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Nummer 535 16. August 2006 Client Alert Latham & Watkins Litigation Department Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist am 18. August 2006 in Kraft getreten Das neue AGG: Worauf müssen sich Arbeitgeber einstellen? Die Erinnerung an die im vergangenen Jahr vielfach emotional geführten Diskussionen über den Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes wird bei vielen wieder geweckt worden sein, als Anfang Mai 2006 bekannt wurde, dass sich der Koalitionsausschuss der Bundesregierung über die inhaltliche Ausgestaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verständigt hat. Die Lektüre des Gesetzentwurfes wird viele überrascht haben; denn er entsprach in weiten Passagen dem Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes. Der in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte Entwurf hat verschiedene Änderungen erfahren, und zwar auf Initiative des Bundesrates. Mit dem Inkrafttreten des AGG sind gleichzeitig eine Vielzahl anderer Gesetze geändert worden. Aufgehoben wurden die 611a, 611b und 612 Abs. 3 BGB sowie das Beschäftigtenschutzgesetz. Nachfolgend stellen wir Ihnen den arbeitsrechtlichen Teil des AGG in seinen Grundzügen vor, und zwar verbunden mit praktischen Hinweisen für die tägliche Praxis. Ausgangspunkt und Schutzbereich Europarechtliche Vorgaben Zu den Grundlagen des arbeitsrechtlichen Teils des AGG gehören die Antirassismusrichtlinie, die Rahmenrichtlinie Beschäftigung und die Gender-Richtlinie. Darüber hinaus ist die im Dezember 2004 verabschiedete Richtlinie zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen in das Gesetz eingearbeitet worden. Anwendungsbereich Obgleich 1 AGG generell darauf abzielt, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechtes, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen, enthält er überwiegend Bestimmungen, die allein das Arbeitsrecht betreffen. Benachteiligungen aus den vorstehend genannten Gründen sind in Bezug auf eine Vielzahl von Tatbeständen unzulässig, die enumerativ in 2 AGG aufgeführt sind. Beispielhaft seien die Bedingungen für den Zugang zu unselbständiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit genannt, zu denen auch die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen gehören. Vom Anwendungsbereich werden auch die Beschäftigungs- oder Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts und der Entlassungsbedingungen erfasst, und zwar sowohl auf individual- als auch auf kollektivrechtlicher Basis. Zu beachten sind die Latham & Watkins ist weltweit als Partnerschaftsgesellschaft (LLP) nach dem Recht des Staates Delaware tätig; als multinational partnership sind die Niederlassungen in Großbritannien und Italien angeschlossen. Copyright 2006 Latham & Watkins. Alle Rechte vorbehalten.

in 1 AGG aufgeführten Grundsätze ferner sowohl beim beruflichen Aufstieg als auch bei der Durchführung von Beschäftigungsverhältnissen. Die Vorgaben des AGG haben daher einerseits eine grundlegende Bedeutung für die gesamte Dauer der vertraglichen Beziehungen. Andererseits gehen sie darüber hinaus, und zwar beginnend mit der Stellenausschreibung und endend mit den Leistungen, die über das Vertragsende hinaus erbracht werden. Verhältnis des AGG zum Kündigungsschutzgesetz In 2 Abs. 4 des Entwurfs des AGG hieß es, dass für Kündigungen vorrangig die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes gelten. Diese Bestimmung ist im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens abgeändert worden und sieht nunmehr vor, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Dabei fragt sich, was mit dieser Formulierung gewollt und was mit ihr gewonnen worden ist. In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses heißt es hierzu: Das Verhältnis beider Gesetze zueinander soll dahin präzisiert werden, dass für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen des allgemeinen und besonderen Kündigungsschutzes zur Anwendung kommen. Dies erscheint sachgerecht, weil diese Regelungen speziell auf Kündigungen zugeschnitten sind. Wir haben Zweifel, dass 2 Abs. 4 AGG dauerhaft Bestand haben wird. In den drei Richtlinien, die zu den Grundlagen des arbeitsrechtlichen Teils des AGG gehören, ist hinsichtlich des Geltungsbereichs unter anderem übereinstimmend festgeschrieben, dass diese für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen gelten. Diese Formulierung findet sich auch in 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG wieder. Die Regelung in 2 Abs. 4 AGG steht daher unseres Erachtens nicht nur in Widerspruch zu den einschlägigen EU-Richtlinien, sondern auch zu 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG. In diesem Zusammenhang gilt es auch zu berücksichtigen, dass der Schutz des AGG bei Entlassungen in Betrieben leer liefe, die nicht dem Kündigungsschutzgesetz unterfallen. Sollte 2 Abs. 4 AGG von der Rechtsprechung als unwirksam angesehen werden, wäre eine Kündigung, die gegen eines der im Gesetz genannten Benachteiligungsverbote verstößt, unwirksam. Wir empfehlen Ihnen, sich hierauf einzurichten und im Zusammenhang mit geplanten bzw. ausgesprochenen Kündigungen deren Gründe zu dokumentieren. Begriffsbestimmungen 3 AGG enthält eine Vielzahl von Be griffsbestimmungen, die für die Anwendung des Gesetzes von besonderer Bedeutung sind. Beschrieben wird, unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen einer unmittelbaren Benachteiligung, einer mittelbaren Benachteiligung, einer Belästigung oder einer sexuellen Belästigung zu bejahen ist. Auch ist bestimmt, dass die Anweisung zur Benachteiligung einer Person als Benachteiligung gilt. Problematisch und in der Praxis von besonderer Bedeutung werden voraussichtlich die Fälle der mittelbaren Diskriminierung sein; denn wegen ihres kollektiven Zuschnitts bergen sie erhebliche Kostenrisiken, weil sie eine Vielzahl von Mitarbeitern betrifft. Geschützter Personenkreis Nach 6 AGG gehören zum Kreis der geschützten Personen nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten in bestehenden Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnissen. Geschützt sind auch Bewerberinnen und Bewerber sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnisse beendet sind. Einbezogen wird damit auch die betriebliche Altersversorgung. Jedoch ist in 2 Abs. 2 Satz 2 AGG festgeschrieben worden, dass für die betriebliche Altersversorgung das Betriebsrentengesetz gilt. 2 Nummer 535 16. August 2006

Darüber hinaus fallen gemäß 6 Abs. 3 AGG auch Selbständige und Organmitglieder unter den Geltungsbereich des AGG, soweit es um den Zugang zur Erwerbstätigkeit und den beruflichen Aufstieg geht. Verbote und Ausnahmen Benachteiligungsverbote Im Mittelpunkt des Gesetzes steht zweifelsfrei das Benachteiligungsverbot, das in 7 AGG geregelt ist. Danach dürfen Beschäftigte im Sinne von 6 AGG nicht wegen eines in 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Adressat dieses generellen Benachteiligungsverbotes ist nicht nur der Arbeitgeber, sondern sind auch Arbeitskollegen und Dritte, beispielsweise Kunden des Arbeitgebers. 7 Abs. 2 AGG sieht vor, dass gegen das Benachteiligungsverbot verstoßende Bestimmungen in individual- und kollektivrechtlichen Vereinbarungen unwirksam sind. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang, zu welchen Konsequenzen es führt, wenn ein Gericht eine tarifliche Regelung für diskriminierend hält. Im Zweifel wird in diesem Fall eine Anpassung nach oben erfolgen. Wir empfehlen Ihnen, bestehende Betriebsvereinbarungen daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen Benachteiligungsverbote verstoßen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf mögliche mittelbare Diskriminierungen zu legen. Ausnahmen Nicht jede Ungleichbehandlung führt zu Sanktionen. Bei einem vermeintlichen Verstoß ist zunächst zu prüfen, ob eine der im Gesetz genannten Rechtfertigungsmöglichkeiten die unterschiedliche Behandlung zu rechtfertigen vermag. In den 8 bis 10 AGG sind verschiedene Gründe aufgezählt, unter denen eine unterschiedliche Behandlung zulässig ist. Einzelheiten in Bezug auf eine unterschiedliche Behandlung wegen der beruflichen Anforderungen sind in 8 AGG und wegen der Religion und Weltanschauung in 9 AGG geregelt. 10 AGG bestimmt, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters dann zulässig ist, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Hilfreich ist dabei sicherlich die nicht abschließende Aufzählung von Beispielen für legitime Ziele. So kann z. B. ein Höchstalter aufgrund des Erfordernisses einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand oder der spezifischen Ausbildungsanforderungen an den Arbeitsplatz festgelegt werden. Darüber hinaus werden Höchstaltersgrenzen für die Einstellung aber nur zulässig sein, wenn die körperliche Belastbarkeit wesentlicher Bestandteil des Berufs ist. Nicht geregelt ist hingegen, ob und ggf. welche der gegenwärtigen Normen, die Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters privilegieren (beispielsweise 1 Abs. 3 und 9 Abs. 2 KSchG, 622 BGB), auch weiterhin Bestand haben können. Bei der Sozialauswahl soll nach 10 Nr. 6 AGG die Berücksichtigung des Alters nach wie vor zulässig sein, soweit dem Alter kein genereller Vorrang gegenüber anderen Auswahlkriterien zukommt, sondern die Besonderheiten des Einzelfalls und die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Beschäftigten, insbesondere die Chancen auf dem Arbeitsmarkt entscheiden. Organisationspflichten des Arbeitgebers Ausschreibung von Arbeitsplätzen 11 AGG bestimmt, dass Arbeitsplätze nicht unter Verstoß gegen 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden dürfen. Hieraus folgt, dass externe und interne Stellenausschreibungen, auch im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung, lediglich tätigkeitsbezogene Anforderungen vorsehen sollten. Doppeldeutige Formulierungen wie junge dynamische Führungskraft, Berufsanfänger, Muttersprachler, akzentfreies Deutsch sollten vermieden werden. Aber auch Merkmale, die für die Stelle nicht erforderlich sind, sollten sich in einer Stellenausschreibung nicht finden. Wenn z. B. von einem Kraftfahrer her- 3 Nummer 535 16. August 2006

vorragende Deutschkenntnisse verlangt werden, kann eine Benachteiligung wegen ethnischer Herkunft vorliegen. Die tätigkeitsbezogenen Anforderungen sollten in ausreichendem Maße und mit Begründung dokumentiert und an den Kreis der Bewerber gerichtet werden. Um die Zahl der Bewerber und damit das potentielle Haftungsrisiko des Arbeitgebers zu mindern, ist eine selektive Ausschreibung und Nutzung von Medien, die tatsächlich geeignet sind, die gewünschten Bewerber anzusprechen, anzuraten. Darüber hinaus ist auch eine zeitliche Befristung der Stellenausschreibung zu erwägen, da nach Fristablauf eingehende Bewerbungen von vornherein aussortiert werden können, ohne dass eine Benachteiligung bei diesen Bewerbern in Betracht kommt. Zu bedenken ist ferner, dass das Haftungsrisiko eines Arbeitgebers auch nicht durch eine Auslagerung der Stellenausschreibung auf einen Dritten, z. B. einen Personalvermittler oder die Bundesagentur für Arbeit, umgangen werden kann. Verletzt der Dritte die Pflicht zur neutralen Stellenausschreibung, so ist diese Pflichtverletzung dem Arbeitgeber zuzurechnen. Nicht nur die Stellenausschreibung und die Bewerberauswahl muss frei von Diskriminierungen erfolgen. Auch abgelehnten Bewerbern sollte man keine Chance geben, in Ablehnungsschreiben Anknüpfungspunkte für eine mögliche Diskriminierung zu finden. Sie sollten daher so neutral wie möglich formuliert werden. Maßnahmen und Pflichten des Arbeitgebers 12 AGG regelt einerseits die Pflichten des Arbeitgebers für den Fall, dass von ihm beschäftigte Arbeitnehmer oder Dritte gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Andererseits wird von ihm auch erwartet, dass er vorbeugende Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen ergreift, und zwar beispielsweise im Rahmen der beruflichen Ausund Weiterbildung. So verpflichtet 12 Abs. 1 AGG die Arbeitgeber, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen wegen eines in 1 AGG genannten Grundes zu treffen, und zwar unter Einschluss vorbeugender Maßnahmen. Der Gesetzgeber verpflichtet also die Arbeitgeber, ihre Beschäftigten zur Verhinderung von Benachteiligungen hinreichend zu schulen. Ohne Bedeutung ist insoweit die subjektive Einschätzung auf Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerseite; denn die Erforderlichkeit ist objektiv zu bestimmen. Nur wenn der Arbeitgeber seine Beschäftigten in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen geschult hat, gilt dies als eine Erfüllung seiner Verpflichtungen gem. 12 Abs. 1 AGG. Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch darauf, dass Schulungsmaßnahmen im Sinne des 12 AGG aller Voraussicht nach dem Mitbestimmungsrecht gemäß 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegen. Im AGG ist nicht ausdrücklich geregelt, welche Sanktionen dem Arbeitgeber drohen, der seinen Schulungsverpflichtungen nicht hinreichend nachkommt. Das Unterlassen jeglicher Schulung wird vermutlich als grober Verstoß des Arbeitgebers gegen die Vorschriften des 2. Abschnittes des AGG zu qualifizieren sein mit der Folge, dass der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter den Voraussetzungen des 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG versuchen könnten, Schulungsmaßnahmen durchzusetzen. 12 AGG wird zudem als Schutzgesetz im Sinne des 823 Abs. 2 BGB zu qualifizieren sein. Bei einer Verletzung der den Arbeitgeber treffenden Pflichten kommen unter Umständen auch Schadensersatzansprüche, die über das AGG hinausgehen, in Betracht. 12 Abs. 3 AGG normiert die Verpflichtung des Arbeitgebers, gegen Verstöße von Beschäftigten gegen das Benachteiligungsverbot vorzugehen, insbesondere die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu treffen. Dazu gehören Abmahnungen, Umsetzungen, Versetzungen und Kündigungen. 4 Nummer 535 16. August 2006

Informationspflichten Gemäß 12 Abs. 5 AGG ist der Arbeitgeber unter anderem verpflichtet, das AGG, 61b Arbeitsgerichtsgesetz sowie Informationen über die für die Behandlung von Beschwerden nach 13 AGG zuständigen Stellen im Betrieb bekannt zu machen. Rechte der Beschäftigten Innerbetriebliche Beschwerdestelle Nach 13 AGG haben die Beschäftigten das Recht, sich bei einer zuständigen Stelle des Betriebes diese muss geschaffen werden zu beschweren, wenn sie sich benachteiligt fühlen. Jede Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis ist dem Beschwerdeführer bzw. der Beschwerdeführerin mitzuteilen. Der im Gesetz verwendete Begriff der zuständigen Stelle, an die sich die Beschäftigten wenden können, ist umfassend zu verstehen. Dies kann beispielsweise ein Vorgesetzter, ein Gleichstellungsbeauftragter oder eine betriebliche Beschwerdestelle sein. Hervorzuheben ist, dass durch diese Regelung die Rechte der Arbeitnehmervertretungen, beispielsweise nach 85 BetrVG, unberührt bleiben. Leistungsverweigerungsrecht 14 AGG begründet ein Leistungsverweigerungsrecht des oder der diskriminierten Beschäftigten ohne Verlust des Arbeitsentgelts für den Fall, dass der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Benachteiligung im Einzelfall ergreift. Dieses Leistungsverweigerungsrecht besteht jedoch nur dann, wenn es zum Schutz des oder der Beschäftigten erforderlich ist. Schadensersatz und Entschädigung Eine besondere Bedeutung kommt 15 AGG zu, der sowohl die Sanktionen für eine ungerechtfertigte Benachteiligung regelt als auch die Frist bestimmt, innerhalb derer Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen ein Benachteiligungsverbot hat der Betroffene gemäß 15 Abs. 2 AGG Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für den ihm entstandenen Nichtvermögensschaden. Hierbei handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Haftungsvorschrift. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung zwei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei diskriminierungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre (sog. Minderqualifizierter). Eine Obergrenze für den Bewerber, der bei einer diskriminierungsfreien Auswahl eingestellt worden wäre, enthält das Gesetz hingegen nicht (sog. Best qualifizierter). Hier soll die Entscheidung den Arbeitsgerichten überlassen sein. Einzige Vorgaben sind, dass die Entschädigung eine abschreckende Wirkung auf den Arbeitgeber haben und in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen muss. Nach Auffassung des BAG hat die Entschädigung mindestens der Arbeitsvergütung für einen Monat zu entsprechen. Darüber hinaus ist der Arbeitgeber gemäß 15 Abs. 1 AGG bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, dem Betroffenen den hierdurch entstandenen Vermögensschäden zu ersetzen, wenn er die Benachteiligung zu vertreten hat. Die Bemessung des Schadensersatzanspruchs bei einer Benachteiligung bei Einstellung und beruflichem Aufstieg und Entlassung wirft schwierige Fragen auf. Bei einer Einstellung dürfte der Schadensersatzanspruch eines Bewerbers auf das Arbeitsentgelt bis zum nächstmöglichen hypothetischen Kündigungstermin gerichtet sein. Schadensmindernd müssten ein etwaiger anderweitiger oder böswillig unterlassener anderweitiger Verdienst ebenso wie etwaige mit der erstrebten Position verbundene besondere Aufwendungen berücksichtigt werden. Bei einer Beförderung wird sich der Schadensersatzanspruch des Best- 5 Nummer 535 16. August 2006

qualifizierten auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem tatsächlichen Monatsverdienst und dem mit dem beruflichen Aufstieg verbundenen Monatsverdienst belaufen. In diesem Zusammenhang ist allerdings offen, für welchen Zeitraum die Gerichte einen solchen Schadensersatzanspruch zuerkennen werden. Wird das AGG auch bei Kündigungen entgegen dem derzeitigen Gesetzeswortlaut Anwendung finden, kommt ein Schadensersatzanspruch zwar nicht in Betracht, wenn bei der Kündigung eines Arbeitnehmers gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen wird, da das Arbeitsverhältnis weiter besteht. Ist die Kündigung aber sozial ungerechtfertigt, wird das Arbeitsverhältnis jedoch unter Zahlung einer Abfindung aufgelöst, wird von den Gerichten zu entscheiden sein, ob daneben noch weitergehende Schadensersatzansprüche wegen einer diskriminierenden Kündigung gegeben sein können. Fraglich ist auch, ob bei einer Kündigung, die gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, die hiergegen gerichtete Klage innerhalb der Drei-Wochen-Frist des 4 KSchG erhoben werden muss oder ob eine Klage auch danach zulässig bleibt. Da trotz gegenteiliger Vorschläge eine Harmonisierung mit 4 KSchG nicht erfolgt ist, wird letzteres der Fall sein. Gemäß 15 Abs. 4 AGG müssen Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Diese Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Durch die Regelung in 15 Abs. 6 AGG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des 7 Abs. 1 AGG keinen Anspruch auf die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg begründet. Der Grundsatz der Abschlussfreiheit, wie er in 105 GewO normiert ist, bleibt also unberührt. Beweislastverteilung Bei der Geltendmachung und der Durchsetzung von Ansprüchen auf der Grundlage des AGG kommt der Beweislast eine besondere Bedeutung zu. Sie ist in 22 AGG geregelt. Der Wortlaut dieser Bestimmung ist auf Anregung des Bundesrates neu gefasst worden und lautet nunmehr: Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Nach dieser Bestimmung muss der Arbeitnehmer zunächst darlegen und beweisen, dass eine Ungleichbehandlung erfolgt ist. Insoweit reicht der Nachweis von Indizien aus, beispielsweise eine Stellenanzeige, die gegen 11 AGG verstößt. Gelingt dieser Nachweis, muss sich der Arbeitgeber im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung entlasten, also darlegen und beweisen, dass eine Ungleichbehandlung nicht erfolgt ist oder diese aus den im Gesetz genannten Gründen zulässig war. Rechte von Betriebsräten und Gewerkschaften In einem betriebsratsfähigen Betrieb kann gemäß 17 Abs. 2 AGG der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft bei Verstößen des Arbeitgebers gegen die sich aus dem AGG ergebenden Pflichten unter den Voraussetzungen des 23 Abs. 3 S. 1 BetrVG die dort genannten Rechte gerichtlich geltend machen. Danach kann der Arbeitgeber zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen verpflichtet werden. Jedoch ist es den Betriebsräten und Gewerkschaften untersagt, Individualansprüche des bzw. der Benachteiligten geltend zu machen. 6 Nummer 535 16. August 2006

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch darauf, dass die Betriebsräte wegen des Inkrafttretens des AGG Schulungsbedarf anmelden werden. Dieser Forderung wird entsprochen werden müssen, weil für die Arbeit des Betriebsrates erforderliche Kenntnisse vermittelt werden. Die teilnehmenden Betriebsräte haben für die Schulungen einen Anspruch auf bezahlte Freistellungen. Unterstützung durch Antidiskriminierungsverbände In 23 AGG sind Antidiskriminierungsverbände vorgesehen, die die besonderen Interessen benachteiligter Personen oder Personengruppen wahrnehmen und sich damit die Bekämpfung von Benachteiligungen zur Aufgabe gemacht haben. Zugleich werden die Befugnisse der Verbände geregelt, u. a. in gerichtlichen Verfahren ohne Anwaltszwang zur Durchsetzung der Ansprüche als Beistände Benachteiligter in der Verhandlung aufzutreten. Darüber hinaus ist ihnen die Besorgung von Rechtsangelegenheiten Benachteiligter gestattet. 7 Nummer 535 16. August 2006

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