Erstellt:25. Juli 2016 Christian Reiß HMAV c.reiss@ekbo.de Frage: Welche Aufgaben hat die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach 51 MVG-EKD. Grundsätzliches: Im Anwendungsbereich des 51 MVG-EKD treffen staatliches und kirchliches Recht aufeinander. Das Schutzrecht für schwerbehinderte Menschen (SGB IX) gilt grundsätzlich auch für kirchliche Arbeitgeber. Sie haben daher den besonderen Kündigungsschutz schwerbehinderter oder gleichgestellte Arbeitnehmer gemäß 85 ff SGB IX zu beachten und sie unterliegen der Verpflichtung schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen ( 81 Abs. 3 SGB IX). Sie haben gemäß 81 Abs. 1 SGB IX vor jeder Stellenbesetzung zu prüfen, ob diese mit Schwerbehinderten, insbesondere beim Arbeitsamt gemeldeten Schwerbehinderten, besetzt werden kann. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung berechtigt die Mitarbeitervertretung, bei einer Einstellung die Zustimmung zu verweigern. Die Regelungen des SGB IX, die zum Schutz der Arbeitsverhältnisse schwerbehinderter Beschäftigter und ihrer Eingliederung in den Arbeitsprozess dienen, stellen ein für alle geltendes Recht dar, dass auch bei Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts der Kirchen zwingend gilt. Dies betrifft allerdings nicht die Bestimmung des SGB IX über die Schwerbehindertenvertretungen, diese sind auf Kirchen und deren Einrichtung nicht anwendbar. Diese Lücke hat die Kirche im Rahmen ihres Selbstregelungsrechts geschlossen, indem sie durch eigenes Recht die Vertrauensperson der Schwerbehinderten etabliert hat. Die praktische Umsetzung dieser Vorgabe ist mit dem 51 Abs. 1 MVG-EKD und der dort dynamischen Verweisung auf das staatliche Recht geschehen. Der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden dieselben Aufgaben zugewiesen, wie der Schwerbehindertenvertretung nach staatlichem Recht gemäß 95 Abs. 1 SGB IX. Allerdings erhalten die folgenden Absätze eine ganze Reihe von Einschränkungen, die der allgemeinen Verweisung vorgehen, so MVG-EKD 51 Aufgaben der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen SGB IX
dass die Bezugnahme faktisch auf die Rechte aus 95 Abs. 1 SGB IX beschränkt bleibt. Die Abs. 2-4 des 51 MVG-EKD enthalten im Vergleich zum 95 SGB IX weitaus weniger Beteiligungsrechte für die Vertrauensperson der Schwerbehinderten. Welche Auswirkungen dies auf die Aufgaben der Vertrauensperson der Schwerbehinderten hat will ich im Folgenden kurz erläutern. SGB IX Sachlage: Die Vertrauensperson hat die Einhaltung der Schutzvorschriften für schwerbehinderte Menschen zu überwachen. Die Vertrauensperson der Schwerbehinderten hat daher insbesondere zu überwachen, ob der Arbeitgeber die Mindestbeschäftigungsquote für Schwerbehinderte einhält ( 71 SGB IX); bei der Besetzung freier Arbeitsplätze ernsthaft und sorgfältig prüft, ob diese mit Schwerbehinderten besetzt werden können ( 81 Abs. 1 SGB IX); den Sonderkündigungsschutz Schwerbehinderter beachtet ( 85 ff SGB IX); die besonderen Schutzrechte der Schwerbehinderten beachtet. Weiterhin sind, die Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen ( 95 Abs. 1 S. 1 SGB IX), die Beratung und Hilfestellung für schwerbehinderte Beschäftigte ( 95 Abs. 1 S. 1 SGB IX), die Beantragung dienender Maßnahmen ( 95 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB IX), die Entgegennahme von Anregungen und Beschwerden und ihre Verfolgung ( 95 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB IX), sowie deren Unterstützung bei Anträgen auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung, einer Schwerbehinderung bzw. auf Gleichstellung ( 95 Abs. 1 S. 3 SGB IX) und die Leistung von Beistand bei der Einsichtnahme in die Personalakte ( 95 Abs. 3 S. 1 SGB IX) als Aufgaben der Vertrauensperson der Schwerbehinderten zu nennen. Die in 51 Abs. 3 MVG-EKD nur Generalklausel artig formulierten Beteiligungspflichten des Dienstgebers finden ihre Konkretisierung im SGB IX.
Hiernach hat der Dienstgeber die Vertrauensperson bei der Besetzung von Arbeitsplätzen ( 81 Abs. 1 SGB IX), bei Verhandlung und beim Abschluss von Integrationsvereinbarungen ( 83 SGB IX), bei Maßnahmen im Rahmen von Konfliktpräventionen und vor Ausspruch von Kündigungen ( 87 Abs. 2 SGB IX), sowie im Rahmen von Aufhebungsvereinbarungen zu beteiligen. Nach 51 Abs. 5 MVG-EKD hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht an allen Sitzungen der Mitarbeitervertretung teilzunehmen. Zugleich hat die Vertrauensperson hiernach in Bezug auf die Mitarbeitervertretung aber auch Kontrollbefugnisse, die bis hin zu der Möglichkeit reichen, die Aussetzung von Beschlüssen der Mitarbeitervertretung zu beantragen, was dann deren schwebende Unwirksamkeit zur Folge hat. Dies ist im Grunde auch das einzige Instrumentarium, das die Vertrauensperson der Schwerbehinderten hat, um auf die Willensbildung der Dienststellenleitung bzw. die faktische Umsetzung der von ihr getroffenen Entscheidung einwirken zu können. 2 Die Vertrauensperson kann die Durchführung bzw. nicht Durchführung bestimmter Maßnahmen nicht unmittelbar erreichen. Sie auf die Mithilfe der Mitarbeitervertretung angewiesen. Abweichend von 95 Abs. 2 SGB IX enthält das MVG-EKD keine Regelung, mit der das Information und Anhörungsrecht der Vertrauensperson der Schwerbehinderten IX geschützt würde. Die in 95 Abs. 2 Satz 2 SGB vorgesehene Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung oder der Durchführung einer ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung getroffene Entscheidung ist nicht in das MVG-EKD übernommen worden. Sie kann allerdings nach 24 Abs. 3 Satz zwei MVG-EKD verlangen, dass die MAV Angelegenheiten der Schwerbehinderten auf ihre Tagesordnung setzt, wenn die Behandlung des Gegenstandes keinen Aufschub duldet. Besonders interessant für die Vertrauensperson der Schwerbehinderten sind die Beteiligungsrechte im Bewerbungsverfahren. Nach 51 MVG-EKD Abs. 1 achtet die Vertrauensperson der Schwerbehinderten darauf, dass die Rechte der Schwerbehinderten nach 95 Abs. 1 SGB IX eingehalten werden. Im 95 SGB IX wird auf den 81 SGB IX
verwiesen, dort sind die Pflichten des Arbeitgebers und Rechte der Schwerbehinderten Menschen aufgeführt. Bei der Prüfung ob freier Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen besetzt werden können, hat nach der oben genannten Gesetzgebung der Arbeitgeber die Pflicht, die Schwerbehindertenvertretung nach 95 Abs. 2 SGB IX zu beteiligen. Danach hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und Teilnahme an Vorstellungsgesprächen (auch nicht behinderter Bewerber). Da die Bestimmung des 95 Abs. 2 SGB IX fast deckungsgleich mit dem 51 Abs. 3 MVG-EKD sind, gehört zu einer rechtzeitigen umfassenden Unterrichtung vor einer Entscheidung auch die Möglichkeit zur Teilnahme an den Bewerbungsgesprächen. Diese Rechtsauffassung wird auch durch den Berliner Kommentar zum MVG-EKD ( 51 MVG-EKD Rn. 18) und einen Aufsatz von Dirk Blenz in der Zeitschrift ZMV 2/2010 Seite 61 Nummer 1 Buchstabe C bestätigt. Fazit: Die rechtlichen Regelungen, die die Bildung, die Rechtsstellung und die Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung im Bereich der Kirche und der staatlichen Gesetzgebung zum Gegenstand haben weisen Unterschiede, aber überwiegend Gemeinsamkeiten auf. Die Aufgaben der Vertrauensperson der Schwerbehinderten wird im 51 MVG-EKD durch die dynamische Anpassung im Abs. 1 an das staatliche Recht nach 95 SGB IX Abs. 1 angepasst. Die Beteiligungsrechte der Vertrauensperson der Schwerbehinderten werden allerdings durch die folgenden Absätze des 51MVG-EKD beschnitten. Die Durchführung oder Vollziehung einer ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung getroffene Entscheidung kann durch diese nicht ausgesetzt werden. Hier hat die evangelische Kirche durch ihr Selbstbestimmungsrecht im MVG eine eigene Regelung getroffen. Nach 51 MVG-EKD Abs. 5 kann die Vertrauensperson Ihre Beteiligungsrechte nur über die Mitarbeitervertretung geltend machen. Hinsichtlich der Schutzbestimmungen der schwerbehinderten Mitarbeiterin und Mitarbeiter im kirchlichen Raum kann man von einer weitest gehenden Annäherung der entsprechenden Normen des SGB IX und des MVG-EKD sprechen. Unterschiede gibt es allerdings hinsichtlich der mitbestimmungsrechtlichen Regelungen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitervertretung und der
Vertrauensperson für Schwerbehinderte kann diesen Mangel teilweise beseitigen. Die sehr allgemein gehaltenen Aufgaben der Vertrauensperson der Schwerbehinderten in 51 MVG-EKD Abs. 3 lassen aus meiner Sicht einen großen Spielraum, um die Beteiligungsrechte einzufordern und zu ermöglichen, die sich aus dem SGB IX ergeben. Lediglich dort wo durch kirchliches Recht konkrete Regelungen getroffen sind, kann ein direkter Bezug zum SGB IX nicht hergestellt werden. Dies wurde auch vom Kirchengerichtshof der EKD in einem Urteil so entschieden. RECHTSHINWEIS: Ausdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass diese Auskunft keine Form direkter Rechtsauskunft, einen juristischen Rat oder eine rechtverbindliche Aussage darstellt. Dies kann nur eine entsprechender Anwalt oder ein Jurist Ihnen ggf. geben. Wir haben hier lediglich eine Informationssammlung für Ihre interne Nutzung zusammengestellt, die sich implizit auf die von Ihnen gestellte Frage bezieht. Ich hoffe, dass mit dieser ausführlichen Antwort Ihre Anfrage etwas beantwortet wurde. Gern steht Ihnen die HMAV für weitere Fragen und ggf. Informationen zu diesem oder einem anderen Thema zur Verfügung. Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auf unsere Website http://www.hmav.ekbo.de und dort dem umfangreichen Materialbereich, wo sich vielfach Handouts und Dokumente zu verschiedenen Themen der MAV-Tätigkeit finden lassen. 4