Formale Logik. PD Dr. Markus Junker Abteilung für Mathematische Logik Universität Freiburg. Wintersemester 16/17 Sitzung vom 18.

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Transkript:

Formale Logik PD Dr. Markus Junker Abteilung für Mathematische Logik Universität Freiburg Wintersemester 16/17 Sitzung vom 18. Januar 2017

Kalküle (1) Kalküle (m) sind Regelsysteme, mit denen sich allgemeingültige Formeln erstellen lassen. (Alternativ auch logische Folgerungen.) Ein Kalkül heiÿt sound, wenn aus den Kalkülregeln tatsächlich nur allgemeingültige Formeln (bzw. tatsächliche logische Folgerungen) entstehen. Ein Kalkül heiÿt vollständig, wenn sich alle allgemeingültigen Formeln (bzw. logischen Folgerungen) mit Hilfe der Kalkülregeln gewinnen lassen. Soundness ist in der Regel einfach zu zeigen, Vollständigkeit schwierig. Der erste Vollständigkeitssatz für einen Kalkül stammt von Gödel (1929).

Kalküle (2) Bedeutsam ist der maschinelle Aspekt von Kalkülen. Aus der Existenz eines vollständigen algorithmischen Kalküls folgt die Semi-Entscheidbarkeit allgemeingültiger Formeln: Wenn eine Formel allgemeingültig ist, kann man dies irgendwann wissen (allerdings in unabsehbarer Zeit). Kalküle bestehen überlicherweise aus Axiomen und Ableitungsregeln. Kalküle mit vielen Axiomen und wenigen Regeln (oft nur modus ponens) heiÿen Axiomenkalküle oder Hilbert-Kalküle. Kalküle mit wenigen Axiomen und vielen Regeln heiÿen Regelkalküle oder Gentzen-Kalküle.

Ein Sequenzenkalkül (1) Dieser Kalkül 1 S arbeitet mit dem vollständigen Junktoren- Quantoren-System,, und leitet sogenannte Sequenzen F 1, F 2,..., F n, G ab, mit der intendierten Bedeutung = ((F 1 F n ) G) Ich schreibe der besseren Lesbarkeit halber lieber F 1, F 2,..., F n S G und der Kürze wegen groÿe griechische Buchstaben wie Φ als Abkürzung für eine Folge von Formeln. (Auf die Reihenfolge der Prämissen kommt es nicht an!) 1 Nach Ebbinghaus, Flum, Thomas Einführung in die mathematische Logik, 4. Au., Heidelberg 1996.

Ein Sequenzenkalkül (2) Axiome des Kalküls S: F S 1 F Ableitungsregeln des Kalküls S: Monotonieregel: Φ 1 F S 1 Φ 1, Φ 2 F S 1 Fallunterscheidung: Φ, F S 1 G Φ, F S 1 G G S1 τ = τ Substitutionsregel: F τ 1 v Φ, τ 1 = τ 2 S 1 F τ 2 v Widerspruchsregel: Φ, F S 1 G Φ, F S 1 G F

Ein Sequenzenkalkül (3) -Regel links: Φ, F 1 G S 1 Φ, F 2 G S 1 Φ, (F 1 F 2 ) S 1 G -Regel links: Φ, F w v S 1 G Φ, v F S 1 G falls w nicht als freie Variable in Φ, vf oder G vorkommt. -Regeln rechts: F (F G) G (F G) -Regel rechts: F t v v F

Ein Sequenzenkalkül (4) Der Kalkül S leitet eine Sequenz ab, wenn es eine Folge von Sequenzen gibt, an deren Ende sie steht und in der jede Sequenz entweder ein Axiom ist oder sich durch eine Ableitungsregel aus voranstehende Sequenzen ergibt. Soundness: Zeige, dass die Axiome logische Folgerungen beschreiben und dass die Ableitungsregeln korrekt sind, d. h. aus logischen Folgerungen wieder logische Folgerungen herleiten. Vollständigkeit: Zeige, dass alle korrekten logischen Folgerungen sich aus dem Kalkül herleiten lassen. Beweisansatz: Wenn man F S nicht ableiten kann 2, konstruiert man ein Modell von F (z. B. aus Konstanten). Wenn F allgemeingültig, muss also F S ableitbar sein und damit S F. 2 bei geeigneter Ergänzung des Kalküls um

Ein Sequenzenkalkül: Beispiel Leite (F G), F S G ab: (1) Axiom: F S F (2) Monotonie auf 1): F, F, G S F (3) Axiom: F S F (4) Monotonie auf 3) : F, F, G S F (5) Widerspruch auf 2) und 4): F, F S G (6) Axiom: G S G (7) Monotonie auf 6) : F, G S G (8) -Einführung auf 5) und 7): F, (F G) S G

Vollständigkeit und Unvollständigkeit (1) Es gibt sowohl den Vollständigkeitssatz von Gödel als auch den Unvollständigkeitssatz von Gödel (genauer zwei Unvollständigkeitssätze: Den ersten und den zweiten), die sich beide auf die Prädikatenlogik beziehen. Der Vollständigkeitssatz zeigt die Vollständigkeit eines Kalküls und damit die Semi-Entscheidbarkeit der Prädikatenlogik in dem Sinne, dass man alle allgemeingültigen Formeln auisten kann, d. h. maschinell produzieren kann. Der (erste) Unvollständigkeitssatz zeigt die Unvollständigkeit von Axiomensystemen, und damit die Unentscheidbarkeit der Prädikatenlogik in dem Sinne, dass man nicht maschinell entscheiden kann, ob eine Formel allgemeingültig ist oder nicht.

Vollständigkeit und Unvollständigkeit (2) Unvollständigkeit von Axiomensystemen: Für jede aufschreibbare und hinreichend aussagefähige widerspruchsfreie Menge von L-Sätzen (eine L-Theorie) Φ ndet man einen L-Satz F, den Φ nicht entscheidet, d. h. weder F noch F folgen logisch aus Φ. Aufschreibbar bedeutet, dass es sich entweder um eine endliche Menge von L-Sätzen handelt oder um eine unendliche Menge, die durch ein endliches Computerprogramm beschrieben werden kann, d. h. es muss ein Programm geben können, das für eine gegebene Formel prüft, ob sie zur gegebenen Menge gehört oder nicht. Hinreichend aussagefähig bedeutet, dass man in der Sprache mit Hilfe der Sätze die Arithmetik natürlicher Zahlen ausdrücken kann. (Zum Beispiel eine Konstante für 0, ein Relationszeichen Sxy, das y = x + 1 ausdrückt, und zwei dreistellige Relationszeichen Axyz und Mxyz für x + y = z bzw. x y = z. Die Theorie muss dann das Verhalten natürlicher Zahlen beschreiben.)