L-GAV GASTGEWERBE GUTACHTEN ZUR ANWENDUNG DES L-GAV GASTEGEWERBE IN DEN MITGLIEDERINSTITUTIONEN VON CURAVIVA SCHWEIZ



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Transkript:

L-GAV GASTGEWERBE GUTACHTEN ZUR ANWENDUNG DES L-GAV GASTEGEWERBE IN DEN MITGLIEDERINSTITUTIONEN VON CURAVIVA SCHWEIZ CURAVIVA Schweiz Zieglerstrasse 53 3000 Bern 14 Telefon +41 (0)31 385 33 33 www.curaviva.ch info@curaviva.ch 1

Dieses Gutachten wurde erstellt von Christian Streit Lic.iur., Fürsprecher Im Auftrag des nationalen Dachverbandes CURAVIVA Schweiz Juni 2013 2

Inhaltsverzeichnis: I. Ausgangslage: Bisherige Unsicherheit bezüglich Anwendung des GAV-Gastro II. Antrag der GAV-Vertragsparteien: Unterstellung der Heime und Spitäler III. Entscheid des Bundesrates zur Anwendung auf Heime und Spitäler IV. Ausnahmen: Wann sind Heime und Spitäler dem GAV-Gastro nicht unterstellt V. Konkrete Auswirkungen bei einer Anwendbarkeit des GAV-Gastro 3

I. Ausgangslage: Bisherige Unsicherheit betreffend Anwendbarkeit Bereits im Jahr 1998 haben die in der Gastronomie tätigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen den aktuellen L-GAV abgeschlossen und in der Folge vom Bundesrat als verbindlich erklären lassen für alle in dieser Branche tätigen Unternehmen. Unter diesen Anwendungsbereich fallen gemäss Art. 1 L-GAV «alle Anbieter von gastgewerblichen Leistungen, die allgemein zugänglich sind und die üblicherweise gegen Entgelt angeboten werden». Der offizielle Kommentar zum L-GAV präzisiert, dass der Anwendungsbereich ausdrücklich auch «öffentlich zugängliche Restaurants oder Cafés in Altersheimen, Altersresidenzen, Spitälern und Schulen jeder Art, Clubs, usw.» umfassen sollte. Sobald sich das Angebot eines Betriebs nicht nur an die Bewohner richte, sondern ein Besuch auch der Öffentlichkeit ermöglicht werde, müssten die als allgemein verbindlich erklärten Vorschriften eingehalten werden. Weil die Vertragsparteien der Rechtsmässigkeit ihres Kommentars offenbar selbst nicht trauen, sind in den 15 Jahren seit dem Bestehen kaum je Kontrollen in den Spitälern oder Heimen erfolgt, auch wenn diese in den überwiegenden Fällen einen öffentlich zugänglichen Restaurationsbetrieb beinhalten. Gestützt auf den unklaren Wortlaut des L-GAV und die ständige Praxis darf davon ausgegangen werden, dass bei einer «dem Heim angegliederten» Essensabgabe welche primär der Ernährung von Bewohnern dient die zwingenden Bestimmungen des L-GAV heute nicht zur Anwendung kommen. Diese Annahme wird untermauert durch das im Dezember 2011 eingereichte Gesuch der GAV- Vertragsparteien. Dieses fordert vom Bundesrat die Allgemeinverbindlicherklärung des GAV-Gastro ausdrücklich auch für Spitäler und Heime mit öffentlich zugänglichen Restaurationsbetrieben (also e contrario heute nicht). II. Antrag der GAV-Vertragsparteien: Unterstellung der Heime und Spitäler Mit Publikation vom 8. Dezember 2011 haben die Vertragsparteien des GAV-Gastro folgende Ausdehnung des Geltungsbereichs verlangt (vgl. beiliegenden SHAB-Auszug): «Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Landes-Gesamtarbeitsvertrages gelten unmittelbar für alle Betriebe, die gastgewerbliche Leistungen anbieten sowie deren Arbeitnehmer (Teilzeitarbeitnehmer sowie Aushilfen inbegriffen). Als gastgewerbliche Betriebe gelten alle Betriebe, die gegen Entgelt Personen beherbergen oder Speisen oder Getränke zum Genuss an Ort und Stelle abgeben. Gastgewerblichen Betrieben gleichgestellt sind Betriebe, die fertig zubereitete Speisen ausliefern. Gewinnorientierung ist nicht vorausgesetzt.» Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen wären gemäss diesem Gesuch künftig nur noch: «Restaurationsbetriebe in Spitälern und Heimen, die ausschliesslich den Patienten respektive Bewohnern dienen und nicht öffentlich zugänglich sind oder für deren Arbeitnehmer im Falle der öffentlichen Zugänglichkeit zwingend ein im Vergleich mit dem vorliegenden GAV mindestens gleichwertiger GAV gilt.» Bildete bis dato der gastgewerbliche Betrieb Anknüpfungspunkt für den Geltungsbereich des GAV- Gastro, soll mit diesem Gesuch am Erbringen gastgewerblicher Leistungen angeknüpft werden (vgl. Art. 1 Abs. 1 L-GAV 2010 und 2012). Dies unabhängig davon, ob diese Leistungen Kern- oder Nebengeschäft des unterstellten Betriebes bilden. Dieses Vorgehen dürfte sich wohl nur dadurch erklären, 4

dass die Vertragsparteien nebst gastgewerblichen Betrieben schlicht und einfach auch Betriebe aus anderen Wirtschaftszweigen dem GAV unterstellen wollen, namentlich die Heime und Spitäler. Um diese unsachgemässe Unterstellung zu vermeiden, wurden mehr als 130 Einsprachen eingereicht, darunter auch von Curaviva, H+ und senesuisse. III. Entscheid des Bundesrates zur Anwendung auf Heime und Spitäler Der Bundesrat hat das Gesuch zur Ausdehnung des Geltungsbereichs trotz der zahlreichen Einsprachen am 12. Juni 2013 mit einigen Anpassungen gutgeheissen. Dieser Entscheid hat die grundsätzliche Unterstellung fast aller Heime und Spitäler zur Folge (gemäss Beilage, in Art. 2 Abs. 2 L-GAV): «Die allgemeinverbindlich erklärten Bestimmungen des Landes-Gesamtarbeitsvertrages gelten unmittelbar für alle Betriebe, die gastgewerbliche Leistungen anbieten sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Teilzeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer sowie Aushilfen inbegriffen). Als gastgewerbliche Betriebe gelten alle Betriebe, die gegen Entgelt Personen beherbergen oder Speisen oder Getränke zum Genuss an Ort und Stelle abgeben. Gastgewerblichen Betrieben gleichgestellt sind Betriebe, die fertig zubereitete Speisen ausliefern. Gewinnorientierung ist nicht vorausgesetzt.» Der Bundesrat hiess das Gesuch namentlich deshalb gut, damit kein Anbieter gestgewerblicher Leistungen einen Wettbewerbsvorteil geniesst, sondern alle über die «gleich langen Spiesse» verfügen. Er ist allerdings bei den Ausnahmeregelungen den Einsprechern ein Stück weit entgegen gekommen: Der L-GAV sieht vom Grundsatz der Unterstellung neu folgende Ausnahmen für Heime und Spitäler vor: «Ausgenommen vom betrieblichen Geltungsbereich sind abschliessend: Restaurationsbetriebe in Spitälern und Heimen, die ausschliesslich den Patienten respektive Bewohnern und deren Besuchern dienen und nicht öffentlich zugänglich sind oder für deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle der öffentlichen Zugänglichkeit zwingend im Vergleich mit dem vorliegenden Gesamtarbeitsvertrag mindestens gleichwertige reglementarisch oder gesamtarbeitsvertraglich festgelegte Arbeitsbedingungen gelten.» Der Beschluss des Bundesrates gilt ab dem 1. Juli 2013 und ist also sofort umzusetzen. IV. Ausnahmen: Wann sind Heime und Spitäler dem GAV-Gastro nicht unterstellt 1. Nichtunterstellung aufgrund des persönlichen Geltungsbereichs im L-GAV Für einen ausgewählten Personenkreis gelten die GAV-Vorschriften aus Prinzip nicht, weil diese keines solchen Arbeitnehmerschutzes bedürfen (vgl. beiliegenden Bundesratsentscheid). «Ausgenommen vom persönlichen Geltungsbereich sind abschliessend: - Betriebsleiter, Direktoren; - Familienmitglieder des Betriebsleiters (Ehegatte, Eltern, Geschwister, direkte Nachkommen); - Schüler von Fachschulen während des Schulbetriebes; - Lernende im Sinne des Bundesgesetzes über die Berufsbildung.» 5

2. Nichtunterstellung aufgrund der fehlenden «Öffentlichkeit» des Betriebs Wenn Restaurationsbetriebe in Spitälern und Heimen «ausschliesslich den Patienten/Bewohnern und deren Besuchern dienen» und somit «nicht öffentlich zugänglich sind», sind sie vom Anwendungsbereich des L-GAV ausgenommen. In diesem Fall steht die Restauration nicht in einem Konkurrenzverhältnis und muss die GAV- Mindestbestimmungen deshalb nicht anwenden. Der Ausschluss der Öffentlichkeit sollte ausdrücklich erfolgen. Dies etwa dadurch, indem beim Eingang ein entsprechender Hinweis angebracht ist, wonach die gastgewerblichen Leistungen nur von den Patienten/Bewohnern und deren Besuchern in Anspruch genommen werden dürfen, nicht aber von Dritten. Nach dem neu eindeutigen Geltungsbereich des L-GAV ist dieser auch anwendbar, wenn die grosse Mehrzahl der Leistungen an Patienten/Bewohner und deren Besucher abgegeben werden. Nur wenn die Leistungserbringung an Dritte gänzlich ausgeschlossen wird, besteht keine Unterstellung. 3. Evtl. Nichtunterstellung einzelner Arbeitnehmer aufgrund ihres Tätigkeitsgebiets Sobald aber eine Person überwiegend im (öffentlich zugänglichen) Gastronomie-Bereich tätig ist, unterliegt sie auch bei einer Teilzeitarbeit dem L-GAV. Es ist aber denkbar, dass einzelne Arbeitnehmer gemäss ihrem Stellenbeschrieb hauptsächlich in anderen Bereichen tätig sind (z. B. Pflege, Hauswirtschaft oder Sekretariat) und nur zu einem kleineren Teil im Gastro-Bereich mithelfen (z. B. als Koch, Servierpersonal oder Kassenpersonal). Wenn sie hierfür über nur einen Arbeitsvertrag verfügen und die überwiegende Tätigkeit im Nicht-Gastrobereich klar nachweisbar ist, dürften sie vom Geltungsbereich des L-GAV nicht erfasst sein. Unklar bleibt der Graubereich, ob auch eine Trennung von Küchen und Service für die Bewohner und den öffentlichen Bereich ausreichen könnte: Wahrscheinlich wären die hauptsächlich für den Bewohner-/Gästebereich angestellten Mitarbeiter mit untergeordneter Tätigkeit im öffentlich zugänglichen Bereich dem L-GAV unterstellt (Gefahr der Umgehung zwingender Vorschriften). 4. Nichtunterstellung aufgrund eines bestehenden eigenen Branchen-GAV Wenn der Betrieb bereits einem mindestens gleichwertigen GAV unterstellt ist (wie etwa im Kanton VD mit dem CCT San-Vaud oder im Kanton NE mit dem freiwilligen CCT-Santé21), unterstehen sie nicht auch noch zusätzlich dem Geltungsbereich des GAV-Gastro. 5. Ersatz der Anwendung des GAV-Gastro durch ein gleichwertiges Personalreglement Wenn der Betrieb mit den Mitarbeitern ein mindestens dem GAV-Gastro gleichwertiges Personalreglement vereinbart hat, findet der GAV keine Anwendung (womit sich die jährlichen Beiträge von aktuell Fr. 89.-- pro Mitarbeiter und pro Betrieb einsparen lassen). Hierzu müssen für die Gastronomie namentlich die nachfolgenden Reglungen im Vertrag/Reglement enthalten sein. 6

V. Konkrete Auswirkungen bei einer Anwendbarkeit des GAV-Gastro Namentlich die folgenden allgemeinverbindlich erklärten Inhalte des GAV sind für die betroffenen Arbeitnehmer zwingend zumindest im Personalreglement zu garantieren (wichtigste Artikel fett): Art. 4 Art. 5 Die Anstellung muss auf Verlangen mit schriftlichem Vertrag erfolgen. Namentlich die individuell ausgestaltbaren Vereinbarungen zur Länge von Probezeiten, Zahlungszeitpunkt der Löhne und Überstundenentschädigungen bei Kadern müssen in jedem Fall zwingend schriftlich erfolgen. Die Probezeit beträgt 14 Tage (nach Art. 335b OR einen Monat), kann aber durch eine schriftliche Vereinbarung kürzer oder bis zu 3 Monaten ausgestaltet werden (wie OR). Die Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt 3 Tage (nach Art. 335b OR 7 Tage), kann aber durch eine schriftliche Vereinbarung verlängert werden (nach Art. 335b OR ist auch die Vereinbarung von 0 bis 2 Tagen möglich). Art. 6 Die Kündigungsfrist nach der Probezeit beträgt nach L-GAV zwingend 1 Monat, ab dem 6. Arbeitsjahr 2 Monate (nach Art. 335c OR bereits ab dem 2. Dienstjahr 2 Monate, ab dem 10. Dienstjahr 3 Monate). Art. 7 Art. 8 Arbeitgeber können während den Ferien der Mitarbeiter keine Kündigung aussprechen. Der Tageslohn wird ermittelt, indem der monatliche Bruttolohn durch 30 geteilt wird (nach OR ist die Berechnung nach Arbeitstagen statt Kalendertagen üblich). Art. 10 Es sind Mindestlöhne für volljährige Mitarbeiter vorgeschrieben, in folgender Höhe: - Ohne Berufslehre: Fr. 3 400.-- - Ohne Berufslehre, mit Progresso-Ausbildung: Fr. 3 600.-- - Mit 2-jähriger Grundbildung (Attest): Fr. 3 700.-- - Mit 3-jähriger Grundbildung (Fähigkeitszeugnis): Fr. 4 100.-- - Mit einer eidgenössischen Berufsprüfung: Fr. 4 800.-- Art. 12 Es ist zwingend ein 13. Monatslohn geschuldet (nach OR freiwillig zu vereinbaren). Art. 14 Der Lohn ist spätestens am letzten Tag des Monats auszuzahlen, jeweils mit einer übersichtlichen Lohnabrechnung. Bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss das Arbeitszeugnis am letzten Arbeitstag ausgehändigt werden. Art. 15 Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 42 Stunden, in Kleinbetrieben bis maximal 4 Arbeitnehmer 45 Stunden (nach OR frei zu vereinbaren). Überstunden sind je nach Einsatzplanung und Zeiterfassung zwingend zu 125 % zu bezahlen, nur bei einem Lohn ab Fr. 6 750.-- pro Monat kann eine Vereinbarung mit darin bereits entschädigten Überstunden erfolgen. Art. 16 Die Mitarbeiter haben Anspruch auf 2 Ruhetage pro Woche (nach Art. 20 und 21 des Arbeitsgesetzes nur 1,5 Tage pro Woche). Art. 17 Die Mitarbeiter haben Anspruch auf 5 Wochen resp. 35 Kalendertage Ferien pro Jahr (nach OR nur 4 Wochen). Die Ferienentschädigung für unregelmässig und in kleinem Pensum arbeitende Stundenlöhner beträgt 10,65 % (nach OR 6,33 %). 7

Art. 18 Die Mitarbeiter haben Anspruch auf 6 bezahlte Feiertage pro Jahr (nach OR und Arbeitsgesetz ist dies abhängig von den kantonal definierten Feiertagen). Art. 19 Die Mitarbeiter haben Anspruch auf 3 bezahlte Arbeitstage pro Jahr für die selber gewählte berufliche Weiterbildung, mit Möglichkeit diese 3 Jahre rückwirkend einzufordern (nach OR ist keine solche bezahlte Absenz vorgesehen). Art. 20 Die Mitarbeiter haben Anspruch auf diverse bezahlte arbeitsfreie Tage für Anlässe. Grosszügig sind namentlich der 3-tägige Vaterschaftsurlaub und die bis 2-tägige bezahlte Absenz für den Wohnungswechsel (nach OR sind eher tiefere Absenzzeiten üblich, zudem müssen sie den Stundenlöhnern nicht bezahlt werden). Art. 21 Der Betrieb hat unter Beizug der Mitarbeiter jeweils Arbeitspläne für 2 Wochen zu erstellen. Er muss die Arbeitszeiten erfassen und mindestens monatlich unterzeichnen lassen. Mitarbeiter können jederzeit Auskunft über Arbeits-/Ruhezeiten, Feiertage und Ferienguthaben verlangen. Art. 22 Bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist grundsätzlich die Berner Skala anwendbar, wenn keine Krankentaggeldversicherung abgeschlossen wurde. Eine solche ist aber zwingend abzuschliessen, mit einer Leistungspflicht von 80 % über 720 Tage. Während der Aufschubszeit von maximal 60 Tagen muss der Arbeitgeber 88 % des Bruttolohnes zahlen (nach Art. 324a OR und Bundesgericht genügen 80 %). Art. 25 Während den ersten 2 Tagen nach dem Unfall muss der Arbeitgeber 88 % des Bruttolohnes zahlen (nach Art. 324b OR genügen 80 %). Unterstützungspflichtigen Mitarbeitern mit einem Berufsunfall (inkl. Arbeitsweg) muss für eine beschränkte Zeit (nach Berner Skala) zudem der Lohn auf 100 % ergänzt werden. Art. 27 Die Möglichkeiten der beruflichen Vorsorge werden durch zusätzliche Bestimmungen im GAV- Gastro eingeschränkt. Die GAV-Aufsichtskommission kann BVG-Reglemente und Stiftungsurkunden auf die Erfüllung der GAV-Mindestvorschriften prüfen und über die Zulassung abweichender Systeme entscheiden. Art. 28 Für obligatorischen Militär-/Zivildienst haben die Mitarbeiter Anspruch auf den vollen Lohn während 25 Tagen pro Jahr, bei längeren Dienstleistungen 88 % des Lohnes gemäss Skalen. Bei Dienstverschiebungen ist der später nachgeholte Dienst zu bezahlen, selbst wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich aufgelöst wurde. Art. 30 Für die Reinigung der Berufskleidung (inkl. vorgeschriebene Dienstkleidung) muss der Arbeitgeber selbst aufkommen oder in der Regel monatlich Fr. 50.-- an die Mitarbeiter in Küche, Service und Etage bezahlen. Art. 32 Für die Anstellungsdauer werden alle Arbeitsperioden beim gleichen Arbeitgeber zusammengezählt, ausser sie seien mehr als 2 Jahre unterbrochen gewesen. Art. 35 Die paritätische Aufsichtskommission überwacht die Einhaltung des GAV-Gastro, mit dem Recht auf Betriebsbesichtigungen inkl. Unterlagensichtung und Befragungen. Wiederholte oder vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen den GAV werden mit einer Konventionalstrafe von Fr. 600.-- bis 20 000.-- geahndet. Jeder Betrieb muss jährlich Fr. 89.-- an die Kontrollstelle abliefern. Für jeden Mitarbeiter werden ebenfalls Fr. 89.-- pro Jahr vom Lohn abgezogen und an die Kontrollstelle überwiesen. 8

Die Folgen für die Betriebe sind also erheblich. Dies umso mehr, weil in Heimen und Spitälern die GAV- Regelungen nur einen kleinen Teil der Arbeitnehmer betreffen. Für diese muss zumindest die Gleichwertigkeit des Personalreglements (und Pensionskassenreglements) überprüft werden. Die drohenden Ungleichbehandlungen (z. B. Mindestlöhne, 42-Stundenwoche, 5 Ferienwochen, 13. Monatslohn, etc.) könnten zu Nebengeräuschen bei der Umsetzung ab 01.07.2013 führen. --------------------------------------------------------------- Centre Patronal Bern Kontakt: Centre Patronal Herr Christian Streit (lic.iur., Fürsprecher) Kapellenstrasse 14, Postfach 5236, 3001 Bern Telefon: +41 31 390 99 09 E-Mail: christian.streit@centrepatronal.ch 9