Klassische Testtheorie (KTT) Klassische Testtheorie (KTT) Klassische Testtheorie (KTT)

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Transkript:

Klassische Testtheorie (KTT) Die KTT stellt eine Sammlung von Methoden dar, die seit Beginn des vorigen Jahrhunderts zur exakten und ökonomischen Erfassung interindividueller Unterschiede entwickelt wurden. Eine systematische Zusammenfassung dieser Ansätze erfolgte 950 von Gulliksen ( Theory of mental tests ). Klassische Testtheorie (KTT) Wesentliche Annahme der KTT ist, dass sich die mit einem Test ermittelte Merkmalsausprägung eines Individuums aus dem wahren Wert dieses Individuums und einem Messfehler zusammensetzt. Die Methoden der KTT zielen zum großen Teil darauf ab, den Anteil dieses Messfehlers zu bestimmen, sie wird daher auch als Messfehlertheorie bezeichnet. Klassische Testtheorie (KTT) Die KTT setzt den (messfehlerbehafteten) Messwert mit der Ausprägung des zu erfassenden psychischen Merkmals gleich. Ein Test wird daher als eine direkte Operationa- lisierung des Persönlichkeitsmerkmals betrachtet, welches er erfassen soll. Im Rahmen der KTT werden keine Aussagen über Zusammenhänge zwischen psychischen Merkmalen und dem Verhalten in einem Test formuliert.

Axiomatik der klassischen Testtheorie Die KTT basiert auf einigen zentralen Grundannahmen, die mit den Methoden der KTT nicht empirisch prüfbar sind. Die wesentlichsten Grundannahmen sind das Existenzaxiom und das Verknüpfungsaxiom pfungsaxiom, zusätzlich wichtig ist die Annahme der Unkorreliertheit der Messfehler. Axiomatik der klassischen Testtheorie: Existenzaxiom Es existiert ein wahrer Testwert ( true score ) τ vi als Erwartungswert einer Messung x vi : E(x vi ) τ vi x vi : Wert einer Person v im Item i eines Tests τ vi : true Score einer Person v im Item i eines Tests Axiomatik der klassischen Testtheorie: Verknüpfungsaxiom Jede Messung x vi setzt sich aus dem wahren Wert τ vi und einem zufälligen Messfehler ε vi zusammen. x vi τ vi + ε vi x vi : Wert einer Person v im Item i eines Tests τ vi : true Score einer Person v im Item i eines Tests ε vi : Messfehler der Messung mit Item i an Person v

Axiomatik der klassischen Testtheorie: Unkorreliertheit der Messfehler Die Messfehler einzelner Items und Personen sind unkorreliert: ρ(ε vi, ε vj ) 0 ρ(ε vi, ε wj ) 0 ρ(τ vi, ε vi ) 0 Die Messfehler der Messungen mit den Items i und j an derselben Person v sind unabhängig voneinander. Die Messfehler der Messungen mit demselben Item i an den Personen v und w sind unabhängig voneinander. Die Messfehler sind unkorreliert mit dem wahren Testwert: Der Messfehler einer Messungen x vi ist unabhängig von dem zugrunde liegenden wahren Wert τ vi. Axiomatik der klassischen Testtheorie Aus der Kombination von Existenz- und Verknüpfungsaxiom und der Unkorreliertheit der Fehler ergibt sich, dass der Erwartungswert des Fehlers gleich null ist: E(x vi ) τ vi x vi τ vi + ε vi E(ε vi ) 0 Axiomatik der klassischen Testtheorie: Bildung des Gesamt-Testwertes Der Erwartungswert des Testwertes einer Person x v (Summe mehrerer Items eines Tests) ist der Wahre Testwert τ v (Summe der wahren Werte der Items). 3

Axiomatik der klassischen Testtheorie: Bildung des Gesamt-Testwertes E(x m ) E i v x vi m i m τ i E(x vi ) vi τ v Klassische Testtheorie (KTT) Wesentliche Annahme der KTT ist, dass sich die mit einem Test ermittelte Merkmalsausprägung eines Individuums aus dem wahren Wert dieses Individuums und einem Messfehler zusammensetzt. Die Methoden der KTT zielen zum großen Teil darauf ab, den Anteil dieses Messfehlers zu bestimmen, sie wird daher auch als Messfehlertheorie bezeichnet. Für den einzelnen Fall liegt nur die beobachtete Messung x v vor, der individuelle wahre Wert τ v und der Fehleranteil der Messung ε lassen sich nicht bestimmen. Für eine Stichprobe von Messungen lässt sich jedoch die Varianz der Messwerte (z.b. der Punkte in einem Test) sich zerlegen in wahre Varianz und Fehlervarianz. 4

Grundsätzlich gilt: die Varianz einer Summe ist gleich der Summe aller Elemente der Kovarianzmatrix der Summanden. z.b. σ ( x+ y+ z) σ ( x) σ( x,y) σ( x,z) σ( x, y) σ ( y) σ ( z, y) ( x,z) ( z, y) ( z) σ σ σ σ x +σ y +σ z + σ x, y + σ x,z + σ z, y ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) Grundsätzlich gilt: die Varianz einer Summe ist gleich der Summe aller Elemente der Kovarianzmatrix der Summanden. z.b. für drei Summanden x, y, z: σ ( x+ y+ z) σ ( x) σ( x,y) σ( x,z) σ( x,y) σ ( y) σ ( z,y) ( x,z) ( z, y) ( z) σ σ σ σ ( x) +σ ( y) +σ ( z) + σ ( x, y) + σ ( x,z) + σ( z, y) Für zwei Summanden: σ ( x+ y) σ ( x) σ( x,y) σ( x, y) σ ( y) σ ( x) +σ ( y) + σ( x,y) 5

Verknüpfungsaxiom: Jede Messung x vi setzt sich aus dem wahren Wert τ vi und einem zufälligen Messfehler ε vi zusammen. x v τ v + ε v Varianz der Summe zweier Summanden: σ (x) σ (τ) + σ (ε) + σ(τ,ε) Unkorreliertheit der Messfehler: Der Messfehler einer Messungen x vi ist unabhängig von dem zugrunde liegenden wahren Wert τ vi. ρ(τ,ε) 0 σ(τ,ε) 0 Varianz der beobachteten Werte x v : σ (x) σ (τ) + σ (ε) + σ(τ,ε) σ (τ) + σ (ε) + 0 σ (τ) + σ (ε) 6

Die Varianz der beobachteten Testwerte x v : setzt sich zusammen aus zerlegen wahrer Varianz und Fehlervarianz: σ (x) σ (τ) + σ (ε) und Definition der Reliabilität ( x) ( ) ( ) σ σ τ +σ ε Die Reliabilität (Messgenauigkeit) eines Test ist definiert als der Anteil der beobachteten Varianz in den Testwerten, der auf Variation in den wahren Testwerten der Testpersonen zurückgeht: ( ) ( x) ( x) ( ) σ ( x) σ τ σ σ ε Rel σ und Definition der Reliabilität ( x) ( ) ( ) σ σ τ +σ ε Für σ (x) σ (τ): σ () τ σ () τ Rel σ (x) σ ( τ) Der Test misst völlig fehlerfrei. Der Test misst gar nichts. Für σ (x) σ (ε): 0 σ ( τ ) σ ( x) σ ( ε ) 0 Rel 0 σ (x) 7