Ausblick: BGA und Herzleistung

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Transkript:

Kapitel 6 Ausblick: BGA und Herzleistung Zusammenfassung (1) Der Organismus hat praktisch keine Sauerstoffvorräte. Von der mit dem arteriellen Blut an die Gewebe gelieferten Sauerstoffmenge werden in Ruhe etwa 25% verbraucht. Bei einem Stopp der Sauerstoffzufuhr über die Lungen sind die Vorräte innerhalb weniger Minuten erschöpft. Die Gewebsversorgung ist jedoch nicht nur von einer ausreichenden O 2 -Aufnahme in der Lunge abhängig, sondern noch von anderen Faktoren. Sie werden als Sauerstoff- Transportsystem zusammengefasst. Dieses gewährleistet eine für die jeweiligen Anforderungen des Organismus ausreichende O 2 -Versorgung der Gewebe. Zwischen Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch wird ein Gleichgewicht aufrecht erhalten. Dies ist ein ganz wesentlicher Faktor für das Auftreten oder Nichtauftreten von Organstörungen bei Intensivpatienten. In diesem System können Störungen einzelner Anteile durch andere ausgeglichen werden können, um die überlebenswichtige Sauerstoffversorgung in kritischen Situationen zu gewährleisten. 1

Zusammenfassung (2) Eine bestimmte Menge Hb kann nur eine bestimmte Menge Sauerstoff binden. Die Hb- Menge im Blut und der Sättigungsgrad bestimmen den Sauerstoffgehalt des Blutes. Man kann sich das Hb als Eisenbahn-Waggons vorstellen, die jeweils mit einer festgelegten Menge Sauerstoff beladen werden können. Ein höherer Hb-Wert bedeutet mehr Waggons, eine höhere Sättigung mehr beladene Waggons. Die hier verwendeten Eisenbahnwaggons sollen die Sauerstoffsättigung des gesamten Hämoglobins veranschaulichen. Vier Waggons bedeuten einfach 4 25% des Gesamt-Hb. (Die Waggons stellen nicht die vier Bindungsstellen des Hb-Moleküls dar.) Zusammenfassung (3) Bei Anämie ist der Hb-Gehalt und damit das O 2 -Angebot reduziert. Sowohl nach unkontrollierten Blutungen bei Unfällen als auch als einkalkulierte Operationsfolge kann der Hb-Wert von z.b. von 14 auf 7 g% sinken. Bei unverändertem HZV wird das O 2 - Angebot auf die Hälfte des Ausgangswerts fallen. Bei gleich bleibendem O 2 -Verbrauch fällt die svo 2 von 75% auf 50%. Wenn der Organismus jetzt das HZV verdoppelt, wird das ursprüngliche Sauerstoffangebot wiederhergestellt. Die svo 2 steigt wieder auf 75%. Der Durchschnittsmensch kann sein HZV auf mindestens das Dreifache des Ruhewerts steigern. Allerdings besitzen manche herzkranke Patienten diese Anpassungsfähigkeit nicht mehr. Je weniger eine HZV-Steigerung erwartet werden kann, desto weniger dürfen Mangelzustände der beiden anderen Faktoren des Sauerstoffangebots (Hb-Gehalt, sao 2 ) toleriert werden. Praktisch läuft das meistens auf die großzügigere Transfusion von Erythrozyten hinaus (Angebots-Seite). Anders ausgedrückt: Je strenger man die Indikation zum Blutersatz stellt, desto genauer muss das Sauerstoffgleichgewicht überwacht werden. 2

Zusammenfassung (4) Schwerkranke Intensivpatienten haben nicht selten eine Sauerstoffverwertungsstörung. Nach Erhöhung des Angebots steigt der Verbrauch nicht im erwarteten Ausmaß. Dies gilt besonders für Patienten mit systemischer Entzündungsreaktion (SIRS). Wenn Angebot und Verbrauch des Sauerstoffs nicht gemessen werden, wird empfohlen, den Hb- Wert im Bereich von 8 bis 10 g% zu halten. Besteht die Möglichkeit der Messung, kann natürlich versucht werden, ob eine Transfusion zu höherem Verbrauch führt. Eine Steigerung des Verbrauchs zeigt die Rückgewinnung von Geweben für den oxidativen Stoffwechsel an und ist ein erwünschter Effekt. In Situationen ohne systemische Entzündungsreaktion kann man davon ausgehen, dass eine Transfusion das verwertbare Sauerstoffangebot steigert. Unbedachte Steigerungen des Sauerstoffverbrauchs (Verbrauchs-Seite) sollen vermieden werden. Das können zum Beispiel zu "forsche" Mobilisationsversuche oder eine zu schnelle Entwöhnung von der Beatmung sein. Zusammenfassung (5) In diesem Beispiel der arteriellen Hypoxie ist die arterielle Sättigung auf 75% abgefallen. Solche Werte sind in verschiedenen desolaten Situationen denkbar (Lungenödem, Reanimation, unmögliche Beatmung, Ertrinken, Aspiration usw.). Theoretisch könnte auch hier das Sauerstoffangebot durch HZV-Steigerung wieder hergestellt werden. Trotzdem wäre die Sauerstoffversorgung gefährdet: Die gemischt-venöse Sättigung ist mit 50% grenzwertig. Wenn der Patient nicht bewusstlos ist, wird sein O 2 -Verbrauch durch Unruhe und vermehrte Atemarbeit noch steigen! Ein arterieller Sättigungswert von 75% (auch ein etwas höherer von z. B. 85%) kann schnell noch weiter absinken. Allgemein gilt, dass - bei sonst gleich bleibenden Bedingungen - die gemischt-venöse Sättigung um genauso viele Prozentpunkte fällt oder steigt wie die arterielle. (z.b. normal: 96-35 = 61; arterielle Hypoxie: 85-35 = 50.) Die Kompensation einer arteriellen Hypoxämie durch HZV-Steigerung oder erhöhte Ausnutzung des Angebots (mit Abfall der svo 2 ) ermöglicht Patienten in kritischen Situationen das Überleben. 3

Zusammenfassung (6) Wenn bei gleich bleibendem Angebot mehr O 2 in den Geweben verbraucht wird, fällt die svo 2 ab (z.b. körperliche Aktivität, Fieber, SIRS und Sepsis, postoperatives Kältezittern). Auch hier kann eine Steigerung des HZV zur Normalisierung führen. Bei verschiedenen Störungen der Herztätigkeit (Infarkt, Pumpschwäche nach Herzoperation, Rhythmusstörungen) ist das HZV vermindert. Im Eisenbahnmodell würde dies ein langsameres Fahren des Zuges bedeuten. Es müssten also pro Zug mehr Sauerstoffkisten entladen werden und die svo 2 würde entsprechend abfallen. Wenn sich beim Intensivpatienten der Hb, die sao 2 und der O 2 -Verbrauch kurzfristig nicht ändern, hängt die gemischt-venöse Sättigung nur noch vom HZV ab. Deshalb wird die svo 2 häufig als Spiegelbild eines ausreichenden Herzminutenvolumens angesehen ( poor man's cardiac output ). Die Therapie besteht in der medikamentösen Steigerung des HZV (z.b. durch Katecholamine), in der Beseitigung von Rhythmusstörungen und der Vermeidung unnötigen Sauerstoffbedarfs. Auch der Hb-Wert sollte bei solchen Patienten nicht zu tief absinken: Bei niedrigem HZV kann durch mehr Hb das Sauerstoffangebot verbessert werden. Zusammenfassung (7) Gestörte Sauerstoffverwertung in der Peripherie Eine normale gemischt-venöse Sättigung ist im allgemeinen ein Zeichen für ein ausgeglichenes Verhältnis von Sauerstoffangebot und Sauerstoffverbrauch. Allerdings kann in bestimmten Situationen ein Sauerstoffmangel im Gewebe trotz normaler - oder sogar auffällig hoher - svo 2 vorliegen: Die gemischt-venöse Sättigung sagt lediglich etwas über das globale O 2 -Gleichgewicht des Organismus aus. Eine Minderversorgung einzelner Organe wird nicht erfasst. Arterio-venöse Shunts können bei septischem Schock oder fortgeschrittener Leberzirrhose auftreten. Manche Stoffe blockieren die Verwertung des Sauerstoffs in den Zellen, z.b. Zyanid. Auch bei SIRS oder Sepsis kann die Sauerstoffverwertung in den Geweben gestört sein. 4

Zusammenfassung (7) Bei einer Zyanid-Vergiftung wird O 2 normal im Blut aufgenommen und transportiert. Aber in den Gewebezellen ist die Verwertung nicht möglich. Das Blut fließt deshalb mit hohem O 2 - Gehalt zur Lunge zurück (z.b. Vergiftung mit Blausäure, Einatmung zyanidhaltiger Dämpfe bei Verbrennung von Kunststoffen). Auch bei der Anwendung von Natrium-Nitroprussid werden Zyanidionen freigesetzt. Bei einem hohen Anteil von Methämoglobin im Blut fällt ein Teil des Hb für den O 2 - Transport aus. Met-Hb kann Sauerstoff nicht binden wie normales Hb. Die Situation für das O 2 -Transportsystem entspricht einer Anämie. Das restliche normale Hb kann O 2 normal transportieren. Die Patienten haben eine zyanose-ähnliche, bräunliche, Hautfarbe. In der Anästhesie kann eine Methämoglobinämie durch Überdosierung von Prilocain hervorgerufen werden (auch in EMLA-Creme enthalten). Unter therapeutischen Dosen von Methylenblau oder Thionin stellt sich ein Met-Hb-Gehalt von ca. 8% des Gesamt-Hb ein, der im allgemeinen nicht lebensbedrohlich ist. Bei einer Kohlenmonoxid-Vergiftung wird anstelle des Sauerstoffs CO an Hb gebunden. Weil die Affinität von CO an Hb etwa 210 mal höher ist als die von O 2, wird der Sauerstoff verdrängt und das betroffene Hb damit dem Sauerstofftransport entzogen. Die Patienten können wegen der ähnlichen chemischen Struktur von HbO 2 und CO-Hb anfangs rosig aussehen. Zusammenfassung (8) Unter Zyanose versteht man eine bläuliche Verfärbung der Haut und Schleimhäute. Diese tritt auf, wenn der absolute Gehalt an nicht oxygeniertem Hb im Blut 5 g% überschreitet. Das heißt, dass bei hohem Gesamt-Hb-Gehalt ein geringerer Abfall der kapillären Sauerstoff-Sättigung zur sichtbaren Zyanose führt als bei niedrigem Gesamt-Hb. Chronisch lungenkranke Patienten haben häufig einen auffällig hohen Hb-Wert (Polyglobulie). Dadurch erreicht ihr Organismus, dass - trotz niedriger arterieller Sättigung - ausreichend oxygeniertes Hb zur Verfügung steht. Diese Menschen sehen immer etwas bläulich aus. Patienten mit niedrigem Hb-Wert entwickeln erst bei sehr niedriger arterieller Sättigung eine sichtbare Zyanose (Bedeutung der Kontrollen von arterieller BGA oder sao 2 bei postoperativen Patienten). 5

Herzinsuffizienz (1) Herzinsuffizienz im engeren Sinne ist definiert als ein Versagen der Pumpfunktion unter physiologischer Belastung. Sie entsteht durch myokardiale Zellschädigung (Ischämie, Entzündung, Intoxikation), lang anhaltende Druckbelastung oder chronische Volumenbelastung. Der Begriff wird häufig ausgedehnt auf alle Situationen, bei denen die O 2 -Transportkapazität trotz normaler Lungenfunktion nicht mehr den peripheren Bedarf decken kann. STK = HZV cto 2 cto 2 = cto 2 (physikalisch) + cto 2 (Hb) = po 2 + so 2 Hb 1,39 avdo 2 = ctao 2 -ctvo2 Solche Störungen betreffen also a) eine Verminderung des HZV, b) eine Steigerung des peripheren Bedarfs oder c) beide Mechanismen. Herzinsuffizienz (2) Bei einer Abnahme des HZV oder einer Zunahme des peripheren O 2 -Verbrauchs sinkt der gemischt-venöse Sauerstoffgehalt: cto 2 = cto 2 (physikalisch) + cto 2 (Hb) = po 2 + so 2 Hb 1,39 Ist der Hb konstant geblieben, sinkt vereinfacht die gemischt-venöse Sauerstoffsättigung. negative Inotropie, Myokardinfarkt, Perikardtamponade, Spannungspneu Empfehlung: bei Vorhandensein eines zentralen Venenkatheters nicht nur den ZVD messen, sondern auch die svo 2. Sinkt während der Anästhesie und Operation dann später die svo 2 (bei normaler Oxygenierung, stabilem Hb und HK), bleiben vor allem die beiden Fragen zu beantworten: Fieber, Maligne Hyperthermie, Hyperthyreose, Sepsis a) Zunahme des peripheren O 2 -Verbrauchs? b) Gibt das Herz auf? 6

Thermistorzuleitung proximales Lumen (ZVD, HZV) Pulmonaliskatheter (Swan-Gantz) Ballonzuleitung Ballon Thermistor distales Lumen pulmonal-kapillärer Verschlussdruck ( wedge ) entspricht weitgehend dem linksventrikulär enddiastolischem Druck (LVEDP): Beurteilung der Funktion des linken Herzens ZVD rechtsventrikulärer Druck Pulmonalarteriendruck PCWP Herzzeitvolumen (HZV) meist mittels Thermodilution bestimmt (Injektion kalter NaCl-Lösung) Kasuistik 16 (1) Eine 45-jährige kachektische Patientin (40 kg), die an einem metastasierenden Dickdarmkarzinom leidet, ist infolge einer fehlerhaften Chemotherapie seit einigen Wochen niereninsuffizient und muss regelmäßig dialysiert werden. Im Laufe dieses Tages hat sich ein mechanischer Ileus so weit verstärkt, dass nun notfallmäßig laparotomiert werden muss. Der letzte Kaliumwert ist 5,9 mval/l; für weitere Vorbereitungsmaßnahmen oder eine weitere Dialyse ist keine Zeit mehr. RR 100/80, HF 90, EKG Sinusrhythmus. Welches Anästhesieverfahren wählen Sie aus, wie gehen Sie vor? Weitere Laborbefunde: Hb= 11 g%, HK 33, Ery 3,3, Leuko 13,1; Harnstoff 72 mg%, Kreatinin 10 mg%; Gerinnung Heparin-typisch verlängert Ileuseinleitung mit Etomidat, Fentanyl, Succinylcholin; Unterhaltung mit Isofluran 1 Vol.%, Vecuronium, Fentanyl repetitiv bei Bedarf, kontrollierte Beatmung mit FiO 2 = 0,4; Infusion NaCl 900 ml/h Standard-Monitoring mit Blutdruck, EKG, Kapnometrie, Pulsoxymetrie; arterielle Kanüle (linke A. radialis), zentraler Venenkatheter (linke V. subclavia) ZVD= 8 mm Hg, svo 2 = 75% arterielle BGA unter Beatmung: ph=7,38, paco 2 = 39, pao 2 = 220, sao 2 = 99% (Pulsoxymetrie 98, Kapnometrie 40) respiratorischer ph= 7,41, AaDO 2 = 16 7

Kasuistik 16 (2) Die Operation entwickelt sich normal: Operationsgebiet unblutig, Chirurgen unaufgeregt. 10 min nach der Einleitung zeigt das Standardmonitoring: RR 95/80, HF 98, Pulsoxymetrie 98%, Kapnometrie 40 ph=7,38, paco 2 = 38, pao 2 = 210, sao 2 = 98% respiratorischer ph= 7,42, AaDO 2 = 28 ZVD= 9 mm Hg, svo 2 = 74% Im weiteren Verlauf (20 min) ergeben sich folgende Werte: RR 85/65, HF 110, Pulsoxymetrie 98%, Kapnometrie 43 ph=7,36, paco 2 = 42, pao 2 = 180, sao 2 = 98% respiratorischer ph= 7,38, AaDO 2 = 53 ZVD= 12 mm Hg, svo 2 = 72% Und noch etwas später (25 min): RR 75/60, HF 139, Pulsoxymetrie 97%, Kapnometrie 44 ph=7,33, paco 2 = 45, pao 2 = 160, sao 2 = 98% respiratorischer ph= 7,36, AaDO 2 = 69 ZVD= 17 mm Hg, svo 2 = 70% Sie bemerken nun auch, dass sich der Beatmungsdruck deutlich erhöht hat, finden auskultatorisch links keine Atemgeräusche und legen eine Thoraxdrainage Medizinstudentin mit guten pathophysiologischen Kenntnissen kommt fiesen Morden mit Succinylcholin auf die Spur 8