Grundpraktikum Physikalische Chemie Versuch 16 Kinetischer Salzeffekt Version: März 2016
1. Theorie 1.1. Kinetischer Salzeffekt Eine bimolekulare chemische Reaktion lässt sich mithilfe von Konzepten der statistischen Thermodynamik nach der Eyring-Theorie beschreiben. Demnach bilden die beiden Edukte A und B zunächst einen aktivierten Zwischenkomplex C, der entweder wieder in die Ausgangsverbindungen zerfällt oder zum Produkt P weiterreagiert. Handelt es sich bei A und B um Ionen in Lösung, so ist naheliegend, dass die Reaktion bezüglich ihrer Geschwindigkeit durch Fremdelektrolyte beeinflusst werden kann. Diese Fremdsalze nehmen dabei nicht direkt an der eigentlichen Umsetzung teil, sondern verändern lediglich die elektronische Umgebung der Reaktionskomponenten. Unter der Annahme, dass die Bildung des aktivierten Zwischenkomplexes der geschwindigkeitsbestimmende Schritt dieser Reaktion ist, kann die Reaktionsgeschwindigkeit (RG) näherungsweise nach (1) berechnet werden. = k a a (1) Werden nun die Aktivitäten der Reaktionskomponenten nach (2) in die jeweiligen Konzentrationen umgerechnet, so wird (3) erhalten. a = [i] γ (2) [ ] = k [A] γ [B] γ (3) Gleichung (3) wird durch Umstellung und mithilfe von (4) in (5) überführt. k = (4) [ ] = [A] [B] (5) Die effektive RG-Konstante ergibt sich aus dem Quotienten (6). Dabei ist die Geschwindigkeitskonstante bei unendlicher Verdünnung. beschreibt den Einfluss des Fremdelektrolyten auf die Reaktionsgeschwindigkeit. k = Durch logarithmieren von (6) wird (7) erhalten. (6) logk = logk logk (7) 2
Einzelionenaktivitätskoeffizienten lassen sich nach dem Debye-Hückelschen Grenzgesetz (8) berechnen. logγ = A z $ I (8) Die Ionenstärke einer Lösung berechnet sich nach (9). A ist eine Konstante aus der Debye-Hückel-Theorie und z ist die Ladung des betrachteten Ions. Wird (8) nun auf (7) angewendet, so wird (10) erhalten. ' = ( $ [*] +, $, (9) logk = 2 A z z I+logk (10) Mit dieser Gleichung lässt sich die Abhängigkeit der RG von der Ionenstärke und vor allem auch der von der Ladung der Edukte beschreiben. 1.2. Photometrische Reaktionsverfolgung Zur Untersuchung von Reaktionskinetiken werden häufig Farbstoffmoleküle eingesetzt. Da diese durch ihre Umsetzung ihre Absorptionseigenschaften verändern, kann durch einfache photometrische Messungen die Zu- oder Abnahme der Konzentration gemessen werden. Durch eine Kombination von RG-Zeit-Gesetzen mit dem Lambert- Beerschen-Gesetz kann Ausdruck (11) formuliert werden. ln 0 0 = k 1t t 3 (11) Mit dieser Gleichung ist es möglich durch Messung der Extinktionen E0 und E zu den Zeitpunkten t0 und t die RG-Konstante k zu ermitteln. 3
2. Versuch 2.1. Zielsetzung Ziel dieses Versuchs ist es den Einfluss von Fremdsalzen auf die RG zu untersuchen. Als Modellreaktionen werden die Entfärbungen von Kristallviolett und Phenolphthalein im Basischen betrachtet. Die Umsetzung wird dabei bei verschiedenen Ionenstärken durchgeführt. 2.2. Eingangskolloquium Bereiten Sie sich bitte auf folgende Themengebiete vor: Reaktionskinetik (Reaktionsordnung, RG, ) Kinetischer Salzeffekt (!) Debye-Hückel-Theorie Photometrie (Aufbau Photometer, Lambert-Beersches-Gesetz, Absorption, ) Kristallviolett/Phenolphthalein (Struktur, Reaktion mit Hydroxid, ) Welche Ergebnisse erwarten Sie? 2.3. Versuchsdurchführung In Tabelle 1 sind die zur Verfügung stehenden Lösungen aufgelistet. Tabelle 1: Vorbereitete Lösungen Lösung Konzentration [M] NaOH 0,1 KCl 0,5 Phenolphthalein 3 10 9: Kristallviolett 9 10 9< Zunächst werden nach Tabelle 2 die zu untersuchenden Farbstofflösungen angesetzt. Wichtig ist, dass der Farbstoff (FS) immer erst unmittelbar vor Beginn der Messung zugegeben wird. Tabelle 2: Übersicht der Farbstofflösungen Lösung V(NaOH)[mL] V(KCl) [ml] V(H2O) [ml] V(FS) [ml] 1 25 / 20 5 2 25 5 15 5 3 25 10 10 5 4 25 15 5 5 5 25 20 / 5 4
Zu Beginn einer Messreihe wird einer der Farbstoffe zur vorbereiteten Lösung zugegeben. Nach kurzem vermischen mithilfe eines Glasstabs wird etwas Lösung in eine Küvette überführt. Diese wird in den Probenhalter des Photometers Cary 50 Scan platziert. Es wird 10 Minuten lang jede Minute ein Spektrum zwischen 400 nm und 750 nm aufgenommen, wobei die Cycle-Funktion des Gerätes genutzt werden kann. Auf diese Art und Weise ist die Extinktionsänderung für je 5 verschiedene Lösungen für die beiden Farbstoffe Phenolphthalein und Kristallviolett aufzuzeichnen. Die Daten werden auf einen USB-Stick (Bitte mitbringen) exportiert. 2.4. Auswertung Bestimmen Sie für alle Lösungen die RG-Konstante k graphisch durch Auftragung nach Gleichung (11). Berechnen Sie die Ionenstärke I für alle Lösungen nach Gleichung (9) Bestimmen Sie graphisch mithilfe von Gleichung (10) die RG-Konstante k bei unendlicher Verdünnung und den Faktor A aus der Debye-Hückel-Theorie. Diskutieren Sie alle Ergebnisse ausführlich! 2.5. Zusatzaufgabe Leiten sie Ausdruck (11) her. Literatur G. Wedler und H-J. Freund, Lehrbuch der Physikalischen Chemie, Wiley-VCH, 2012, 6. Auflage. P. W. Atkins und J. de Paula, Physikalische Chemie, Wiley-VCH, 2013, 5. Auflage. 5