SchiedsamtsZeitung. Privatinsolvenz Schuldenfrei»light«? Von Schuldnerberaterin Sonja Mohr, Steinburg Sozial ggmbh, Kreis Steinburg

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Transkript:

Privatinsolvenz Schuldenfrei»light«? Von Schuldnerberaterin Sonja Mohr, Steinburg Sozial ggmbh, Kreis Steinburg In den letzten Jahrzehnten wandelt sich der Umgang mit der Finanzierung von Konsumwünschen. Während es vor einer Generation nahezu verpönt war, über Geld zu sprechen, ist heute die Kreditaufnahme zur Konsumwunscherfüllung gang und gäbe. Damit verbunden ist ebenfalls ein Wandel in der Akzeptanz von Schulden. Schulden hat mittlerweile fast jeder, und ein Großteil der Bevölkerung muss als überschuldet erkannt werden. Die Insolvenzordnung (InsO) bezeichnet denjenigen als»überschuldet«, der seine Verbindlichkeiten nicht in einem überschaubaren Zeitraum zurückzahlen kann. Die Gesetzgebung unterscheidet zwischen dem Regelinsolvenzverfahren für juristische Personen bzw. Selbstständige und dem»vereinfachten Verfahren«, auch als Verbraucher- oder Privatinsolvenz bezeichnet. Beide Verfahren dienen in erster Linie der Gläubigerbefriedigung. Vorhandenes Vermögen soll verwertet werden, der redliche Schuldner bekommt die Restschuldbefreiung; damit wird ein wirtschaftlicher Neustart ermöglicht. Was letztendlich bedeutet, dass eine erneute Kreditaufnahme und Verschuldung möglich ist seriöse Schuldnerberatung setzt hier bewusst auf Aufklärung und Vorsorge. Es kann nicht Sinn und Zweck eines Insolvenzverfahrens sein, alte Schulden zu bereinigen, damit neue aufgebaut werden können. Dennoch mehren sich in der Praxis die Fälle, in denen Klienten bereits ein Insolvenzverfahren angestrengt haben und nach einiger Zeit mit neu aufgebauten Verbindlichkeiten erneut die Schuldnerberatung auf suchen. Was verbirgt sich also hinter der»privatinsolvenz«tatsächlich? Zunächst ist eine sorgfältige Bestandsaufnahme der gesamten wirtschaftlichen Situation des Schuldners vorzunehmen. In der Praxis der Schuldnerberatung bedeutet dies häufig viele Verbindlichkeiten, jedoch kein oder nur geringes Vermögen. Auch private Schulden wie der ungekündigte Disposi tionskredit oder das unbürokratische Leihen innerhalb der Familie zählen dazu. Regelmäßig ist dies für den Schuldner nicht nachzuvollziehen; die Insolvenzordnung verlangt jedoch eine vollständige Auflistung aller Gläubiger und Forderungen. Hieraus könnte sich bei fahrlässigem Verschweigen auch ein Grund zur Versagung der Restschuldbefreiung ergeben. Bevor der Insolvenzantrag im vereinfachten Verfahren gestellt werden kann, ist der Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern laut InsO zwingend erforderlich. Ein Versuch im Hinblick auf den zu erwartenden Lottogewinn ist nicht als ernsthaft zu betrachten. Könnte jedoch beispielsweise ein Geldbetrag durch die Familie, eine Stiftung oder den Arbeitgeber aufgebracht werden, mit dessen Hilfe zumindest eine vergleichsweise Regulierung der Verbindlichkeiten erfolgen kann, sollte diese Lösung dem Insolvenzverfahren vorgezogen werden. Auf Gläubigerseite wäre damit zumindest ein Teil der Forderung realisiert, wahrscheinlich sogar recht kurzfristig und ohne Entstehung Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 1/5

weiterer Kosten. Für den Schuldner entfallen die Kosten und Pflichten des Insolvenzverfahrens (siehe unten), er ist in kürzerer Zeit»schuldenfrei«da in den meisten Fällen das zur Regulierung eingesetzte Kapital zinsgünstig geliehen wurde und in der Regel in kleineren Raten zurückzuführen ist. Leider ist diese Möglichkeit nur selten vorhanden. In den meisten Fällen wird die außergerichtliche Einigung auf der Basis des pfändbaren Einkommens unter Berücksichtigung eventueller Unterhaltsverpflichtungen und der jeweils gültigen Pfändungstabelle nach 850c Zivilprozessordnung (ZPO) angeboten. Diese Regelung bedeutet, dass auch wenn keine Zahlungen geleistet werden können trotzdem bei ansonsten redlichem Verhalten (siehe weitere Ausführungen) der Schuldner nach Ablauf des Vergleiches von seinen Zahlungsverpflichtungen befreit ist. Unter Umständen kann auch eine freiwillige Rate aus dem unpfändbaren Einkommen des Schuldners erbracht werden. Diese muss sich an den vorhandenen Möglichkeiten des Haushaltes orientieren und eine Anpassungsklausel für den Fall einer Einkommensreduzierung, beispielsweise bei Arbeitslosigkeit, enthalten. Erfahrungsgemäß wird der Einigungsversuch auch bei einer kleineren freiwilligen Rate meistens abgelehnt, da es für den Gläubiger eine unverhältnismäßig hohe Belastung darstellt, geringe Beträge fortlaufend zu verbuchen. Weitere wesentliche Bestandteile des Angebotes sind in der Regel die Verpflichtung zur Bemühung um eine zumutbare Arbeit (mit Nachweispflicht des Schuldners) sowie die Verpflichtung, ein Erbe zumindest zur Hälfte zur Schuldenregulierung einzusetzen. Außerdem muss der Schuldner jede Veränderung persönlicher und/oder finanzieller Art mitteilen. Im Falle einer Einigung mit allen Gläubigern ist kein Insolvenzverfahren mehr erforderlich. Verweigert jedoch auch nur ein Gläubiger seine Zustimmung oder antwortet nicht, gilt der Versuch als gescheitert. Das Scheitern des Einigungsversuchs muss durch eine geeignete Stelle nach 305 InsO bescheinigt werden. Hierzu gehören anerkannte Verbraucherinsolvenzbe - ratungs stellen, Rechtsanwälte und Steuerberater. Erst diese Bescheinigung öffnet die Tür zum Insolvenzverfahren. Unterschiede zwischen Vergleich und Insolvenz bestehen zum einen in den Verfahrenskosten: Für ein Insolvenzverfahren fallen Verfahrenskosten zwischen etwa 1.500 bis 2.000 (unter Umständen auch mehr) an. Das Verfahren wird jedoch nur bei Zahlung der Verfahrenskosten eröffnet. Da kaum ein Schuldner das Geld im Vorwege aufbringen kann, wird in den meisten Fällen ein Stundungsantrag gestellt. Diese Lösung ist mit der Beratungs-/Pro zesskostenhilfe vergleichbar. Die vom zuständigen Bundesland verauslagten Beträge für das Verfahren können noch bis zu vier Jahre nach Verfahrensende zurückgefordert werden. Je nach Vergleichsbedingungen kann der Schuldner auch Vermögen behalten, außerdem ist er selbst für das Erfüllen der für ihn ausgehandelten Bedingungen zuständig. Seriöse Schuldnerberatung begleitet den Schuldner, sofern dieser es wünscht. Für das Insolvenzverfahren wird dem privaten Schuldner ein Treuhänder zur Seite gestellt, der die Vermögensverwertung und Forderungsprüfung sowie die Überwachung des Schuldners übernimmt, vergleichbar mit dem Insolvenzverwalter der Regelinsolvenz. Schon an der unterschiedlichen Bezeichnung erkennen Fachleute die Art des Verfahrens, auch hat ein Insolvenzverwalter weiter reichende Befugnisse als ein Treuhänder. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 2/5

Maßgeblicher Unterschied zwischen beiden Möglichkeiten der Schuldenregulierung ist, dass von einer vergleichsweisen Regulierung nur die Gläubiger erfasst werden, die sich daran beteiligen. Sollte ein weiterer, bislang unbekannter Gläubiger nach Zustimmung aller anderen Gläubiger Forderungen geltend machen, blieben diese vom Vergleich unberührt. An einem Insolvenzverfahren nehmen zunächst alle bis zum Zeitpunkt der Eröffnung gegen den Schuldner bestehenden Forderungen teil, auch wenn der Gläubiger nichts von der Verfahrenseröffnung wusste oder nicht damit einverstanden war. Von der Restschuldbefreiung ausgenommen sind Geldstrafen sowie Forderungen aus sogenannter»unerlaubter Handlung«. Hierzu zählt beispielsweise Schmerzensgeld, aber nicht pauschal jede»schwarzfahrt«des Schuldners. Im Rahmen der Insolvenzrechtsreform werden zukünftig auch Forderungen aus pflichtwidrig nicht erbrachtem Unterhalt und Steuerstraftaten hierzu zählen. Das Verfahren wird durch richterlichen Beschluss offiziell eröffnet und veröffentlicht; gleichzeitig wird der Treuhänder bestellt. Mit diesem Beschluss ist dem Schuldner die Verfügungsgewalt über sein Vermögen entzogen. Durch die Einführung des sogenannten P(fändungsschutz)-Kon tos im Jahre 2010 sollte unter anderem erreicht werden, dass dem Schuldner ein unpfändbarer Freibetrag auch bei Insolvenzeröffnung unbürokratisch zur Verfügung steht. Erfreulicherweise zeigt sich hier eine steigende Tendenz der Kreditinstitute, diese Regelung umzusetzen. Letztendlich sollte hiermit eine Entlastung der Vollstreckungsgerichte erreicht werden. Nach Eröffnung obliegt es dem Treuhänder, weitere Schritte einzuleiten. In der Regel ist dies Kontaktaufnahme zum Schuldner, dessen Arbeitgeber und dessen Vermieter. Die im Gläubigerverzeichnis des Antrages benannten Gläubiger werden ebenfalls angeschrieben. Mit diesem Anschreiben weist der Treuhänder auf die Insolvenzeröffnung hin und fordert die Gläubiger auf, Forderungen bis zum Stichtag bei ihm anzumelden. Falls die Forderung bereits tituliert wurde, ist der Titel der Anmeldung beizufügen. Sicherheiten sind anzugeben und nach Maßgabe zu verwerten. Im Antrag nicht erfasste Gläubiger erhalten jedoch auch die Möglichkeit, sich über das öffentliche Verzeichnis der Insolvenzbekanntmachungen zu informieren, ob über das Vermögen des Schuldners ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Arbeitgeber und Vermieter werden ebenfalls aufgefordert, eventuelle Forderungen anzumelden. Der Vermieter wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine eventuell durch den Schuldner erbrachte Kaution Insolvenzmasse ist und nicht an den Schuldner ausgezahlt werden darf. Der Treuhänder haftet nicht für neue Mietschulden. Die bisher teilweise vorgenommene Verwertung von Genossenschaftsanteilen als Mietkaution wird mit der Reform der InsO angepasst. Der Arbeitgeber kann aufgefordert werden, den gemäß Pfändungstabelle (siehe oben) pfändbaren Betrag direkt an den Treuhänder auszukehren. In der Praxis wird gelegentlich vereinbart, dass der Schuldner das volle Einkommen erhält, jedoch seinerseits den pfändbaren Betrag an den Treuhänder zu überweisen hat. Damit soll sich der Wille des Schuldners zur Mitwirkung zeigen. Der Treuhänder ist gehalten, den Insolvenzschuldner aufzusuchen und ein persönliches Gespräch zu führen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind zu klären, dazu zählt auch, welches Vermögen ver- Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 3/5

wertet werden kann und darf. Als Maßstab dienen die Regelungen der ZPO. Verwertbar sind demnach nur eine bescheidene Lebensführung übersteigende Hausratsgegen stände. Ein Kraftfahrzeug kann unter Umständen auch dann verwertet werden, wenn der Schuldner es für die Fahrt zur Arbeit benötigt. Auch private Altersvorsorge ist unter bestimmten Voraussetzungen verwertbar. In diesem Gespräch kann auch die Vorlage von Bewerbungsunterlagen des Schuldners verlangt werden von nun an gehört es sich für einen redlichen Schuldner, sich im Falle der Arbeitslosigkeit um zumutbare Arbeit zu bemühen. Die Nachweise sind auf Verlangen dem Treuhänder vorzulegen. Nun wird die weitere Vorgehensweise organisatorisch festgelegt. Dem Schuldner werden noch einmal seine Obliegenheiten erklärt: Erwerbstätigkeit; ein Erbe ist während der Laufzeit des Schuldenbereinigungsverfahrens mindestens zur Hälfte zur Schuldenregulierung einzusetzen; die Pflicht, pfändbares Einkommen ausschließlich an den Treuhänder zu leisten. Kein Insolvenzgläubiger soll einen Sondervorteil erhalten. Außerdem hat der Schuldner Auskunfts- und Mitwirkungspflichten. Jede Veränderung in seiner Situation muss dem Treuhänder mitgeteilt werden sei es Heirat, Umzug oder neuer Arbeitsplatz. Hieran scheitern erstaunlich viele Schuldner. Mit dem Abschluss der Forderungsprüfung und Vermögensverwertung wird das Insolvenzverfahren aufgehoben. Im Anschluss daran folgt die sogenannte»wohlverhaltensphase«. Dieser Begriff bezeichnet die Differenz vom Ende des Insolvenzverfahrens bis zum Ablauf von sechs Jahren ab Eröffnung. Wesentlicher Unterschied zum Insolvenzverfahren ist, dass nicht automatisch jedes Vermögen Insolvenzmasse ist. Während der gesamten Verfahrensdauer bis maximal vier Jahre danach ist die Einforderung der gestundeten Verfahrenskosten durch die zuständige Landeskasse möglich. Die Versagung der Restschuldbefreiung kann nur von einem Insolvenzgläubiger beantragt werden. Wer seine Forderung nicht anmeldet, kann also dieses Recht nicht in Anspruch nehmen. Für den privaten Gläubiger ist es oftmals schwer verständlich, dass sogenannte»mietnomaden«, welche weder Miete (pünktlich) zahlen noch die Wohnung geordnet übergeben, trotzdem erfolgreich die Möglichkeiten der Schuldenbereinigung nutzen können. Die Insolvenzordnung hat diesen Versagungsgrund jedoch nicht vorgesehen. Nicht die Vorgabe eines Zahlungszieles soll erreicht werden, sondern redliches Verhalten im Sinne der Insolvenzordnung. Im Idealfall verhält sich der Schuldner redlich, so dass keine Anträge auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt werden. Nach Ablauf von sechs Jahren exakt ab Eröffnungsdatum ist der Schuldner von seinen Zahlungsverpflichtungen befreit. Dies gilt für alle Forderungen, die bei Insolvenzeröffnung bestanden haben, das heißt also auch für diejenigen Forderungen, die nicht angemeldet wurden. Auch Unkenntnis des Insolvenzverfahrens schützt den Gläubiger nicht vor Restschuldbefreiung! Mit der Reform der InsO, gültig ab 01.07.2014, wird sich an diesen Zielen nichts Wesentliches verändern. Sollte der Schuldner innerhalb von drei Jahren eine Quote von 35 % seiner (angemeldeten) Forderungen sowie die entstandenen Verfahrenskosten begleichen können, kann eine vorzeitige Restschuldbefreiung beantragt werden. Ob diese Möglichkeit häufig genutzt wird, wird sich in der Praxis noch zeigen müssen. Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 4/5

In diesem Artikel kann aufgrund der Vielfältigkeit des Verfahrens nur ein Grundgerüst aufgezeigt werden. Bewusst wurde auf eine Darstellung oder Bewertung von Verwertungsmöglichkeiten oder auch -praxis sowie Versagungsgründen verzichtet. Sonja Mohr, Schuldnerberaterin in der Steinburg Sozial ggmbh, Schuldner-und Insolvenzberatung im Kreis Steinburg (nach 305 InsO anerkannte Stelle) Nachdruck und Vervielfältigung Seiten 5/5