Die Kleinbetriebsklausel im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) ab dem 1.01.2004 und der neue 34 Abs. 2 a TV-EKBO Jürgen Jendral (HMAV) Seit dem 1. Januar 2004 gilt das Kündigungsschutzgesetz mit zwei Anwendungsschwellen. Zum besseren Verständnis des 23 KSchG stelle ich diese zunächst in der folgenden Übersicht dar: In der kirchlichen Dienststelle waren zum 31. Dezember 2003 beschäftigt: bis zu fünf Arbeitnehmer mehr als fünf oder nicht mehr als zehn Arbeitnehmer mehr als zehn Arbeitnehmer Die Dienststelle fällt nicht unter den Geltungsbereich des KSchG. Bis zur Grenze von zehn Arbeitnehmern sind Neueinstellungen möglich, ohne dass dadurch das KSchG zur Anwendung kommt. Die Dienstelle unterliegt dem KSchG, mit der Folge, dass die Alt-Arbeitnehmer ihren bestehenden Kündigungsschutz behalten, solange sie mehr als fünf sind. Neueingestellte haben bis zur Grenze von zehn Arbeitnehmern keinen Kündigungsschutz. Die Dienststelle unterliegt dem KSchG, dies gilt sowohl für die Alt-Arbeitnehmer, als auch für die ab dem 1. Januar 2004 neu eingestellten Arbeitnehmer. Seite 1 von 5
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) musste sich in seinem Urteil vom 21. September 2006, 2 AZR 840/05, mit dieser Übergangsregelung auseinandersetzen. Der Zweite Senat des BAG hat dazu entschieden, - dass bei einem späteren Absinken der Zahl der am 31.Dezember 2003 beschäftigten Arbeitnehmer auf fünf oder weniger Personen keiner der im Betrieb verbleibenden Alt-Arbeitnehmer weiterhin Kündigungsschutz genießt, soweit in dem Betrieb einschließlich der seit dem 1. Januar 2004 eingestellten Personen insgesamt nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt werden. - Dies gilt auch dann, wenn für inzwischen ausgeschiedene Alt-Arbeitnehmer andere Arbeitnehmer eingestellt worden sind. Eine solche Ersatzeinstellung reicht nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung des 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG für deren Anwendung nicht aus. Wichtig für die MAVen ist die in 23 Abs. 1 Satz 4 KSchG festgelegte Zählweise der Beschäftigten: Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von nicht mehr als Berücksichtigung bei der Ermittlung der Zahl der Beschäftigten: 20 Stunden 0,5 30 Stunden 0,75 Vollzeitbeschäftigte 1,0 Seite 2 von 5
Zum besseren Verständnis erläutere ich diese Regelung über den zweigeteilten Kündigungsschutz in Kleinbetrieben (Linck) an einem Beispiel: In einer Kirchengemeinde waren zum 31.12.2003 regelmäßig sechs Mitarbeitende vollbeschäftigt, die auch heute noch dort arbeiten. Für diese sechs Mitarbeitenden bleibt auch über den 1. Januar 2004 hinaus ihr Kündigungsschutz erhalten. Nun stellte die Gemeinde 2011 einen weiteren Mitarbeiter ein. Dieser fällt nicht unter das KSchG. Erst wenn die Gemeinde mehr als zehn (10,25) Mitarbeitende beschäftigt, würde er und die anderen neu eingestellten Mitarbeitenden unter das KSchG fallen. Von den sechs Mitarbeitenden, die zum 31.12.2003 in der Dienststelle beschäftigt waren, geht einer am 1. November 2012 in Ruhestand. Dies hat zur Folge, dass der Kündigungsschutz für die verbliebenen fünf Mitarbeitenden, die zum 31.12.2003 in der Gemeinde beschäftigt waren entfällt. Sie würden erst dann wieder in den Bereich des KSchG kommen, wenn die Gemeinde mehr als zehn Mitarbeitende (mindestens 10,25) beschäftigt. Spezielle Fallgestaltungen bei der Ermittlung des maßgeblichen Schwellenwertes: Ruhende Arbeitsverhältnisse, wie sie beispielsweise durch die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub entstehen, sind bei der Feststellung der maßgeblichen Arbeitnehmerzahlzu berücksichtigen und zählen daher mit. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn für den in einem ruhenden Arbeitsverhältnis befindlichen Arbeitnehmer ein Vertreter eingestellt wird. Eine Doppelzählung findet nicht statt (Fiebig/ Gallner/ Nägele, Kündigungsschutzrecht, Kommentar, 23, Rdnr. 28, unter Bezugnahme auf BAG vom 31.01.1991 2 AZR 356/90). Probleme gibt es u. U. in Saisonbetrieben (bei uns z. B. Friedhöfe), deren Arbeitnehmerzahl bedingt durch saisonale Einflüsse schwankt. Hier kommt es auf die Betriebsgröße während der Saison an. Das BAG hat sich in seiner Entscheidung vom 12.10.1976 ( 1 ABR 1/76) so positioniert, dass die während der Saison zusätzlich beschäftigten Arbeitnehmer dann mitzuzählen sind, wenn ihre Beschäftigung regelmäßig für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten im Jahr erfolgt. Seite 3 von 5
Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch erwähnt, dass der betriebliche Geltungsbereich des KSchG durch arbeitsvertragliche Einzelvereinbarung auf solche Kleinbetriebe ausgedehnt werden kann, deren regelmäßige Beschäftigtenzahl unter der in 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG genannten Grenze liegt (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 12. Auflage 2012, Kiel, KSchG 15, Rdnr. 13). Zur Erweiterung der Kleinbetriebsregelung des KSchG bei Outsourcing von Arbeitsaufgaben oder Ausgliederung von Betriebsteilen durch 34 Abs. 2 a TV-EKBO. In kirchlichen Dienststellen taucht immer häufiger das Problem auf, dass Arbeitsaufgaben oder Betriebsteile ausgegliedert werden (zum Beispiel Kitas oder Friedhöfe von Gemeinden). Dadurch fallen dann in der Regel die verbleibenden Mitarbeitenden nicht mehr unter die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Hier haben die Tarifvertragsparteien durch den 4. TV-EKBO- Änderungs- Tarifvertrag vom 9. Februar 2012 (Kirchliches Amtsblatt Nr. 5/ 2012, Seite 82) erfreulicherweise eine das KSchG erweiternde Regelung durch die Einfügung des Absatz 2 a in 34 TV-EKBO geschaffen: Auf Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern finden abweichend von 23 Absatz 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz die Vorschriften des ersten und zweiten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes auch dann Anwendung, wenn der jeweils geltende Schwellenwert bei Einstellung überschritten war und erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses durch Outsourcing von Arbeitsaufgaben oder Ausgliederung von Teilen des Betriebes unterschritten wird. Seite 4 von 5
Voraussetzung des erweiterten Kündigungsschutzes in 34 Abs. 2 a TV-EKBO sind: Bei der Einstellung muss der jeweils geltende Schwellenwert des KSchG (mehr als fünf (5,25), bzw. mehr als zehn (10,25)) überschritten gewesen sein. Arbeitsaufgaben werden durch Outsourcing aus der Dienststelle verlagert, oder Betriebsteile (z.b. Kita...) werden ausgegliedert. Durch Outsourcing oder Ausgliederung wird der Schwellenwert des KSchG für die in der Dienststelle verbleibenden Arbeitnehmer unterschritten. Ab welchem Zeitpunkt gilt diese Regelung? Hier ist auf das Inkrafttreten des Änderungs-TV zum 1. März 2012 abzustellen. Outsourcing oder Ausgliederungen von Betriebsteilen, die vor diesem Zeitpunkt stattfanden, werden m. E. nicht von dieser neu eingefügten Schutzvorschrift erfasst. ( HMAV / Infoblätter/ KSchG / Kleinbetriebsklausel / TV-EKBO / 2012 / Jürgen Jendral) Seite 5 von 5