s Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband

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Transkript:

s Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Standpunkt Der Europäische Stabilitätsmechanismus ersetzt den Rettungsschirm, ist aber allein keine Lösung der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 23. April 2012 Chefvolkswirt Uwe Dürkop - LBB Chefvolkswirt Holger Fahrinkrug - WestLB Chefvolkswirt Folker Hellmeyer - Bremer LB Chefvolkswirt Dr. Ulrich Kater - DekaBank Chefvolkswirt Dr. Peter Merk - LBBW Chefvolkswirt Dr. Cyrus de la Rubia - HSH Nordbank Chefvolkswirt Dr. Jürgen Pfister - BayernLB Chefvolkswirt Dr. Patrick Steinpaß - DSGV Chefvolkswirtin Dr. Gertrud Traud - Helaba Chefvolkswirt Torsten Windels - NordLB Koordination: Dr. Reinhold Rickes - DSGV

s Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Zusammenfassende Würdigung des Europäischen Stabilitätsmechanismus Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) kann die Ursachen der strukturellen Krise in der Europäischen Währungsunion nicht beseitigen. Grundsätzlich ist an dem ESM-Vertrag zu begrüßen, dass nach den vorgesehenen Abstimmungsregeln kein wesentlicher Beschluss ohne die Zustimmung Deutschlands erfolgen kann und eine Verknüpfung mit dem Fiskalpakt und der Einführung einheitlicher Umschuldungsklauseln ab Januar 2013 erfolgt. Im Kontext des inzwischen beschlossenen bzw. bereits umgesetzten Maßnahmenbündels kann ihm aber eine wichtige Rolle zukommen. Entscheidend sind jedoch die finanz- und wirtschaftspolitischen Maßnahmen in den Problemländern selbst. Ergänzend muss auf europäischer Ebene eine Wachstumsstrategie für die Krisenländer entwickelt werden. Nur wenn diese Schritte die erhofften Verbesserungen zeigen, wird das Vertrauen in die Zukunft der Europäischen Währungsunion zurückkehren. Hier liegt der eigentliche Nutzen des ESM. Der Weg zu nachhaltigen Verbesserungen ist vorgezeichnet. Es kommt darauf an, dass sich möglichst bald Erfolge Rückkehr auf einen Wachstumspfad, weitere Verbesserung der Leistungsbilanzen und Haushaltskonsolidierung abzeichnen, damit die Beteiligten nicht die Geduld verlieren. Schnelle Lösungen gibt es allerdings nicht. Alle politisch Verantwortlichen sollten sich überdies bewusst sein, dass man mit Geld bestenfalls Zeit kaufen kann, die es zu nutzen gilt, aber kein Vertrauen, ohne das die Europäische Währungsunion nicht existieren kann.

s Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Der Europäische Stabilitätsmechanismus ersetzt den Rettungsschirm, ist aber allein keine Lösung 1. Rettungsschirme auf dem parlamentarischen Prüfstand Nachdem die Finanzminister der Euro-Staaten bei ihrem Treffen in Kopenhagen am 30. März 2012 die vorgesehene Überprüfung des potenziellen Ausleihvolumens von EFSF und ESM einvernehmlich abgeschlossen haben, geht es im nächsten Schritt um die Verabschiedung der entsprechenden Gesetze durch die nationalen Parlamente. Im Bundestag und Bundesrat steht dabei nicht nur das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. Februar 2012 zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (im folgenden: ESM-Vertrag) zur Beschlussfassung an, sondern auch das Gesetz zu dem Beschluss des Europäischen Rates vom 25. März 2011 zur Änderung des Artikels 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hinsichtlich eines Stabilitätsmechanismus für die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist. Bei Letzterem geht es im Kern lediglich um die Anfügung eines dritten Absatzes an den Artikel 136 AEUV mit folgendem Wortlaut: Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen. 2. Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu erwarten Diese Regelung ist notwendig, um dem weiterhin unverändert bestehenden Bail-Out-Verbot nach Artikel 125 AEUV trotz Rettungsschirmen Rechnung zu tragen. Ob damit wie manche Kritiker pointiert formulieren das nach wie vor geltende Bail-Out-Verbot geradezu verkehrt wird in ein Bail-Out-Gebot, ist eine juristische Frage, die wohl zu gegebener Zeit durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beantwortet werden wird. Das Gleiche gilt gegebenenfalls für die Frage, ob für die Verabschiedung dieser beiden Gesetze jeweils die einfache Mehrheit in Bundestag und Bundesrat genügt oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Zur Klärung vor dem BVerfG in Karlsruhe landen dürfte ferner der strittige Punkt, ob der ESM-Vertrag und der mit ihm in einem engen Kontext stehende europäische Fiskalpakt ( Fiscal Compact ) das Haushalts- und Kontrollrecht des Bundestages beschneidet oder nicht. 3. ESM als Nachfolger der EFSF Im Kern haben Bundestag und Bundesrat jetzt aber über den ESM-Vertrag zu entscheiden. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist auf Dauer angelegt und löst die bis Mitte 2013 befristete Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) ab. Durch das zeitliche Vorziehen des ESM kommt es nun zu einer einjährigen Überschneidung, in der prinzipiell beide Rettungsschirme zur Verfügung stehen. Der Start des ESM wird nicht nur um ein Jahr auf den

Standpunkt Berlin, 19. März 2012 Seite 2 1. Juli 2012 vorgezogen, auch die ursprünglich geplante Fünfjahresperiode für die haushaltswirksame Einzahlung des Kapitals wird halbiert. Die wesentlichen Punkte sind: Bis Mitte 2014 sollen die notwendigen 80 Mrd. Euro eingezahltes Kapital in fünf Tranchen fließen, beginnend ab Juli 2012. Sollte es erforderlich sein, kann auch dieser Zeitplan nochmals vorgezogen werden. Die EFSF wird die Mittel der bestehenden Hilfsprogramme für Irland, Portugal und Griechenland (zweites Hilfspaket) wie geplant auszahlen. Neue Programme sollen nur bis Mitte 2012 dem Startzeitpunkt des ESM aufgelegt werden können. Mit Errichtung des ESM werden Hilfsprogramme vorrangig durch den ESM und nach dessen Regeln finanziert. Von Mitte 2012 bis Mitte 2013 wird die EFSF eine Pufferfunktion wahrnehmen, damit für etwaige neue Hilfsprogramme Mittel aus ESM und EFSF bis 500 Mrd. Euro bereitstehen. Die gesamte Kreditvergabe von ESM und EFSF wird auf 700 Mrd. Euro begrenzt. In dieser Summe sind die bisher schon zugesagten (und teilweise ausgezahlten) Mittel von rund 200 Mrd. Euro an Irland, Portugal und Griechenland (zweites Hilfspaket) enthalten. Rechnet man die Mittel aus dem ersten Hilfspaket für Griechenland (53 Mrd. Euro bilaterale Kredite) und die Hilfen für Irland und Portugal aus dem EFSM (49 Mrd. Euro aus dem EU- Haushalt) hinzu, kommt man auf eine Summe von rund 800 Mrd. Euro, welche die EU- und insbesondere die EWU-Staaten zur Abwehr der Staatsschuldenkrise bereitstellen. Die Kreditvergabekapazität des ESM selbst beträgt maximal 500 Mrd. Euro. 4. Die Vorteile des ESM Bereits ein kurzer Vergleich von ESM und EFSF macht nicht nur den Verwandtschaftsgrad des Nachfolgemodells ESM, sondern auch dessen wesentliche Vorteile sichtbar: Vom Grundsatz her unterscheiden sich EFSF und ESM insofern nicht, als sie jeweils im Sinne einer ultima ratio und unter Einhaltung strikter Auflagen sowie auf der Basis einer Schuldentragfähigkeitsanalyse vergünstigte Kredite zur Wahrung der Stabilität des Euro- Währungsgebiets insgesamt an einzelne EWU-Staaten vergeben können, die zurückgezahlt werden müssen. Die im Einzelnen vorgesehenen Instrumente Bereitstellung konditionierter Finanzhilfen für ESM-Mitgliedstaaten, Bereitstellung zeitlich befristeter Kreditlinien für ESM-Mitglieder, Vergabe von Darlehen an Mitgliedsländer zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten in

Standpunkt Berlin, 19. März 2012 Seite 3 diesen Ländern, Kauf von Staatsanleihen eines betroffenen Landes am Primär- bzw. Sekundärmarkt sind ebenfalls bei beiden Ansätzen identisch. Auch die Beitragsschlüssel stützen sich in beiden Fällen auf den Schlüssel für die Zeichnung des EZB-Kapitals durch die nationalen Zentralbanken der ESM-Mitglieder. Für Deutschland sind das rund 27%. Im Detail sind jedoch einige Unterschiede festzustellen, die nicht zuletzt aus der Sicht des deutschen Steuerzahlers von Bedeutung sind: Im Gegensatz zu den Forderungen der EFSF haben die Forderungen des ESM mit Ausnahme eventueller Forderungen des Internationalen Währungsfonds generell Vorrang vor den Forderungen anderer Gläubiger. Lediglich in dem Fall, dass sich die ESM- Finanzhilfe in Form von ESM-Darlehen an ein Finanzhilfeprogramm anschließt, das im Zeitpunkt der Unterzeichnung des ESM-Vertrages bereits besteht, wird auf die Vorrangigkeit verzichtet. Während der EFSF ein Garantiemechanismus zugrunde liegt und alles über Garantiequoten geregelt wird, verfügt der ESM über ein Kapital von insgesamt 700 Mrd. Euro. Konkret heißt dies, dass das auf Deutschland entfallende maximale Haftungsvolumen beim ESM in jedem Fall bei 190 Mrd. Euro begrenzt ist. Bei der EFSF hingegen ist der ursprünglich auf Deutschland entfallende Anteil von 211 Mrd. Euro insofern nicht abschließend fix, als hier gegebenenfalls Kuponzahlungen in unbestimmter Höhe zu dem genannten Haftungsbetrag hinzukommen. Ruft man sich die Entstehungsgeschichte des ESM ins Gedächtnis zurück, ist einmal festzuhalten, dass es entgegen anderslautender Forderungen nicht zu einer Erhöhung der von Anfang an geplanten Obergrenze des Ausleihvolumens von 500 Mrd. Euro gekommen ist. Positiv ist auch, dass nun nach einigen Irrungen und Wirrungen ein relativ klares und transparentes Instrumentarium eingeführt werden soll. Wichtig ist ferner die unmittelbare Verknüpfung des Regelwerks mit dem geplanten Fiskalpakt ( Fiscal Compact ) und der Einführung einheitlicher Umschuldungsklauseln ( Collective Action Clauses ) für alle neuen Staatsanleihen der EWU-Länder mit einer Laufzeit über einem Jahr ab dem 1. Januar 2013.

Standpunkt Berlin, 19. März 2012 Seite 4 Positiv ist auch zu werten, dass durch die im ESM-Vertrag vorgesehenen Abstimmungsregeln im Grunde kein materiell wesentlicher Beschluss ohne die Zustimmung Deutschlands erfolgen kann. Nicht zuletzt unter dem Aspekt der Anreize prinzipiell positiv zu werten ist der Umstand, dass eventuelle Verluste des ESM zunächst aus dem Reservefonds gedeckt werden. Bei realistischer Betrachtung ist jedoch leider davon auszugehen, dass diese Mittel nicht ausreichen werden. 5. Kritische Anmerkungen zum ESM Gleichwohl stellen sich auch beim ESM und im übergeordneten Kontext einige kritische Fragen: Angenommen, es kommt beim ESM zu Verlusten, dann sehen die Regelungen zwar zu Recht die Einzahlung und den Abruf zusätzlicher ESM-Anteile vor. Falls jedoch bei realistischer Betrachtung einer derartigen Konstellation vermutlich nicht alle ESM- Mitglieder diese Zahlungen leisten können, käme es zu einer quotalen Umverteilung der Ausfallrisiken zulasten zahlungskräftiger Mitgliedsländer. Diese wären immerhin durch die absolute Haftungsobergrenze, die, wie erwähnt, für Deutschland bei 190 Mrd. Euro liegt, limitiert. Falls in Not geratene ESM-Mitglieder bei der Bereitstellung von einzuzahlendem oder abzurufendem Kapital ausscheren sollten, impliziert dies auch, dass die Rettungskapazitäten des ESM just dann spürbar schrumpfen könnten, wenn sie am stärksten benötigt würden. Unabhängig davon wird bei einer Simulation schnell klar, dass der Rettungsschirm für Spanien und insbesondere für Italien im Ernstfall zu klein wäre. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass diese beiden Länder imstande sind, sich selbst zu helfen. Wichtige und ermutigende Schritte wurden hier mit nachhaltigen Wachstumsstrategien unter Beachtung der Konsolidierungsnotwendigkeiten bereits in die Wege geleitet. Trotz der strukturell besseren Kapitalstruktur des ESM im Vergleich zu seinem Vorläufer kann selbst bei unverändertem Rating aller ESM-Mitgliedsländer nicht erwartet werden, dass der ESM für die von ihm emittierten Anleihen in voller Höhe von 500 Mrd. Euro die höchste Ratingnote erhält. Die Verknüpfung mit dem geplanten Fiskalpakt ist zwar grundsätzlich richtig, der Fiskalpakt selbst bietet aber keinerlei Durchgriffsrechte bei Verstößen. Eine Fiskalunion wurde somit nicht erreicht.

Standpunkt Berlin, 19. März 2012 Seite 5 Die obligatorische Einführung von Umschuldungsklauseln ist einerseits nachvollziehbar, weist aber andererseits eine gewisse Ambivalenz auf. Zwar wird mit der alleinigen CAC- Einführung noch nichts über die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalls oder einer Umschuldung ausgesagt. Aber nach den Erfahrungen mit der Umschuldung Griechenlands trägt dies kaum dazu bei, den Aufbau des dringend benötigten Vertrauens der Investoren zu stärken. Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass bei den Bonds vieler Schwellenländer CAC-Klauseln standardmäßig vorgesehen sind, ohne dass Investoren daran besonderen Anstoß genommen hätten. Ungelöst bleibt die Frage, wie damit politisch und wirtschaftlich umgegangen werden sollte, falls der ESM selbst in Refinanzierungsprobleme kommen sollte. Schließlich muss man konstatieren, dass beim Zustandekommen des ESM und der damit explizit vorgesehenen Möglichkeit, Anleihen eines ESM-Mitgliedslandes am Primär- bzw. Sekundärmarkt zu kaufen, an keiner Stelle ein Hinweis darauf erfolgt ist, dass dafür die EZB ihre gerade in Deutschland umstrittenen Staatsanleihekäufe zurückführen könnte bzw. sollte.

s Finanzgruppe Deutscher Sparkassen- und Giroverband Zusammenfassung Memorandum und bisherige Standpunkte der Chefvolkswirte der Sparkassen-Finanzgruppe 24. September 2011 Memorandum zu aktuellen Fragen Europa und Euro Veröffentlicht am 24.09.2011, Washington D.C., anlässlich der IWF/Weltbanktagung 2011 25. Oktober 2011 Standpunkt Schuldenschnitt und EFSF - effizient ausgesalten 03. November 2011 Standpunkt Nach dem Euro-Gipfel: Umfangreiche Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte 29. November 2011 Standpunkt Staatsschuldenkrise: Zeit zum Handeln! 13. Januar 2012 Standpunkt Geldpolitik muss glaubwürdig bleiben 24. Februar 2012 Standpunkt Griechenland: Nicht flüchten, sondern standhalten 19. März 2012 Standpunkt Nach dem Haircut: Keine Atempause in der Staatsschuldenkrise