Gesellschaftsverträge und Unternehmensbewertung Wien, 18. Oktober 2016 Dr. Stephan Frotz Frotz Riedl Rechtsanwälte
Stephan Frotz Rechtsanwalt seit: Fachgebiete: 1987, Österreich Unternehmens-, Gesellschafts- und Bankrecht einschließlich M&A Tel: +43 1 890 85 90 10 Fax: +43 1 890 85 90 88 E-Mail: s.frotz@frra.at Lehrtätigkeiten: Vortragender zu Zivil-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Publikationen (Auszug): "Grenzüberschreitende Verschmelzung", Praxiskommentar, Lexis Nexis (zweite Auflage 2012); "Aufgaben des Aufsichtsrats", Handbuch für den Aufsichtsrat (2010); "Interessenskonflikte im Aufsichtsrat", Handbuch für den Aufsichtsrat (2010); "Bilanzpolizei: Das neue Rechnungslegungs-Kontrollgesetz", RdW 2013/118; "Zur Widerrufbarkeit von Nachstiftungen", in FS Hellwig Torggler (2013) 271; "Die Haftung des Abschlussprüfers ", RechtsBlatt 2013/17/01; "Erwerb eigener Aktien und Wertpapierleihe", RdW 2014/275; "Gesellschaftsrechtliche Aspekte von Cash-Pooling-Verträgen in Österreich", in Polster, Handbuch Cash Pooling (2016) 73; Unvertretbare Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände ( 163a StGB), RWZ 2016, 45; "Zur fehlerhaften Organbesetzung", Festheft für Heinz Krejci zum 75. Geburtstag, GesRZ 2016, 91. Sprachen: Deutsch, Englisch, Französisch 2
Anlassfälle zur Unternehmensbewertung Gesellschaftsrecht Erwerb und Veräußerung von Unternehmen und Unternehmensteilen Ein- und Austritt von Gesellschaftern zwangsweises Ausscheiden eines Gesellschafters Vorkaufs- und Aufgriffsrecht Call-/Put- Option Umgründungen (Verschmelzung, Abspaltung zur Aufnahme) Sach- und bei Bezugsrechtsausschluss Barkapitalerhöhungen Börseneinführung Übernahmerecht 3
Exekutionsrecht Anlassfälle zur Unternehmensbewertung exekutive Verwertung von Geschäftsanteilen durch Zwangsversteigerung oder freihändigen Verkauf Erbrecht Feststellung von Pflichtteilsansprüchen Erbteilung Bewertung nachlasszugehöriger Gesellschaftsanteile Insolvenzrecht Verwertung von Unternehmensteilen 4
Abfindungsklausel Gestaltungsmöglichkeiten dispositives Recht ( zwingend: 2 Abs 2 Z 3 UmwG, 2 GesAusG, 9, 11 SpaltG, 234b und 244 AktG) Instrument zur Streitvermeidung, Vereinfachung und uu Beschleunigung des Ausscheidensprozesses, zur Sicherung des Fortbestehens, Erzielung einer Verhaltenssteuerung (Rationalisierungs- Schlichtungs- und Kapitalsicherungsfunktion) auch bei nicht börsenotierten AGs mit Namensaktien in der Satzung in Form eines Vorkaufs- und Aufgriffsrechts zulässig (6 Ob 28/13f) inhaltlicher Gestaltungsspielraum Nominale Buchwert Substanzwert gemischt, Wiener Verfahren Ertragswert 5
Gestaltungsmöglichkeiten mangels Regelung im GV steht dem ausscheidenden Ges nach der hm (zuletzt zb Artmann, Umfahrer) der objektive Verkehrswert des Anteils als Abfindung zu Grenzen der Gestaltungsfreiheit maßgebliche Schranke: 879 Sittenwidrigkeit Verstoß gegen zwingende gesetzliche Vorschriften oder außergesetzliche Regelungen, die dazu dienen, ein Minimum an Chancengleichheit zwischen den verbleibenden Ges einerseits und dem ausgeschiedenen Ges, seinen Erben und Gläubigern andererseits zu gewährleisten. ansonsten müssen aber nicht alle Fälle des Ausscheidens gleich behandelt werden 6
Anlass des Ausscheidens entscheidend freiwillig zwangsweise Vorliegen wichtiger Gründe Gänzlicher Ausschluss des Abfindungsanspruchs Gestaltungsmöglichkeiten ha grds nur für den Fall des Todes aller oder bestimmter Ges zulässig bei Ausschluss aus wichtigem Grund str Teil der Lehre: ausnahmsweise als Vertragsstrafe zulässig (Mäßigung der Vertragsstrafe nach 1336 Abs 2 ABGB muss möglich sein) freiwillige Kündigung durch den Gesellschafter str sonst unwirksam 7
Verminderte Abfindung Gestaltungsmöglichkeiten hm Buchwert(-und Substanzwert-)klauseln (als tatsächliche Untergrenze) grds zulässig Chancengleichheit muss gewahrt bleiben maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt grds ist für Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Abschlusszeitpunkt maßgeblich bei Vereinbarung der Buchwertklausel (va bei Gesellschaftsgründung) liegt jedoch meistens keine Sittenwidrigkeit vor, weil Buchwert und Verkehrswert ident sind keine Judikatur Teil der Lehre (ua Koppensteiner, Karollus) übernimmt die Kriterien des BGH: ergänzende Vertragsauslegung auf Grundlage des Rechtsmissbrauchsverbots gemäß 1295 Abs 2 ABGB, bei nachträglicher Abweichung von mehr als 50 % (ablehnend Rüffler) 8
Gestaltungsmöglichkeiten Kriterien des BGH zur ergänzenden Vertragsauslegung Grundsatz von Treu und Glauben ( 242 BGB) "Es gehe darum, ob die Parteien, wenn sie die Entwicklung des Unternehmenswertes vorausgesehen hätten, es gleichwohl bei der getroffenen Regelung belassen hätten oder ob sie bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner jener Entwicklung durch eine anderweitige Bestimmung Rechnung getragen hätten" Kriterien Abweichung zwischen Abfindungsbetrag und Verkehrswert Umstände des konkreten Falles Dauer der Mitgliedschaft des Ausscheidenden, sein Anteil am Aufbau und Erfolg des Unternehmens und der Anlass seines Ausscheidens (ua BGHZ 150, 319) Rechtsfolge keine Abfindung zum vollen Ertragswert, sondern eine die von den Parteien vereinbart worden wäre 9
laesio enormis Gestaltungsmöglichkeiten Ausschluss nur unter Unternehmern zulässig (Ges Unternehmer) Beurteilungszeitpunkt: Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (zuletzt 7Ob59/14y, sowie Gruber in Kletečka/Schauer) nach Kalss ist laesio enormis (zumindest bei Familienunternehmen) auf Gesellschaftsverträge nicht anwendbar, weil dem Gesellschaftsvertrag der synallagmatische Charakter fehlt die Vereinbarung der "besondere Vorliebe" gemäß 935 ABGB schließt laesio enormis zwar nicht aus, die Rechtsfolge dieser Vereinbarung liegt aber in der Nichtanwendbarkeit von 934 ABGB die besondere Vorliebe ist nicht allein auf einen zu teuren Erwerb gerichtet, sondern erfasst auch die zu billige Veräußerung zb Sicherung der dauerhaften Erhaltung eines Familienunternehmens 10
Auszahlungsmodalitäten Ratenzahlung grds zulässig Gestaltungsmöglichkeiten Vereinbarungen über Fristenlauf, Verzinsung und Wertsicherung dürfen den Abfindungsanspruch nicht völlig entwerten überall dort, wo ein gänzlicher Ausschluss unter Sittenwidrigkeitsapekten unproblematisch ist, sind auch Einschränkungen der Auszahlungsmodalitäten möglich Abfindungszeiträume bis zehn Jahren werden per se nicht für unzulässig angesehen 11
Verminderte Abfindung im Insolvenzfall hm konkursfest Gestaltungsmöglichkeiten zuletzt 6 Ob 35/16i (vgl auch OGH 6 Ob 142/05h) werden Abfindungsbeschränkungen einzig für den Konkursfall des Ges vereinbart Verstoß gegen Verbot der Gläubigerbenachteiligung, daher sittenwidrig und folglich nichtig. Welche Ausscheidungsfälle vergleichbar sind, sagt der OGH nicht Kündigung eines Ges laut OGH nicht vergleichbar Rspr in Deutschland Ausschluss aus sonst wichtigem Grund oder der Ausschluss aus einem in der Person des Ges gelegenen Grund werden als vergleichbar angesehen 12
Gestaltungsmöglichkeiten Abfindung und Pflichtteilsrecht bei Personengesellschaften der Abfindungsanspruch fällt in den Nachlass Buchwertklauseln zulässig gänzlicher Ausschluss im Todesfall nach hm (ua Schauer) zulässig Nach der Jud: entgeltliches Geschäft (Kritik in der Lehre) aber 10 Ob 34/97s: "Pflichtteilsansprüche dürfen grds nicht geschmälert werden" 781 Abs 2 Z 6 idf ErbRÄG 2015 "Als Schenkung ids gelten auch jede andere Leistung, die nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleichkommt" ErlRV: zb einseitig begünstigende Nachfolgeregelungen in GV Schauer: Regelungen in Gesellschaftsverträgen können (nunmehr) Qualität eines unentgeltlichen Geschäfts haben 13
Gestaltungsmöglichkeiten Abfindung und Pflichtteilsrecht bei Kapitalgesellschaften der Gesellschaftsanteil fällt in den Nachlass Höhe der Abfindung kann bis zur Sittenwidrigkeit reduziert werden Ausschluss des Abfindungsanspruchs nach hm (ua Schauer) zulässig zusätzlich zu den gesellschaftsrechtlichen Grenzen sind die erbrechtlichen Grenzen der Anerkennung des Pflichtteilsrechts zu beachten zwingende Ansprüche auf den Pflichtteil müssen aus anderen Vermögensmassen des Erblassers befriedigt werden können 14
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Dr. Stephan Frotz Frotz Riedl Rechtsanwälte Schottengasse 10/12 1010 Wien T +43 (1) 890 85 90-10 F +43 (1) 890 85 90-88 s.frotz@frra.at www.frra.at