KÜNDIGUNGSMANAGEMENT IN

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Transkript:

KÜNDIGUNGSMANAGEMENT IN DEUTSCHEN KRANKENVERSICHERUNGEN JOACHIM BÜSCHKEN MARCUS GROPP 1

Joachim Büschken und Marcus Gropp Kündigungsmanagement in deutschen Krankenkassen STUDIE EINER KURZ-BEFRAGUNG UNTER DEUTSCHEN KRANKENVERSICHERUNGEN MIT FALLSTUDIE ZUM THEMA: EFFEKTE DER KÜNDIGUNGSRATE AUF DEN HAUSHALT EINER KRANKENKASSE Abstract Diese Studie befasst sich mit dem Thema Kündigungsmanagement bei deutschen Krankenversicherungen. Im Zentrum der Untersuchung stand die Fragestellung in wie Weit das Thema Kündigung ein Problem in diesem Markt darstellt, bzw. wie die Kassen mit dieser Problematik umgehen. Der vorliegende Beitrag reiht sich in die aktuelle Forschung des Lehrstuhls zum Thema Kundenwertmanagement ein. Die Autoren argumentieren in diesem Zusammenhang, dass der wertorientierte Kundenmanagement Ansatz einen Beitrag zur Stabilisierung der Beitragssätze haben kann. Diesbezüglich wird im Anschluss der Studie ein Fallbeispiel über die finanziellen Auswirkungen der Kündigung diskutiert. Stichprobe Von den über 350 in Deutschland existierenden Krankenversicherungen wurden 00 private und gesetzliche im März 005 angesprochen. Der Fokus lag dabei auf den gesetzlichen Kassen. Insgesamt konnten Krankenkassen mit über 11.1 Mio. Mitgliedern untersucht werden. Private GKV 6 Anzahl und Art der Befragten Versicherungen Private 3.6 GKV 7.6 Anzahl der Versicherten in Millionen In der aktuellen politischen Diskussion geraten die Krankenkassen im Bezug auf die Senkung der Beitragssätze unter Druck. Eine Kasse kann jedoch nur Ihre Beiträge senken, wenn Sie einen stabilen und soliden Haushalt vorweisen kann. Da die Krankenkassen im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen ihre kundenbezogenen Einnahmen und Ausgaben nur geringfügig steuern können, gestaltet sich die Optimierung der Beitragssätze als äußerst schwierig. Ein Instrument, welches zur Stabilisierung der Beitragssätze und damit zur Konsolidierung der Haushalte eingesetzt werden kann, ist das wertorientierte Kundenmanagement. Unter Kundenwertmanagement verstehen wir die profitable Kundenbearbeitung in Marketing und Vertrieb. Zentrales Instrument ist die Berechnung des Kundenwertes. Der Kundenwert umfasst die aktuellen und zukünftigen Erträge und Ausgaben der Kunden. Dabei kann mit Hilfe verschiedener Verfahren und Parameter auch das Potential der Kunden bestimmt werden. Anhand dieses Wertes lassen sich nicht nur die Marketinginstrumente ausrichten, sondern auch die Unternehmensstrategie. Ein entscheidender Aspekt im Rahmen des Kundenmanagement ist die Kündigungsrate. Die Abwanderung von Kunden hat einen entscheidenden Einfluss auf die Stabilität von Unternehmen. Für das Kundenmanagement ist es deshalb wichtig zu wissen, wie sich die Kündigungsraten entwickeln und welche Kunden mit welchem Wert abwandern. Im Mittelpunkt dieser Studie steht das Thema Kündigungsmanagement. Ziel der Untersuchung war es, einen Überblick über dieses Thema im Krankenkassenmarkt in Deutschland zu erhalten. Die Untersuchung hat keinen Anspruch auf Repräsentativität. Schwerpunkte der Fragestellungen waren die: Kündigungsrate Kündigungsgründe Maßnahmen des Kundenmanagement Instrumente der Kündigungsprognose Nach Darstellung der Ergebnisse, sollen in diesem Beitrag die Effekte der Kundenabwanderung anhand einer Fallstudie verdeutlicht werden. Dabei werden am Beispiel einer fiktiven Krankenkasse die finanziellen Auswirkungen der Kündigungsrate analysiert.

k.a. >6.01% 5.01-6.0% 1.01-5.0% 3 3.01-.0%.51-3.0% Anzahl der Kassen.01-.5% 1.51-.0% 1.01-1.5% 0.0-1.0% 6 Abbildung : Kündigungsraten (in Klassen) Umzug Sonstiges Leistungserstattung Arbeitgeberwechesel Beitragssatz Service.1 3.8 3.6 3.60 3.07 1.5 Abbildung 3: Durchschnittlich wichtigste Kündigungsgründe (Rangfolge:1-6) Kündigungsverhalten Zunächst soll das Kündigungsverhalten der Versicherten betrachtet werden. Die Kündigungsraten, weisen eine Vielzahl verschiedener Werte auf, welche in Abbildung zu Klassen zusammengefasst wurden. Auch wenn der überwiegende Teil der Befragten moderate Abwanderungsraten zu verzeichnen hat, gibt es jedoch auch Versicherungen mit 7% bzw. 8% Kündigungsrate. Im Bezug auf die Entwicklung der Kündigungsrate berichten Dreiviertel der Kassen von einer stabilen bis sinkenden Kündigungsentwicklung, während 0% der Kassen von steigenden Kündigungszahlen betroffen sind. Die Kündigungsgründe überraschen nicht, wie Abbildung 3 zeigt: Die wichtigsten Gründe für eine Kündigung sind demnach der Beitragssatz gefolgt vom Arbeitgeberwechsel und den Leistungserstattungen. Die Sonstigen Gründe bestehen aus einer Vielzahl von Aussagen. Häufig wird der Wechsel zur privaten Versicherung angegeben. Auch servicebezogene Argumente wie die fehlende Ortsnähe wurden genannt. Entscheidend ist, dass die Kunden wechseln, welche einen Beitrags-Leistungsvorteil haben. Der individuelle Kundenwert ist also positiv. Mit einer Abwanderung verschlechtert sich der gesamte Kundenwert dieser Kassen. Verbunden mit den Kündigungsgründen sind die Wechselziele: Hauptsächlich werden die betrieblichen Krankenkassen mit niedrigerem Beitrag oder private Krankenversicherungengenannt. Obwohl diese Ergebnisse nicht überraschen, sollten keine voreiligen Schlüsse auf das Wechselverhalten der Kunden gezogen werden. Die Bedeutung der abgefragten Variablen der Kündigungsgründe werden hier vom Versicherer bewertet und nicht vom Kunden. Die Gewichtung der Variablen und die Gründe variieren von Kunde zu Kunde individuell. Kündigungsmanagement Das Management der Kundenbeziehung umfasst neben der Akquise und der Bindung auch die intensive Beschäftigung mit wechselgefährdeten Kunden. Je nach Organisation werden verschiedene Bereiche, wie z.b. das Beschwerdemanagement, die Kündigungsanalyse oder auch das Rückgewinnungsmanagement unter dem Kündigungsmanagement zusammengefasst. Welche Maßnahmen die Krankenkassen zu diesem Thema im Unternehmen durchführen zeigen folgenden Ergebnisse: 90 % der Befragten gaben an, die Kündiger zu erfassen und die Gründe für die Abwanderung zu analysieren. Als Maßnahen zum Thema Kundenabwanderung führen Eindrittel direkte Gespräche mit Ihren Kunden, um die Abwanderung zu verhindern. Als weitere Maßnahmen wurden Ser- k.a. 9 >10% 0-1.0% 5 1.01-.0% 5.01-6.0% 6.01-10.0% 3 Abbildung Rückgewinnungsraten Klassen(%) nach 3

vice oder Bindungsinstrumente angegeben. Ein Drittel der Kassen machte zu diesem Thema keine Angaben. Die Rückgewinnung von Kunden führen 66% der Unternehmen regelmäßig und 3% gelegentlich durch. Nur wenige Kassen beschäftigen sich mit dieser Thematik gar nicht. Die meisten haben geringe Erfolge, wie Abbildung zeigt. Demnach konnten fünf Kassen 0-1.0% der verlorenen Kunden zurückgewinnen usw.. Kundenwert Der Kern eines modernen wertorientierten Kundenmanagement ist die Bearbeitung des Kunden im Sinne seines Kundenwertes. Dieser Kundenwert setzt sich aus den einnahmen- und ausgabebezogenen Zahlungsströmen des Kunden im Unternehmen zusammen. Idealerweise können in einem Unternehmen diese Zahlungsströme individuell den Kunden zugeordnet werden. In der Befragung gaben 3% an, sich mit dem Thema Kundenwert oder einer vereinfachten Deckungsbeitragsrechnung zu beschäftigen. 6% befassen sich nicht mit dieser Kennzahl. Grund dafür sind die Schwierigkeiten in der Berechnung des individuellen Deckungsbeitrages. Dabei behindern besonders die Abrechnungsdaten der Leistungserbringer die individuelle Zurechnung. Diejenigen Krankenkassen, welche sich mit dem Thema Kundenwert beschäftigen, bestätigen den Einsatz des Verfahrens im Kundenmanagement. So gaben einige Kassen an, sich bei der Rückgewinnung von Kunden nur auf die profitablen Kunden zu konzentrieren. Die Allokation der Marketingressourcen wird also bei diesen Krankenkassen im Sinne des Kundenwert gesteuert. Pro-Aktives Kündigungsmanagement Während in der Regel die meisten Unternehmen im Kündigungsmanagement reaktive Maßnahmen durchführen, verbreiten sich zunehmend Prognoseverfahren, mit welchen sich Kündigungswahrscheinlichkeiten bestimmen lassen. Der Nutzen besteht in der (frühen) Identifizierung wechselgefährdeter Kunden, auf welche pro-aktiv Bindungsmaßnahmen angewendet werden können. Auf Grundlage einer computergestützten Analyse der Kundendatenbank lassen sich solche Erklärungs- und Prognosemodelle entwickeln. In dieser Studie gaben 3% der Kassen an, regelmäßig und 16% gelegentlich eine Prognose des Kündigungsverhaltens durchzuführen. Acht von den 1 Versicherungen, welche sich mit der Prognose beschäftigen, verwenden statistische Verfahren als Methode. Andere führen Kundenbefragungen durch und leiten daraus eine Tendenz der Kündigungswahrscheinlichkeit ab. Beispielsweise gibt eine Krankenkasse an, durch das Beschwerdemanagement qualitativ in der Lage zu seien Abwanderungstendenzen zu identifizieren und gegen diese aktiv vorzugehen. Dazu gehören auch regelmäßige Kundenbefragungen. Die Vorhersagegenauigkeit liegt bei den angewandte Prognoseverfahren nach eigenen Angaben zwischen 60 und 90%. Diese hohen Wahrscheinlichkeiten lassen auf gute statistische Modelle schließen. Auf telefonische Nachfrage bei einigen Unternehmen, wurden jedoch keine detaillierten Angaben über die Verfahren gemacht. In diesen Gesprächen wurde auch deutlich, dass die eingesetzten Verfahren meist eine Mischung aus qualitativen und quantitativ-deskriptiven Verfahren waren. Der Grad des Interesses an diesen Methoden stößt auf überwiegend positive Resonanz, wie Abbildung 5 zeigt. weniger interessant 3% sehr wünschenswert 33% interessant 3% Abbildung 5: Interesse an Verfahren der Kündigungsprognose

Fazit Die vorliegende Untersuchung soll einen Einblick über die Thematik des Kündigungsmanagement bei Krankenkassen wiedergeben. Es wird deutlich, dass in diesem Markt eine hohe Wechseldynamik vorherrscht. Auch wenn die meisten Versicherer moderate Kündigungsraten aufweisen, scheint dieses Thema für die befragten Krankenkassen von großer Bedeutung zu sein. Die Mehrheit der Krankenversicherungen in dieser Studie haben bereits die gängigen Kundenmanagement-Instrumente, wie die Analyse und Bearbeitung der Kündiger im Einsatz. Die quantitative und wertorientierte Kündigungsanalyse befindet sich nach den Ergebnissen dieser Befragung erst im Anfangsstadium. Das der einzige Treiber der Kündigung nicht nur der Beitragssatz ist, zeigen auch die Rückgewinnungsraten. In diesem Zusammenhang bestätigten uns einige Kassen, dass Service ein bedeutender Einflussfaktor bei der Bindung und Rückgewinnung ist. Wenn dem so ist, dann gewinnt das pro-aktive Kündigungsmanagement an Bedeutung. Die frühe Identifizierung von Kündigern kann damit einen entscheidenden Beitrag bei der Stabilisierung eines Krankenkasenhaushaltes darstellen, da durch die Kundenbearbeitung die Kündigungsraten gesenkt werden können. Fallstudie über die Effekte der Kundenabwanderung einer Gesetzlichen Krankenversicherung Diese Fallstudie soll die Wirkungen und Zusammenhänge der Kündigung von Beitragszahlern auf die finanzielle Struktur einer Krankenkasse verdeutlichen. Ziel ist es den Stellenwert des Kundenmanagement, insbesondere der Kündigungsprävention hervorzuheben. Eine fiktive Krankenkasse mit einem Ausgabevolumen von 1.5 Mrd. Euro, Beitragseinnahmen von 1.5 Mrd. Euro und 560.000 Beitragszahlern soll in diesem Beispiel analysiert werden (vgl. Tabelle I). Mit verschiedensten Kündigungsraten lässt sich nun im Folgenden der Wert der Kündiger und deren Effekte auf die Finanzlage der Kasse erarbeiten. Beitragssatz % Ausgaben Einnahmen Saldo Durchschnittliche Einnahmen p. Kopf: Pflichtmitglieder Rentner Leistungsausgaben p. Kopf Anzahl Versicherten nach Gruppen: Pflichtmitglieder Rentner Gesamt Durchschnittliche Einnahmen p. Kopf Tabelle I: Struktur der Kasse 13,9 1.500.00.000 1.50.000.000 500.000.000.818 1.505.678 383.900 176.300 560.00.589 Die Ergebnisse unserer Studie führen zur Annahme, dass überwiegend die Kunden eine Kasse wechseln, welche über einen Kostenvorteil (Überdurchschnittlicher Beitragszahlungen und geringe Leistungsausgaben) verfügen. Die Kasse in unserem Beispiel verfügt vereinfacht über zwei Gruppen von Kunden: Pflichtmitglieder und Rentner. Die Pflichtmitglieder steuern mit Ihren Beiträgen positive Ergebnisbeiträge zur Versicherung bei. Die Rentner hingegen werden subventioniert. Konzentriert man sich auf die Pflichtmitglieder und unterstellt eine geringe Kündigungsrate bei unserer Kasse von %, so kündigen im Jahr 1100 Mitglieder. Angenommen von diesen sind 70% Pflichtmitglieder, so sind dies 780 Personen. Der Kostenvorteil bei diesen Kunden soll bei 0% liegen (0% von 678 Leistungsausgaben). 5

Somit ergibt sich ein positiver Ergebnisbeitrag der Kündiger von: 780 * ((818-678) + 0. * 678) = 5.96.70 oder 675 Ergebnisbeitrag pro Kunde p.a. Tabelle II, veranschaulicht die Effekte bei unterschiedlicher Anzahl von Kündigern. Dieses Ergebnis verdeutlicht den gewaltigen Effekt der Kundenabwanderung auf den Haushalt und somit auch auf den Beitragssatz der Krankenkasse. Das Profil und die Anzahl der Kündiger beeinflusst die Versichertenstruktur, welche die Beiträge und somit die Deckungsbeiträge bzw. den Saldo beeinflussen. Letztlich wirken diese Veränderungen auf dien Beitragssatz und Tabelle II:Effekte der Kündigung damit wieder auf die Anzahl der Kündiger. Abbildung 6 stellt diesen Zusammenhang grafisch dar. Diese Schleife kann eine Art Anzahl der Kündiger Teufelskreis darstellen. Die Bindung von Kunden und die damit verbundene Reduktion der Kündigungsrate hat somit Versichertenstruktur weit reichende Konsequenzen und kann in unserem Beispiel exemplarisch simuliert werden. Leistungsausgaben Beitragszahlungen Gelingt es der Kasse die Anzahl der Kündiger um nur 00 Personen aus der Ergebnisbeitrag Gruppe der Pflichtmitglieder zu senken, so bleiben dem Unternehmen 135.10 Abbildung 6: Beziehungskonstrukt (00*675,60 ) an Ergebnisbeiträgen im Unternehmen erhalten. Bei 600 Kunden Anzahl wechselnder Kostenvorteil Ergebnisbeitrag in Pflichtmitglieder 800 0% 1.891.680 5600 0% 3.783.360 670 0%.50.03 780 0% 5.96.70 8960 0% 6.053.376 Beitragssatz die gehalten werden können, lassen sich schon über 00.000 generieren. Tabelle III zeigt verschiedenen Szenarien auf. Die Werte können exemplarisch auf das Beziehungskonstrukt aus Abbildung 6 übertragen werden. Verlassen die oben dargestellten 780 Kunden die Kasse mit einem Ergebnisbeitrag von über 5 Mio., so lassen sich die Effekte auf den Beitragssatz erahnen. Eine Kontinuierliche Reduktion der Kündigungsrate stabilisiert das Beziehungskonstrukt. Die Kasse sollte also versuchen, die Kündigungsrate zu senken. Hierfür eigenen sich verschiednen Bindungsmaßnahmen im Sinne des Kundenwertes. Um die Effektivität zu steigern, sollte das Unternehmen nur in die Kunden investieren, welche einen positiven Ergebnisbeitrag liefern und gleichzeitig abwanderungsgefährdet sind. Mit Kündigungsprognoseverfahren sollten die Kunden frühzeitig identifiziert werden, um diese anschließend zu bearbeiten. Eine Investition in die Kundenbearbeitung und damit verbundener Bindungsmaßnahmen muss sich nach den oben durchgeführten Berechnungen richten. Pro Jahr sollte der Betrag pro Kunde unter dem Ergebnisbeitrag von 675 liegen. Je nach dem, wie viele Kunden von der Kündigung abgehalten werden können, bzw. um wie viel sich die Kündigungsrate reduzieren lässt, bemisst sich auch das Budget des Kündigungsmanagement. 6

Wie das Beziehungskonstrukt aus Abbildung 6 zeigt, ist der Beitragssatz neben der Kündigung auch von anderen Faktoren abhängig. Um die anderen Elemente zu Beeinflussen können ebenfalls Instrumente des Kundenwertmanagement eingesetzt werden. Die Versichertenstruktur kann eine Kasse mit der Neukundenakquisition beeinflussen, in dem zielgerichtet Kunden mit positiven Kundenwert akquiriert werden. Auch durch Cross Selling lässt sich der Personen die nicht Kündigen Summe erhaltene Ergebnisbeiträge Reduzierung der Kündigungsrate 00 135.10 1,79% 300 0.680,68% 00 70.0 3,57% 500 337.800,6% 600 05.360 5,36% Abbildung 6: Effekte derkündigungsprävention Wertbeitrag der Kunden steigern. Die Steuerung der Leistungsausgaben ist komplexer und kann mit verschiedenen Instrumentarien wie Qualitätsanalysen und dem Leistungsmanagement, sprich der Einführung von Versorgungsmodellen zur Optimierung der Qualität und Kosten forciert werden ¹. Diese kurze Fallstudie sollte die finanziellen Effekte der Kündigungsrate verdeutlichen. Es kann angenommen werden, dass durch die Reduzierung der Kündigungsrate bei den Pflichtmitgliedern mit Kostenvorteil ein entsprechender Effekt auf den Beitragssatz wirken kann. Sofern andere Einflüsse gleich bleiben, ist eine Stabilisierung oder Senkung des Beitrages vorstellbar. Anhand der durchgeführten Rechnung kann jedes Unternehmen für sich die Auswirkungen der Kündigung finanziell darstellen. Dabei lassen sich Handlungsempfehlungen für das eigene Kundenmanagement ableiten. Je nach Situation ist über die Ressourcenverteilung zwischen Akquisition und Bestandskundenbindung zu entscheiden. Ziel ist der effektive und effiziente Einsatz von Ressourcen im Kundenmanagement zur Stabilisierung des Beitragssatzes. Autoren: Prof. Dr. Joachim Büschken joachim.bueschken@ku-eichstaett.de Dipl.-Kfm. Marcus Gropp marcus.gropp@ku-eichstaett.de Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt Lehrstuhl für Absatzwirtschaft und Marketing Auf der Schanz 9 8509 Ingolstadt Fon: 081.937.1978 Fax: 081.937.976 1:Zu diesem Thema wurde auch ein Arbeitspapier mit dem Titel: Kundenwertmanagement bei Gesetzlichen Krankenversicherungen verfasst. Weitere Infos unter: www.wfi.edu/mkt Mai 005 7