Crash-Kurs Die Vormerkung PD Dr. A. Schall
Die Vormerkung Abgrenzung zu Widerspruch Widerspruch protestiert (gegen falsches GB) Vormerkung prophezeit (künftige Rechtsänderung an einem Grundstück) Siehe auch RGZ 139, 355; Wieling, S. 323 f. Rechtsnatur str.: H.M.: kein dingliches Recht, da nur Sicherung eines Anspruchs (siehe auch 891) A.A.: Dingliches Recht, da absolute Wirkung Jedenfalls kein ius ad rem (= keine gesetzliche Schuldübertragung auf Erwerber)
Entstehung (= Ersterwerb) Bewilligung ( 885 I) oder einstweilige Verfügung Abweichung von 873 I (Einigung) Bewilligung ist materielle WE (nicht bloß formelle Verfahrenserklärung nach 19 GBO) 875 I 2, II, 878 finden Anwendung Eintragung in GB Berechtigung Ansonsten 892 (oder 893, s. BGHZ 25,23) Hier spielt Streit um Rechtsnatur i.e. keine Rolle Bestehen des gesicherten Anspruchs ( 883 I)
Der gesicherte Anspruch Sicherbar ist jeder schuldrechtliche Anspruch auf dingliche Rechtsänderung an einem Grundstück Nicht: Anspruch auf Abschluss eines Mietbzw. Pachtvertrags, da trotz 566 keine dingliche Rechtsänderung Strenge Akzessorietät Vormerkung kann nicht ohne gesicherten Anspruch bestehen Insoweit auch kein gutgl. Erwerb möglich (allg.m.)
Künftige und bedingte Ansprüche Auch künftige und bedingte Ansprüche sind sicherbar ( 883 I 2) Nach h.m. Einschränkung hierbei fester Rechtsboden erforderlich E.A.: Entstehung nicht mehr einseitig zu verhindern A.A.: Entstehung allein in Hand des Berechtigten Jegliche Einschränkung ablehnend Wieling, S. 327 f. Eigentlicher Grund der restriktiveren h.m. dürfte die den 137 S. 1 unterlaufende Wirkung der Vormerkung sein Zweifelsfall: Dissimulierter Kaufvertrag mit Heilungschance ( 311 b I 2)
Übertragung der Vormerkung (= Zweiterwerb) Gesetzliche Regelung lückenhaft Vgl. dagegen Hypothek ( 1153, 1154) Nach h.m. erfolgt Übertragung mit Abtretung der gesicherten Forderung ( 398, 401) GB wird mit jeder Übertragung falsch und muss berichtigt werden Str. ist Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs (dazu gleich)
Gutgläubiger Erwerb der Vormerkung Nach allg.m. möglich: gutgläubiger Ersterwerb der Vormerkung vom nichtberechtigten ET Eingetragener Nicht-Eigentümer V verkauft Grundstück an K und bestellt Auflassungsvormerkung Umstritten ist Möglichkeit des gutgläubigen Zweiterwerbs (s. Wieling, S. 331 f.) K war bösgläubig und tritt bestehenden Auflassungsanspruch an gutgläubigen D ab - Nach e.a. Gutglaubensschutz geboten - Nach h.m. abzulehnen (kein rechtsgeschäftl. Erwerb) Nach allg.m besteht kein Gutglaubensschutz bezüglich Bestehens der Forderung (vgl. 1137 e contrario)
Die Sicherungswirkung der Vormerkung ( 883 II) Grundsatz: relative Unwirksamkeit von vereitelnden oder beeinträchtigenden Zwischenverfügungen Folgen: keine Grundbuch-Sperre Vormerkungswidrige Verfügung nicht unwirksam Stattdessen: 888 BGB Geltendmachung der relativen Unwirksamkeit durch Hilfsanspruch auf Zustimmung (nötig wegen 39 GBO) Rechtsnatur der Zustimmung unklar formelle Erklärung oder Ermächtigung nach 185
Beispiele zur Sicherungswirkung Der Inhaber einer Auflassungsvormerkung kann verlangen Bei erfolgter Auflassung an einen Dritten: - Übereignung vom ursprünglichen ET/Vertragspartner ( 275 greift nicht wegen 883 II) - Vom Dritten/aktuellen Eigentümer Zustimmung zur Eintragung als neuer ET nach 888 Bei zwischenzeitlich erfolgter Belastung durch ein beschränkt dingliches Recht - Übereignung vom nach wie vor aktuellen ET - Vom Inhaber des dinglichen Rechts Zustimmung zur Löschung nach 888 (dazu gleich der Fall) Wirkung gegen Mieter/Pächter? H.M. (-)
Die erweiterte Sicherungswirkung Dazu Wieling, S. 337 f. 883 II soll gegen jedes nicht mehr zu beeinflussende Erwerbshindernis schützen, um den zahlenden Erwerber zu sichern. Auch gegen nachträgliche Bösgläubigkeit Auch gegen nachträglichen Widerspruch Auch gegen nachträgliche Eintragung des wahren Berechtigten
Fall E überträgt sein Grundstück zur vorweggenommenen Erbfolge auf seine Tochter T. Der notarielle Schenkungsvertrag enthält folgende Klausel: Die T darf das Grundstück zu Lebzeiten des E in keiner Weise belasten oder veräußern. Im Falle einer Zuwiderhandlung hat sie das Grundstück an E zurückzuübertragen. Zur Sicherung dieses Anspruchs wird eine Auflassungsvormerkung zugunsten des E eingetragen. Die T wird als Eigentümerin ins GB eingetragen, ebenso die Vormerkung des E. Bald darauf erwirkt Gläubiger G wegen eines Zahlungstitels über 20.000 die wirksame Eintragung einer Zwangshypothek über das Grundstück der T ( 867 ZPO). Kann E gegen die Zwangshypothek vorgehen?
Anspruch E gegen G aus 888 auf Zustimmung zur Löschung der Zwangshypothek Wirksame Bestellung einer Vormerkung Bewilligung ( 885) (+) Eintragung in GB ( 883) (+) Berechtigung des E (+) Bestehen des gesicherten Anspruchs (+) Bedingter Anspruch (wie hier) genügt ( 883 I 2)
Unwirksamkeit des Erwerbs der Zwangshypothek ggü. E? Richtet sich nach 883 II: Anspruch auf Rückübertragung wird nicht vereitelt, wohl aber beeinträchtigt An sich also: Anspruch (+) Gleichwohl bestehen Bedenken angesichts der Schwebelage: G könnte seine Sicherung verlieren, ohne dass sicher wäre, ob E jemals wieder ET erlangt
Nach OLG Rostock, MDR 2007, 647; OLG Zweibrücken, NZM 2006, 878 ist Anspruch abzulehnen, solange Vormerkungsberechtigter nicht als ET eingetragen ist - ET-Übertragung wird nicht beeinträchtigt Ist aber eine Belastung anders wäre es nur bei vorgemerkter Belastung ( 883 III) - Fehlender Schutzbedarf ( 48 ZVG) - Keine Rechtsmacht zur Durchsetzung, da vor ET-Erwerb keine Antragsberechtigung für Löschung ( 13 I GBO) Nach h.m. kann Vormerkungsberechtigter zuvor vorgehen, muss sich aber Einreden gegen seinen Anspruch entgegenhalten lassen (siehe Wolf, NZM 2008, 29 ff)
Zuletzt Damit stellt sich nun die Frage, ob der Anspruch des E gegen T auf Rückübertragung bereits durchsetzbar ist Hängt davon ab, ob Verbot der Belastung auch die Pfändung umfasste Vgl. 883 II 2; 161 I 2 Analogie oder Umkehrschluss? Offen!