Die Schweizer Hotels zwischen Modernisierungsschub und Sanierungsstau

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Transkript:

Die Schweizer Hotels zwischen Modernisierungsschub und Sanierungsstau Die Deluxe-Hotels investieren im grossen Stil in die Modernisierung ihrer Häuser, im breiten Feld der Mittelklasse-Hotels herrscht vielerorts Verunsicherung, doch einige innovative Projekte mischen die Hotellandschaft mit frischen Angeboten auf. Die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) ist für die unterschiedlichsten Beherbergungsbetriebe ein wichtiger Partner. Renovainvest hat sich deshalb mit Peter Gloor, Leiter Finanzierung und Mitglied der SGH-Geschäftsleitung sowie Michael S. Kauer, Leiter Beratung über die aktuelle Situation im Schweizer Hotelmarkt unterhalten. Interview: Roland Schönenberger Fotos: Palma Fiacco Welche Rolle spielt die Hotellerie in der Schweizer Volkswirtschaft? Peter Gloor: Wir haben in der Schweiz rund 5600 Betriebe, die im Beherbergungssektor registriert sind. Rund die Hälfte davon ist von der hotelleriesuisse mit 1 bis 5 Sternen kategorisiert. Im 5-Stern-Segment gibt es in der Schweiz 90 Hotels. Die weiteren Zahlen sind nicht klar abgesichert, da sich die hotelleriesuisse auf klassifizierte Betriebe beschränkt und das Seco den Tourismussektor als Ganzes betrachtet. Gemäss Seco arbeiten in der Schweiz mehr als 300'000 Beschäftigte im Tourismus, davon zwei Drittel im Gastgewerbe. Die Tourismusbranche erwirtschaftet 5 Prozent des Bruttoinlandproduktes. Wird die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen, sind es 6 bis 7 Prozent. Die Branche erwirtschaftete im Jahr 2006 einen Umsatz von 24 Milliarden Schweizer Franken, beziehungsweise 28 bis 29 Milliarden, wenn man die gesamte Wertschöpfungskette einbezieht. Michael S. Kauer: Was man zusätzlich beachten muss: Anders als etwa in Frankreich, wo die meisten Gäste aus dem eigenen Land sind, kommen in der Schweiz 50 Prozent der Gäste aus dem Ausland. Das trägt den Namen Schweiz in viele andere Länder. Peter Gloor: Der Tourismus ist deshalb einer der wichtigen Exportfaktoren. Einerseits durch das Label Schweiz, andererseits durch die Wertschöpfung: denn 50 Prozent der Umsätze werden durch ausländische Gäste generiert. Hotels und Tourismus besitzen also in vieler Hinsicht eine hohe Wichtigkeit. Michael S. Kauer: die regional unterschiedlich verteilt ist: In traditionellen Ferienkantonen wie Graubünden oder Wallis ist der BIP-Anteil des Tourismus um rund einen Drittel höher. Wo stehen die Schweizer Hotels heute? Beispielsweise im Vergleich mit Österreich? Peter Gloor: Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Vergleich mit Österreich hinkt, da im Euro- Raum ganz andere Fördermittel zur Verfügung stehen! Diese Mittel werden flächendeckend eingesetzt. Zudem gibt es in Österreich eine ähnliche Organisation wie die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit, die für ihre Kredite bis 1 Million Euro die volle Rückhaftung des Staates hat. Wir in der Schweiz müssen das Risiko durch unsere Eigenwirtschaftlichkeit abfedern. Aufgrund dieser unterschiedlichen Rahmenbedingungen ist ein Vergleich schwierig. Michael S. Kauer: In der Schweizer Hotellerie gibt es hinsichtlich Klassifikationen und Regionen klare Unterschiede. Städte wie Zürich, Basel und Genf boomen extrem. Den touristischen Grosszentren wie St. Moritz oder Zermatt geht es ebenfalls sehr gut, wobei die Auslastung saisonalen Schwankungen unterliegt. Eine wichtige Rolle spielt die Erschliessung neuer Märkte in Indien, China oder auch in osteuropäischen Staaten, die in den letzten Jahren erfolgreich durchgeführt wurde. Sie bringt insbesondere dem Luxussegment interessante neue Gäste. Wenn man die Zimmerauslastung in der ganzen Schweiz betrachtet, dann liegt diese lediglich bei 39 Prozent. Angesichts der 50 Prozent, die gemäss Renditeüberlegungen notwendig wären, präsentiert sich hier die Situation bezüglich Auslastung etwas schwieriger. Vor allem die Mittelklasse-Hotellerie steht vielerorts vor strukturellen Schwierigkeiten: die Hotels sind zu klein, nicht gut positioniert, haben unspezifische Angebote und folglich eine schwache Auslastung. Benötigt der Betrieb eines Hotels grosse Investitionen? Peter Gloor: Die Hotellerie ist sehr anlageintensiv. In 30 bis 40 Jahren sollte die Immobilie komplett erneuert werden. Vor allem die Zimmer haben eine hohe Abnutzung. Je nachdem, wie trendorientiert oder traditionell zeitlos sich ein Hotel architektonisch mit seiner Ausstattung im Markt positioniert, sind auch die Erneuerungszyklen kürzer oder länger.

Michael S. Kauer: Hoteliers wissen vielfach zuwenig, was die verschiedenen Bauteile ihrer Immobilie an Unterhalt verlangen. Ob beim langlebigen Rohbau oder bei den Zimmern, die im 5-Stern-Bereich gemäss Lehrbuch alle sieben Jahre erneuert werden sollten. Für eine klare Planung der Investitionen sollte der Hotelier langfristig wissen, welche Erneuerungen wann anfallen. Mit mehr Kooperationen, beispielsweise durch die Bewirtschaftung von zwei benachbarten Hotels über eine Rezeption, könnten Mittel freigemacht werden für künftige Investitionen, beziehungsweise für die anfallenden Ersatzinvestitionen. Sind der Schweizer Hotellerie die finanziellen Mittel zugänglich, um die anfallenden Erneuerungen und Neupositionierungen vorzunehmen? Peter Gloor: Im Deluxe-Bereich findet sich das so genannte Mäzenentum. Die Motivation der Mäzene für ihre Investitionen ist nicht allein betriebswirtschaftlich bedingt und erlaubt deren Hotelbetriebe ihre ausserordentliche Positionierung im Markt. Das kritische Segment ist die Mittelklasse-Hotels, die wegen mangelnder Auslastung die notwendigen Investitionen nicht tätigen, oder nur über eine Fremdverschuldung generieren können, was dann wiederum die Profitabilität belastet. Denn wie die meisten Schweizer KMUs haben auch diese Hotelbetriebe eine schwache Eigenkapitalisierung. Die Kette der Problemfaktoren besteht aus mangelnder Auslastung, ungenügender Positionierung des Hotel-Produkts sowie vielfach eine nicht mehr gefragte Destination, die zudem wenig Unterstützung bezüglich Marktauftritt bietet. Michael S. Kauer: Aus unserer Zusammenarbeit mit den Kantonen wissen wir, dass der Handlungsbedarf bei der Wirtschaftsförderung bekannt ist. Die Kantone gehen sehr pragmatisch

«Rentabilität beginnt bei der klaren Ausrichtung in der Vermarktung» vor, indem sie sich fragen: Was braucht der Kanton, was braucht eine Destination? Hotels müssen dann in diese strategischen Überlegungen passen. So wird ein Projekt für ein alternatives 2-Stern-Hotel in St. Moritz kaum passen, dafür an einer spannenden Destination im Bereich nachhaltiger, kultur- oder naturnaher Tourismus die volle Unterstützung erhalten. Gibt es Beispiele für innovative Neupositionierungen? Michael S. Kauer: Ein aussergewöhnliches Projekt ist Piz Tschütta in Vnà im Unterengadin, wo sich ein ganzes Dorf zum Hotel zusammengeschlossen hat. Auch für uns eine ganze neue Ausrichtung und Positionierung: Die Rezeption ist eigentlich ein kleiner Teil und die Bevölkerung schafft über das ganze Dorf verteilte Zimmer. Dadurch ist ein sehr attraktives Produkt entstanden. Peter Gloor: Ein ähnliche Richtung verfolgt die Konzeption der Jugendherbergen, die heute sowohl in den Städten wie in anderen Regionen mit dem gleichen Produkt erfolgreich auftreten. In den Städten boomen sie, weil sie gezielt den Low-Budget-Bereich ansprechen, etwa in Basel mit dem Easy-Jet-Tourismus. Zudem positionieren sie sich auch bautechnisch klar bezüglich Nachhaltigkeit und Ökologie unter anderem durch ihr Minergie-Engagement. Die Jugendherbergen haben sich einen sehr guten Namen erarbeitet und sind inzwischen ein bekanntes Label. Von der Gaststruktur haben sie sowohl Leute, die in Jugendherbergen übernachten, aber andererseits Wellnessferien in Fünf-Stern- Hotels machen! Die gute Lage, ein Bett zum Schlafen und die Möglichkeit, selbst etwas zu kochen sind auch für Businessreisende schlagende Argumente. Insofern haben sie die ganze Bandbreite an Gästen, nicht nur Rucksacktouristen wie man es sich aus früheren Jahren gewohnt ist. Herrscht bei den Mittelklasse-Hotels insgesamt ein Sanierungsstau? Peter Gloor: Ja, soweit wir es beurteilen können obwohl ich nicht gerne alles in einen Topf werfe. Denn es gibt Hoteliers und Unternehmen, die in ihrem Segment ihre Hausaufgaben gemacht haben. Entscheidend ist die Rentabilität, die erreicht wird. Rentabilität beginnt bei der klaren Ausrichtung in der Vermarktung. Zwar hat Braunwald im Glarnerland als Destination nicht die internationale Ausstrahlung wie St. Moritz oder Zermatt, aber das dortige Vier-Stern Hotel Bellevue hat sich nun über Jahre als Märchenhotel im Familiensegment sehr gut positioniert. Michael S. Kauer: Die Einschätzung, alle Mittelklasse-Hotel wir verstehen darunter die Bandbreite von Ein- bis Drei-Stern-Hotels befänden sich in einem Sanierungsstau, gilt wirklich nur mit Einschränkungen. Wir sehen beispielsweise bei Städten den Trend, dass für gute Angebot im Budgetbereich eine grosse Nachfrage besteht. Wir kennen ein Projekt aus dem Raum Ostschweiz, wo ein Hotelier seinen Zwei- Stern-Betrieb einfach ausgestaltet, eine Online- Reservierung eingerichtet und das Schlüsselholen per Kreditkarte ermöglicht hat. Dafür sind keine riesigen Investitionen notwendig, aber eine gute Idee. Dieser Hotelier hat sich klar positioniert und sein Hotel läuft. Peter Gloor: Aber es stimmt schon, dass in der grossen Breite diese klare Positionierung oft fehlt und dementsprechend die Rentabilität tief ist und die Ressourcen für die notwendigen Investitionen nicht vorhanden sind. Wie alle Verkaufs- und Dienstleistungsgeschäftw müssen sich Hotels immer wieder frisch präsentieren, um ihre Kunden anzuziehen.

«Die Hotellerie ist sehr anlageintensiv. In 30 bis 40 Jahren sollte die Immobilie komplett erneuert werden» Peter Gloor, Leiter Finanzierung und Mitglied der SGH-Geschäftsleitung In welche Bereiche investieren heute die Hotelbetriebe? Peter Gloor: Viele Investitionsprojekte sind heute mit Wellness verbunden. Sowohl seitens des Marktes wie seitens der Destination gibt es einen Druck auf die Hotels, einen konkurrenzfähigen Wellnessbereich anzubieten, weil sonst weniger Gäste kommen. Michael S. Kauer: Diese Nachfrage, kann aber auch so abgedeckt werden, dass man bestehende Synergien nutzt. So hat beispielsweise das Hotel Belvédére in Scuol für seine Gäste einen exklusiven Zugang zur bestehenden Badelandschaft realisiert. Peter Gloor: Vielfach werden Investitionen getätigt, um durch Anbauten die Kapazität zu erhöhen. Ziel kann es sein, neben den Normalzimmern auch noch andere Zimmerklassen anzubieten, beispielsweise eine Suite, um zahlungskräftigere Gäste aus höheren Segmenten anzusprechen. Auch die Gaststruktur kann Hotels vor Probleme stellen, wenn die Stammkundschaft zu überalten beginnt und wieder vermehrt jüngere Gäste angesprochen werden sollen. Das darf man nicht vergessen: Die Hotels werden in der Schweiz zu 50 und mehr Prozent von Stammkundschaften besucht ausser in den Städten. Michael S. Kauer: Deshalb ist es wichtig, das Angebot eines Hotels zu differenzieren. Wenn Gäste zuerst ohne, dann mit Kindern und später doch wieder ohne Kinder anreisen, sollten sie stets im gleichen Hotel untergebracht werden können. Einige Hoteliers machen das hochprofessionell: für die eine Phase Kinderzimmer mit Märchenonkel, später dann Suiten mit Designermöbel. Wenn es dem Hotel gelingt, alle Lebensphasen abzudecken, kommen auch die Kinder wieder, wie beim hundertjährigen Grand Hotel Waldhaus in Sils, wo eine langjährige Stammkundschaft ein und aus geht. Peter Gloor: Hoteliers können sich auch mit einem Vier- oder Fünf-Stern-Betrieb ein klares Image schaffen und daneben Dependancen realisieren, die in einem tieferen Segment das Abgebot abrunden. Diese Strategie wird im Waldhaus in Flims gepflegt, wo einerseits das klassische Fünf-Stern-Segment geführt wird und daneben Vier- und Drei-Stern-Bereiche betrieben werden, die im Bereich Wellness dann alle die gleichen Angebote nutzen. Braucht ein Hotel eine bestimmte Grösse, um rentabel zu wirtschaften? Peter Gloor: Die Schweizer Hotelbranche ist ein Abbild der KMU-Landschaft Schweiz: Haben die meisten KMUs 20 bis 50 Mitarbeitende, gibt es sehr viele Hotels mit 20 bis 50 Betten! Zwischen 50 und 100 Betten gibt es einige Angebote und über 100 Betten ist es ein kleiner, exklusiver Kreis. Aus unserer Perspektive wären Betriebe ab 50 Betten optimal für ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Michael S. Kauer: Reisebusse haben normalerweise 50 Plätze, sodass ein Hotel mit 17 Betten gar nicht in Frage kommt. Heute hat sich nicht nur das Reiseaufkommen gesteigert, auch die Busse sind noch grösser geworden. Ein Hotelkomplex auf der grünen Wiese mit 250 Zimmern hat deshalb Vorteile gegenüber der klassischen Schweizer Hotellerie, deren Blütezeit vor hundert Jahren war, als noch die Zaren und Fürsten Gäste waren. Ist die historische Bausubstanz ein gewinnversprechender Charmefaktor oder eher eine Hypothek? Peter Gloor: Renomee und Traditionen spielen insbesondere in der international vernetzten Fünf-Stern-Hotellerie sicher eine wichtige Rolle. Gerade die Grand Hotels leben von und durch die Tradition, wenn Familien über Generationen zu Gast sind und einem Haus über Jahrzehnte die Treue halten. Zudem besitzen diese Gebäude eine gute Bausubstanz, die mit ihren grosszügigen Raumvolumen sehr viel Spielraum lässt für die architektonisch Ausgestaltung. Michael S. Kauer: Das Raumangebot ist einerseits wichtig, andererseits aber auch die internationale Vernetzung durch den Anschluss an die elektronischen Reservationssysteme der «Leading Hotels of the World», um wirklich sichtbar zu sein. Ausser ein Hotels ist so gut positioniert und so bekannt, dass es weltweit sowieso bekannt ist. Peter Gloor: Für den Investor ist ein grosses Hotelgebäude mit weitläufigem Umschwung nicht nur als Hotelbetrieb interessant, sondern auch

«Für eine klare Planung der Investitionen sollte der Hotelier langfristig wissen, welche Erneuerungen wann anfallen» Michael S. Kauer, Leiter der SGH-Beratung als Immobilie, die weiterentwickelt werden kann. Es gibt einige Anlagen, wo Hotels durch Appartements und Residenzen erweitert wurden und diese dann an neue Eigentümer weiterverkauft wurden. Dank solchen Kapitalrückflüssen konnten die Investitionen ins Hotel optimiert werden. Hotels werden oft auch gerade deshalb gekauft, um sie für Wohnung oder Residenzen umzunutzen. Diese Immobilienseite der Grand Hotels macht sie auch für ausländische Investoren interessant, wie die Projekte am Bürgenstock zeigen. Für die Einheimischen hat dies den Nachteil, dass mancherorts die Preise ins Unermessliche gestiegen sind. Die traditionellen Hotelbetriebe im Zwei- bis Vier-Stern- Segment weisen im Gegensatz dazu eine ganz andere Struktur auf und verfügen kaum über grosse Landreserven. Michael S. Kauer: Für ausländische Investoren stellen die Hotelbetriebe zudem eine Möglichkeit dar, eine Immobilie zu erwerben, da diese als Betriebsstätte nicht der Lex Koller unterstellt ist. Dann besitzt er mit dem Label Schweiz und der Immobilie gleich eine doppelte Sicherheit. Michael S. Kauer: Das ist sehr von Region und Destination abhängig. Luzern hat es innerhalb der letzten drei bis vier Jahre geschafft, sich als Top-Kongressort zu etablieren. Dazu hat nicht nur das KKL beigetragen, sondern auch ein Radisson SAS. Ihr Konzept findet sich aber nicht nur in der Schweiz oder in Luzern. Es ist vielmehr austauschbar, deckt aber exakt die Bedürfnisse der Business- und Seminargäste ab: ein funktionales Zimmer mit Internetzugang, klare Linie, einfache und gute Werkstoffe, schlankes Check-in und Check-out, gute Verkehrslage. Das Hotel konnte sich zusammen mit der Destination so erfolgreich positionieren. Peter Gloor: Die Identität mit dem Ort, an dem das Hotel steht, ist ein wichtiger Punkt. An einem Ort wie Luzern, der sich auf den Kongresstourismus ausrichtet, spielen die Materialen in einem Zimmer weniger eine Rolle als in einer Ferienregion wie Graubünden, wo die Materialen vor Ort ein wichtiger Identitätsfaktor sind. Wenn der Gast den Arvengeruch im Zimmer nicht mehr vorfindet, dann fehlt ein Stück Identität. Der Preis ist dann weniger entscheidend als das Erlebnis, dass es einem wirklich wohl ist. Das ergibt ein Zusammenspiel zwischen den Menschen, die ein Hotel betreiben, und den verwendeten Werkstoffen. «Die Schweizer Hotelbranche ist ein Abbild der KMU-Landschaft Schweiz (Es gibt sehr viele Hotels mit 20 bis 50 Betten!)» Wir haben im bisherigen Gespräch bereits einige Faktoren angesprochen, die die Attraktivität eines Hotels beeinflussen: die Grösse und Breite des Zimmerangebotes, der Wellness-Bereich Peter Gloor: daneben ist es vor allem die Destination und ihre Positionierung, worin ein Hotel seinen Platz finden muss. Schlussendlich stehen und fallen Erfolg und Attraktivität mit der Person des Hoteliers und der Atmosphäre, die er kreieren kann. Der Gast geht dort hin, wo es ihm wohl ist. Wie können Hoteliers über die Raumgestaltung und die Architektur ihre Attraktivität beeinflussen? Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) gibt Darlehen aus wie eine Bank, engagiert sich aber speziell im erhöhten Risikobereich. Die SGH übernimmt oft den den fehlenden Teil zwischen der klassischen Bank- finanzierung und dem vorhandenen Eigenkapital. Einzelengagements bewegen sich in der Regel bis maximal 2 Millionen Schweizer Franken, was rund 15 bis 20 Prozent der Gesaminvestition entspricht. Vom luxuriösen 5-Stern-Betrieb bis zur einfachen Berghütte auf 2500 Metern sind alle Arten von Beherbergungsbetrieben Kunden der SGH. Geografisch ist der Aktionsradius der SGH auf die touristischen Gebiete beschränkt. Neben der Finanzierung bietet die SGH Beratungen an, insbesondere Businessplan-Plausibilisierungen und Bewertungen nach der DCF-Methode. Bei neuen Investitionen für Hotelerweiterungen oder -umbauten unterstützt sie Banken und Kantone mit diesen Dienstleistungen. Die SGH ist eine gemischtwirtschaftlich finanzierte Genossenschaft des öffentlichen Rechts und operiert auf der Basis des Bundesgesetzes über die Förderung der Beherbergungswirtschaft vom 20. Juni 2003 und ist direkt über den Bund finanziert. Dabei steht die Eigenwirtschaftlichkeit in allen Sparten im Vordergrund.