Mengen, Prädikate, Relationen und Funktionen

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Transkript:

Wiederholung letzte Sitzung Mengen, Prädikate, Relationen und Funktionen Was sind Prädikate? Was sind Mengen? Wie kann man die Elemente einer Menge darstellen? Welche Beziehung zwischen Mengen haben wir kennengelernt? 2 Beziehungen zwischen Mengen Beziehungen zwischen Mengen Vereinigung (engl. union): A B = {x x A oder x B} rot Das entspricht der Disjunktion, z.b. Ich suche etwas, das rot oder viereckig ist {x x ist rot oder viereckig} rot oder viereckig = rot]] viereckig Durchschnitt (intersection): A B = {x x A und x B} Das entspricht der Konjunktion, z.b. Ich suche etwas, das rot und viereckig ist. {x x ist rot und viereckig} rot und viereckig = rot viereckig rot Solche Diagramme heißen Venn-Diagramme o. Euler- Kreise. viereckig viereckig Differenz (engl. substraction): A \ B = {x x A und x B} z.b. Ich suche etwas, das rot aber nicht viereckig ist {x x ist rot und nicht viereckig} Achtung: Vereinigung, Durchschnitt und Differenz sind neue Mengen. Wenn wir A B für Teilmenge schreiben, erhalten wir dahingegen eine Behauptung, die wahr oder falsch sein kann. Universum: Menge, die man gerade betrachtet. Wir können das Komplement einer Menge bezüglich eines Universums U definieren: U A A = def U\A, z.b. im Universum Grundvokale: {a, e, i} = {o, u} rot viereckig 4 Mengentheoretische Gesetze Anwendung und Übung Für die Beziehungen zwischen Mengen gelten ganz ähnliche Gesetze wie für die Beziehungen zwischen Sätzen, die wir in der Aussagenlogik kennengelernt haben. Idempotenz sieht z.b. so aus: [A A] = A [A A] = A De Morgans Gesetz so: [A B] = [A B ] [A B] = [A B ] Siehe Skripte M. Krifka Nr. 5, S. 28 für eine Liste. Die Struktur der Gesetze ist gleich. Sie heißt Boolesche Algebra und ist nach dem irischen Mathematiker George Boole benannt. 5 Die mengentheoretischen Gesetze sagen das semantische Verhalten bspw. von Adjektiven voraus: rot und viereckig = viereckig und rot weil rot viereckig = viereckig rot (Kommutativität) nicht [rot und viereckig] = [nicht rot] oder [nicht viereckig], weil ( rot viereckig ) = rot viereckig ) (de Morgan) Die leere Menge entspricht der Kontradiktion, vgl. Sie: A A = Das Universum U entspricht der Tautologie, vgl. Sie: A A = U 6

Anwendung und Übung Anwendung und Übung Wie kann man die semantischen Relationen konträr und komplementär mit den Mitteln der Mengenlehre darstellen, z.b. komplementär: reich nicht reich, konträr: reich arm (Universum: Grundmenge der Menschen)? komplementär bei reich = Menge A; nicht reich = Menge B A = B (reich ist das Komplement der Nichtreichen) konträr bei reich= Menge A; arm = Menge B A B und [A B] = (keine Komplementbeziehung & Reiche und Arme überschneiden sich nicht) Der große Kreis ist das Universum. Das Gelbe ist nicht reich. reich normal wohlhabend arm 7 Es sei: A = {1, 2,, 4} B = {4, 5, 6, 7} U = {x 0 x 10} Was ist: A B A B A \ B A A (B ) = {4} = {(1, 2,, 4, 5, 6, 7), 4} = {1, 2, } = {0, 5, 6, 7, 8, 9, 10} = {0, 1, 2,, 4, 8, 9, 10} 8 Relationen Relationen Prädikate sind Eigenschaften von Individuen. Wir haben bis jetzt Prädikate der folgenden Art betrachtet: schlafen, rot sein, Lehrer sein. Wir konnten damit sagen, dass ein Individuum x die Eigenschaft hatte zu schlafen, rot zu sein oder Lehrer zu sein. Wie sieht es mit Sätzen der folgenden Art aus? a. Egon liebt Elfriede. Egon hat die Eigenschaft, Elfriede zu lieben. Demnach ist Elfriede lieben ein Prädikat. Was ist aber lieben? Wir können hier schlecht sagen, dass lieben eine Menge von Individuen ist, wie wir das bspw. bei dem intransitiven Verb schlafen getan haben. 9 Transitive Verben wie lieben drücken eine Beziehung/Relation zwischen zwei Individuen aus. Diese Individuen sind ein sog. (geordnetes) Paar, d.h. es ist wesentlich, wer wen liebt. Paare sind demnach Gruppierungen von Individuen, wobei die Reihenfolge eine Rolle spielt. Paare schreibt man in eckigen Klammern: lieben = { x,y x liebt y} d.h. lieben denotiert die Menge der Paare x,y, so dass x y liebt. Relationen selbst kann man wie folgt schreiben: x,y R xry R(x,y) letzteres ist sehr gebräuchlich 10 Funktionen Funktionen Mathematisch gesehen ist eine Funktion eine Relation, die rechtseindeutig ist, d.h. ein Element x steht immer nur mit genau einem Element y in der Relation x,y : Def.: Eine Relation R ist eine Funktion, wenn für alle x, y, z gilt: Wenn x,y R und x,z R, dann gilt y = z. Die Bedeutung von Vater ist eine solche Funktion: Für alle x, y, z: Wenn x,y Vater und x,z Vater dann y=z Gilt das auch für die Bedeutung von Tochter? 11 Die Funktion, die Vater ausdrückt, kann man also als Relation wie folgt schreiben: x,y Vater oder aber man macht den Funktionscharakter deutlich: y = Vater(x) bzw. allgemeiner: y = R(x) x ist das Argument der Funktion, y ist der Wert. Die Menge aller möglichen x ist der Definitionsbereich (engl. domain) Die Menge aller möglichen y ist der Wertebereich (engl. range) Beachten Sie, dass die Schreibweise (y = R(x)) nicht zulässig ist für Relationen, die nicht rechtseindeutig sind (also z.b. Tochter). 12

Übung Funktionen Welche der folgenden Paarmengen ist eine Funktion mit Argumentbereich {1,2,,4}? i. { 1, a, 2, b,, c, 4, d } ii. { 1, a, 2, b,, c,, d, 4,d } iii. { 1, a, 2, b,, c, 4, c } iv. { 1, a, 2, b,, c } Eine Funktion ist also im wesentlichen eine Abbildungs- oder Zuweisungsvorschrift: Jedem Argument wird ein Wert zugewiesen. Das wird bei folgender Notation besonders deutlich: Regierungsoberhaupt = Deutschland Merkel USA Bush Großbritannien Blair (i) Funktion (ii) keine Funktion, da zwei Werte zugewiesen bekommt (iii) Funktion (iv) keine Funktion mit Argumentbereich {1,2,,4} 1 Es gibt noch weitere Notationskonventionen, z.b.: Regierungsoberhaupt r: Land Personen, x Regierungsoberhaupt von x. Das bedeutet: Es sei r eine Funktion, die Länder nach Personen abbildet, so dass jedem x das Regierungsoberhaupt von x zugewiesen wird. 14 λ-notation λ-notation In der Semantik am gebräuchlichsten ist die Lambdanotation (λ- Notation). Diese Notation hat den Vorteil, dass sie kompakt beschreibt, wie die Funktion definiert ist: r: λx [Regierungsoberhaupt von x] Solche Ausdrücke heißen Lambdaterme/Lambdaausdrücke. Ihre allgemeine Struktur ist: λvariable [Beschreibung der Variablen] Die Bildung eines Lambdaterms aus einer Beschreibung, die eine Variable enthält, heißt λ-abstraktion. 15 Übung: Was ist in den folgenden Beispielen Argument, Wert und Funktion? Geben Sie die Funktion mit einem Lambdaausdruck an: Jakarta = Indonesiens Hauptstadt Queen Elizabeth = Königin von Großbritannien 80 km = Länge der Spree Argument Wert Funktion Indonesien Jakarta h: λx [Hauptstadt von x] Großbritannien Queen Elizabeth k: λx [Königin von x] Spree 80 km l: λx [Länge von x] Wenn man nun eine Funktion auf ein Argument anwenden möchte, tut man dies mit der sog. λ-konversion (auch λ-reduktion): λx [Regierungsoberhaupt von x](deutschland) = [Regierungsoberhaupt von Deutschland] = Merkel 16 λ-notation Charakteristische Funktionen Übung: Reduzieren Sie die folgenden Lambda-Ausdrücke so weit wie möglich: a) λx[die Mutter von x](josef) = [die Mutter von Josef] - ersetze x durch Joseph b) λx[λy[die Mutter von y](x)](josef) = λy[die Mutter von y](josef) - ersetze x durch Joseph = [die Mutter von Joseph] - ersetze y durch Joseph c) λx[die Mutter von (λy[der Vater von y](x))](josef) = [die Mutter von λy [der Vater von y]](josef) = [die Mutter von [der Vater von Joseph] λxλy: Immer von außen nach innen 17 Eine Funktion, die für uns hier besonders wichtig ist, ist die sog. charakteristische Funktion. Dies ist eine Funktion, die eine Menge charakterisiert. Eine Menge zu kennen, bedeutet, zu wissen, welche Elemente zur Menge gehören und welche nicht. Wenn eine Menge charakterisiert werden soll, ist es also nötig, zu wissen, welche Elemente sie hat. Die sog. charakteristische Funktion weist nun jedem Individuum aus dem Universum genau einen von zwei möglichen Werten zu: 1, wenn das Individuum in der Menge enthalten ist 0, wenn das Individuum in der Menge nicht enthalten ist. χ A (Chi-A): U {0, 1}; x 1, wenn x A; x 0, wenn x A 18

Übung Geben Sie die charakteristischen Funktion für die folgenden Mengen an: Ø, {a, c}, {c, d} and {a, b, c, d}. Die Menge {a, b, c, d} ist das Universum. χ {a, c} : { a,1, b,0, c,1, d,0 } χ {c, d} : { a,0, b,0, c,1, d,1 } χ {a, b, c, d} : { a,1, b,1, c,1, d,1 } χ Ø : { a,0, b,0, c,0, d,0 19 Charakteristische Funktionen Für die charakteristische Funktion bedient man sich in der Semantik wieder der Lambdanotation: Menge: {x x ist eine Frau} charakteristische Funktion: λx[x ist eine Frau] d.h.: λx[x ist eine Frau] bezeichnet die Funktion, die jedem Individuum x den Wert 1 zuweist, falls x eine Frau ist, sonst weist die Funktion 0 zu. Angewendet auf das Individuum Maria ergibt sich folgendes: λx[x ist eine Frau] (Maria) = [Maria ist eine Frau] λx[x ist eine Frau] weist Maria den Wert 1 zu, wenn Maria eine Frau ist, sonst 0. Die charakteristische Funktion nimmt also Individuen als Argumente und gibt Wahrheitswerte als Werte zurück. 20 Charakteristische Funktionen Die Lambdanotation bietet noch den Vorteil, dass sie definiert werden kann für einen bestimmten Definitionsbereich: λx D [x ist eine Frau] Das heißt: für jedes x im Definitionsbereich D gilt, dass x eine Frau ist. Der Definitionsbereich muss entsprechend definiert werden, z.b. als die Menge aller Menschen. Für ein x, das kein Mensch ist, ist dann die obige Funktion gar nicht definiert. Exkurs: Relationen und Funktionen Wir haben eingangs gesagt, dass nicht jede Relation eine Funktion im mathematischen Sinne ist, d.h. nicht jede Relation ist rechtseindeutig (hat nur einen Wert pro Argument). Tochter war so ein Beispiel, lieben gehört auch dazu, weil eine Person ja durchaus mehrere andere Personen lieben kann. Es gibt aber bestimmte Verfahren, mit denen man Relationen als Funktionen darstellen kann. Darauf wollen wir hier nicht näher eingehen, nur soviel: Wir haben gesehen, dass Mengen über charakteristische Funktionen definiert werden können. Relationen sind auch Mengen: Mengen geordneter Paare. 21 22 Exkurs: Relationen und Funktionen Zusammenfassung und Zwischenfazit Vorfahr als Relation: { x,y y ist ein Vorfahr von x} {Definitionsbereich} Vorfahr als Funktion: λ x,y { x,y x Person; y Person} [y ist einvorfahr von x] Wenn man nun in diese charakteristische Funktion Argumente einsetzt (λ-konversion, hier mit einem geordneten Paar, was normalerweise nicht gemacht wird), dann erhält man einen Wahrheitswert (für eine Welt, in der Abraham Isaaks Vorfahr ist): λ x,y [y ist einvorfahr von x] ( Isaak, Abraham ) = 1 Es gibt noch weitere (gebräuchlichere) Methoden, z.b. die sog. Schönfinkelisierung (nach dem Logiker Schönfinkel), wo nicht mit Paaren arbeitet wird, sondern wo erst das eine, dann das andere Relationen sind Mengen geordneter Paare. Funktionen sind Relationen, die rechtseindeutig sind, d.h. Relationen, die jedem Element einer Menge (dem Argument), einen weiteres Element (den Wert) zuweisen. die charakteristische Funktion einer Menge weist Individuen die Werte 1 oder 0 zu: d.h. sie charakterisiert die Menge dahingehend, welche Elemente zu ihr gehören und welche nicht. die charakteristische Funktion wird in der Semantik durch Lambdaausdrücke notiert. die Bildung eines Lambdaausdruck aus einer Funktionsbeschreibung mit Variablen heißt Abstraktion. Lambdakonversion wird angewendet, um die Funktion auf ein Argument von der Funktion genommen wird. 2 bestimmtes Individuum (eine Individuenkonstante) anzuwenden. 24

Situationen Parametrisierte Bedeutungen Kommen wir zu unseren Prädikaten zurück. Wir hatten Sätze wie in (a) folgendermaßen als Menge dargestellt: a. Klaus schläft. Klaus {x x schläft} Die charakteristische Funktion der Menge, die auf Klaus angewendet wird, ist: λx [x schläft] Auf Klaus angewendet ergibt dies: λx [x schläft](klaus) = [Klaus schläft]. Dies führt zu einem Wahrheitswert: in einer Welt, in der Klaus schläft, ist dies wahr. Mit anderen Worten: der Wert ist situationsabhängig: λx [x schläft in s](klaus) = [Klaus schläft in s] 25 Die Situationsvariable s wird auch Parameter genannt. Dieser wird normalerweise mit einer hochgestellten Variable angegeben: s Klaus schläft = [Klaus schläft in s] Man spricht hier auch von einer parametrisierten Bedeutung. Die ( generelle ) Bedeutung eines Satzes kann man als die Menge der Situationen ansehen, in denen der Satz wahr ist, also: Klaus schläft = {s Klaus schläft s } = {s Klaus schläft in s} Wir werden im folgenden aber immer mit parametrisierten Bedeutungen umgehen. 26 Kompositionaler Aufbau Übung Verben wie schlafen sind intransitiv. Sie benötigen nur ein Subjekt um zum Satz zu führen. Wir haben auch schon transitive Verben wie lieben betrachtet. Über diese haben wir gesagt, dass sie Relationen sind, z.b.: Egon liebt Elfriede Egon liebt Elfriede s : Egon, Elfriede { x,y x liebt y in s} Die charakteristische Funktion für das Verb lieben sieht so aus: lieben s = λy λx [x liebt y in s] Angewendet auf obigen Satz erhalten wir: Egon liebt Elfriede s = λy λx [x liebt y in s](elfriede)(egon) = λx [x liebt Elfriede in s](egon) = [Egon liebt Elfriede in s] Die Reihenfolge λy λx ist begründet durch engere Bindung von Objekt Geben Sie die charakteristischen Funktionen für die Verben in den folgenden Beispielen: Klaus niest. Peter ruft Anna. Peter stellt Anna Klaus vor. Klaus lächelt. Anna grüßt Klaus. Die Verbbedeutung, wie sie durch den Lambdaausduck dargestellt ist, ist dasjenige, was im Lexikon verankert ist (= grob gesprochen; mehr dazu später). an Verb als Subjekt an Verb. Das entspricht der syntaktischen Analyse. 27 28 Kompositionaler Aufbau Kompositionaler Aufbau Betrachten wir nun, wie syntaktischer und semantischer Aufbau miteinander verbunden sind. Eine allererste Regel, die wir eigentlich schon angewendet haben, ist folgende: [ Satz α[ VP β]] s = β s ( α s ) Die Verbbedeutung β wird als Funktion auf die Subjektsbedeutung α angewendet (= funktionale Applikation). In transitiven Sätzen sieht das wie folgt aus: (weil) Egon Elfriede liebt υp λx [x liebt Elfriede](Egon) = [Egon liebt Elfriede] Egon VP λyλx [x liebt y](elfriede) = λx [x liebt Elfriede] Elfriede V λyλx [x liebt y] υp(= Satz ohne Tempus etc.) λx [x schläft](klaus) = [Klaus schläft] Klaus VP 6 λx [x schläft] 29 Also zunächst Anwendung der Bedeutung des Verbs auf die Bedeutung des Objekts: [ VP [ DP α][ V β]] s = β s ( α s ) Dieses liefert noch keinen Wahrheitswert, sondern eine Funktion von Individuen x in Wahrheitswerte. 0

Kompositionaler Aufbau Dreistellige Verben können wie folgt behandelt werden: Egon stellt Elfriede Klaus vor. [ V [ DP Klaus] [ V vorstellt]] s = vorstellt s ( Klaus s ) = λzλyλx [x y z vorstellt](klaus) = λyλx [x y Klaus vorstellt] [ VP [ DP Elfriede] [ V Klaus vorstellt] s = Klaus vorstellt s ( Elfriede s ) = λyλx [x y Klaus vorstellt](elfriede) = λx [x Elfriede Klaus vorstellt] [ νp [ DP Egon] [ VP Elfriede Klaus vorstellt] s = Elfriede Klaus vorstellt s ( Egon s ) = λx [x Elfriede Klaus vorstellt](egon) = [Egon Elfriede Klaus vorstellt] 1 Kompositionaler Aufbau: Argumente Das logische Bild der Prädikation, das hier gezeichnet wurde, entspricht grammatischen Vorstellungen, die schon aus der Antike überliefert wurden und Teil der Schulgrammatik wurden und die Sie in Ihrem Grundkurs Linguistik schon besprochen haben. Das Verb ist der Kern des Satzes, das Leerstellen eröffnet: das Verb nimmt Argumente. Übung Bauen Sie die folgenden Sätze kompositional auf: a. Peter tanzt. b. Klaus liest die Buddenbrocks. 2 Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Bedeutung von Modifikatoren (Adjunkten) anders in den Satz eingebracht werden muss als die von Argumenten. Beispiel: das Verb rennen ist intransitiv, nimmt also nur das Subjekt. Es kann aber natürlich durch eine Lokalangabe modifiziert werden: Lola rennt in Berlin. Für die Ableitung eines solchen Satzes wollen wir uns folgendes vergegenwärtigen: Lola hat die Eigenschaft zu rennen. Das Rennen findet in Berlin statt. Wir brauchen also ein Mittel, das die Bedeutung der Lokalangabe in Berlin auf das Rennen anwendet, etwa so: Wiederholt: Eigenschaft P des Individuums x gilt in Berlin. Dies kann man formal so darstellen: in Berlin s = λpλx[p(x) x ist in Berlin in s] λp[p(x)] ist die charakteristische Funktion eines normalen Prädikats (wie z.b. Rennen(x)): Die Variable P steht für Funktionen, die ein Individuum als Argument nehmen und einen Wahrheitswert geben. λp[p(x)] fungiert also als eine Art Platzhalter für ein Prädikat. Dieses Prädikat wird per Konjunktion verbunden mit der Lokalangabe, dass das Individuum x, auf das das Prädikat zutrifft, in Berlin ist. Beispiel Eigenschaft P des Individuums x gilt in Berlin. 4 [ νp [ DP Lola] [ VP [ PP in Berlin] rennt]]] s Argument von λp: Funktion, die Wahrheitswert liefert = λpλx[p(x) x ist in Berlin in s](λx[x rennt in s])(lola) Argument, auf das verbales Prädikat angewendet wird - Anwendung der PP auf die Bedeutung von rennt (= λpλx[p(x) x ist in Berlin in s](λx [x rennt in s])(lola) - Umbenennung einer Variablen aus Lesbarkeitsgründen) = λx[λx [x rennt in s](x) x ist in Berlin in s](lola) - Variable P wird durch Argument [λx [x rennt in s] ersetzt = λx[x rennt in s x ist in Berlin in s](lola) - Variable x durch x ersetzt = [Lola rennt in s Lola ist in Berlin in s] - Variable x wird durch Lola ersetzt 5 Beachten Sie, dass rennt und rennt in Berlin Funktionen der gleichen Art sind: [ VP rennt]] s = λx[x rennt in s] [ VP [ PP in Berlin] rennt]] s = λx[x rennt in s x ist in Berlin in s] Das entspricht genau der Tatsache, das Modifikatoren eben keine Argumente des Verbs sind. In der Syntax wird dies modelliert, indem Adjunkte hinzugefügt werden, ohne dass sich am Typ der syntaktischen Phrase etwas ändert. 6

Kompositionaler Aufbau: Zusatz Wir haben vorhin gesagt, dass die Lambdanotation für die Bedeutung eines Verbs im wesentlichen dem entspricht, was im Lexikon steht bezüglich des Kombinationspotentials des Verbs. Für Präpositionen lässt sich etwas ganz ähnliches sagen: in Berlin in Berlin s = λpλx[p(x) x ist in Berlin in s] in s = λyλpλx[p(x) x ist in y in s] Die Komposition sieht so aus: [ PP [ P in] [ DP Berlin]] s = in s ( Berlin s ) = λyλpλx[p(x) x ist in y in s](berlin) = λpλx[p(x) x ist in Berlin in s] 7 Hausaufgabe Handelt es sich bei den unterstrichenen Konstituenten um Argumente oder Modifkatoren? a. Hans steckte das Papier in den Ofen. b. Das Kind bekleckerte den Teppich. c. Fritz musiziert in Hamburg. d. Fritz wohnt in Hamburg. e. Agathe singt den Schlager. f. Agathe singt den ganzen Tag. Leiten Sie für die Fälle mit Argumenten den semantischen Aufbau des Satzes ab Verb mit Argumenten reicht. Sie können das auch mit Syntaxbäumen kombinieren. Behandeln sie Prädikate (z.b. die definiten Ausdrücke) wie Eigennamen und benutzen Sie Kürzel wie p für das Papier. 8