Vernehmlassung der Bürgerrechtsverordnung (BüV) zum revidierten Bürgerrechtsgesetz (BüG) vom 20. Juni 2014

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Transkript:

Staatssekretariat für Migration Stabsbereich Recht Quellenweg 6 3003 Bern-Wabern Bern, 16. November 2015 Vernehmlassung der Bürgerrechtsverordnung (BüV) zum revidierten Bürgerrechtsgesetz (BüG) vom 20. Juni 2014 Sehr geehrte Damen und Herren Der Verein humanrights.ch dankt Ihnen für die Möglichkeit, sich zur Verordnung des revidierten Bürgerrechtsgesetzes äussern zu können. Das Bürgerrecht ist im Hinblick auf die Menschenrechte in der Schweiz heute vor allem aus folgenden Gründen von Belang: Erstens ist die Gewährung der politischen Rechte mit dem Bürgerrecht verbunden. Zweitens gelten bei Einbürgerungsverfahren verfahrensrechtliche Grundsätze, die eingehalten werden müssen. Drittens gilt es zu bedenken, dass das Bürgerrecht den einzigen absoluten Schutz vor einer Ausweisung bietet. Schliesslich dürfen Einbürgerungskriterien und deren Umsetzung nicht zur Folge haben, dass Grundfreiheiten der Bundesverfassung beschnitten werden. Erlauben Sie uns daher folgende kritische Bemerkungen. Ein besonderes Augenmerk aus grundrechtlicher Perspektive verdienen die in der Verordnung präzisierten Ausschlusskriterien der Sozialhilfe und des Strafregisters sowie die Loyalitätserklärung. Doch auch andere Einbürgerungskriterien der Verordnung tangieren Grundrechte und Freiheiten der Bundesverfassung. 1

So stellt sich die Frage, ob die Ausschlusskriterien für Sozialhilfebeziehende und Personen mit Eintrag im Strafregister nicht gegen das Grundrecht der Rechtsgleichheit verstossen, da das Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV) ausdrücklich festhält, dass niemand aufgrund der sozialen Stellung in der Gesellschaft welche massgeblich durch die finanziellen Verhältnisse und auch durch die strafrechtliche Vergangenheit einer Person geprägt ist diskriminiert werden darf. Schliesslich legt die Verordnung fest, dass zur «Respektierung der Werte der Bundesverfassung» (Art. 12 Abs. 1 b. BüG) eine Loyalitätserklärung unterzeichnet werden muss, in der Einbürgerungswillige bestätigen, die Werte der Bundesverfassung zu respektieren. Zu diesen Werten gehören gemäss BüV neben den Grundrechten und Pflichten unter anderem die «freiheitlich demokratische Grundordnung» sowie das Recht auf persönliche Freiheit. Doch gerade diese Freiheitsrechte der Verfassung werden durch verschiedene Anforderungen der BüV in Frage gestellt. Ein konkretes Beispiel: Die Umsetzung von Art. 10 Abs. 1 BüV (Eheliche Gemeinschaft), welcher sowohl das «formelle Bestehen einer Ehe sowie eine tatsächliche Lebensgemeinschaft» als auch «der gemeinsame Wille zu einer stabilen ehelichen Gemeinschaft» voraussetzt, riskiert, das Grundrecht auf Schutz der Privatsphäre (Art. 13 BV) zu verletzen. Auffallend ist zudem, dass Einbürgerungswillige mittels einer Loyalitätserklärung bestätigen müssen, dass sie die Bundesverfassung einhalten, während der Gesetzgeber just in ihrem Falle dies im Hinblick auf das Verbot der Diskriminierung aufgrund der sozialen Stellung ausser Acht lässt. Diskriminierung aufgrund der finanziellen Verhältnisse Laut der BüV gilt als integriert, wer am Wirtschaftsleben teilnimmt oder Bildung erwirbt, aber auch, wer genügend Vermögen hat. Ausländerinnen und Ausländer, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, aber über genügend finanzielle Mittel verfügen, sollen gemäss dem Willen des Gesetzgebers nicht von vornherein von einer Einbürgerung ausgeschlossen werden. Dem Kriterium von Art. 12 Abs. 1 d. BüG (Teilnahme am Wirtschaftsleben oder Erwerb von Bildung) liegt gemäss dem erläuternden Bericht zur Verordnung der «Grundsatz der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit» zu Grunde und somit gilt als integriert, wer diesen erfüllt. Gemäss dieser Definition müssten aber auch Schweizer Sozialhilfebezüger/innen als «nicht integriert» gelten, da sie den Grundsatz der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit ebenso wenig erfüllen. Damit geht der Gesetzgeber einen Schritt in Richtung Ausgrenzung und Stigmatisierung von Personen, die Sozialhilfe 2

beziehen. Denn das Kriterium diskriminiert nicht nur Einbürgerungswillige im Sinne von Art. 8 Abs. 2 BV, sondern auch Schweizer/innen aufgrund ihrer sozialen Stellung. Die Gefahr einer Diskriminierung aufgrund der finanziellen Verhältnisse besteht zudem durch Art. 4 Abs. 1 lit. a. und lit. b. der Verordnung, wonach gemäss dem erläuternden Bericht auch «Steuer-, Miet-, Krankenkassen- und Bussenausstände» sowie «generell die Anhäufung von Schulden» Einbürgerungshindernisse darstellen sollen. Nicht zuletzt wird die vorgesehene Regelung der problematischen Praxis Vorschub leisten, dass Gemeinden Kindern von Sozialhilfebezügern/-innen die Einbürgerung regelmässig verweigern, was im Hinblick auf deren Integration nicht wünschbar ist. Diskriminierung aufgrund des Strafregisters Die grundsätzliche Frage, inwiefern der Zugang zum Bürgerrecht als politisches Recht durch andere, soziale oder wirtschaftliche Kriterien eingeschränkt werden darf, stellt sich auch im Hinblick auf das Kriterium der Straffälligkeit. Der Entscheid, einen Eintrag im Strafregister als Ausschlusskriterium bei einer Einbürgerung und somit letztlich auch bei der politischen Mitsprache festzulegen, erinnert ein wenig auch wenn der Sachverhalt ein anderer ist an die Praxis von Grossbritannien, Gefangenen automatisch das Wahlrecht und somit die politische Partizipation zu entziehen. In einem Urteil von 2015 kommt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) jedoch zum Schluss, diese Massnahme verstosse gegen die Menschenrechte von Gefängnisinsassen und sei daher rechtswidrig. Aus dieser Perspektive gibt es keinen Grund, das Kriterium der Straffälligkeit noch auszuweiten, indem künftig nicht nur der private Strafregisterauszug, sondern sämtliche einsehbaren Daten des Strafregisters entscheidend sein sollen. Ausserdem wird künftig eine «besondere Situation» bei Strafurteilen mit einer Landesverweisung bestehen, hält der erläuternde Bericht fest. Dies, weil als Folge der Ausschaffungsinitiative Urteile, die eine Landesverweisung enthalten, «bis zum Tod der betroffenen Person im Strafregister eingetragen» bleiben. Diese Massnahme verstösst klar gegen das rechtsstaatliche Prinzip der Verhältnismässigkeit, weil dadurch gemäss Art. 4 Abs. 3 der Verordnung der Zugang zum Bürgerrecht für die betroffenen Personen auf Lebzeiten verwehrt bleibt. Der erläuternde Bericht hält die Tatsache, dass das Strafregister ein Einbürgerungshindernis darstellen soll, für gerechtfertigt, «da die Einbürgerung als letzter Integrationsschritt die höchsten Anforderungen an die Integration stellen soll.» 3

Gemäss einer aktuellen Studie der Universität Zürich bewirkt eine Einbürgerung jedoch eine verstärkte und beschleunigte, langfristige Integration. Dadurch tritt anstelle des Anspruchs an die Einbürgerung, der «letzte Integrationsschritt» zu sein, die Erkenntnis von Fachkreisen, die Einbürgerung sei im Gegenteil eine unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Die Loyalitätserklärung als Einbürgerung auf Bewährung Um die «Respektierung der Werte der Bundesverfassung» zu gewährleisten, verlangt die Verordnung eine Loyalitätserklärung. Dazu legt die Verordnung eine willkürlich anmutende und abschliessende Auflistung dessen vor, was bei Einbürgerungen als «Werte der Bundesverfassung» gelten soll (Art. 5 Abs. 1 lit. a. - c. BüV): die rechtstaatlichen Prinzipien sowie die freiheitlich demokratische Grundordnung, die Grundrechte wie die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht auf Leben und persönliche Freiheit, die Glaubens- und Gewissensfreiheit sowie die Meinungsfreiheit, und schliesslich die Pflicht zum Militär- oder zivilen Ersatzdienst und zum Schulbesuch. Problematisch ist hier vor allem die Tatsache, dass das Prinzip, wonach Grundrechte den Staat gegenüber Privaten verpflichten, einfach umgekehrt wird, indem sich Einbürgerungswillige zu einigen zufällig ausgewählten Grundrechten der Verfassung bekennen müssen. Zudem führt die Loyalitätserklärung als Grundlage für eine Nichtigerklärung faktisch eine Einbürgerung auf Bewährung ein, da das Bürgerrecht jederzeit wieder entzogen werden kann, wenn «die Bewerberin oder der Bewerber schon im Zeitpunkt der Unterzeichnung der Loyalitätserklärung offenbar die Werte der Bundesverfassung nicht respektiert hat oder nicht gewillt war, sie auch künftig zu respektieren» (Bericht S. 9). Diese Bestimmung ist extrem vage formuliert und lässt Kantonen und Gemeinden einen zu grossen, willküranfälligen Ermessensspielraum. Schliesslich muss festgehalten werden, dass das BüG keine «Loyalitätserklärung» vorsieht, sondern lediglich verlangt, dass die «Respektierung der Werte der Bundesverfassung» gewährleistet ist. Vorläufig Aufgenommene zählen nur halb Willkürlich erscheint nicht zuletzt Art. 33 des BüG, wonach die Aufenthaltsdauer bei vorläufigen Aufnahmen «zur Hälfte angerechnet» wird. Das ist ein politischer Kompromiss, der zu Recht als «rein arithmetisch» kritisiert wird und der den falschen Eindruck erweckt, vorläufig Aufgenommene würden nur halb zur Gesellschaft gehören, nur halb am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen und letztlich nur halb so schnell integriert werden. Hinzu kommt, dass neuerdings bei der Gesuchstellung eine Niederlassungsbewilligung vorausgesetzt wird (Art. 9 Abs. 1 a. 4

BüG), womit der Zugang zum Bürgerrecht für Menschen mit anderen Aufenthaltsbewilligungen ganz erheblich erschwert wird. Assimilation im Namen der Integration auf Kosten der Grundrechte Grundsätzlich halten das Bürgerrechtsgesetz sowie die vorliegende Verordnung viele Einbürgerungskriterien fest, die erfüllt sein müssen, um den Anforderungen der «schweizerischen Lebensverhältnisse» und dem «gesellschaftlichen und kulturellen Leben» (Art. 2 BüV) zu entsprechen. Der erläuternde Bericht erwähnt in diesem Zusammenhang etwa Traditionen und Sehenswürdigkeiten der Schweiz (ehemals «Sitten und Gebräuche») sowie die Mitgliedschaft in einem Verein oder die Teilnahme an Festen und Anlässen. Nun sind diese Kriterien häufig ungenau oder sehr offen formuliert, wodurch ihre Auslegung gerade auf kommunaler Ebene etwa an Gemeindeversammlungen und in Bürgerkommissionen noch willküranfälliger wird. Wären die Kriterien präziser definiert, wäre dies aus grundrechtlicher Sicht jedoch nicht weniger problematisch. Damit würde von Einbürgerungswilligen de facto eine Assimilation an behördendefinierte «schweizerische Lebensverhältnisse», die es so einheitlich gar nicht gibt, verlangt. Dies stünde im Widerspruch zum Selbstverständnis der Schweiz, ein liberaler Rechtsstaat zu sein, der den Bürgern/- innen grundlegende Freiheitsrechte wie etwa das Recht auf persönliche Freiheit (Art. 10 BV), die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 15 BV), die Meinungsfreiheit (Art. 16 BV) sowie die Sprachenfreiheit (Art. 18 BV) garantiert. Einbürgerungskriterien und deren Auslegung, die faktisch eine Anpassung an die «schweizerischen Lebensverhältnisse» verlangen, tendieren dahin, diese liberalen Grundfreiheiten auf unzulässige Weise zu beschneiden. Wir bedanken uns für die Berücksichtigung unserer Anmerkungen und verbleiben mit freundlichen Grüssen Christina Hausammann Co-Geschäftsleiterin 5