Manfred Eckert: Vorlesung: Geschichte der Berufserziehung und der Berufspädagogik Entwurf eines Vorlesungsplans
Warum Geschichte? Friedrich Nietsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie zitiert einleitend Goethe: Übrigens ist mir alles verhaßt, was mich Übrigens ist mir alles verhaßt, was mich bloß belehrt, ohne meine Tätigkeit zu vermehren oder unmittelbar zu beleben
Nietzsche: In dreierlei Hinsicht gehört die Historie dem Lebendigen: sie gehört ihm als dem Tätigen und Strebenden, ihm als dem Bewahrenden und Verehrenden, ihm als dem Leidenden und der Befreiung Bedürftigen. Dieser Dreiheit von Beziehungen entspricht eine Dreiheit von Arten der Historie: eine monumentalische, eine antiquarische und eine kritische
Historische Reflexion und Professionalität Der Handwerker, der Techniker, der Dienstleister: Leistungen für andere (nach weitgehend fremden Vorgaben) erbringen Der Professionelle und sein gesellschaftliches Mandat (Leistungen für andere erbringen, aber selbst in die politische Diskussion um die Normen, Vorgaben und Standards eingreifen können) Der Lehrer als Jobber, als (Sozialisations- oder Lern-)Techniker oder professioneller Agent mit einem besonderer gesellschaftlichen Auftrag?
Historische Reflexion und gesellschaftliches Handeln. Normenbegründung und Ideologiekritik Beispiele: Wer in der Schule viel lernt, kommt im Leben besser zurecht In der beruflichen Bildung geht es darum, für das Fachliche eines Berufs viel zu lernen Die Lernorte müssen möglichst gut aufeinander abgestimmt sein. Je höher die soziale Anerkennung einer Schule, umso größer sind die Leistungsanforderungen.
Historische Reflexion und Selbstreflexion Den eigenen Standort historisch begreifen können Die Genese der pädagogischen Institution erkennen Abläufe einschätzen können Eigenes Handeln im historischen Kontext interpretieren können
Der Vorlesungsplan
1.Vorlesung Die Geschichte der Berufserziehung im Überblick: die handwerklich-ständische Berufserziehung; die Berufserziehung des 19. Jahrhunderts zwischen Zunftordnung und Gewerbefreiheit, die industrielle Berufsausbildung und die Entstehung der Berufsschule im 20. Jahrhundert.
2. Vorlesung 03.11. Berufserziehung als Zunfterziehung: Soziale Integration durch das geregelte Zusammenleben im Meisterhaushalt und in der Werkstatt, berufliche Qualifizierung. Methode: das Imitatio-Prinzip (Vormachen/ Nachmachen). Gelernt wird (nur!), was in der Praxis unmittelbar vorkommt (Vorteile, Nachteile, aktuelle Bezüge). Die Zunft reguliert und begrenzt die Produktionsweisen und die Produktionsver-hältnisse und sichert damit soziale Stabilität (Problem: Regulierung oder Deregulierung?).
3. Vorlesung Verschulung der Berufserziehung. Welche Merkmale kennzeichnen Schule? Welche Vorund Nachteile bietet Lernen in Schule gegenüber Lernen in der betrieblichen Praxis? Charakteristika des Lernens an verschiedenen Lernorten. Probleme der Verschulung von Lernen und der Entschulung des schulischen Lernens. Die Verselbständigung von Schule und ihre relative Autonomie gegenüber gesellschaftlichen Anforderungen. Der heimliche Lehrplan der verdeckten Sozialisationsleistungen hinter dem Rücken der pädagogischen Programme. Funktionen von Schule: Qualifikation/Selektion/soziale Integration.
4. Vorlesung Gewerbeförderung und Gewerbepolitik: Zunftförmig organisierte Produktionsweisen begrenzen den wirtschaftlich-technischen Fortschritt und erzeugen soziale Stabilität. Gewerbeförderung zielt entgegengesetzt auf Innovation und wirtschaftlichen Fortschritt. Gewerbeförderung ist auch berufliche Qualifizierungspolitik. Das Qualifikations- problem: welche Qualifikationen sollen vermittelt werden? Aufklärung als Beherrschung der Natur. Systematische Erzeugung und Vermittlung von naturwissenschaftlichem und technologischem Wissen. Beispiel: Die Ecole Polytechnique. Das Modell der Produktionsschulen in Frankreich und Russland. Die Entstehung eines marktförmigen Modells in England.
5. Vorlesung Verschulung der Berufserziehung Theorien zur Entstehung von Schulen: Qualifikationsdefizite, Integrations- und Sozialisationsdefizite/soziale Selektion und Differenzierung/die Aktivität politischer Interessengruppen/Sozialisationsleistungen aufgrund des Zusammenhangs von sozialer und kultureller Reproduktion. Dargestellt am Beispiel der Fortbildungsschule und der Berufsschule.
6 Vorlesung Die Entstehung des Schulsystems im 19.Jahrhundert: Gymnasien, Realschulen, Bürgerschulen und Provinzialgewerbeschulen. Gymnasiierung und Akademisierung von Schultypen, die sich am Beruf orientieren (Realschulen/Realgymnasien, Provinzialgewerbeschulen/ Oberrealschulen, Berliner Gewerbeinstitut)
7/8. Vorlesung Die Legitimation pädagogischen Handelns: Bildungstheorie Der Entwurf einer aufgeklärten bürgerlichen Gesellschaft. Kulturkritik. Der Neuhumanismus und die Kontroverse mit dem Philanthropismus Die Bedeutung von Bildungstheorie heute
9. Vorlesung Berufsbildungstheorie: Der bildungstheoretische und organisatorische Vater der Berufsschule : Georg Kerschensteiner Reformpädagogik und Arbeitsschule Andere berufsbildungstheoretische Zugänge. Schlüsselqualifikationen oder Kompetenzen als neue bildungstheoretische Ansätze?
. 10 Vorlesung: Berufsbildungstheorie im Kontext geisteswissenschaftlicher Pädagogik: Eduard Spranger: Beruf, Kultur, Lebenswelt
11. Vorlesung Geschichte der Berufsschullehrer, ihrer Ausbildung und ihre Professionalisierung. Professionalisierungstheorie.
12. Vorlesung Didaktische Problemfelder in der Geschichte der Berufsschule und der betrieblichen Ausbildung: Das Kunde-Prinzip Die Reichslehrpläne und die Anlehnung des Berufsschullehrplans an die Betriebspraxis Das Prinzip des Exemplarischen Wissenschaftsorientiertes Lernen Handlungsorientiertes Lernen, Lernfelder und selbstorganisiertes Lernen Quali-Bausteine/Module und Individualisierung
13. Vorlesung Zusammenfassung: Was Sie hier lernen sollten (entfällt)
BA-Klausur Geplant: in der Woche nach dem Vorlesungsende, in diesem Raum zur gleichen Zeit: