«Schlaf-Wach-Störungen» SJ3-Vorlesung, 10.April 2013 Prof. Dr. Johannes Mathis, Zentrum für Schlaf-Wach-Medizin, Inselspital vermehrt vermindert verunstaltet verschoben www.schlafmedizin.ch johannes.mathis@insel.ch 1 ICSD 2007 ~ 88 Schlaf-Wach-Störungen 2 Historische Vorstellungen Hypnos, der Bruder von Thanatos Hippokrates: Blut und Wärme flieht ins Innere des Körpers und bewirkt Schlaf des ganzen Körpers Aristoteles: Ausdünstung von der Nahrung gelangt über das Blut in das Gehirn und erzeugt dort Schlaf bis das Blut wieder gereinigt ist. 3
Non-REM Im SCHLAF schläft das GEHIRN nicht! WACH NREM REM EEG EOG EMG «Schlaf-Epoche» = 30 Sekunden! 5s 4 SCHLAF-PROFIL WACH REM I II III IV Tiefschlaf-reich REM-Schlaf-reich 22:00 24:00 02:00 04:00 06:00 5 SCHLAFDAUER Std 16 12 8 REM Normalbereich gross! Kurz / Langschläfer 4 Non-REM 0 6 Mt 3 J 10 J 20 J 50 J 90 J 6
Sanduhr & Zifferblatt zwei-prozess-modell (Borbély) 7 modernes Konzept vom regionalen Schlaf Mukhametov et al., 1977 Huber 2004 8 Schläfrigkeit & Müdigkeit sind nicht immer die Folge von schlechtem Schlaf! vermindert? vermehrt verunstaltet verschoben 9
Schlafstörungen in der SCHWEIZ Schweizerische Gesundheitsbefragung 1992 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% Frauen leichte Männer deutliche 10 Ursachen von Schlafstörungen Ungenügende Schlafhygiene Psychische und körperliche Erkrankungen (Schmerzen!) Umweltfaktoren (Lärm, Licht) Genussmittel/Medikamente Psychophysiologische Insomnie Störungen des Schlaf-Wach- Rhythmus 11 Merkmale der Insomnie Insomnie ist nicht gleich Schlafmanko! Eher mit Koffeinintoxikation vergleichbar Erhöhtes psycho-physiologisches Aktivierungsniveau (Hyperarousal) Subjektiv schlechte Schlafqualität Objektiv ev. normale Schlafdauer Gute Nächte wechseln mit schlechten auf unvorhersehbare Weise ab Am Tag nicht schläfrig, aber müde & gereizt 12
Mittlere Schlafmenge (Stunden) Schlaf und Übergewicht Anteil Übergewicht in % der Bevölkerung (USA) McAllister EJ et al. Critical Reviews in Food and Nutrition, 868-913, 2009 13 Therapeutische Massnahmen bei Insomnie Verhaltenstherapie Verstehen (cognitiv) Entspannungstherapien Schlafhygiene Coaching ev. Medikamente Akut: Schlafmittel Chron: Antidepressiva Oh lune! (H. Daumier, 1844) 14 Restless Legs Syndrom 15
Definition RLS (IRLSSG) (Walters, Mov.Dis. 10: 634-642 (1995); Allen, Sleep Med. 4:101-119 (2004) Essentielle Kriterien 1. Bewegungsdrang, oft mit Gefühlsstörungen 2. Zunahme in Ruhe, sitzend und liegend 3. Besserung mindestens während der Bewegung 4. Zunahme am Abend und in der Nacht Supportive Symptome 5. positive Familienanamnese (autosomal dominant) 6. Ansprechen auf dopaminerge Medikation 7. PLM (im Schlaf und Wachzustand) Assoziierte Zeichen 8. Zunahme im mittleren und höheren Alter 9. Schlafstörungen 10. neurologisch unauffällig bei idiopathischer Form 16 RLS Formen / Ursachen Idiopathisch (30-60%) Familiär vererbt, ausosomal dominant Risiko bei Verwandten 1. Grades: 20% Risiko bei Verwandten 2. Grades: 4% Antizipation als Hinweis für eine Triplet Repeat Erkrankung? Symptomatisch (13%) Schwangerschaft (27%) Eisenmangel (43%) Nierenversagen (17-40%) Rheumatoide Arthritis (30%) Diabetes mellitus (7-17%) Parkinson (20% Polyneuropathie (5.2%) Fibromyalgie (31%?) Herzinsuffizienz (50%?) 17 Behandlung des RLS Ursächliche Behandlung Eisenersatz, Folsäure, Diabetes, Niere, etc. Nicht medikamentös Genussmittel, falsche Medi. körperliche Betätigung Massage, Bad, Rhythmus Medikamente Dopamin-Präparate, Antiepileptika, Opiate Patientenvereinigung: http//www.restless-legs.ch 18
Ursachen bei Müdigkeit / Schläfrigkeit Der kleine Faulpelz, J.B. Greuze Ungenügende Schlafdauer bei Langschläfer Schlechte Schlafgewohnheiten Insomnie Restless Legs / PLMS Internistisch, Neurologisch, Psychiatrisch Schlaf-Apnoe-Syndrom Narkolepsie, idiop. Hypersomnie Nicht organische Hypersomnie Chron. Erschöpfungssyndrom Medikamente / Drogen Simulation 19 S.D. m; 35 J. Müdigkeit; Kaffeekonsum in Ferien 8 Std Schlaf 8 Std Aktigraphie: Schlafinsuffizienz & mangelnde Schlafhygiene früher wäre er mit 5-6 Stunden auch ausgekommen! 20 Wichtige Ursachen von Müdigkeit / Schläfrigkeit mit/ohne Schlafstörung! Medikamente&Drogen? Blutarmut, Eisenmangel Schilddrüsenunterfunktion Hirntumor Tuberkulose & Andere Entzündungen 21
Epworth Epworth Schläfrigkeitssleepiness score Skala www.schlafmedizin.ch Chance einzuschlafen nie(0),selten(1),gelegentlich(2),immer(3) - Lesen im Sitzen - beim Fernseh schauen - inaktiv an einem öffentlichen Ort sitzend - als Mitfahrer in einem Fahrzeug, nach < 1h - beim Hinlegen während des Tages - sitzen und mit jemandem reden - sitzend, nach dem Mittagessen, ohne Alkohol - Als Fahrzeuglenker, beim kurzem Halt max 24 pt Normal < 10 22 Schlaf-Apnoe- Syndrom bei 3-5% aller Männer! - Lautes Schnarchen - Tagesschläfrigkeit - Konzentrationsstörung - hoher Blutdruck - Übergewicht - RDI > 10 Polysomnographie Schlafapnoe Risiko Test: www.lungenliga.ch 23 Polysomnographie bei SAS EEG Augen Kinnmuskel Atmung Sauerstoff Puls Plethysmographie Beinmuskeln 30 Sec 24
Behandlungsmöglichkeiten bei Schlaf Apnoe Kontinuierliche Überdruckbelüftung; CPAP Operation Diverse Schienen 25 Die 5 Zeichen der NARKOLEPSIE Einschlafattacken & Automatische Handlungen Kataplexien Hypnagoge Halluzinationen Schlaflähmungen Gestörter Nachtschlaf La Fileuse endormie Gustave Courbert 26 Hypothese: Entstehung der Narkolepsie Externer Faktor Zellverlust im Gehirn Veranlagung Auto-Immun-Prozess 27
Narkoleptische Einschlafattacke Physiologisch, zu Unzeit Augenbrennen, Gähnen, Ohrensausen, Doppelbilder wenige Min. stets weckbar Erholsam (+ Morgen!) willentlich beeinflussbar häufig in prädisp. Situation ein- bis hunderte pro Tag chronische Schläfrigkeit Automatische Handlungen Schlafdauer/24 h normal! 28 Kataplexie (affektiver Kraftverlust) Def: Plötzlicher allgemeiner Kraftverlust, ausgelöst durch unerwartet starke Gemütsregung, ohne starke Schläfrigkeit und ohne Bewusstseinsverlust. Typische Emotionen (triumphierende Freude etc.) Ausbreitung der Kraftlosigkeit von Gesichtsmuskeln Muskelzuckungen und kurze Atempause möglich keine Bewusstlosigkeit, keine Gedächtnislücke sofortige Erholung, keine Verletzungen wenige im Leben bis hunderte pro Tag 29 Video von Kataplexie 30
Paradoxe Schlafstörung bei Narkolepsie 31 3 Biomarker HLA Marker im Blut DQB1*0602 Hypokretinmangel im Nervenwasser Früher REM-Schlaf (= SOREM) nach Einschlafen 32 Schläfrigkeit/Müdigkeit/Erschöpfbarkeit Jetzt konntest Du doch seit gestern Nachmittag mehr als 10 Stunden Liegen und bist schon wieder müde? 1. Vererbte Hypersomnie mit > 10 Std Schlaf 2. Bei Depression oder Angsterkrankung 3. Chronisches Erschöpfungs Syndrom 33
Tagesschläfrigkeit & Verkehrsunfälle 1-3% gemäss Statistik des Bundesamtes 30 % geben zu, am Steuer eingeschlafen zu sein! (Maycock, J.Sleep Res. 1996) 10-30% aller Verkehrsunfälle! (ausserorts ~ 15%) 20% der tödlichen Unfälle auf deutschen Autobahnen! Kosten pro Jahr in USA: 50 Milliarden Dollar! (Leger, Sleep, 1994) 34 Drive awake arrive alive! Bfu-Informationskamapage 2011-2013 35 Schlafrhythmusstörungen Lebensstil jet lag Schichtarbeit Verschobene Schlafphase 36
Non REM Hell-Dunkel-Zyklus Umgebungslicht Melatoninspiegel im Blut Körpertemperatur Kortisolspiegel im Blut 37 Verschiebung des Schlaf-Wach-Rhythmus Um Schlaf-Wach-Rhythmus verzögern Um Schlaf-Wach-Rhythmus vorzuverlagern 38 PARASOMNIEN Hypnagoge Epi-Anfälle Halluzination PLMS Crampi Enuresis Einschlafzuckungen W REM 1 2 3 4 Konfus. Erwachen Pavor nocturnus Somnambulismus Die Nacht, F.Hodler Berner Kunstmuseum Schlaflähmung Horroträume REM-Verhaltensstör. Cluster-Kopfweh 1 2 3 4 5 6 h 39
Geringe Durchblutung Schlafwandeln Ein Teil des Gehirns schläft ein anderer Teil ist erwacht! Bassetti et al. 2000 40 REM-Schlaf-Verhaltensstörung Die ängstliche Nacht W. Busch Habuh! Da ist er! Steif und kalt, ein Kerl von scheusslicher Gestalt 41 Zsfg: Schlaf-Wach-Syndrome vermehrt vermindert verunstaltet verschoben www.schlafmedizin.ch johannes.mathis@insel.ch 42