Faire Arbeit in der IT wie kann das gehen? Alexander Spermann Programm Ideenlabor Bonn

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Transkript:

Faire Arbeit in der IT wie kann das gehen? Alexander Spermann Programm Ideenlabor Bonn 27.04.2017

Positive Sicht: Digitale Nomaden

Negative Sicht: Selbstausbeutung

Arbeitszeitentwicklung 2200 Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland, 1960-2015 Angaben in durschnittlichen Stunden pro Jahr je Erwerbstätigen 2100 2000 1900 1800 1700 1600 1500 1400 1300 1200 Gesamtdeutschland Westdeutschland Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eigene Darstellung.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2017): Diskussionsentwurf - Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 75.

Quelle: DIW Berlin (2016): DIW Wochenbericht Home Office, S. 97.

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2017): Diskussionsentwurf - Weißbuch Arbeiten 4.0, S. 86.

Was ist normal? Sozialversicherungspflichtige Beschäftigung Unbefristet Vollzeit Keine Identität von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis

Was ist atypisch? Teilzeitbeschäftigung Minijobs Befristete Beschäftigung Praktika Zeitarbeit Ein-Euro-Jobs

Erwerbstätige nach Erwerbsform*, 2014 Soloselbstständige und Freiberufler ohne Mitarbeiter andere Selbstständige und Freiberufler Normalarbeitnehmer Atypisch Beschäftigte 6% 21% 5% 68% *Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren, ohne Personen in Bildung oder Ausbildung oder einem Freiwilligendienst. Quelle: Destatis. Eigene Darstellung.

Soloselbstständige und Freiberufler nach Bildungsabschluss, 2014* 1% 11% 43% 45% ohne anerkannte Ausbildung mit Berufsausbildung Tertiärer Abschluss ohne Angabe *Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren, ohne Personen in Bildung oder Ausbildung oder einem Freiwilligendienst. Quelle: Destatis. Eigene Darstellung.

Selbstständigkeit im Zeitverlauf 1999 2014* (in Tsd) 2.400 2.200 2.000 1.800 Selbstständige mit Arbeitnehmern 1.600 Soloselbstständige 1.400 1.200 1.000 *im Alter von 15-64 Jahren Quelle: Eurostat. Eigene Darstellung.

Quelle: http://ukshop.economist.com/products/july-25th-2016#

Disruptive Geschäftsmodelle Peter Thiel: The winner takes it all Quelle: http://media.bizj.us/view/img/3745041/peterthiel2bloomberg*1200xx4000-2250-0-206.jpg

Künstliche Intelligenz (KI=AI) Intelligenter Computer schlägt Mensch 1996: Schach Deep Blue gewinnt 2011: Quizsendung Jeopardy Watson gewinnt 2016: Go AlphaGo (Google) gewinnt

World Economic Forum, Davos 2017

Top Start-ups (2011-2016)

CeBIT 2017 200.000 Teilnehmer 450 Start-ups stellen aus Über 200 Sprecher Themen sind u.a. Künstliche Intelligenz, Virtuelle Realität und das Internet der Dinge

BMWi: Konstruktiver Austausch

BMWi: Freundliche Worte, aber

häufig Blockade in der Praxis Plattformen stehen in der öffentlichen Kritik: Hohe Profite Wenig Arbeitsplätze Viele Jobs ohne soziale Absicherung Politische Reaktionen Uber: Kernmodell de facto in Deutschland verboten Airbnb: Zweckentfremdungsverbot wird insbesondere in Berlin sehr restriktiv gehandhabt Massive Einschränkungen

Faire Arbeit in NRW

Faire Arbeit

NRW Landtag Anhörung 2016

Faire Arbeit in der IT-Branche

Click- und Crowdworking Definition: IT-Arbeiter Arbeiten am PC im Home-Office oder Co-Working Space Sind meist Soloselbständige/freelancer Haben unregelmäßige Einkommen Sind nicht sozialversicherungspflichtig Prognose für die USA: Rund die Hälfte der Erwerbstätigen in den USA könnten 2020 als freelancer arbeiten (Dan Lavoie, Freelancer- Gewerkschaft)

Click- und Crowdworking IT-Markt: Nr. 1 ist Upwork (Mountain View, California)

Click- und Crowdworking Upwork 2017 12 Millionen freelancer 180 Länder Eine Milliarde Dollar Umsatz Fünf Millionen Geschäftskunden Wachstumserwartung bis 2020: 16-46 Milliarden Dollar Zum Vergleich: Adecco (Nr. 1 im Bereich Personaldienstleistungen): 20 Mrd. Euro (2016) Umsatz

Oxford-Clickworker Studie 2017 Mehrjährige Studie zu Clickworkern in Sub-Sahara und Südostasien Analyse eines Pools von 4,5 Millionen registrierten Clickworkern 61.447 Projekte einer Plattform im März 2013 wurden ausgewertet 125 qualitative Interviews mit Digitalarbeitern Quelle: Graham/Hjorth/Lehdonvirta (2017), Digital labour and development: impacts of global digital labour platforms and the gig economy on worker livelihoods, Transfer: European Review of Labour and Research, 1-28.

Vier Problemkreise Verhandlungsmacht Kunden kommen aus dem reichen Norden, die Clickworker aus dem Norden und Süden der Welt Wettbewerb auf Plattform treibt Löhne nach unten Wirtschaftliche Inklusion versus Exklusion Inklusion ist möglich, weil globaler Markt betreten werden kann, aber Problem der Diskriminierung und Segregation bleibt

Vier Problemkreise Intermediation in Wertschöpfungsketten Intermediäre (Plattform) und Re-Intermediäre (Clickworker mit hoher Reputation, die Unteraufträge vergeben) verhindern direkte Kundenbeziehung mit Vor- und Nachteilen Hinzugewinn neuer Funktionen aber nur, wenn Kundennähe möglich ist. Ansonsten bleiben Clickworker auf Distanz zum Kunden und kennen den Kontext ihrer Arbeit nicht

Vier Strategien

Strategie 1 Marktstrategie - Zertifizierung - Verbraucherschutz-Organisationen - Ethische Standards - Selbstverpflichtungen - Transparenz Sinnvoll, aber ausreichend?

Strategie 2 Arbeitsrechte-Strategie - Digitalarbeiter sind schwer zu organisieren - Freelancer Gewerkschaften sind ein erster Ansatz - Arbeitgeberbewertungsportale bringen mehr Transparenz (z.b. Kununu) - Faircrowdwork der IG Metall ist ein deutsches Beispiel für diese Strategie

Strategie 3 Regulierungs-Strategie - Nachfrage nach Clickworkern ist auf wenige westliche Industrieländer fokussiert - Druck auf Politik, dass diese Kunden Mindeststandards einhalten müssen - Beispiel: Mindestlöhne, Abfindungslösungen, wenn Aufträge kurzfristig storniert werden - Deutschland: Diskussion zu angemessener Regulierung ist erst am Anfang

Strategie 4 Politökonomische Strategie - Macht der Plattformen bezieht sich auf Digitalarbeiter und Kunden - Interesse von beiden Seiten an anderer organisatorischer Ausgestaltung außer einer profitorientierten Plattform - Beispiel für Deutschland könnte eine gemeinnützige Plattform sein

Zukunft der Arbeit

Überlegungen des BMAS Arbeitslosenversicherung schrittweise zur Arbeitsversicherung ausbauen Ein Recht auf Weiterbildung wird angestrebt Selbstständige grundsätzlich in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen Persönliches Erwerbstätigenkonto einführen

Fazit: Geht faire Arbeit in der IT? Selbstverwirklichung und Freiheit ist wichtige Antriebsfeder für IT freelancer Aber Selbstverwirklichung hat seinen Preis: Risikoüberwälzung auf Individuen Kurzsichtigkeit der oft jungen Clickworker mit Blick auf Altersvorsorge und Berufsunfähigkeit erfordert staatliches Handeln Aber Regulierung darf nicht Wachstums- und Beschäftigungschancen in der IT-Industrie zerstören

Vielen Dank für Ihr Interesse! Alexander Spermann Associate Professor at the University of Freiburg www.alexander-spermann.de