Arbeitsmigration und EU- Osterweiterung Fortbildung für BundeslehrerInnen Mag. Johannes Pflegerl
EU- Erweiterung
Wohin wandern MigrantInnen aus MOEL? Quelle: Europäische Kommission (2002): Die soziale Lage in der Europäischen Union, Brüssel, S.23 auf Basis von Arbeitskräfteerhebung 2000
Ängste vor der EU-Osterweitung Hunderttausende werden kommen und unser Land überschwemmen Angst vor massiver Zuwanderung aus den neuen Beitrittsländern durch geographische Nähe der Beitrittsländer zu Österreich
Ängste vor der EU-Osterweitung Die billigen Arbeitskräften, werden uns die Jobs wegnehmen Angst vor negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch Freizügigkeit der Arbeitskräfte Lohndruck Verdrängung österreichischer Arbeitskräfte
Was sagt die Wissenschaft dazu? Forschungsarbeiten der frühen 1990er Jahre gingen tatsächlich von einer hohen Zuwanderung aus mittel- und osteuropäischen Ländern aus Höchste Schätzungen: 680.000 Zuwanderer aus Mittel- und Osteuropa pro Jahr (Brücker Franzmeyer 1997)
Was sagt die Wissenschaft dazu? Kritik an frühen Studien Kritiklose Übertragung früherer Erfahrungen von Süd-Nord Wanderungen in den 60er, 70er und frühen 80er Jahren Nichtberücksichtigung neuer Tendenzen der Migration in Europa Nichteinbezug der Sichtweise von potentiellen MigrantInnen der Kanditatenländer
Schätzung: Jährliche Zuwanderung Land Zahl 1998 2002 nach A, D, EU15 2005 2010 2015 2025 2030 Anteil in % A 103.000 40.547 30.020 17.739 9.972 2.101 286 12,07 D 554.869 218.430 161.720 95.560 53.721 11.320 1.539 65,04 Sons tige 195.259 76.866 56.909 33.627 18.905 3.984 541 22,89 EU 853.128 335.843 248.649 146.926 82.598 17.405 2.366 100 Quelle: Brücker (2001): The Impact of EU Enlargement on Employment and the Labour Markets in the Current MemberStates of the EU: Brussels: European Commission
Formen von Migration aus Osteuropa dauerhaft Migration in EU15 täglich temporär (hauptsächlich Pendelmigration) wöchentlich monatlich Quelle: Dušan Drbohlav Präsentation bei Metropolis Konferenz 17.9.2003 in Wien
Schätzung des Migrationspotentials nach zweijähriger Übergangsfrist durch österreichische ExpertInnen Jährlich (abnehmend) im 1. Jahr Minimum Jährlich Maximum (abnehmend) im 1. Jahr. Durchschnitt Österreich 10.000 40.000 19.000 (davon 50-60% Arbeitskräfte) Insgesamt 150.000 200.000 180.000 (50-60% Arbeitskräfte Insgesamt Arbeitskräfte Minimum (20 Jahre) Insgesamt Arbeitskräfte Maximum (20 Jahre) Durchschnitt Insgesamt Arbeitskräfte + Familie Minimum (20 Jahre) 37.000 200.00 188.000 150.000 800.000 550.000 340.000 Insgesamt Arbeitskräfte + Familie Maximum (20 Jahre) Durchschnitt 1,6. Mill 1 Mill Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wienm S.21
Schätzung österreichischer ExpertInnen über Verteilung der MigrantInnen nach Herkunftsländern Zuwanderung nach Österreich Minimum Maximum Durchschnitt Jährlich (abnehmend) im 1. Jahr: CZ 1.500 4.000 2.900 Jährlich (abnehmend) im 1. Jahr: HU 1.750 9.000 3.500 Jährlich (abnehmend) im 1. Jahr: PL 3.000 11.300 8.300 Jährlich (abnehmend) im 1. Jahr: SLO 300 1.000 580 Jährlich (abnehmend) im 1. Jahr: SK 1.000 7.000 2.900 Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.21f.
Formen von Migration aus Osteuropa Die Tendenz zu pendeln überwiegt die Tendenz dauerhaft zu wandern abelle: Zeitdauer für die Befragte migrieren wollen in % Einige Wochen Einige Monate Einige Jahre Für immer Polen 46 37 18 14 Tschechien 49 44 24 11 Slowakei 56 47 27 10 Ungarn 33 30 20 8 Quelle: Wallace, Claire: IOM Migration Potential Survey, 1998.
Pendelmigration nach Österreich Das langfristige Pendlerpotential im Zuge einer EU-Erweiterung mit 2 jährigen Übergangsfristen wurde von ExpertInnen zwischen 20.000 bis max. 105.000 (Durchschnitt auf 85.000) geschätzt Die 7jährigen Übergangsfristen bewirken nach Schätzungen einen Rückgang um 7000 Personen (Huber 2001)
Trends in der Migration aus Osteuropa Tabelle: Gründe im Heimatland zu bleiben Land P CZ SLVK H Verbindungen zu Familie und Freunden 86 % 89 % 87 % 91% Quelle: Wallace, Claire: IOM Migration Potential Survey, 1998. Starke intergenerationale Familienbande stellen einen stabilisierenden Faktor dar, der die Menschen davon abhält, auf Dauer auszuwandern
Trends in der Migration aus Osteuropa Tabelle: Gründe im Heimatland zu bleiben Land P CZ SLVK H Lebensbedingungen werden sich verbessern 62% 42 % 54 % 65% Quelle: Wallace, Claire: IOM Migration Potential Survey, 1998. Je stärker der Lebensstandard in den osteuropäischen Ländern steigt, desto geringer ist die Bereitschaft der Bevölkerung auszuwandern Quelle: Wallace, Claire: IOM Migration Potential Survey, 1998.
Trends in der Migration aus Osteuropa Tabelle: Gründe im Heimatland zu bleiben Land P CZ SLVK H Gute Jobaussichten im Heimatland 72% 51 % 54 % 53% Quelle: Wallace, Claire: IOM Migration Potential Survey, 1998. Je positiver die Perspektiven der Arbeitssituation im Heimatland betrachtet werden, desto geringer die Bereitschaft zu wandern.
Wo werden sich MigrantInnen aus Mittel- und Osteuropa in Österreich ansiedeln? Quelle: Huber (2001): Migration und Pendeln in Folge der EU Erweiterung, WIFO Wien
Einwanderung von MigrantInnen aus Osteuropa in ausgewählte Westeuropäische Länder Delphi Erhebung, N=15 davon 9 Tschechische ExpertInnen, 2003 Quelle: Dusan Drbohlav(2004): International Migration Patterns in the New Member States. Vortrag gehalten im Rahmen der Konferenz der Europäischen Beobachtungsstel für Soziale Situation, Demographie und Familie Europas kommende Generation am 28.9. 2004 in Brüss
Rechtliche Regelung Übergangsfristen Arbeitnehmerfreizügigkeit Dienstleistungsfreiheit Einschränkung Arbeitnehmerfreizügigkeit 2 + 3 + 2 Jahre Modell Einschränkung Dienstleistungsfreiheit nur für Deutschland und Österreich betrifft in Österreich Baugewerbe, gärtnerische Dienstleistungen, Reinigungsund Sozialdienste sowie Schutzdienste
Einschätzung von ExpertInnen über das Profil der ZuwanderInnen aus den neuen Mitgliedsstaaten der EU Personen mit einer deutlich besseren Ausbildung als Zuwanderer aus den traditionellen "Gastarbeiterländern" (Zustimmung/Mittelwert: 3,5) Personen im Alter zwischen 25 und 40 Jahren (Zustimmung/Mittelwert: 3,36) Personen mit Qualifikationen für "traditionelle" Zuwanderungsberufe (Tourismus/Gastgewerbe, Bau, personenorientierte Dienstl.) (Zustimmung/Mittelwert: 3,29) Hilfskräfte in der Produktion u. im Dienstleistungsbereich (Zustimmung/Mittelwert: 3) Personen mit abgeschlossener Lehre/ Facharbeiterstatus (Zustimmung/Mittelwert: 3) Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.22f.
Einschätzung von ExpertInnen über Auswirkungen der Migration aus MOEL Ländern auf den Arbeitsmarkt Qualifizierte ArbeitnehmerInnen werden relativ gewinnen, unqualifizierte werden relativ verlieren (Zustimmung/Mittelwert: 3,43) Immobile Segmente der Arbeitnehmerschaft werden verlieren (Zustimmung/Mittelwert: 3,43) Erhöhung der Lohnspanne zwischen knappen und im Überfluss vorhandenen Ressourcen (Zustimmung/Mittelwert: 3,33) Vor allem bei ArbeiterInnen geringerer Lohnzuwachs (Zustimmung/Mittelwert: 3,29) Substitution von teuren und älteren ArbeitnehmerInnen (Zustimmung/Mittelwert: 3,29) Kurzfristig leichtes Ansteigen der Arbeitslosigkeit (Zustimmung/Mittelwert: 3,29) Deutliches Ansteigen der Beschäftigung (vorausgesetzt, die Konjunktur zieht wieder an) (Zustimmung/Mittelwert: 3,14) Substitution von ausländischen Arbeitskräften (Zustimmung/Mittelwert: 3) Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.22f.
Einschätzung von ExpertInnen über mögliche allgemeine wirtschaftliche Auswirkungen der Migration aus MOEL Bei Zuwanderung von Personen mit mittleren und höheren Qualifikationen: Erhöhung des Wachstumspotenzials, da Knappheiten an bestimmten Qualifikationen hinausgeschoben werden (Zustimmung/Mittelwert: 3,38) Größere Unternehmen werden entweder direkt (ausländische AN) oder indirekt (grenzüberschreitende Produktionsketten) vom Lohndifferenzial profitieren (Zustimmung/Mittelwert: 3,33) Möglichkeiten zu Synergien durch grenzüberschreitende Kooperation (Zustimmung/Mittelwert: 3,13) (Kleine) Unternehmen ohne entsprechende Management- und Strategiefähigkeiten könnten verlieren (Zustimmung/Mittelwert: 3) Bei Zuwanderung von Personen mit mittleren und höheren Qualifikationen: Verbesserung der Wachstumschancen v.a. in den Ballungszentren (Zustimmung/Mittelwert: 3) Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.22f.
Einschätzung von möglichen regionalen Auswirkungen der Migration aus MOEL Bei starker regionaler Konzentration möglicherweise Probleme in der Ostregion (Zustimmung/Mittelwert: 3,13) Zuwanderung kann für (periphere) Grenzregionen die Möglichkeit bieten, Humankapitaldefizite sinnvoll zu ergänzen (Zustimmung/Mittelwert: 3,13) Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.22f.
Einschätzung von möglichen Auswirkungen auf bestimmte Branchen durch Migration aus MOEL Größeres Arbeitskräfteangebot im Pflegebereich und bei haushaltsnahen Dienstleistungen (Zustimmung/Mittelwert: 3,71) Bei einer Ausweitung des Angebots qualifizierter Arbeitskräfte ergeben sich Wachstumschancen in den Bereichen unternehmensnahe Dienste und Technologie (Zustimmung/Mittelwert: 3,57) Lohndumping im regional agierenden Transportgewerbe im Grenzbereich (Zustimmung/Mittelwert: 3,5) Effekte aus der Konkurrenzierung durch Anbieter aus den Beitrittsländern werden vor allem grenznahe Dienstleister spüren, die nur einen regionalen Marktradius haben (Zustimmung/Mittelwert: 3,43) Betroffen werden vor allem jene Bereiche sein, in denen Anbieter und Nachfrager für die Leistungserbringung zusammenkommen müssen (Einzelhandel, persönliche Dienste, Bau- und Baunebengewerbe) (Zustimmung/Mittelwert: 3,33) Beschäftigte in traditionellen Fremdarbeiterbranchen würden durch einen vermehrten Zustrom der gleichen Qualifikationen unter Druck kommen (Zustimmung/Mittelwert: 3,14) Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.22f.
Einschätzung von möglichen Auswirkungen auf bestimmte Branchen durch Migration aus MOEL Stützung des sozialen Sicherungssystems durch die Zuwanderung junger Personengruppen (Zustimmung/Mittelwert: 3,13 Quelle: Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien S.22f.
Unterstützung für EU Mitgliedschaft der Beitrittsländer 1998 und 2003 im Vergleich 70 60 50 40 30 20 10 0 Schweden Niederlande Finnland Griechenland Spanien Italien Portugal Irland Land EU 15 UK Luxemburg Deutschland Frankreich Belgien 1998 2003 Quelle: Eurobarometer 1998, 2003
Zusammenfassung Zuwanderung aus Mittel- und Osteuropa wird vermutlich geringer sein als vielfach angenommen Gewichtige Gründe im Heimatland zu verbleiben Durch zu erwartenden Bevölkerungsrückgang sinkt das Wanderungspotential Migration aus den neuen Beitrittsländern wird vorwiegend Pendelmigration sein
Zusammenfassung Gründe für den Verbleib im Heimatland Familiäre Bindungen Erwartung einer Verbesserung der Arbeitssituation im Zuges des EU-Beitritts Erwartung eines steigenden Lebensstandards im Zuge des EU Beitritts Besitz im eigenen Heimatland
Literatur Brücker, H., Franzmeyer F (1997): Europäische Union: Osterweiterung und Arbeitskräftemigration, DIW Wochenbericht (5), S.89-96 Brücker (2001): The Impact of EU Enlargement on Employment and the Labour Markets in the Current Member States of the EU: Brüssel: Europäische Kommission Demel, Katharina (2003): Evaluierung der öffentlichen Diskussion über die möglichen migrationspolitischen Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf Österreich und Erstellung eines systematischen Informationskataloges, ICMPD, Wien Drbohlav, Dušan (2003): Migration Trends linked to EU Enlargement. Präsentation bei Metropolis Konferenz 17.9.2003 Wien Drbohlav, Dušan (2004): International Migration Patterns of Migration in the New EU Member States. Vortrag gehalten beim Annual Seminar of the European Observatory on the Social Situation, Demography and Family 2004 28.9. 2004 in Brussels Europäische Kommission, Generaldirektion Beschäftigung und Soziales (2002): Die soziale Lage in der europäischen Union: Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften European Commission (1998) Eurobarometer. Public Opinion in the European Union. Report Nr. 49. Brussels: European Commission European Commission (2003) Eurobarometer. Public Opinion in the European Union. Report Nr. 58. Brussels: European Commission Huber, Peter (2001): WIFO, Monatsberichte 11/2001, S. 667-676 International Organisation for Migration (1998): Migration Potential in Central and Eastern Europe: Genf: Internationale Organisation für Migration Statistik Austria: Präsentation erster Ergebnisse der Volkszählung 2001, 7. November 2001, Wien