Dr. Thierry Luterbacher Rechtsanwalt 4. April 2017
I. Gesetzliche Grundlagen II. Begriff der Rechtsschutzversicherung III. Zweck und Funktion IV. Markt und Produkte V. Bedeutung der Rechtsschutzversicherung VI. Strategische Grundsatzentscheide VII. Wirtschaftlich selbständige Monoliner: Pro und contra VIII. Wirtschaftlich unselbständige Monoliner: Pro und contra IX. Rechtsschutzversicherung in der Aussensicht X. Ausblick
Privatrecht: VVG, OR, ZGB Aufsichtsrecht als öffentliches Recht VAG, AVO, FINMAG Spezialbestimmungen für Betrieb sowie für Form und Inhalt des Rechtsschutzversicherungsvertrages Art. 32 Abs. 1 VAG: Kompositversicherer hat Wahl: Schadenregelungsunternehmen (lit. a) Unabhängige Rechtsanwälte (lit. b) Art. 32 Abs. 2 VAG i.v.m. Art. 161 170 AVO: Verhältnis Kompositversicherer und Schadenregelungsunternehmen Vorschriften über Form und Inhalt des Rechtschutzversicherungsvertrages
Durch den Rechtsschutzversicherungsvertrag verpflichtet sich das Versicherungsunternehmen gegen Bezahlung einer Prämie, durch rechtliche Angelegenheiten verursachte Kosten zu vergüten oder in solchen Angelegenheiten Dienste zu erbringen (Art. 161 AVO).
Zweck Juristisch: Schutz des Vermögens gegen Prämienzahlung Betriebswirtschaftliches Mission Statement: Our behaviour is your saviour (Schutz gegen Übermächtige) Funktion Kostenübernahme Erbringung von Rechtsdienstleistungen unter Vorbehalt des Anwaltsmonopols oder von Interessenkollisionen (Art. 167 AVO)
Markt wächst jährlich 5-6% 1996: CHF 193 Mio. 2015: rund CHF 550 Mio. = 2% der gesamten Versicherungsprämien in CH Alle Anbieter sind keine Kompositversicher, sondern selbständige oder unselbständige Monoliner Produkte (AVB) Private (Verkehr- und andere Lebensbereiche) Unternehmungen: KMU (auch individuelle Lösungen)
Verrechtlichung der Gesellschaft Erleichterter Zugang zur Justiz (Kostenrisiko) Einfluss der ZPO und StPO seit 1.1.2011 Wirtschaftliche Bedeutung Zunahme von Schadenfällen als Folge des Wachstums (2006: 117 000 Fälle; 2017: ca. 160 000 Fälle geschätzt) 2/3 eigene Rechtsdienstleistungen 2006: Rund CHF 100 Mio., 2017 ca. CHF 140 Mio. (geschätzt) jährlich an freiberufliche Anwälte Fazit: Wichtige Aufgabe mit Kritik
Einhaltung des allgemeinen gesetzlichen Rahmens (z.b. Kapitalisierung, Geschäftsplan) Motiv der einschlägigen Vorschriften über Rechtsschutzversicherungen: Vermeidung von Interessenkollisionen Auswahl: Kompositversicherer oder Monoliner Nur Interessenkollision beim Kompositversicherer ist gesetzlich geregelt Monoliner mit eigener juristischen Persönlichkeit (Erbe der altrechtlichen kleinen Spartentrennung) als wirtschaftlich unabhängige oder abhängige Gebilde
Pro: Economies of scope Economies of scales Innovations- und Qualitätsdruck Unabhängigkeit Contra: Abhängigkeit von nur einer Branche Innovations- und Qualitätszwang
Pro Economies of scale (Outsourcing der Kernfunktionen an das Mutterhaus, branchenübergreifend Prozesse, pooling of interests, Gewinnsteuerung) Interne Garantien (Solvenz) und Rückversicherungen Personelle Durchlässigkeit (z.b konzerninterne Projekte) Einheitliche Informationswege (z.b. Intranet) Einheitliches Providermanagement (konzerneinheitlicher Einkauf von Waren und Dienstleistungen) Einheitliche Entschädigungs- und Personalpolitik Kostenverteilung (konzerninterne Dienstleistungsverträge)
Contra Verringerte Management Attention (Blockbuster Branchen) Branchenwettbewerb (Ressourcen) Gesetzliche Schranken beim Outsourcing von Kernfunktionen Art. 4 Abs. 2 lit. j VAG Erläuterungen FINMA vom 21. April 2016 Corporate Governance Rundschreiben FINMA vom 7. Dezember 2016, in Kraft seit 1. Januar 2017 Vorschriften über Schadenregelungsunternehmen (Art. 164 Art. 165 AVO) analog
Wachstumspotential Faktoren für Branchenattraktivität Geringe Konkurrenz unter Anbietern Preissetzungsmacht ist bei Rechtsschutzversicherungen Wenig Konkurrenz durch neue Anbieter Geringe Wechselkosten
Abwesenheit disruptiver Tendenzen Neue Technologien als Arbeitsmittel (Digitalisierung) Keine Substituierung des Versicherungsmodells Austausch von Prämie gegen Versicherungsschutz Kostendruck Profitables Wachstum als Vorgabe Deckungsbeitrag (Umsatz minus variable Kosten) muss fixe Kosten (z.b. Löhne, Miete etc.) decken. Fixe Kosten müssen gesenkt werden (Skaleneffekte) Niedrige Wettbewerbsintensität und beschränkte Innovation