Intrazerebrale Blutung nach Sectio ceasarea in Spinalanästhesie Koinzidenz oder Kausalität?

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Transkript:

Intrazerebrale Blutung nach Sectio ceasarea in Spinalanästhesie Koinzidenz oder Kausalität? G. von Knobelsdorff 1), A. Paris 2) Zusammenfassung: Eine intrazerebrale Blutung ist eine extrem seltene Komplikation nach einer Sectio caesarea in Spinalanästhesie. Eine 37-jährige Nullipara ohne anamnestisch bekannte Vorerkrankungen unterzog sich nach unauffälliger Zwillingsschwangerschaft einer eiligen Sectio caesarea bei Plazentainsuffizienz in Spinalanästhesie mit hyperbarem Bupivacain 0,5% (13,5 mg) und einer Sprotte-Nadel 27 Gauge. 80 min nach dem Eingriff klagte die Patientin über starke Kopfschmerzen, konnte kurz danach den rechten Arm nicht mehr bewegen und trübte schnell ein. Das unverzüglich durchgeführte CCT zeigte eine große intrazerebrale Blutung der linken Hemisphäre mit Masseneffekt. Es erfolgte eine temporoparietale Kraniotomie zur Hämatomausräumung. Ursächlich fanden sich weder ein Angiom noch eine arteriovenöse Malformation. Die Patientin erwachte und konnte nach 32 h von der Beatmung entwöhnt werden. Am 7. postoperativen Tag fand sich noch eine Aphasie mit Hemiparese des rechten Arms als neurologisches Restdefizit. Auch 6 Monate später hat sich der neurologische Zustand nicht deutlich gebessert. Der Fall wird anhand der aktuellen Literatur diskutiert. Schlüsselwörter: Spinalanästhesie; Intrazerebrale Blutung; Komplikation; Sprotte-Nadel 1) Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie, St. Bernward Krankenhaus, Hildesheim 2) Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Korrespondenz: Prof. Dr. med. Georg von Knobelsdorff Klinik für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie St. Bernward Krankenhaus D-31134 Hildesheim Telefon: 05121-90-1425 Email: prof.dr.g.von.knobelsdorff@bernward-khs.de

2 Abstract: Intracerebral haemorrhage is a rare complication of spinal anaesthesia in obstetrics. A 37-yrold woman without any accompanying disease during twin pregnancy underwent an urgent Caesarean section due to insufficiency of the placenta in spinal anaesthesia using hyperbaric bupivacain (0.5%) and a pencil-point spinal needle Sprotte 27 G. 80 min after the procedure the patient developed severe headache, a hemiparesis of the right upper limb and became somnolent and finally unconscious. An immediately performed computed tomographic scan revealed a large acute intracerebral haemorrhage in the left hemisphere region with mass effect. The patient underwent temporoparietal craniotomy. No obvious cause was found of the haemorrhage like aneurysm or arteriovenous malformation. The patient fully recovered and was weaned from the respirator 32 h postoperatively. On postoperative day 7 the remaining neurologic deficit included aphasis and severe hemiparesis of the right upper limb and a right extensor plantar response. Until 6 month after the complication the neurologic status did not improve substantially. The case and the recent literature are discussed. Key words: spinal anaesthesia; intracerebral haemorrhage; complication; pencilpoint needle Einführung: Die Regionalanästhesie weist im Vergleich zur Allgemeinanästhesie bei der Sectio caesarea eine Reihe von Vorteilen für Mutter und Kind auf. Neben der Vermeidung von Risiken wie dem schwierigen Atemweg und der Aspiration sind insbesondere die geringere Beeinträchtigung des Neugeborenen bei längerer Operationsdauer zu nennen. Als regionales Verfahren wird neben der Epiduralanästhesie zunehmend auch die Spinalanästhesie angewandt. Zu den Komplikationen der Regionalanästhesie gehören die häufiger auftretenden transienten Blutdruckabfälle und postpunktionelle Kopfschmerzen (5) aber auch seltene Ereignisse wie schwere Kreislaufdepressionen (16), die totale Spinalanästhesie, lokale Infektionen bis hin zur Meningitis, epi- und subdurale Blutungen im Bereich der Punktion und sehr selten transiente Lähmungen der Hirnnerven. Vereinzelt wurde in der Literatur über intrakranielle extradurale oder subdurale und auch intrazerebrale Hämatome (ICH) berichtet (7,9,11,12,13) Als besonderes seltenes Ereignis nach einer Sectio ceasarea in Spinalanästhesie wurde kürzlich aus Indien der Fall eines ICH publiziert, das wenige Stunden nach dem Eingriff auftrat (14). Wir haben diesen Fallbericht aufgegriffen, da auch in unserer Klinik kürzlich ein

3 derartig schwerwiegendes Ereignis aufgetreten ist und eine Koinzidenz oder gar ein Zusammenhang zunächst nicht diskutiert wurde. Fallbericht: Bei einer 37-jährigen Erstgebärenden mit Zwillingsgravidität, bei der außer Nikotingenuß keine Begleiterkrankungen wie Hypertonus, Diabetes mellitus, Kopfschmerzen, Krampfanfälle, Eklampsie oder Blutungsneigungen bekannt waren, wurde die Indikation zur eiligen Sectio caesarea bei Verdacht auf Plazentainsuffizienz und Deceleration der kindlichen Herztöne (DIP II) des oberen Zwillings gestellt. Gerinnung: Quick >120%, partielle Thromboplastinzeit 32 s, Thrombozytenzahl 128000/µl, Antithrombin III 78%. Die Anästhesie wurde als Spinalanästhesie im Sitzen mit einer Sprotte-Nadel 27 Gauge und hyperbarem Bupivacain (0,5%; 13,5 mg) durchgeführt. Beim einzigen Punktionsversuch wurde eine Parästhesie rechts ausstrahlend angegeben, der Liquor war klar und frei von Blut. Ein kurzzeitiger Blutdruckabfall von 115/70 auf 96/40 mmhg wurde mit Akrinor 0,5 ml behoben (140/55 mmhg). Die beiden neugeborenen Mädchen wiesen Geburtsgewichte von 2040 g und 2050 g sowie APGAR-Werte von 9/10/10 auf. 80 min nach der Sectio caesarea klagte die Patientin über starke Kopfschmerzen, konnte nach weiteren 5 min den rechten Arm nicht mehr bewegen und trübte schnell ein. Nach Sicherung der Vitalfunktionen wurde unter kontrollierter Beatmung ein cranielles Computertomogramm (CCT) durchgeführt, das eine ausgedehnte intrazerebrale Massenblutung im Marklager der linken Hemisphäre ergab (Abb. 1). Die Patientin wies unter Anästhesie mit Fentanyl / Midazolam einen Blutdruck von 130/90 mmhg und seitengleiche, mittelenge Pupillen mit träger Lichtreaktion auf. 3 h nach Beginn der Symptome wurde eine linksseitige temporoparietale osteoplastische Kraniotomie zur Entleerung des ICH durchgeführt. Die Ursache der Blutung konnte nicht geklärt werden. Die Lage der Blutung wurde als untypisch für ein Aneurysma der A. cerebri media beschrieben, möglicherweise könnte ein kleines Angiom in der Tiefe stammgangliennah für die Blutung ursächlich sein. Die postoperative Phase verlief ohne besondere Ereignisse. Im CCT 8 h nach dem Eingriff zeigten sich ein hypodenser Bezirk im Bereich des entleerten Hämatoms sowie ein fokales Ödem Die Patientin konnte 32 h nach der Operation vom Respirator entwöhnt werden. Sie war am nächsten Morgen ansprechbar und bewegte den linken Arm und die Hand. In der neurologischen Untersuchung fielen eine fortbestehende Aphasie und eine Hemiplegie der rechten Körperhälfte auf. Die Patienten konnte am 7. Tag nach der OP der Frührehabilitation

4 zugeführt werden. 6 Monate nach der intrazerebralen Blutung ist die Patientin weiterhin neurologisch stark eingeschränkt. Sie kann weder sprechen noch den rechten Arm bewegen und nur mit einer Gehhilfe aufrecht gehen, aber wieder ihr Pferd reiten. Diskussion: Intrakranielle Blutungen, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Regionalanästhesie oder Lumbalpunktion auftraten, wurden in den letzten 25 Jahren über dreißigmal als ernste, teilweise tödliche Komplikationen beschrieben. Es handelte sich in diesen Fällen fast immer um subdurale Hämatome und nur in 5 Fällen um intrazerebrale Blutungen (2,4,9,12,13,14,15). Macon et al. (8) postulierten für die Entstehung des subduralen Hämatoms den gleichen Pathomechanismus, der für den Postpunktionskopfschmerz gelten soll: durch das bei der lumbalen Punktion entstandene Loch in der Dura entweicht Liquor (>200 ml/h) und bedingt eine Abnahme des Liquorvolumens mit vermindertem intrakraniellen Druck. Dadurch kann sich das Gehirn mehr nach kaudal verlagern, so dass besonders beim Aufrichten die duralen Brückenvenen überdehnt werden und einen Schmerzreiz auslösen. Stark ausgeprägte Scherkräfte könnten dabei subdurale Venen einreißen, so dass es zur intrakraniellen Blutung kommt. Untersuchungen mit Magnetresonanztomographie und Radioisotopen-Zysternographie belegen den Pathomechanismus des Liquorverlustsyndroms für den Postpunktionskopfschmerz (17). In den meisten Fallbeispielen gehen den subduralen Hämatomen länger anhaltende, am Anfang lagebedingte Kopfschmerzen voraus. Die subduralen Hämatome werden oft erst nach Tagen aufgrund der sich verstärkenden neurologischen Symptome erkannt. In dem hier vorliegenden Fall wie auch in einem sehr ähnlichen Fall, der kürzlich von Sharma (14) publiziert wurde, traten jedoch schon 80 min, beziehungsweise wenige Stunden nach der Spinalanästhesie sehr starke Kopfschmerzen auf, denen unmittelbar schwere neurologische Symptome wie Bewußtseinsverlust und Bewegungsstörungen folgten. In den drei anderen Fallberichten von ICH traten die neurologischen Symptome erst nach Tagen auf (2,9,4). Ein anhaltender, wesentlicher Liquorverlust ist als Ursache des am gleichen Tag aufgetretenden ICH eher unwahrscheinlich. Obwohl der postpunktionelle Kopfschmerz in Abhängigkeit von der Art und der zunehmenden Größe der Nadel häufiger auftritt, wurden intrakranielle Blutungen nicht nur, wie in den älteren Fallberichten, nach Punktionen mit Tuohy- oder Quincke-Nadeln von 17 bis 25 Gauge beobachtet (10). Auch nach der Verwendung einer sehr kleinen Whitacre-Nadel

5 (27 Gauge) kam es zu einem subduralen Hämatom (3). In diesem Fall traten schon 2 h nach der Spinalanästhesie Kopfschmerzen auf, jedoch erst am 10. postoperativen Tag trübte der Patient ein. Die Autoren vertraten die Ansicht, dass man einen so großen Liquorverlust, der ein subdurales Hämatom verursachen könne, nach einer einfachen Punktion mit einer so dünnen atraumatischen Nadel nicht erwarten würde. Sie hielten daher auch eine spontane Blutung aufgrund der Antikoagulation mit Enoxaparin für möglich. Im vorliegenden Fall wurde eine dünne sogenannte Pencil-point -Nadel (Sprotte 27 Gauge) verwandt und die lumbale Punktion wurde als einfach beschrieben. Sharma, Benzon und Mantia verwendeten 24 beziehungsweise 26 Gauge Spinalnadeln (2,9,14). Crofts et al. (4) legten einen Spinalkatheter mit einer 18 Gauge Tuohy-Nadel. Bei den 5 Fallberichten von ICH scheint die verwandte Spinalnadel keine Bedeutung gehabt zu haben. In einer Übersichtsarbeit zu Komplikationen im Zusammenhang mit Regionalanästhesie erfaßten Auroy et al. (1) bei 71013 Spinal- oder Epiduralanästhesien keine postpunktionelle intrakranielle Blutung. In einer anderen Studie untersuchten Jonsson et al. (6) alle Trepanationen bei intrakranieller Blutung im Karolinska Hospital in Stockholm aus einem Zeitraum von 12 Jahren, in dem 23811 Spinalanästhesien durchgeführt wurden. Sie stellten fest, dass von 713 Patienten mit intrakranieller Blutung nur 4 Patienten 1 bis 4 Jahre vorher eine Spinalanästhesie, davon aber in 3 Fällen auch andere Faktoren wie Traumata aufwiesen. In einer epidemiologischen Untersuchung zeigten Woo und Broderick (18), dass jährlich etwa 12-15 ICH auf 100 000 Einwohner spontan auftreten. Hierbei war der Anteil in der Altersgruppe unter 45 Jahren mit 5-10 ICH etwas geringer. Als wesentliche Risikofaktoren werden bei älteren Patienten der Hypertonus und die Amyloidose, bei jüngeren strukturelle Gefäßveränderungen wie arteriovenöse Malformationen, venöse und cavernöse Angiome und in allen Altersgruppen Gerinnungsstörungen genannt. Die strukturellen Gefäßveränderungen sind allerdings nur in etwa 65% der Fälle nachweisbar, so dass eine unauffällige Angiographie wie in dem vorliegenden Fall derartige Veränderungen nicht ausschließt. Im vorliegenden Fall bestanden weder Vorerkrankungen wie Hypertonus, Prä- oder Eklampsie, Meningitis oder Trauma, noch kam es durch die Sectio caesarea zu Preßwehen bei der Geburt. Auch Medikamente zur Antikoagulation wurden nicht verabreicht, so dass andere ursächliche Faktoren nicht gefunden werden konnten. Insgesamt erscheint jedoch die Inzidenz der spontan auftretenden ICH im Vergleich zu den wenigen Fallberichten so hoch, dass man in dem vorliegenden und auch in dem kürzlich von Sharma beschriebenen Fall des noch am Tag der Spinalanästhesie aufgetretenen ICH von einer Koinzidenz und nicht von einem Zusammenhang oder gar einer Kausalität ausgehen sollte.

6 Literatur: 1. Auroy Y, Narchi P, Messiah A, Litt L, Rouvier B, Samii K (1997) Serious complications related to regional anesthesia. Anesthesiology 87:479 486 2. Benzon HAT (1984) Intracerebral hemorrhage after dural puncture and epidural blood patch: nonpostural and noncontinuous headache. Anesthesiology 60:258-259 3. Cantais E, Behnamou D, Petit D, Palmier B (2000) Acute subdural hematoma following spinal anesthesia with a very small spinal needle. Anesthesiology 93:1354-1356 4. Crofts TR, Monagle J, Buist M, Burnes J (2001) Bilateral frontal haemorrhages associated with continuous spinal analgesia. Anaesth Intensive Care 29:51-53 5. Halpern S, Preston R (1994) Postdural puncture headache and spinal needle design: Metaanalyses. Anesthesiology 81:1376-1381 6. Jonsson LO, Einarsson P, Olsson GL (1983) Subdural haematoma and spinal anaesthesia. A case report and an incidence study. Anaesthesia 38:144-146 7. Lee JJ, Parry H (1991) Bacterial meningitis following spinal anaesthesia for caesarean section. Br J Anaesth 66:383-385 8. Macon ME, Armstrong L, Brow EM (1990) Subdural hematoma following spinal anesthesia. Anesthesiology 72:380-381 9. Mantia AM (1981) Clinical report of the occurrence of an intracerebral hemorrhage following post lumbar puncture headache. Anesthesiology 55:684-685 10. Ortiz M, Aliaga L, Baturell C, Preciado MJ, Aguilar J, Vidal F (1991) Intracranial subdural haematoma - a rare complication after spinal anaesthesia. Eur J Anaesthesiol 8:245-248 11. Panning B, Mehter D, Lehnhardt E (1983) Transient low frequency hypoacusia after spinal anaesthesia. Lancet II:582-584 12. Pavlin DJ, McDonald JS, Child B (1979) Acute subdural haematoma, an unusual sequelae to lumbar puncture. Anesthesiology 51:338-340 13. Schmidt A, Nolte H (1992) Subdurale und epidurale Hämatome nach rückenmarksnahen Regionalanästhesien. Anaesthesist 41:276-284 14. Sharma K (2002) Intracerebral hemorrhage after spinal anesthesia. J Neurosurg Anesthesiol 14:234-237

7 15. Suess O, Stendel R, Baur S, Schilling A, Brock M (2000) Intracranial haemorrhage following lumbar myelography: case report and review of the literature. Neuroradiology 42:211-214 16. Thomas TA, Cooper GM (2002) Maternal deaths from anaesthesia. An extract from why mothers die 1997-1999, the confidential enquiries into maternal deaths in the united Kingdom. Br J Anaesth 89:499-508 17. van den Berg JS, Sijbrandy SE, Meijer AH, Oostdijk AH (2002) Subdural hygroma: a rare complication of spinal anesthesia. Anesth Analg 94:1625-1627 18. Woo D, Broderick JP (2002) Spontaneous intracerebral hemorrhage: epidemiology and clinical presentation. Neurosurg Clin Am 13:265-279

8 Abbildung 1 zeigt das Computertomogramm 2 h nach der Sectio caesarea in Spinalanästhesie mit einer ausgedehnten intrazerebralen Massenblutung im Marklager der linken Hemisphäre bei der inzwischen eingetrübten Patientin.