckungsgleich mit dem Einverständnis in den Gewahrsamswechsel, siehe oben) ivf.: K verfügte nicht bewußt über das Vermögen (die CD s etc.), siehe oben II. Ergebnis A hat sich nicht wegen Betruges strafbar gemacht. (Mit dem OLG Dü dorf müßten versuchter und vollendeter 242 denknotwendig ausscheiden, weil sich die willentliche Vermögensverfügung (Betrug als Selbstschädigungsdelikt) und Wegnahme (Diebstahl als Fremdschädigungsdelikt) bei einer einzigen Handlung ausschließen -Exklusivitätstheorie der hm-).
Lösung zu Fall 2 (BGHSt 18, 221 ff): Strafbarkeit des A A. 263 gegenüber P und zu Lasten der B (Dreiecksbetrug) 1. Täuschung des P über Tatsachen =Einwirkung auf das intellektuelle Vorstellungsbild eines anderen über Umstände der Vergangenheit oder Gegenwart, die dem Beweis zugänglich sind IvF.:, da A dem P seine Befugnis, den Pkw abholen zu dürfen, vorspiegelte 2. darauf beruhender Irrtum des P =mit Wahrheit nicht übereinstimmende Fehlvorstellung über Tatsachen (sachgedankliches Mitbewußtsein genügt) IvF.:, da P glaubte, A sei berechtigt, das Auto abzuholen 3. kausale Vermögensverfügung des P =jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das sich beim Getäuschten oder einem Dritten unmittelbar vermögensmindernd auswirkt 1. Pbl.: ob in der Aushändigung des Schlüssels und der Duldung der Ausfahrt eine Verfügung über den Gewahrsam der B gesehen werden kann beim Betrug muß Personenidentität zwischen dem Getäuschten und dem Verfügenden bestehen (und nicht zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten) IvF.:, da P getäuscht wurde und über den Pkw verfügte (Verfügungsbewußtsein) diese Verfügung des P muß der B als eigene zugerechnet werden können das ist dann möglich, wenn eine gewisse Nähebeziehung zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten besteht eine derartige Nähebeziehung liegt unstreitig vor, wenn der Getäuschte aufgrund Gesetzes, behördlichen Auftrags oder Rechtsgeschäfts befugt ist, Rechtsänderung für das fremde Vermögen vorzunehmen ist der Getäuschte ein beliebiger Außenstehender ist, so liegt nur ein Diebstahl in mittelbarer Täterschaft vor, 242, 25 Abs. 1 2. Alt. 2. Pbl.: wann die Verfügung des Getäuschten dem Geschädigten zugerechnet werden kann/welches Verhältnis zwischen dem verfügenden Dritten und dem Geschädigten bestehen muß tva: Befugnistheorie maßgebend ist nicht die tatsächliche Möglichkeit des Verfügenden zur Gewahrsamsübertragung, sondern dessen rechtliche Befugnis bzw. Ermächtigung (=Gewahrsamsvertreter/-hüter) hm: Lagertheorie die tatsächliche Möglichkeit zur Gewahrsamsübertragung/ Einwirkungsmöglichkeit reicht aus, da die Vermögensverfügung/der Gewahrsam überwiegend faktischer Natur sind (keine zivilrechtliche Bestimmung, es sei denn zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen)
>liegt vor, -wenn der Dritte im Lager des Geschädigten steht -wenn ein Obhuts- und Näheverhältnis des Getäuschten zum geschädigten Vermögen besteht (Lit.) -wenn er Mitgewahrsam an der konkreten Sache hat (BGH) IvF.: P stand bereits vor der Tat in einer engeren Beziehung zum Vermögen der B als irgendein außenstehender Dritter; er hatte Mitgewahrsam (2.-Schlüssel) >P stand im Lager der B und konnte so über den Wagen derart verfügen, daß seine freiwillige Herausgabe des Pkw der B zugerechnet werden kann 4. Vermögensschaden der B, da die B den Sachwert ohne entsprechenden Gegenwert zu erhalten, verloren hat (negatives Gesamtsaldo bei Vergleich zwischen Vor- und Nachher) II. subjektiver Tatbestand 1. Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale, da A mit dolus eventualis handelte 2. Absicht sich rechtswidrig zu bereichern, da A in der Absicht (=dolus directus 1. Grades) handelte, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen 3. Unmittelbarkeitsbeziehung/Stoffgleichheit, da Vorteil und Schaden auf derselben Verfügung beruhen und der Vorteil zu Lasten des geschädigten Vermögens geht (Ausscheidung von Provisionsvertreter-Fällen, Belohnungen) 4. Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit III. Rechtswidrigkeit und Schuld liegen vor IV. Ergebnis A hat sich des Betruges strafbar gemacht. B. 242 Abs. 1, 25 Abs. 1 2. Alt., Diebstahl in mittelbarer Täterschaft 1. fremde bewegliche Sache, der Pkw der B 2. Wegnahme =Bruch fremden und Begründung neuen nicht unbedingt tätereigenen Gewahrsams ghm: Betrug und Diebstahl schließen sich begrifflich aus (Exklusivitätsverhältnis) tva: 242 und 263 können nebeneinander vorliegen, (Idealkonkurrenz) II. Ergebnis A hat sich nicht des 242 strafbar gemacht. C. 248 b liegt vor, ist aber formell subsidiär gegenüber dem Besitzbetrug. D. Ergebnis: A ist wegen Betruges strafbar.
Institut für Kriminologie und Wirtschaftsstrafrecht Wiss. Ang. Silke Knaut Arbeitsgemeinschaft für Anfänger Strafrecht Besonderer Teil SS 2002 I. Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Sachbetrug: 1. Sachbetrug, wenn das Opfer dem Täter aufgrund einer Täuschung eine Sache freiwillig aushändigt (=Vermögensverfügung/Weggabe) und sich dadurch schädigt (=Selbstschädigungsdelikt) 2. Trickdiebstahl, wenn sich der Täter die Wegnahme einer fremden Sache dadurch erleichtert, daß er das Opfer täuscht (=Fremdschädigungsdelikt) II. Dreiecksbetrug: Da der Verfügende und der Geschädigte nicht identisch zu sein brauchen, gibt es die Möglichkeit des Dreiecksbetruges, an dem drei Personen beteiligt sind: -der Täter, -der irrtumsbedingt Verfügende -und der Geschädigte. Der Getäuschte muß rechtlich (tva) oder rein tatsächlich (BGH) imstande sein, über das Vermögen des Dritten zu verfügen und trotz Verfügung eines Vermögensfremden muß das Bild eines Selbstschädigungsdelikts aufrechterhalten bleiben. III. Abgrenzung zwischen Diebstahl in mittelbarer Täterschaft und Dreiecksbetrug Das Problem taucht auf, wenn nicht der Getäuschte selbst über sein Vermögen verfügt, sondern ein Dritter (wenn z. B. der Ladenangestellte Waren des Inhabers veräußert) 263 setzt nicht voraus, daß zwischen dem Verfügenden und dem Geschädigten Personenidentität besteht Personenidentität muß aber zwischen dem Getäuschten und dem Verfügenden bestehen Grenzziehung zwischen Dreiecksbetrug und Diebstahl in mittelbarer Täterschaft ist erforderlich, wenn die Vermögensverfügung des Dritten in der Weggabe einer Sache liegt und diese Verfügung dem Geschädigten wie eine eigene Verfügung zuzurechnen ist (=Dreiecksbetrug).
Pbl.: unter welchen Voraussetzungen dem Geschädigten die Verfügung des Getäuschten (Dritten) zugerechnet werden kann/welches Verhältnis der verfügende Dritte zum geschädigten Opfer haben muß: tva: Befugnistheorie/Ermächtigungstheorie: nicht die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit des Getäuschten ist entscheidend, sondern dessen rechtliche Befugnis >eine Vermögensverfügung ( 263) liegt nur vor, wenn der Verfügende vom Gewahrsamsinhaber zur Übertragung oder Aufhebung des Gewahrsams (zivilrechtlich) wirksam ermächtigt wurde >eine Wegnahme ( 242) ist gegeben, wenn der Getäuschte unter bewußter Überschreitung seiner Befugnisse handelte >eine Vermögensverfügung ( 263) ist gegeben, wenn der Gewahrsamshüter über den Umfang seiner objektiv eingeräumten Befugnis irrt Kritik: die strafrechtlichen Begriffe der Vermögensverfügung und des Gewahrsams sind überwiegend faktischer Natur (ghm), so daß die zivilrechtliche Begrenzung der Verfügungsfähigkeit des Gewahrsamshüters in diesem System einen Fremdkörper bildet >normative Elemente werden allenfalls herangezogen, um Wertungswidersprüche in der Gesamtrechtsordnung zu korrigieren hm: Lagertheorie: es ist ein spezifisches Obhuts- und Näheverhältnis des Getäuschten zum geschädigten Vermögen erforderlich >maßgebend ist, ob der Getäuschte innerhalb der Machtsphäre des Berechtigten als dessen Gehilfe und Schutzherr, gleichsam im Lager des Geschädigten steht, oder ob er von außen eigenmächtig in die fremde Gewahrsamssphäre eindringt >dieses Näheverhältnis muß schon vor der Tat bestanden haben und den Getäuschten in eine engere Beziehung zum Vermögen des Geschädigten bringen, als irgendeinen beliebigen Außenstehenden >dies hat Bedeutung, wenn der Mitgewahrsamsinhaber oder der Gewahrsamshüter in die Sachverschiebung eingeschaltet wird 242, 25 Abs. 1 2. Alt. gegeben, wenn der Dritte keinerlei Obhutsbeziehung zum Vermögen/zur Sache des Geschädigten hatte: denn dann kann das tatbestandsausschließende Einverständnis des Dritten zur Weggabe dem Gewahrsamsinhaber nicht zugerechnet werden der Täter nahm die Wegnahme nicht selbst vor, sondern benutzte einen gutgläubigen Dritten als Werkzeug