Entwurf eines... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung)

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Transkript:

Deutscher Bundestag Drucksache 17/1411 17. Wahlperiode 20. 04. 2010 Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Entwurf eines... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung) A. Problem Die grenzüberschreitende Steuerhinterziehung wird weltweit seit Jahrzehnten durch Staaten begünstigt, die Auskünfte in Steuersachen verweigern und die Finanzbehörden anderer Länder damit an der Ermittlung unbekannter Sachverhalte hindern. Der Initiative von Deutschland und Frankreich ist es zu verdanken, dass sich zahlreiche EU- und OECD-Mitgliedstaaten im Herbst 2008 darauf verständigten, künftig gemeinsam und entschlossen diesem Geschäftsmodell von Steueroasen politisch entgegenzuwirken. Mit geeigneten nationalen Maßnahmen sollen die Einzelstaaten die internationalen Bemühungen zur Eindämmung der Steuerkriminalität unterstützen. So setzte der frühere Bundesminister der Finanzen, Peer Steinbrück, in Deutschland das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz (Bundestagsdrucksache 16/12852) durch gegen den Widerstand der Wirtschaft, der beratenden Berufe und nicht zuletzt des damaligen Koalitionspartners der CDU/CSU. Die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung ist die Fortsetzung dieser Politik im Interesse der Steuergerechtigkeit. Steuerhinterziehung ist eine Straftat, die nach 370 der Abgabenordnung (AO) mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft wird. Nach geltendem Recht verzichtet der deutsche Staat allerdings auf eine Bestrafung, soweit der Täter der Finanzbehörde vor der Entdeckung der Steuerhinterziehung von sich aus nachträglich die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen mitteilt und die verkürzten Steuern entrichtet. Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte haben gelehrt, dass die Regelung des 371 AO keinen Rückgang der Steuerhinterziehung bewirkt, sondern letztlich nur den Täter vor Bestrafung bewahrt. Dies verletzt zunehmend das Rechtsempfinden der steuerehrlichen Bürgerinnen und Bürger, zumal Täter selbst in Fällen langjähriger und gravierender Steuerverkürzung bei Selbstanzeige straffrei werden. Der Gesetzgeber muss hieraus die zwingende Konsequenz ziehen. B. Lösung Durch Aufhebung des 371 AO entfällt künftig die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. Das Inkrafttreten der Rechtsänderung erst zum 1. Januar 2011 setzt Tätern eine letzte Frist für eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit ohne Bestrafung.

Drucksache 17/1411 2 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode C. Alternativen Keine D. Kosten Nicht bezifferbar.

Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 3 Drucksache 17/1411 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung (Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung) Vom Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen: Artikel 1 Änderung der Abgabenordnung Die Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2474) geändert worden ist, wird wie folgt geändert: 1. 371 wird gestrichen. 2. In 171 Absatz 9 wird die Angabe, 371 gestrichen. 3. 378 wird wie folgt geändert: a) Absatz 3 Satz 2 wird gestrichen. b) Folgende Absätze 4 und 5 werden angefügt: (4) Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so wird für einen Täter nur dann eine Geldbuße nicht festgesetzt, soweit er die zu seinen Gunsten verkürzten Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet. (5) Wird die in 153 vorgesehene Anzeige rechtzeitig und ordnungsmäßig erstattet, so wird für einen Dritten, der die in 153 bezeichneten Erklärungen abzugeben unterlassen oder diese unrichtig oder unvollständig abgegeben hat, eine Geldbuße nicht festgesetzt, es sei denn, dass ihm oder seinem Vertreter vorher die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist. Hat der Dritte zum eigenen Vorteil gehandelt, so gilt Absatz 4 entsprechend. Artikel 2 Inkrafttreten Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Berlin, den 20. April 2010 Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

Drucksache 17/1411 4 Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode Begründung A. Allgemeiner Teil Bei der Erhebung seiner Einnahmen ist der Staat regelmäßig auf die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Diesbezügliche Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten sind in der Abgabenordnung ( 140 ff. AO) geregelt. Führen unrichtige oder unvollständige Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen zu nicht gerechtfertigten Steuervorteilen, handelt der Steuerpflichtige ordnungswidrig ( 378 AO Leichtfertige Steuerverkürzung), bei Vorsatz begeht er eine Straftat ( 371 AO Steuerhinterziehung). Teilt der Täter der Finanzbehörde vor der Entdeckung der Tat freiwillig die richtigen Besteuerungsgrundlagen mit und zahlt fristgerecht die sich daraus ergebende Steuerforderung, wird er nach 371 AO (Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung) straffrei; im Fall der Ordnungswidrigkeit wird nach 378 Absatz 3 AO kein Bußgeld festgesetzt. Die Freiwilligkeit des berichtigenden Handelns des Steuerpflichtigen ist nicht über eine Generalklausel geregelt. Stattdessen beschreibt 371 Absatz 2 AO objektivierend die Situationen, in denen der Gesetzgeber eine Unfreiwilligkeit der Selbstanzeige vermutet. Dabei gibt es im Fall des 371 Absatz 1 AO mehr Ausschlussgründe als im Fall des 371 Absatz 4 AO und auch des 378 Absatz 3 AO, in denen lediglich die Bekanntgabe eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat die Wirksamkeit der Anzeige ausschließt. Die Selbstanzeige im Steuerrecht beinhaltet allein die nachträgliche Erfüllung der ursprünglichen steuerlichen Pflichten und wirkt selbst hinsichtlich einer nur teilweisen Berichtigung der Angaben durch den Täter. Inwieweit dies maßgeblich zu der vielzitierten Wertung der Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt beigetragen hat, kann letztlich offen bleiben, zumal inzwischen sogar die Schweizerische Bankiervereinigung dieser Einordnung vehement widerspricht. Wer aber die Straffreiheit bei Selbstanzeige noch immer als gesetzlichen Anreiz zur Rückkehr aus der Steuerkriminalität verteidigt, verschließt die Augen vor der Realität, die die Vertreter der beratenden Berufe, der Banken sowie der Finanzund der Strafverfolgungsbehörden seit Jahrzehnten erleben. Sowohl die Begehung einer Steuerhinterziehung als auch ihre Selbstanzeige sind letztlich abhängig von der individuellen Einschätzung des Entdeckungsrisikos durch den Steuerpflichtigen. Dies belegen derzeit die Selbstanzeigen im Zuge des Ankaufs von Daten über mutmaßliche Steuerstraftäter durch die Länder. Insofern ist die Selbstanzeige als Instrument zur Wiederherstellung der Steuerehrlichkeit auch überholt und nicht verbesserungsfähig. Wer beispielsweise die Straffreiheit bei Selbstanzeige von der Zahlung höherer Hinterziehungszinsen abhängig machen will, verkennt, dass dies eben nicht zu den Voraussetzungen des 371 AO gehört. Eine Erhöhung der Hinterziehungszinsen nach 235 AO würde letztlich nur den finanziellen Anreiz zur Fortsetzung einer Steuerhinterziehung verstärken. Umgekehrt zeigte die geringe Resonanz auf das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (StraBEG), dass selbst günstigere Bedingungen als die der Selbstanzeige nach 371 AO keinen hinreichenden Grund zur Rückkehr zur Steuerehrlichkeit darstellen, wenn der Täter die Entdeckung seiner Steuerhinterziehung nicht fürchtet. Die Befürworter der Selbstanzeige betonen deshalb das fiskalische Interesse an zusätzlichen Steuereinnahmen, hinter das sie den staatlichen Strafanspruch zurückstellen. Dies ist das neuerliche Eingeständnis einer vermeintlichen Hilflosigkeit des Staates, das ursprünglich zur Einführung der Selbstanzeige im Steuerrecht führte. Hielte der Gesetzgeber an der strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht fest, würde er signalisieren, dass sich der Staat auch künftig damit begnügt, hinterzogene Steuern verspätet zu erhalten. Mit einer entschlossenen Bekämpfung der Steuerkriminalität auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene, wie sie die Fraktionen der CDU/CSU und SPD Ende 2008 von der Bundesregierung gemeinsam forderten (Bundestagsdrucksache 16/11389), ist dieser generelle Verzicht auf den Strafanspruch des Staates unvereinbar. Im Steuerstrafverfahren werden dagegen die Tatumstände wie Höhe und Dauer einer Steuerhinterziehung im Einzelfall angemessen gewürdigt. Dies gilt auch für eine mögliche Mitwirkung des Täters im Rahmen der Ermittlungen, so dass eine Strafverfolgung keineswegs zwingend zu dauerhaften Einnahmeausfällen des Staates führt. Im Interesse der Steuergerechtigkeit darf die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung allerdings keine Einzelmaßnahme bleiben. Deutschland muss die rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten der Finanzbehörden zur eigenständigen Ermittlung steuerlich relevanter Tatsachen im In- und Ausland zeitnah entscheidend verbessern und dadurch auch das Entdeckungsrisiko für die Steuerstraftäter spürbar erhöhen. Mit der Streichung des 371 AO entfällt nur die strafbefreiende Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung. Eine weitergehende Abschaffung auch der Selbstanzeige bei leichtfertiger Steuerverkürzung wäre in Hinblick auf 153 AO problematisch. Erkennt ein Steuerpflichtiger erst nach Abgabe einer Steuererklärung deren Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit, ist er nach dieser Regelung zur unverzüglichen Anzeige und Richtigstellung verpflichtet. Bei ersatzloser Streichung des geltenden 378 Absatz 3 AO müsste in diesen Fällen immer ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden. Dies würde nicht nur das Besteuerungsverfahren erschweren, sondern könnte Steuerpflichtige sogar von der Berichtigung nach 153 AO abhalten, was wiederum den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen würde. Die finanziellen Auswirkungen der Rechtsänderungen sind von den flankierend zu ergreifenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung abhängig. Eine Regierung, die die Steuerkriminalität ernsthaft bekämpft, initiiert sogar über den Stichtag für den Wegfall des 371 AO hinaus Selbstanzeigen, die nicht nur einmalig, sondern nachhaltig zu dringend benötigten Mehreinnahmen der Gebietskörperschaften führen.

Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 5 Drucksache 17/1411 Zu Artikel 1 Zu Nummer 1 B. Besonderer Teil ( 371 AO) Die Absätze 1 bis 3 regeln die Wirkung einer Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung, durch die der bereits entstandene Strafanspruch wieder beseitigt wird. Sie werden ersatzlos gestrichen. Abweichend davon betrifft Absatz 4 die Wirkung einer Fremdanzeige. Erkennt ein Steuerpflichtiger erst nachträglich die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit einer Steuererklärung, ist er nach 153 AO zur Anzeige verpflichtet. Erstattet er diese Anzeige rechtzeitig und ordnungsgemäß, schließt dies nach 371 Absatz 4 AO die Strafverfolgung eines Dritten aus, der selbst ebenfalls zur Anzeige verpflichtet war, sie aber vorsätzlich unterließ und damit Steuerhinterziehung beging. Die Straffreiheit des Dritten tritt in diesen Fällen also ohne eigenes Handeln ein. Im Rahmen der Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige ist die Regelung nicht mehr zu rechtfertigen. Absatz 4 wird daher ebenfalls gestrichen. Zu Nummer 2 ( 171 Absatz 9 AO) Redaktionelle Folgeänderung auf Grund des Wegfalls des bisherigen 371 AO. Zu Nummer 3 ( 378 Absatz 3 AO) Wer eine der in 370 Absatz 1 AO genannten Taten nicht vorsätzlich, sondern leichtfertig begeht, handelt ordnungswidrig. In diesen Fällen soll eine Selbstanzeige im Sinne des bisherigen 371 AO weiterhin dazu führen, dass eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. Hierzu sind redaktionelle Folgeänderungen erforderlich, wobei die Lesbarkeit des bisher entsprechend anzuwendenden 371 Absatz 4 AO verbessert wird. Zu Artikel 2 Die Änderungen der Abgabenordnung treten am 1. Januar 2011 in Kraft. Bis zum Jahresende 2010 können Täter letztmalig von der Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige nach 371 AO Gebrauch machen.

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