Grundkurs im Zivilrecht II Vorlesungsbegleitende Übung
FALL 2: DAS ZERSTÖRTE GEMÄLDE Der Kunsthändler Viguläus (V) bietet in seiner Galerie zeitgenössische Kunst an. Kasimir (K) interessiert sich für ein bestimmtes Bild Dina the Dog des sehr bekannten Künstlers Heuberger. V und K werden sich zu einem Preis von 1.000.000, handelseinig. K soll das Bild am nächsten Tag abholen. Als K am nächsten Tag erscheint, teilt V ihm mit, dass das Bild durch einen Brand im Lagerraum zerstört worden sei. Die Brandursache war ein Blitzschlag. Kann V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen? ABWANDLUNG 1: K versäumt es, das von V bereitgehaltene Bild abzuholen. Erst in der darauffolgenden Nacht wird das Bild zerstört. Der Brand entstand aufgrund eines leicht fahrlässigen Fehlers bei der Wartung der Heizungsanlage durch V. Kann V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen? # 2
ABWANDLUNG 2: Wie in Abwandlung 1 wurde das Bild aufgrund eines durch fahrlässige Heizungswartung verursachten Brandes zerstört. Der Brand fand aber schon vor dem vereinbarten Abholtermin statt. K hätte das Bild an einen Sammler für 1.000.100, weiterverkaufen können. K hatte zudem im Vertrauen auf den Erhalt des Bildes eine große Vernissage im Kollegen- und Bekanntenkreis geplant, um den Erwerb des Bildes gebührend zu würdigen. Dafür hatte er Einladungen drucken lassen. Kann K von V den entgangenen Gewinn von 100, und die Kosten für die Einladungen in Höhe von 200, verlangen? ABWANDLUNG 3: K hatte das Bild aufgrund eines Kataloges ausgewählt. Das Bild war im Lager des V durch den Brand zerstört worden, ohne dass V dies zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wusste. V wusste zwar von dem Brand, jedoch hatte er es versäumt, sich vor Vertragsschluss zu vergewissern, ob das Bild Dina the Dog vom Brand betroffen worden war. Kann V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen? K hätte das Bild an einen Sammler für 1.000.100 Euro weiterverkaufen können. Kann K von V den entgangenen Gewinn von 100, verlangen? # 3
Ausgangsfall Der Kunsthändler Viguläus (V) bietet in seiner Galerie zeitgenössische Kunst an. Kasimir (K) interessiert sich für ein bestimmtes Bild Dina the Dog des sehr bekannten Künstlers Heuberger. V und K werden sich zu einem Preis von 1.000.000, handelseinig. K soll das Bild am nächsten Tag abholen. Als K am nächsten Tag erscheint, teilt V ihm mit, dass das Bild durch einen Brand im Lagerraum zerstört worden sei. Die Brandursache war ein Blitzschlag. Kann V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen? # 4
V gg. K auf Zahlung des Kaufpreises, 433 II I. Anspruch entstanden V und K sind sich handelseinig geworden II. Anspruch erloschen In Betracht kommt 326 I 1 Dafür müsste ein gegenseitiger Vertrag vorliegen, die Leistungspflicht des V müsste unmöglich geworden sein, 275 I, und es dürfte keine von 326 I 1 abweichende Bestimmung eingreifen # 5
1. Gegenseitiger Vertrag (+) 2. Unmöglichkeit der Hauptleistungspflicht, 275 Die Leistung des V müsste unmöglich geworden sein 275 I unterscheidet objektive und subjektive Unmöglichkeit Hier ist das Bild, ein Unikat, durch einen Brand zerstört worden und kann folglich von niemandem mehr geleistet werden Somit ist die Leistung objektiv unmöglich geworden V ist gem. 275 I von seiner Leistungspflicht befreit # 6
3. Keine abweichende Bestimmung Es dürfte keine von 326 I 1 abweichende Bestimmung eingreifen Weder befand sich K im Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit im Annahmeverzug noch hat er diese zu vertreten 326 II 1 Var. 1 und 2 sind somit nicht einschlägig 4. Rechtsfolge des 326 I 1 Gem. 326 I 1 entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, sodass der Anspruch auf Kaufpreiszahlung erloschen ist III. Ergebnis V hat keinen Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach 433 II gegen K # 7
ABWANDLUNG 1: K versäumt es, das von V bereitgehaltene Bild abzuholen. Erst in der darauffolgenden Nacht wird das Bild zerstört. Der Brand entstand aufgrund eines leicht fahrlässigen Fehlers bei der Wartung der Heizungsanlage durch V. Kann V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen? # 8
V gg. K auf Kaufpreiszahlung, 433 II I. Anspruch entstanden (+), s. Ausgangsfall II. Anspruch erloschen 326 I 1 Ggs. Vertrag; Hauptleistungspflicht unmöglich; keine abweichende Bestimmung # 9
1. Gegenseitiger Vertrag (+) s.o. 2. Unmöglichkeit der Hauptleistungspflicht (+) s.o. 3. Keine abweichende Bestimmung K ist für die Unmöglichkeit nicht verantwortlich, daher nicht 326 II 1 Var. 1 Aber 326 II 1 Var. 2, wenn K bei Eintritt der Unmöglichkeit im Annahmeverzug war und V den Eintritt der Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat # 10
a. Annahmeverzug des K Dafür müsste K bei Eintritt der Unmöglichkeit die ihm angebotene Leistung nicht angenommen haben, obwohl die Leistung erfüllbar war und V zur Leistung im Stande war, 293, 297 aa. Erfüllbare Leistungspflicht Die Leistung des V war im Zweifel sofort erfüllbar, 271 II bb. Angebot der Leistung wie geschuldet V müsste die Sache wie geschuldet angeboten haben Dies richtet sich nach der Art der Schuld Hier wurde eine Holschuld vereinbart, ebenso ein Termin zur Abholung, V musste die Sache also nur aussondern und bereitstellen Aber selbst wenn V die Sache nicht wie geschuldet angeboten hätte, war ein Angebot hier gem. 296 S. 1 entbehrlich # 11
cc. Nichtannahme der Leistung (+) dd. Leistungsvermögen des V, 297 (+) ee. ZwErg K kam dadurch, dass er das Bild nicht zum vereinbarten Termin bei V abholte, in Annahmeverzug # 12
b. Kein Vertretenmüssen des V V dürfte den Untergang des Bildes nicht zu vertreten haben Hier könnte V die Unmöglichkeit zu vertreten haben, indem er den Brand infolge leichter Fahrlässigkeit verursacht hat aa. Grundsatz: 276 I Grds. hat der Schuldner Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten Dies umfasst auch bloß leichte Fahrlässigkeit bb. Aber: im Annahmeverzug 300 I Während des Annahmeverzuges hat der Schuldner nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten Die lediglich leichte Fahrlässigkeit hat V hier also nicht zu vertreten # 13
c. ZwErg K befand sich bei Eintritt der von V nicht zu vertretenen Unmöglichkeit im Annahmeverzug, sodass der Kaufpreiszahlungsanspruch des V gem. 326 II 1 Var. 2 nicht entfällt. III. Ergebnis V hat gegen K einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung aus 433 II # 14
ABWANDLUNG 2: Wie in Abwandlung 1 wurde das Bild aufgrund eines durch fahrlässige Heizungswartung verursachten Brandes zerstört. Der Brand fand aber schon vor dem vereinbarten Abholtermin statt. K hätte das Bild an einen Sammler für 1.000.100, weiterverkaufen können. K hatte zudem im Vertrauen auf den Erhalt des Bildes eine große Vernissage im Kollegen- und Bekanntenkreis geplant, um den Erwerb des Bildes gebührend zu würdigen. Dafür hatte er Einladungen drucken lassen. Kann K von V den entgangenen Gewinn von 100, und die Kosten für die Einladungen in Höhe von 200, verlangen? # 15
I. K gg. V auf Zahlung entgangenen Gewinns In Betracht kommt ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung gem. 280 I, III, 283 Dafür müsste es sich hier um SE statt der Leistung handeln, und K müsste eine Pflichtverletzung begangen und auch zu vertreten haben 1. Schadensersatz statt der Leistung SE statt der Leistung, wenn der Schaden durch Leistung im letztmöglichen Zeitpunkt ausgeblieben wäre Hätte V kurz vor Eintritt der Unmöglichkeit geleistet, hätte K das Bild weiterverkaufen können und der Schaden wäre nicht entstanden SE statt der Leistung (+) # 16
2. Pflichtverletzung Gem. 280 I müsste V eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben Pflichtverletzung ird 283 ist der Eintritt der nachträglichen Unmöglichkeit Durch den Brand und die Zerstörung des Bildes ist die Leistung nachträglich objektiv unmöglich geworden Pflichtverletzung (+) 3. Vertretenmüssen Wird gem. 280 I 2 vermutet Bezugspunkt sind gem. 283 die Umstände, aufgrund derer die Leistung unmöglich ist Grds. hat der Sch. Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, 276 I Da V hier leicht fahrlässig gehandelt hat, kann er die Vermutung des 280 I 2 nicht widerlegen # 17
4. Schaden und Kausalität K ist so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre, 249 I (positives Interesse) Dann hätte K das Bild mit einem Gewinn von 100 Euro weiterverkaufen können Entgangener Gewinn ist gem. 252 S. 1 vom positiven Interesse umfasst Kosten für die Vernissage als SE statt der Leistung? (-), denn die Kosten wären auch bei ordnungsgemäßer Erfüllung angefallen Im ideellen Bereich gilt auch keine Rentabilitätsvermutung (Wäre K Gallerist, wäre vermutet worden, dass sich die Aufwendungen für die Vernissage amortisiert hätten) # 18
5. ZwErg K kann von V entgangenen Gewinn ihv 100 Euro verlangen gem. 280 I, III, 283 # 19
II. Anspruch auf Aufwendungsersatz (Druckkosten) SE statt der Leistung scheidet insoweit aus (s.o.) In Betracht kommt ein Anspruch aus 284 Dafür müsste K dem Grund nach einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung haben und Aufwendungen gemacht haben, die er im Vertrauen auf die Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte und der Zweck müsste ohne Ausbleiben der Leistung erreicht worden sein 1. Schadensersatz statt der Leistung Dem Grunde nach hat K einen Anspruch auf SE statt der Leistung gem. 280 I, III, 283, s.o. # 20
2. Aufwendungen Aufwendungen = freiwillige Vermögensopfer Hier (+), zudem im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung 3. Billigkeitskontrolle Zweck: Begrenzung der Haftung des Schuldners auf ein Maß, auf das er sich bei Vertragsschluss einstellen konnte Hier konnte V damit rechnen, dass angesichts des Preises des Bildes und der Bekanntheit des Künstlers der Erwerber das Bild nicht wegschließen, sondern es im Rahmen einer privaten Ausstellung vorführen würde (a.a. vertretbar) Die Höhe der Druckkosten von 200 Euro ist nicht unverhältnismäßig Somit durfte K die Aufwendungen billigerweise machen # 21
4. Kein Ausschluss, 284 a.e. Wäre geleistet worden, hätte die Vernissage stattfinden können, sodass die Aufwendungen ihren Zweck erfüllt hätten 5. Konkurrenzen Anstelle des SE statt der Leistung Der Anspruch kann nur alternativ zum SE statt der Leistung geltend gemacht werden K wird daher den Ersatz der Aufwendungen verlangen A.A. Wenn neben das materielle Interesse (entgangener Gewinn) ein immaterielles Interesse (Vernissage) tritt, wird 284 teleologisch reduziert, sodass beide Positionen kumulativ geltend gemacht werden können Dagegen spricht jedoch der eindeutige Wortlaut anstelle # 22
III. Ergebnis K kann gegen V entweder einen Anspruch auf Schadensersatz ihv 100 Euro gem. 280 I, III, 283 oder Aufwendungsersatz ihv 200 Euro gem. 284 geltend machen # 23
ABWANDLUNG 3: K hatte das Bild aufgrund eines Kataloges ausgewählt. Das Bild war im Lager des V durch den Brand zerstört worden, ohne dass V dies zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wusste. V wusste zwar von dem Brand, jedoch hatte er es versäumt, sich vor Vertragsschluss zu vergewissern, ob das Bild Dina the Dog vom Brand betroffen worden war. Kann V von K Zahlung des Kaufpreises verlangen? K hätte das Bild an einen Sammler für 1.000.100 Euro weiterverkaufen können. Kann K von V den entgangenen Gewinn von 100, verlangen? # 24
I. V gg. K auf Zahlung des Kaufpreises, 433 II 1. Anspruch entstanden Korrespondierende Willenserklärungen, Angebot und Annahme (+) Unwirksamkeit der Entstehung durch anfängliche Unmöglichkeit? Gem. 311a I steht die anfängliche objektive Unmöglichkeit der Anspruchsentstehung nicht entgegen 2. Anspruch erloschen 326 I 1 a. Gegenseitiger Vertrag (+) # 25
b. Unmöglichkeit der Hauptleistung, 275 I (+) c. Keine abweichende Bestimmung (+) 3. Ergebnis Kein Fall des 326 II 1 V kann von K nicht Zahlung des Kaufpreises gem. 433 II verlangen # 26
II. K gg. V auf Zahlung entgangenen Gewinns AGL 311a II Leistung muss anfänglich unmöglich gewesen sein; V muss das Leistungshindernis gekannt haben oder er muss seine Unkenntnis zu vertreten haben 1. Anfängliche Unmöglichkeit Die Übergabe und Übereignung des Bildes war dem V schon bei Vertragsschluss unmöglich 2. Kenntnis oder Kennenmüssen V muss positive Kenntnis von dem Leistungshindernis haben müssen oder er musste seine Unkenntnis zu vertreten haben Positive Kenntnis von der Unmöglichkeit durch Zerstörung des Bildes hatte er nicht # 27
Möglicherweise hat er seine Unkenntnis aber zu vertreten Das Vertretenmüssen der Unkenntnis wird gem. 311a II 2 vermutet Hier hatte V Kenntnis von dem Brand im Lager, hat sich aber dennoch nicht versichert, dass das Bild unbeschädigt ist Er handelte somit fahrlässig isd 276 II und hat die Unkenntnis somit zu vertreten 3. Rechtsfolge K ist zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde Dann hätte er das Bild mit einem Gewinn von 100 Euro weiterverkaufen können Entgangener Gewinn ist gem. 252 S. 1 ersatzfähig III. Ergebnis V kann von K nicht Kaufpreiszahlung verlangen. K kann von V Ersatz des entgangenen Gewinns gem. 311 a II verlangen. # 28