3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 HCV

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Transkript:

3.2 Health & Nutrition Claims VO (EG) 1924/2006 HCV A. MEISTERERNST 3.2.1 Gegenstand und Anwendungsbereich (Art. 1 HCV) Die Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, oder wie sie auf Englisch heißen Health & Nutrition Claims, hat einschneidende Auswirkungen auf das Recht der Lebensmittelwerbung. Grundsätzlich ist diese Verordnung auch, soweit nicht spezielle Vorschriften der Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie oder der Rahmenrichtlinie 2009/39/EG und der aufgrund dieser erlassenen Einzelrichtlinien vorliegen, auf Nahrungsergänzungsmittel und ergänzende bilanzierte Diäten anwendbar. Daraus ergeben sich Beschränkungen, die sich gerade auf diese Produkte massiv auswirken, da sie aufgrund ihrer Zweckbestimmung im besonderen Maße auf die Bewerbung mit nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben angewiesen sind. Das Regelungssystem für diätetische Lebensmittel wird sich mit Geltung der VO (EU) 609/2013 dramatisch verändern. Diese VO erlaubt nur noch Sonderregeln für Babynahrung, Beikost, Tagesrationen und bilanzierte Diäten. Alle anderen Produkte, z. B. Sportlernahrung, unterliegen dann ohne jede Einschränkung der HCV. Die komplexe Regelungsmaterie kann hier nur in den Grundzügen dargestellt werden. Für weitergehende Informationen empfehlen wir den Praxiskommentar Health & Nutrition Claims 1 zu Rate zu ziehen. 1 subsidiär anwendbar auf NEM und EBD 3.2.1.1 Ziele der HCV Art. 1 Abs. 1 HCV nennt deren Ziele, nämlich die Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, um das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten und gleichzeitig ein hohes Verbraucherschutzniveau zu bieten. Dabei gilt die Verordnung gemäß Art. 1 Abs. 2 HCV für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben. Diese Begriffe werden in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4, 5 und 6 HCV definiert. 2 Binnenmarkt und Verbraucherschutz 1 Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Meisterernst/Haber, Loseblatt, Behr s Verlag Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 1

3.2.1.2 Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung für Lebensmittel 3 Begriff der Werbung 4 Pflichtangaben sind nicht erfasst Die Verordnung soll bei der Kennzeichnung, Aufmachung oder der Werbung für Lebensmittel gelten. Dabei ergibt sich der Begriff der Kennzeichnung aus Art. 1 Abs. 3 RL 2000/13/EG, der Begriff der Aufmachung aus Art. 2 Abs. 3 Buchst. RL 2000/13/EG. Hinsichtlich des Begriffs der Werbung kann auf die Definition in Art. 2 b RL 2006/114/EG 2 über irreführende und vergleichende Werbung verwiesen werden. Die Verordnung gilt grundsätzlich auch für Marken (hierzu nachfolgend unter V. mehr). Weiterhin gilt die Verordnung auch für allgemeine Bezeichnungen gemäß Art. 1 Abs. 4 HCV, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft, Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden. Erwägungsgrund 5 nennt hier als Beispiele Digestiv oder Hustenbonbon. Die wichtigste Einschränkung des Anwendungsbereichs der HCV findet sich nicht in der Vorschrift des Art. 1 HCV, sondern eher versteckt in der Definition der Angabe gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 HCV. Denn die HCV erfasst nur freiwillige Angaben, d. h. Aussagen oder Darstellungen, die nach dem Gemeinschaftsrecht und den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch sind. Von dem Begriff der Angabe werden damit alle Pflichtangaben, egal ob sie auf europäischem Recht 3 oder nationalen Vorschriften beruhen, ausgenommen. Soweit nationale Vorschriften nicht der Umsetzung von Gemeinschaftsrechtsakten dienen, ist allerdings jeweils zu hinterfragen, ob die betreffenden Vorschriften mit den Regelungen der Verordnung vereinbar sind. 3.2.1.3 Kommerzielle Mitteilung 5 positive Definition Die HCV soll nur für Angaben gelten, die in kommerziellen Mitteilungen erfolgen. Erwägungsgrund 4 nennt als Beispiel kommerzieller Mitteilungen auch allgemeine Werbeaussagen für Lebensmittel und in Werbekampagnen wie solchen, die ganz oder teilweise von Behörden gefördert werden. Empfehlungen staatlicher Gesundheitsbehörden sollen aber nicht darunter fallen. Positiv kann eine kommerzielle Mitteilung angenommen werden, wenn der Urheber der betreffenden Mitteilung in der Kennzeichnung, Aufmachung oder Bewerbung von Lebensmitteln ein Lebensmittelunternehmen im Sinne des Art. 3 Ziff. 2 VO (EG) 178/2002 ist. Die dortige Definition umfasst alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und 2 wortgleich mit der Definition in der RL 84/450/EWG 3 z. B. RL 2000/13/EG 2 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Negativ grenzt Erwägungsgrund 4 den Begriff der kommerziellen Mitteilung durch die Nennung von Beispielen für nichtkommerzielle Mitteilungen ab. Beispielhaft werden hier Ernährungsrichtlinien oder - empfehlungen von staatlichen Gesundheitsbehörden und -stellen oder nichtkommerzielle Mitteilungen und Informationen in der Presse und in wissenschaftlichen Veröffentlichungen genannt. Hierunter fallen z. B. Ernährungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). 6 negative Definition 3.2.1.4 Abgabe an den Endverbraucher Die HCV gilt immer dann, wenn die betreffenden Lebensmittel als solche an Endverbraucher abgegeben werden sollen. Dabei ergibt sich der Begriff des Endverbrauchers aus Art. 3 Ziff. 18 VO (EG) 178/2002. Fraglich ist dabei, ob die HCV grundsätzlich auch für Angaben gegenüber Fachkreisen wie Ärzten, Apothekern oder Ernährungsberatern gilt. 4 Die betreffenden Lebensmittel müssen zur Abgabe an den Endverbraucher bestimmt sein. Hierzu gehören regelmäßig Lebensmittel in Fertigverpackungen im Sinne des 6 Abs. 1 EichG. Danach sind Fertigpackungen Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des Käufers abgepackt und verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann. Auf nicht vorverpackte Lebensmittel 5 finden bestimmte Kennzeichnungsvorschriften der HCV (Art. 7 und Art. 10 Abs. 1 Buchst. a und b) keine Anwendung. Insoweit können auch noch einzelstaatliche Bestimmungen gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 3 HCV angewandt werden. 7 Endverbraucher 8 Fertigpackungen 3.2.1.5 Traditionelle Bezeichnungen (Art. 1 Abs. 4 HCV) Die Regelung des Art. 1 Abs. 4 HCV bezieht sich unmittelbar nur darauf, dass Abs. 3 für traditionelle Bezeichnungen nicht anwendbar ist; dementsprechend könnte eine derartige Bezeichnung auch ohne beigefügte zugelassene Angabe verwendet werden. Faktisch ist aber der Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der HCV gewollt. 6 9 Hustenbonbon 4 siehe hierzu Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr s Verlag, Loseblatt, Art. 1, Rnr. 64 ff. 5 siehe zu dem Begriff auch Art. 14 RL 2000/13/EG 6 so auch Loosen, ZLR 2006, 521, 528 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 3

Mittlerweile hat die Kommission gem. Art. 1 Abs. 4 Regeln für Anträge auf Verwendung allgemeiner Bezeichnungen gem. VO (EU) Nr. 907/2013 erlassen. 3.2.1.6 Verhältnis zu weiteren Vorschriften des Gemeinschaftsrechts (Art. 1 Abs. 5 HCV) 10 spezielle Regelungen gehen vor 11 diätetische Zweckbestimmung 12 diätetische Lebensmittel Die Verordnung gilt unbeschadet der in Buchst. a bis c des Art. 1 Abs. 5 HCV genannten Vorschriften, nämlich der RL 89/398/EWG (mittlerweile ersetzt durch RL 2009/39/EG) und der auf dieser Grundlage erlassenen Richtlinien ( diätetische Lebensmittel ), der RL 80/777/EWG ( Mineralwasser ), der RL 89/83/EG ( Wasser für den menschlichen Gebrauch ) sowie der RL 2002/46/EG ( Nahrungsergänzungsmittel ). Mit der Formulierung, dass die Verordnung unbeschadet dieser Bestimmungen gelten soll, meint der europäische Gesetzgeber regelmäßig, dass die Verordnung auf die von den genannten Richtlinien erfassten Produkte grundsätzlich anwendbar ist, soweit dort nicht spezielle Tatbestände geregelt sind. Gemäß Art. 1 Abs. 2 Buchst. a RL 2009/39/EG müssen Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, sich aufgrund ihrer besonderen Zusammensetzung oder des besonderen Verfahrens ihrer Herstellung deutlich von den Lebensmitteln des allgemeinen Verzehrs unterscheiden, sich zugleich für den angegebenen Ernährungszweck eignen und mit dem Hinweis darauf in den Verkehr gebracht werden, dass sie für diesen Zweck geeignet sind. Angaben bezüglich des besonderen Ernährungszwecks eines diätetischen Lebensmittels (wie z. B. für Diabetiker geeignet ) unterliegen daher nicht den Vorschriften der Verordnung. 7 Zu den aufgrund dieser Rahmen-Richtlinie erlassenen weiteren Richtlinien gehören die Richtlinie über kalorienarme Lebensmittel 96/8/EG, die EG-Säuglingsnahrungs-Richtlinie 2006/141/EG, die Richtlinie über diätetische Lebensmittel für besondere Zwecke 1999/21/EG sowie die EG-Richtlinie über Nährstoffe zur besonderen Ernährung 2001/15/EG. Soweit dort spezielle Regelungen bezüglich der Bewerbung oder Kennzeichnung von diätetischen Lebensmitteln getroffen wurden, gehen sie den Vorschriften der Verordnung vor. Dies gilt insbesondere für die Kennzeichnung als diätetisches Lebensmittel gemäß Art. 2 RL 89/398/EWG sowie die Angaben gemäß Art. 7 Abs. 2 bis 4 RL 89/398/EWG über die Angabe der besonderen nutritiven Eigenschaften des diätetischen Lebensmittels sowie die verschiedenen spezifischen Bestimmungen der auf der Grundlage der Rahmen-Richtlinie erlassenen Einzelrichtlinien. Die Angaben des Anhangs bezüglich nährwertbezogener Angaben und der Bedingun- 7 so auch Loosen, ZLR 2006, 521 4 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

gen für ihre Verwendung gelten allerdings auch für diätetische Lebensmittel, weil hierfür spezifische Bestimmungen in den Richtlinien fehlen. Soweit Art. 5 RL 2009/39/EG für den Natriumgehalt sowie die Glutenfreiheit spezielle Vorschriften vorsieht, gehen diese vor. 8 Dies ergibt sich auch aus Erwägungsgrund 21. Das Recht der diätetischen Lebensmittel wird durch die VO (EU) 609/2013 völlig neu geregelt. Die Kategorie der diätetischen Lebensmittel wird damit abgeschafft, es werden nur noch drei Gruppen von Speziallebensmitteln eigens geregelt (daher auch die Bezeichnung SpezialLMVO ), nämlich Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder, Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und Tagesrationen für gewichtskontrollierende Ernährung. Die Kategorie der ergänzenden bilanzierten Diäten ist somit weiterhin vorgesehen, allerdins ist zu befürchten, dass diese einschränkenden Vorschriften unterworfen wird. Die Kommission muss im Rahmen sog. delegierter Rechtsakte besondere Anforderungen an die Zusammensetzung, Verwendung, Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung der im Regelungsbereich der SpezialLMVO verbleibenden Kategorien festlegen. Die SpezialLMVO gilt grundsätzlich ab dem 20. Juni 2016, d. h. ab diesem Zeitpunkt müssen neu produzierte Lebensmittel den neuen Vorschriften entsprechen (d. h. Bestände dürfen abverkauft werden). Erzeugnisse, die bislang als diätetische Lebensmittel vertrieben wurden und nicht mehr den besonderen Rechtsrahmen der Spezial-LMVO unterliegen, müssen sich eine neue regulatorische Heimat suchen. Dieser Effekt ist ausdrücklich erwünscht, die Kommission vertritt hierzu die Auffassung, dass Vorschriften wie die Nahrungsergänzungsmittelrichtlinie, die HCV und die AnreicherungsVO besser geeignet seien, um diese Produkte zu erfassen (siehe Erwägungsgrund 11 der SpezialLMVO). Nicht angesprochen ist in Art. 1 Abs. 4 HCV das Verhältnis zwischen den Bestimmungen der Verordnung und weiteren Vorschriften der VO (EG) 178/2002 ( Basisverordnung ), der VO (EG) 258/97 sowie der VO (EG) 1829/2003 und VO (EG) 1830/2003 ( Rückverfolgbarkeit, Zulassung und Kennzeichnung von GVO ), der VO (EG) 834/2007 ( ökologischer Landbau ) sowie der RL 2000/13/EG ( Etikettierung ) sowie weiterer spezifischer Etikettierungsvorschriften wie z. B. der VO (EG) 608/2004 über die Etikettierung von Lebensmitteln mit Phytosterinen und Phytostanolen. Auch das Verhältnis zur RL 90/496/EWG (bzw. zukünftig zur LMIV) über die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln ist erstaunlicherweise nicht geregelt. 12a Neuregelung durch SpezialLMVO 13 Verhältnis zu weiteren Vorschriften 8 Siehe hierzu RL 91/321/EWG, Anhang IV bzgl. Natrium sowie VO (EG) 41/2009 bzgl. Gluten Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 5

3.2.2 Begriffsbestimmungen (Art. 2 HCV) 14 Definitionen der BasisVO 14a Neuregelung durch LMIV 15 Angabe Art. 2 Abs. 1 VO und Art. 2 Abs. 2 Nr. 7 HCV verweisen auf Definitionen in anderen europäischen Rechtsakten. Soweit Bezugnahmen auf die VO (EG) 178/2002 erfolgen, sind diese an sich überflüssig. Übernommen werden die dortigen Definitionen des Lebensmittelunternehmens, des Inverkehrbringens und des Endverbrauchers sowie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, der Begriff des Nahrungsergänzungsmittels aus der RL 2002/46/EG, für die Kennzeichnung und die Begriffsbestimmungen in Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der RL 2000/13/EG sowie für Nährwertkennzeichnung, Eiweiß, Kohlenhydrate, Zucker, Fett, gesättigte Fettsäuren, einfach ungesättigte Fettsäuren, mehrfach ungesättigte Fettsäuren und Ballaststoffe die Begriffsbestimmungen der RL 90/496/EWG. 9 Die Vorschriften der NKV und LMKV werden ab dem 13. Dezember 2014 durch die neue Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV), die als europäische Rechtsvorschrift unmittelbar und direkt gilt, ersetzt. Ab diesem Zeitpunkt ergeben sich die genannten Begriffe, deren Definition inhaltlich nicht geändert wurde, aus dem Anhang I zur LMIV. Die Details der Vorschriften zur Nährwertkennzeichnung haben sich allerdings erheblich geändert. Art. 2 Abs. 2 Ziff. 1 HCV enthält die zentrale Begriffsbestimmung der Angabe. Wie bereits vorstehend dargelegt, fallen hierunter nur freiwillige Aussagen oder Darstellungen. Unter Aussage ist jede schriftliche oder mündliche Mitteilung zu verstehen. Die Darstellung, die sich begrifflich insoweit mit der Aussage überschneidet, als darunter auch die textliche Darstellung fallen könnte, umfasst auch die beispielhaft genannten Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form. Unter den Begriff der Darstellung fallen auch spezielle Formen der Verpackung und Abbildungen von Personen. Mit der Verwendung der Begriffe Aussage oder Darstellung will der Gesetzgeber im weitesten Sinne 10 alle in der Etikettierung und Bewerbung von Lebensmitteln aufscheinenden Elemente erfassen. 11 Der Begriff der Angabe umfasst auch Symbole. Vor Augen hatte der Rat hierbei, dass durch positive und negative Kennzeichen (die beispielsweise an den Regalen in den Supermärkten angebracht würden) Informationen über den Nährwert eines Lebensmittels erteilt werden können. 12 Gedacht war hierbei auch an die vom Vereinigten König- 9 siehe hierzu Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr s Verlag, Loseblatt, Art. 2, Rnr. 8 ff. 10 so auch von Danwitz, GRUR 2005, 896, 901 11 siehe hierzu auch Meisterernst/Haber, Praxishandbuch Health & Nutrition Claims, Behr s Verlag, Loseblatt, Art. 1, Rnr. 8 bis 11 12 Begründung zum gemeinsamen Standpunkt vom 14.11.2005 6 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

reich angestrebte Ampelkennzeichnung (rot für negative, gelb für neutrale, grün für positive Nährwerteigenschaften eines Lebensmittels). Korrespondierend findet sich in Art. 28 Abs. 4 HCV für bildhafte Darstellungen eine gesonderte Übergangsregelung. 3.2.3 Allgemeine Grundsätze für alle Angaben Art. 3 (HCV) Wie die Überschrift bereits besagt, gilt Art. 3 HCV sowohl für nährwert- als auch für gesundheitsbezogene Angaben. Dabei wird in Satz 1 der Vorschrift der allgemeine Grundsatz aufgestellt, dass die in Art. 2 Abs. 2 HCV definierten Angaben bei der Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln nur verwendet werden dürfen, wenn sie den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Weiterhin enthält Art. 3 Abs. 2 HCV neben einem allgemeinen Irreführungsverbot spezielle Verbotstatbestände für bestimmte Angaben. Die Regelung des Art. 3 Satz 2 HCV führt in fünf Gruppen Angaben an, deren Verwendung verboten ist. 3.2.3.1 Irreführung Grundsätzlich müssen die verwendeten nährwertbezogenen Angaben dem Positivkatalog gemäß Art. 8 sowie dem Anhang zur HCV entsprechen. In der Regel werden Angaben, die diesen Anforderungen genügen, auch nicht als irreführend anzusehen sein. Allerdings sind die im Anhang genannten Angaben nicht im Wortlaut vorgeschrieben, sodass in einer bestimmten Wortwahl dennoch eine Irreführung liegen könnte. Zum anderen könnte auch die Verwendung einer objektiv zulässigen nährwertbezogenen Angabe in bestimmten Konstellationen irreführend sein, so z. B. wenn bei einem Nahrungsergänzungsmittel in Tablettenform objektiv die Voraussetzungen vorliegen, das Erzeugnis als Ballaststoffquelle zu bezeichnen (3g Ballaststoffe/100g), die Aufnahme einer Tablette aber absolut nur zu einer geringfügigen Zufuhr von Ballaststoffen führt. Gesundheitsbezogene Angaben bedürfen gemäß Art. 10 Abs. 1 HCV der Zulassung. Es ist in der Regel nicht davon auszugehen, dass derart zugelassene gesundheitsbezogene Angaben daneben gegen einen der in Art. 3 Satz 2 HCV aufgeführten Verbotstatbestände verstoßen, da sie anderenfalls nicht zugelassen worden wären. Im Übrigen werden die Angaben im Verordnungswege erlassen und sind somit von Gesetzes wegen zugelassen. Im Zulassungsverfahren können die Vorschriften des Art. 3 Abs. 2 HCV durchaus eine Rolle spielen, so bei Beurteilung einer beantragten gesundheitsbezogenen Angabe durch die EFSA gemäß Art. 16 Abs. 3 Buchst. b HCV sowie der Entwicklung eines Vorschlags für die Formulierung der gesundheitsbezogenen Angabe gemäß Art. 16 Abs. 4 Buchst. c HCV, aber auch im Rahmen der Listenaufstellung des Art. 13 HCV. 16 Geltung 17 irreführende nährwertbezogene Angaben 18 irreführende gesundheitsbezogene Angaben Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 7

Soweit gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. a HCV allgemeine, falsche oder mehrdeutige irreführende Angaben verboten werden, ist auf die entsprechenden Vorschriften der RL 84/450/EWG über irreführende Werbung, zwischenzeitlich abgelöst durch RL 2006/114/EG, das allgemeine Irreführungsverbot aus Art. 16 VO (EG) 178/2002, die Vorschriften der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken sowie das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. b RL 2000/13/EG sowie Art. 8 Abs. 1 RL 2009/39/EG zu verweisen. Diese Verbote ergeben sich zukünftig aus der LMIV (VO (EU) 1169/2011), soweit sie bislang auf die Richtlinie 2000/13/EG beruhten. Die Vorschriften der 11 und 12 LFGB sind nach Inkrafttreten der LMIV ab dem 13. Dezember 2014 nicht mehr anwendbar, es muss direkt auf die dortige Vorschrift des Art. 7 LMIV abgestellt werden. 3.2.3.2 Eignung anderer Lebensmittel Gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. b HCV dürfen Angaben keine Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken. Die Schwelle hierfür scheint aus Sicht des europäischen Gesetzgebers relativ hoch zu liegen. So wurde z. B. die Angabe der Verzehr von Lebensmitteln/Getränken, die anstelle von Zucker >name of sugar replacer< enthalten, bewirkt, dass der Blutzuckerspiegel nach ihrem Verzehr weniger stark ansteigt als beim Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln/Getränken ausdrücklich in VO (EU) 432/2012 als gesundheitsbezogene Angabe zugelassen, obwohl diese bei strenger Betrachtung durchaus geeignet ist, die ernährungsphysiologische Eignung von Zucker in Zweifel zu ziehen. 3.2.3.3 Übermäßiger Verzehr 19 übermäßiger Verzehr Die Vorschrift des Art. 3 Satz 2 Buchst. c HCV untersagt die Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben, die zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittel ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen. Diese Vorschrift spielt vorrangig bei der Prüfung gesundheitsbezogener Aussagen im Zulassungsverfahren eine Rolle. Die Bewerbung eines Lebensmittels wird regelmäßig dessen Verzehr wohlwollend darstellen; inwieweit dieser Verzehr übermäßig ist, ist nur schwer zu beurteilen. Daher dient das Verbot in erster Linie als Richtschnur bei der Zulassung von gesundheitsbezogenen Angaben; eine praktische Anwendung bei nährwertbezogenen Angaben, die stets den Voraussetzungen des Positivkatalogs entsprechen müssen, ist grundsätzlich nur schwer vorstellbar. 8 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

3.2.3.4 Ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung Gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. d HCV dürfen die verwendeten nährwertund gesundheitsbezogenen Angaben nicht erklären, suggerieren oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderliche Menge an Nährstoffen liefern kann. Neben diesem Verbot für gesundheitsbezogene Angaben sieht Art. 10 Abs. 2 Buchst. a HCV auch einen verpflichtenden Hinweis auf die Bedeutung einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung einer gesunden Lebensweise vor. Eine inhaltlich vergleichbare Regelung findet sich in Art. 7 der Nahrungsergänzungsmittel-RL 2002/46/EG. Das Verbot erfasst nur Angaben, die sich darauf beziehen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderliche Menge an Nährstoffen liefern kann. Differenzierte und spezielle Aussagen, die sich z. B. auf besondere Lebens- und Bedarfssituationen beziehen, sind demnach nicht verboten. 20 Hinweispflicht 21 differenzierende Angaben 3.2.3.5 Werbung mit Angst Gemäß Art. 3 Satz 2 Buchst. e HCV ist die Bewerbung mit angstauslösenden Angaben verboten, die auf Veränderungen bei Körperfunktionen zielen. Dabei ist der Begriff der Körperfunktion nicht weitergehend definiert. Bei der Beurteilung ist jedenfalls mit in Betracht zu ziehen, dass Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 6 HCV nunmehr ausdrücklich zugelassen sind. Die bloße zulässige Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos kann für sich genommen demnach nicht dem Verbot des Art. 3 Satz 2 Buchst. e HCV unterliegen. 3.2.4 Allgemeine Bedingungen (Art. 5 HCV) 3.2.4.1 Verbraucherverständnis Gemäß Art. 5 Abs. 2 HCV ist die Verwendung nährwert- oder gesundheitsbezogener Angaben nur dann zulässig, wenn vom durchschnittlichen Verbraucher erwartet werden kann, dass er die positive Wirkung, wie sie in der Angabe dargestellt wird, versteht. Die Vorschrift beschreibt den Rahmen für grundsätzlich zulässige Abwandlungen und Erläuterungen des Wortlauts einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe. Die positive Wirkung, wie sie der zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe zugrunde liegt, muss für den Durchschnittsverbraucher verständlich dargestellt werden. Diese Vorschrift stellt maßgeblich auf den Horizont der angesprochenen Verbraucherkreise ab. Dabei ist das Verbraucherleitbild, wie es sich in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs herausgebildet hat, zugrunde zu legen, nämlich die Auffassung eines durch- 22 Spielraum bei der Wortwahl 22a Verbraucherleitbild Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 9

23 spezielle Verbrauchergruppen 24 gesetzlich festgelegte Mengen schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers. 13 Diese ältere Formulierung wurde in einer neueren Entscheidung des EuGH dahingehend präzisiert, dass maßgeblich der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher sei. 14 Von dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geht auch der europäische Gesetzgeber ausweislich des Erwägungsgrunds 16 HCV aus. Ergänzt wird dies jedoch mit der Zielsetzung die Ausnutzung von Verbrauchern zu vermeiden, die aufgrund bestimmter Charakteristika besonders anfällig für irreführende Angaben sind. Dementsprechend soll eine Angabe, die sich an eine spezielle Verbrauchergruppe richtet, wie z. B. Kinder, aus der Sicht eines Durchschnittsmitglieds dieser Gruppe beurteilt werden. Der genannte Erwägungsgrund 16 HCV entspricht wortwörtlich dem Erwägungsgrund 18 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. In der dortigen Regelung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b RL 2005/29/EG wird dieses Verbraucherleitbild dahingehend weiter normativ umschrieben, dass auf das durchschnittliche Mitglied einer Gruppe von Verbrauchern abzustellen ist, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe wendet. 3.2.4.2 Signifikante Menge Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b (i) HCV dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nur dann gemacht werden, wenn der Nährstoff oder die andere Substanz in einer signifikanten Menge in dem Endprodukt enthalten ist. Zugleich muss gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. d HCV die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann, eine gemäß dem Gemeinschaftsrecht signifikante Menge des Nährstoffs oder der anderen Substanz liefern. Das Gemeinschaftsrecht enthält bislang nur wenige Vorschriften, welche Mengen als signifikant anzusehen sind. Hier ist zunächst auf die genannte RL 90/496/EWG (Nährwertkennzeichnung) sowie etwaige spezialgesetzliche Vorschriften, so z. B. im Bereich der Lebensmittel für eine besondere Ernährung, hinzuweisen; ebenso gehören hierzu die Anforderungen des Anhangs zur HCV. Weitere Festlegungen können z. B. in der Erarbeitung von Mindest- und Höchstmengen für Nahrungsergänzungsmittel gemäß der Forderung des Art. 5 RL 2002/46/EG oder für die Anreicherung von Vitaminen und Mineralstoffen im Zuge der Anreicherungsverordnung (EG) 1925/2006 erfolgen. Ab dem 13. Dezember 2014 wird die Richtlinie 90/496/EWG durch die LMIV ersetzt. Die 13 EuGH Slg. 1998, I - 4657 Gut Springenheide 14 EuGH, GRUR Int. 2005,44, 45 Sat 1 10 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

signifikanten Mengen ergeben sich dann aus Anhang 13 Ziff. 2 zur LMIV, sie betragen allerdings nach wie vor 15 % der Nährstoffbezugswerte in 100 g oder 100 ml im Fall von anderen Erzeugnissen als Getränken. Bei Getränken beträgt die signifikante Menge nur mehr die Hälfte, also 7,5 % der Nährstoffbezugswerte je 100 ml, da man dort einen größeren Verzehr unterstellt. Für Nahrungsergänzungsmittel verbleibt es demnach bei der Grundregel (denn die Vorschrift gilt nur in der Regel ), dass 15 % der Nährstoffbezugswerte mit der empfohlenen Tagesverzehrsmenge aufgenommen werden sollten. Soweit gemeinschaftsrechtlich keine Mengen als signifikant festgelegt wurden, muss von dem Nährstoff oder der anderen Substanz, für die die Angabe gemacht wird, gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b HCV eine Menge in dem Endprodukt vorhanden sein, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen geeignet ist, die behauptete ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung zu erzielen. Das Gleiche gilt gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. d HCV auch hier für die Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann. Da bei dieser Alternative keine gesetzlich vorgesehene Bezugsgröße festgelegt ist, z. B. der Gehalt eines Stoffs in 100 g, fallen hier die Regelungen in Art. 5 b Abs. i HCV und 5 Abs. 1 Buchst. d HCV zusammen. 3.2.4.3 Bioverfügbarkeit Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. c HCV müssen der Nährstoff und die andere Substanz, auf die sich die Angabe bezieht, in einer für den Körper verfügbaren Form, also bioverfügbar, vorliegen. Diese Regelung gilt allerdings nur fakultativ, soweit anwendbar, d. h. nicht in den Fällen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b (ii) HCV; bei Angaben, die sich auf einen verringerten oder nicht vorhandenen Gehalt eines Nährstoffs oder der anderen Substanz beziehen, wäre die Frage der Bioverfügbarkeit naturgemäß unsinnig. 25 Bezugsprodukte 3.2.4.4 Verzehrfertiges Lebensmittel Die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 HCV legt fest, dass sich sowohl nährwert- als auch gesundheitsbezogene Angaben auf das verzehrsfertige Lebensmittel beziehen müssen. Was als das verzehrsfertige Lebensmittel anzusehen ist, ergibt sich aus der Anweisung des Herstellers, d. h. regelmäßig aus der Zubereitungsempfehlung. Ist z. B. eine Tütensuppe mit 250 ml kochendem Wasser aufzugießen, müssen sich etwaige Angaben auf das so zubereitete verzehrfertige Produkt beziehen. 3.2.4.5 Wissenschaftliche Nachweise Weiterhin wird in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise für die ausgelobte Wirkung abge- Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 11

stellt. Diese Regelung wird nachfolgend zusammen mit der des Art. 6 Abs. 1 HCV erläutert. 3.2.4.6 Übersicht 26 wissenschaftliche Absicherung 27 bisherige Rechtslage Der Nährstoff oder die andere Substanz muss 1. im Endprodukt 2. in der Menge des Produkts, deren Verzehr vernünftigerweise erwartet werden kann 3. in signifikanter Menge enthalten sein, entweder nach Gemeinschaftsrecht (15 % RDA für Vitamine und Mineralstoffe, gemäß Anhang zu Art. 8 HCV) oder anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Nachweise (hier Bedingung bei der Zulassung anwendbar) und 4. bioverfügbar sein und 5. vom Verbraucher verstanden werden und 6. sich auf das verzehrfertige Lebensmittel beziehen. 3.2.5 Wissenschaftliche Absicherung von Angaben (Art. 6 HCV) Art. 6 Abs. 1 HCV legt fest, dass sich nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben auf allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise stützen und durch diese abgesichert sein müssen. Die Anforderung, dass alle nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben wissenschaftlich abgesichert sein müssen, wird sowohl in den Erwägungsgründen als auch im Text der Verordnung mehrfach und im Wesentlichen gleichlautend wiederholt. So nennt Erwägungsgrund 17 die wissenschaftliche Absicherung ausdrücklich als Hauptaspekt, der bei der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben berücksichtigt werden soll. In der Verordnung selbst wird in Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV, Art. 6 Abs. 1 HCV und Art. 13 Abs. 1 (i) HCV auf die wissenschaftliche Absicherung Bezug genommen. Weiterhin wird der Begriff der wissenschaftlichen Erkenntnisse in Art. 4 Abs. 1 Satz 3 sowie Art. 13 Abs. 5 HCV verwendet. Auch zuvor mussten Wirkaussagen für Lebensmittel wissenschaftlich hinreichend gesichert sein im Sinne des 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB. Auch wenn der Unterschied im Wortlaut nicht gravierend ist, ist doch davon auszugehen, dass mit den Zielsetzungen der HCV ein 12 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

höheres Nachweisniveau als bislang in der Praxis üblich für nährwertund gesundheitsbezogene Angaben angestrebt wird. 15 Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung ist allgemein anerkannt nicht dahingehend zu verstehen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse völlig unumstritten sein müssen. Dies wäre im Bereich der Wissenschaft, die von ständiger geistiger Auseinandersetzung lebt, auch zu viel verlangt. Es dürfen jedoch keine gewichtigen Gegenmeinungen bestehen. 16 Letztendlich korrespondiert die Anforderung an die Qualität des wissenschaftlichen Nachweises (wie auch nach der bisherigen Rechtslage hinsichtlich irreführender Angaben) auch mit der jeweiligen nährwertoder gesundheitsbezogenen Angabe. So werden die Anforderungen an den Nachweis für die positive Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für Wachstum, Entwicklung und Körperfunktionen im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Buchst. a HCV anders sein als bei Angaben über die gezielte Reduzierung eines Krankheitsrisikos. 17 Diese Abstufung kommt letztendlich auch in den Art. 13 ff. HCV in unterschiedlich ausgestalteten Verfahren zum Ausdruck. Der Grad der wissenschaftlichen Absicherung hängt von den zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnissen ab. Den stärksten Beitrag zum Nachweis eines Kausalzusammenhangs zwischen einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und der Gesundheit liefern kontrollierte Interventionsstudien mit großen Probandenzahlen. Der Grad der Absicherung wird weiter erhöht, wenn epidemiologische Studien und Labordaten zum Wirkmechanismus das Ergebnis der Interventionsstudie unterstützen. Neben individuellen Studien können Bewertungen von wissenschaftlichen Gremien und Organisationen, Entscheidungen von Behörden, Lehrbücher, Meta-Analysen, kritische Reviews oder auch Erkenntnisse aus dem traditionellen Gebrauch bei der Bestimmung des Evidenzgrades herangezogen werden. Höchste Evidenz genießen Bewertungen oder Berichte anerkannter wissenschaftlicher Organisationen (z. B. WHO, FNB, DGE 18 ) oder Behörden (EFSA, BfR, FDA 19 ). 20 28 Bezug zur Angabe 15 siehe hierzu die Auseinandersetzung um die Begriffe scientific data versus scientific knowledge dargestellt bei Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behrs s Verlag Hamburg, Loseblatt, Art. 5, Rnr. 4 16 siehe hierzu OLG Karlsruhe, ZLR 2006, 290 17 zu einer gleichen Auffassung kommt auch die AG Fragen der Ernährung der Lebensmittelchemische Gesellschaft in ihrer Stellungnahme zur wissenschaftlichen Absicherung gesundheitsbezogener Angaben bei Lebensmitteln, in Lebensmittelchemie 56:117-118, 2002. 18 WHO = Weltgesundheitsbehörde, FNB = Food and Nutrition Board, DGE = Deutsche Gesellschaft für Ernährung Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 13

Tab. 3.2.5-1 Kategorien von wissenschaftlichen Studien nach PASSCLAIM 21 29 gesundheitsbezogene Angaben 30 angereicherte Lebensmittel Kategorie Interventionsstudien Beobachtungsstudien (Epidemiologische Studien) Unterstützende Studien Studientyp Randomisierte kontrollierte Studien Klinische Untersuchungen Physiologische und psychologische Untersuchungen Prospektive Kohorten-Studien Querschnittsstudien Fall-Kontrollstudien Tierstudien In vitro-studien (Zellkultur, Molekularbiologie) Genotypisierungsstudien Mechanistische Studien 3.2.6 Nährwertkennzeichnung (Art. 7 HCV) Art. 7 Satz 1 HCV legt fest, dass bei gesundheitsbezogenen Angaben auch eine Nährwertkennzeichnung im Sinne der RL 90/496/EWG zu erfolgen hat. Ausgenommen hiervon sind produktübergreifende Werbeaussagen wie z. B. Obst ist gesund. Gemäß Art. 7 Satz 2 HCV sind bei der Verwendung gesundheitsbezogener Angaben jedoch stets die so genannten big eight gemäß Art. 4 Abs. 1 Gruppe 2 RL 90/496/EWG anzuführen. Die Kennzeichnung gemäß Art. 7 Satz 3 HCV legt fest, dass die jeweilige Menge der Stoffe, auf die sich die nährwert- oder gesundheitsbezogene Angabe bezieht, in demselben Sichtfeld in unmittelbarer Nähe der Nährwertkennzeichnung anzugeben sind. Hinsichtlich des Begriffs des Sichtfelds kann auf 3 Abs. 3 Satz 3 LMKV verwiesen werden. Bei bloßen nährwertbezogenen Angaben bleibt es im Übrigen bei den Vorschriften der RL 90/496/EWG bzw. der Umsetzung in der bundes- 19 EFSA = Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, BfR = Bundesinstitut für Risikobewertung, FDA = Food and Drug Administration 20 siehe hierzu eingehend Haber/Meisterernst, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr s Verlag Hamburg, Loseblatt, Art. 6, Rnr. 1 bis 29 sowie Art. 13, Rnr. 41 bis 58 21 P. Agett et al. PASSCLAIM Consensus on Criteria, Eur J Nutr (2005) [Suppl 1] 44 : I/5 I/30 14 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

deutschen NKV. Zu beachten ist allerdings, dass soweit es sich um mit Vitaminen und Mineralstoffen angereicherte Lebensmittel handelt, gemäß Art. 7 AnreicherungsVO wiederum eine Kennzeichnung mit den big eight zu erfolgen hat. Ab dem 13.12.2014 gilt die LMIV. Bei Nahrungsergänzungsmitteln besteht keine Pflicht zur Kennzeichnung gemäß Art. 7 HCV. Die Kennzeichnung der charakteristischen Stoffe in NEM richtet sich ausschließlich nach 4 Abs. 3 NemV. Die Vorschrift des Art. 7 Abs. 3 HCV verwendet insoweit auch den Begriff der Nährwertkennzeichnung und bringt damit zum Ausdruck, dass die kennzeichnenden Stoffe eines Nahrungsergänzungsmittels gem. 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV auch mengenmäßig gem. 4 Abs. 3 auf dem Etikett eines Nahrungsergänzungsmittels angegeben werden müssen. Bereits aus diesem Grunde ist eine gesonderte mengenmäßige Kennzeichnung gem. Art. 7 HCV nicht notwendig. Die Vorschriften der LMIV über die Nährwertdeklaration gelten gem. Art. 29 Abs. 1 Buchst. a LMIV nicht für Nahrungsergänzungsmittel, so dass es abschließend bei den Kennzeichnungsvorschriften des 4 Abs. 3 NemV hinsichtlich der in einem NEM enthaltenen kennzeichnenden Nährstoffe und anderer Substanzen verbleibt. 3.2.7 Nährwertprofile (Art. 4 HCV) Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur für Lebensmittel bzw. Lebensmittelkategorien gemacht werden, die bestimmten Nährwertprofilen entsprechen. Diese Regelung war im Gesetzgebungsverfahren einer der am stärksten umstrittenen Punkte, da es folglich zu einer Unterscheidung in gute und schlechte Lebensmittel kommt, obwohl dies laut Kommissionsvorschlag angeblich nicht angestrebt wurde. 22 Nachdem der Kommissionsvorschlag noch als reine Verbotsnorm formuliert war, wurden im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens aus politischen Opportunitätsgründen die Regelungen im Wortlaut offener gestaltet und um Ausnahmebedingungen für nährwertbezogene Angaben ergänzt. 23 Trotzdem stellt dieser Kopplungsansatz letztendlich eine politisch gewollte Beschränkung der 24, 25 Kommunikations- und Werbemöglichkeiten dar. Artikel 4 Abs. 1 HCV legt aber nicht fest, dass für alle Lebensmittel oder Lebensmittelkategorien Nährwertprofile aufgestellt werden 31 Nahrungsergänzungsmittel 22 vgl. Begründung der Kommission zum VO-Vorschlag vom 16.7.2003, KOM (2003) 424 endg., Nr. 14 23 siehe auch Loosen, ZLR 2006, 532 24 siehe auch Loosen, ZLR 2006, 521 ff. 25 siehe auch Epping/Greifeneder, WRP 2006, 830 ff. Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 15

32 Definition 32a Abgrenzung zur Kennzeichnung gem. NemV müssen. Bestimmte Lebensmittelkategorien, deren regelmäßiger Verzehr in einer ausgewogenen Ernährung empfohlen wird, könnten von verpflichtenden Nährwertprofilen ausgenommen sein. Nach der Ernährungspyramide der DGE erwünschte Lebensmittelgruppen sind z. B. Obst und Gemüse (inkl. Fruchtsäfte), Vollkornprodukte (inkl. Vollkornbrot), Wasser (inkl. Mineral- oder Tafelwasser), Fisch oder fettarme Milchprodukte. 26 Des Weiteren erscheint es sinnvoll, dass Lebensmittelgruppen, die aufgrund rechtlicher Vorschriften fest vorgegebene Zusammensetzungen haben müssen, von den Regelungen zu Nährwertprofilen ausgenommen werden. Als Beispiele wären hier u.a. diätetische Lebensmittel wie z. B. Säuglingsanfangs- und Folgenahrung, bilanzierte Diäten oder Reduktionsdiäten zu nennen. Gleiches sollte für Nahrungsergänzungsmittel gelten, die Mikronährstoffe und andere ernährungsphysiologisch wirksame Substanzen in konzentrierter Form liefern. Abgesehen von den enthaltenen Mikronährstoffen und anderen Substanzen ist ihr Beitrag zur Gesamtenergie- und -nährstoffaufnahme vernachlässigbar gering. Der letzte Entwurf der Kommission für eine Regelung der Nährwertprofile stammt vom 17.03.2009. 3.2.8 Nährwertbezogene Angaben 3.2.8.1 Begriffe In Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 HCV wird der Begriff der nährwertbezogenen Angabe definiert als jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt. Die besonderen positiven Nährwerteigenschaften sind weiterhin in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4 a HCV im Hinblick auf den Energiegehalt des Lebensmittels und zum anderen in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 4b HCV im Hinblick auf die Nährstoffe oder andere Substanzen definiert. Der Begriff des Nährstoffs ist wiederum in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV, der der anderen Substanz in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV eigens geregelt. Gem. 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV sind die Namen der Kategorien von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen, die für das Erzeugnis kennzeichnend sind oder eine Angabe zur Charakterisierung dieser Nährstoffe oder sonstigen Stoffe auf dem Etikett anzugeben. Die Benennung dieser Stoffe stellt demnach regelmäßig keine nährwertbezogene Angabe i.s.d. HCV dar. Im Hinblick auf etliche nährwertbezogene Angaben wie z. B. Reich an Vitamin C oder Calciumquelle wird die 26 Stehle et al. 2005 Ernährungsumschau 52: 129-136 16 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

Frage der Abgrenzung von nährwertbezogenen Angaben und Angaben gem. 4 Abs. 2 Ziff. 1 NemV rechtlich nicht erheblich. Interessant ist sie allerdings bei Zutaten, für die es keine zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben gibt. Würde es sich dabei um Angaben i.s.v. enthält gem. Anhang zur HCV handeln, bedürfte deren Verwendung eines Nachweises über die positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung gem. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a HCV. Dies kann im Einzelfall strittig sein. Richtigerweise kommt es darauf jedoch nicht an, da die Benennung der kennzeichnenden Zutaten eines Nahrungsergänzungsmittels allein der Vorschrift des 4 Abs. 2 Buchst. a NemV unterliegt. 3.2.8.2 Positive Nährwerteigenschaften Die besonderen positiven Nährwerteigenschaften können gemäß der Definition im Energiegehalt sowie dem Inhalt von Nährstoffen und anderen Substanzen liegen. Es muss sich aber jedenfalls um besondere positive Nährwerteigenschaften handeln, denn gemäß Erwägungsgrund 5 sollen ausdrücklich nährwertbezogene Angaben mit negativen Aussagen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Gedacht war auch hier an die britische Ampelkennzeichnung; allerdings beinhaltet diese auch, soweit die Ampel grün ist, Aussagen über positive Nährwerteigenschaften. 27 Entsprechende nationale Vorschriften sollen, soweit sie gemäß RL 98/34/EG notifiziert worden sind, zulässig sein. In der neuen LMIV finden sich nunmehr gesonderte Regelungen für derartige nationale Kennzeichnungssysteme. Diese unterliegen gem. Art. 35 LMIV detaillierten Voraussetzungen, auch hinsichtlich der wissenschaftlichen Absicherung. Ob und wie sich die ab dem 13. Dezember 2014 geltenden Vorschriften auf die bestehenden Systeme auswirken, bleibt abzuwarten. Die besonderen positiven Nährwerteigenschaften, die sich aus einer Aussage oder Darstellung ggf. auch nur mittelbar ergeben können, müssen sich entweder auf den Energiegehalt des Lebensmittels oder auf den Gehalt an Nährstoffen oder anderen Substanzen beziehen. 33 positive Nährwerteigenschaften 3.2.8.3 Nährstoff Die besonderen positiven Eigenschaften können sich auf die in dem Lebensmittel enthaltenen, in verminderter und erhöhter Menge enthaltenen oder nicht enthaltenen Nährstoffe beziehen. Dabei ist der Begriff des Nährstoffs gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV als Protein, Kohlenhydrat, Fett, Ballaststoff, Natrium, eines im Anhang der RL 34 Begriff des Nährstoffs 27 Diese Kennzeichnung wäre allerdings, soweit die Erzeugnisse zugleich mit zulässigen Angaben beworben oder gekennzeichnet würden, als zulässige Angabe anzusehen. Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 17

90/496/EWG aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe sowie jeder Stoff, der zu einer dieser Kategorien gehört oder Bestandteil eines Stoffes einer dieser Kategorien ist, definiert. Misslich ist dabei, dass der europäischen Gesetzgeber zunehmend den Begriff des Nährstoffs in verschiedenen Gesetzgebungsakten verschieden auslegt. So ist z. B. der Begriff des Nährstoffs gemäß RL 2002/46/EG 28 lediglich auf Vitamine und Mineralstoffe beschränkt. Bei einem Vergleich bezüglich des Gehalts von Nährstoffen bzw. einer verminderten oder erhöhten Menge an Nährstoffen sind die weiteren Vorschriften des Art. 9 HCV für vergleichende Angaben zu beachten. 3.2.8.4 Andere Substanzen 35 Begriff der anderen Substanz Der Begriff der anderen Substanz ist in Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV als anderer Stoff als ein Nährstoff im Sinne der vorstehenden Definition beschrieben, der eine ernährungsbezogene Wirkung oder eine physiologische Wirkung hat. Die Begriffe der ernährungsbezogenen Wirkung und/oder der physiologischen Wirkung sind in der Verordnung nicht weiter definiert. Auch die Erwägungsgründe geben hierüber keinen weitergehenden Aufschluss. Zwar werden in Erwägungsgrund 8 andere Substanzen genannt jedoch systematisch ungenau, da hier unter den Begriff auch Vitamine und Mineralstoffe, essentielle Fettsäuren sowie Ballaststoffe gezogen werden, die nach der Definition des Art. 2 Abs. 2 Ziff. 2 HCV bereits dem Begriff des Nährstoffs unterfallen. Weiterhin werden auch hier nur die Begriffe ernährungsbezogene oder physiologische Wirkung angesprochen, ohne sie weiter zu erläutern. Letztendlich wird man zur Beurteilung der ernährungsbezogenen oder physiologischen Wirkung auf die entsprechende Rechtsprechung zur Abgrenzung von Lebensmitteln und Arzneimitteln 29, auf die subjektive Zweckbestimmung durch den Hersteller/Inverkehrbringer und die allgemeine Auffassung der Verbraucher unter Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsauffassung abstellen müssen. Da mit der Verordnung Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos als Wirkaussage für Lebensmittel zugelassen werden, sind nunmehr derartige Wirkungen vom Gemeinschaftsrecht als ernährungsbezogene und physiologische Wirkungen eingestuft; eine pharmakologische Wirkung, die zur Einstufung als des Produkts als Arzneimittel führen würde, kann darin per definitionem nicht liegen. 28 Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie 29 so OLG Hamburg, ZLR 2009, 246, 253 18 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

Andere neuere Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, wie die VO (EG) 1925/2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen zu bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (Anreicherungs- VO) greifen diese Begrifflichkeit der HCV nicht auf, sondern regeln eine andere Substanz nur hinsichtlich der Quantität der Aufnahme. 30 Dabei sind die Begriffe andere Substanz gemäß Art. 2 Abs. 2 Ziff. 3 HCV und anderer Stoff gemäß Art. 2 Abs. 2 AnreicherungsVO Synonyme. Die unterschiedlichen Begriffe in den beiden zeitgleich entworfenen und beschlossenen Verordnungen ergeben sich aus einer abweichenden Übersetzung des englischen Begriffs substance. Wie sich aus einer Zusammenschau des Erwägungsgrunds 8 der HCV sowie Erwägungsgrunds 20 der AnreicherungsVO ergibt, ist hier der Begriff des Stoffs oder Substanz dahingehend auszulegen, dass es sich um einen bestimmten einzelnen Stoff oder ein Stoffgemisch handeln muss. Erwägungsgrund 20 der AnreicherungsVO führt hierzu aus: Eine normale und abwechslungsreiche Ernährung umfasst viele Zutaten, die ihrerseits aus vielen Stoffen zusammengesetzt sind. Die Aufnahme dieser Stoffe oder Zutaten bei normaler und herkömmlicher Verwendung und in der üblichen Ernährung wäre nicht bedenklich und braucht nicht geregelt zu werden. Einige andere Stoffe als Vitamine und Mineralstoffe oder Zutaten, die diese enthalten, werden Lebensmitteln als Auszüge oder Konzentrate zugesetzt und können dazu führen, dass sie in deutlich höherer Menge aufgenommen werden als bei einer angemessenen und abwechslungsreichen Ernährung. Diesen Ausführungen ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber bei Verwendung des Begriffs Stoff bzw. Substanz davon ausging, dass es sich dabei um zugefügte oder natürlich vorhandene Bestandteile von Lebensmitteln handelt. Vollständige Lebensmittel, die als Zutaten eines Lebensmittels verwendet werden, fallen daher nicht unter den Begriff des Stoffs und damit der anderen Substanz. Ansonsten müssten auch Angaben wie enthält Olivenöl bei Ölsardinen gemäß Anhang zu Art. 8 HCV i.v.m. Art. 5 HCV wissenschaftlich abgesichert sein. Der Begriff des Stoffs ist somit entgegen der weiten Verwendung in Art. 2 VO (EG) 178/2002 hier eng im Hinblick auf die Funktion auszulegen. Auch an dieser Stelle zeigt sich wieder die inkonsistente Verwendung von Begriffen durch den europäischen Gesetzgeber. Beispiele: körpereigene Wirkstoffe und Stoffwechselprodukte: Kreatin, L-Carnitin, Coenzym Q10, Inosin, Cholin, Inositol 36 Parallele zur AnreicherungsVO 37 enge Auslegung 38 Beispiele 30 vgl. Art. 8 Abs. 1 AnreicherungsVO Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 19

Fette: Konjugierte Linolsäure (CLA), mittelkettige Triglyceride (MCT) Aminosäuren: verzweigtkettige Aminosäuren (BGAA), Tryptophan, Taurin, Asparaginsäure, Arginin, Ornithin Sekundäre Pflanzenstoffe: Flavonoide, Phytosterine Enzyme: Bromelain, Papain Alkaloide: Koffein. 3.2.8.5 Im Anhang geregelte nährwertbezogene Angaben 39 zulässige Angaben 40 Bedingungen müssen eingehalten werden Art. 8 HCV legt im Zusammenspiel mit dem Anhang fest, unter welchen Bedingungen nährwertbezogene Angaben gemacht werden dürfen. Darüber hinaus regelt er das Verfahren zur Änderung der Listen der erlaubten nährwertbezogenen Angaben. Nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur gemacht werden, wenn sie den Bestimmungen der Verordnung entsprechen und danach zulässig sind (Art. 3 HCV). Dieses Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wird auch in Art. 8 HCV bei den Spezialregelungen zu nährwertbezogenen Angaben wieder aufgegriffen. Nach Art. 8 Abs. 1 HCV dürfen nur nährwertbezogene Angaben gemacht werden, die im Anhang der HCV enthalten sind. Nährwertbezogene Angaben, die nicht in dieser Positivliste enthalten sind, dürfen ab dem 1.7.2007 unter Berücksichtigung der Übergangsfristen nur gemacht werden, wenn sie aufgrund anderer Vorschriften zulässig (siehe hierzu Erwägungsgrund 22) oder obligatorisch sind. Ausgenommen sind damit auch produkthaftungsrechtliche Warnhinweise wie z. B. Dieses Produkt kann Spuren von Nüssen enthalten. Auch Informationen über Allergene stellen keine nährwertbezogenen Angaben dar. 31 Für die jeweiligen Angaben sind im Anhang spezifische Bedingungen festgelegt, die bei der Verwendung der Angaben eingehalten werden müssen. Diese Bedingungen wurden laut Verordnungsgeber in Einklang mit nationalen, internationalen und gemeinschaftsrechtlichen Regelungen erlassen. 32 Als wichtigste internationale Regelung kann die vom Codex Alimentarius verabschiedete Leitlinie über nährwertund gesundheitsbezogene Angaben angesehen werden, deren für nährwertbezogene Angaben festgelegte Kriterien weitestgehend in der EU-VO übernommen wurden. 33 31 ALS Stellungnahme 2006/34 zu Hinweise auf die Abwesenheit eines Allergens in Lebensmitteln, J. Verbr. Lebensm. 1 (2006), S. 374 32 Erwägungsgrund 21 VO 33 CAC/GL 23-1997, REV. 1-2004 Guidelines on Nutrition and Health Claims 20 Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21

Die im Anhang aufgeführten nährwertbezogenen Angaben sind nicht als starre, festgeschriebene Formulierungen zu verstehen. Vielmehr ist jede andere Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, zulässig. Das Prinzip, dass auch synonyme oder gleichsinnige Angaben verwendet werden können, steht in Einklang mit den Festlegungen gemäß Codex Alimentarius. 34 Synonyme Bezeichnungen 35 dürfen nicht irreführend (Art. 3 HCV) sein und müssen den allgemeinen Grundsätzen der Verordnung entsprechen. 41 Synonyme 3.2.8.6 Im Anhang nicht aufgenommene Angaben Eine ganze Reihe bislang verwendeter nährwertbezogener Angaben wurde in die Positivliste des Anhangs zu Art. 8 nicht aufgenommen. Hierzu gehören Angaben wie cholesterinarm und cholesterinfrei, die nach den Leitlinien des Codex Alimentarius für nährwertbezogene Angaben möglich sind. 36 Werden Angaben als produkthaftungsrechtlich gebotener Warnhinweis für bestimmte Verbrauchergruppen auf dem Etikett angebracht, fallen sie nicht unter den Begriff der Angabe und somit nicht unter den Regelungsumfang der HCV. So werden z. B. Hinweise auf die Abwesenheit eines Allergens (z. B. glutenfrei oder sojafrei ) nicht als nährwertbezogene Angaben im Sinne der HCV angesehen. 37 Laktose ist zwar kein allergener Stoff, könnte aber in Analogie zu dem Hinweis auf Abwesenheit eines Allergens ebenfalls als qualitativer Hinweis angesehen werden. Bei im Anhang nicht aufgeführten Angaben ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese als Beschaffenheitsangaben nicht der HCV unterliegen 38 oder ob deren Verwendung aus anderem Grunde gerechtfertigt ist (so z. B. die Bezeichnung als koffeinfrei als Teil der Verkehrsbezeichnung und damit einer Pflichtangabe bei einem Colagetränk). 42 fehlende Angaben 43 Warnhinweise 34 CAC/GL 23-1997, Rev. 1-2004 Guidelines on Nutrition and Health Claims 35 Beispiele bei Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr s Verlag, Loseblatt, Art. 8, Rnr. 5 bis 28 36 CAC/GL 23-1997, Rev. 1-2004 Guidelines on Nutrition and Health Claims 37 so auch der ALS in seiner Stellungnahme 2006/34 zu Hinweisen auf die Abwesenheit eines Allergens in Lebensmitteln, J Verbr Lebensm (1) 2006, S. 374. 38 siehe hierzu Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Behr s Verlag, Loseblatt, Art. 2, Rn. 15a Praxishandbuch NEM & EBD 14 05 21 21