Diagnostik und Immunhistochemie des medullären Mammakarzinoms

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Transkript:

Schwerpunkt: Mammapathologie Pathologe 2006 27:358 362 DOI 10.1007/s00292-006-0850-1 Online publiziert: 26. Juli 2006 Springer Medizin Verlag 2006 S. Milde 1 J. Gaedcke 1 R. v. Wasielewski 1 H. Bruchardt 1 L. Wingen 2 D. Gadzicki 3 H. Arps 4 H. H. Kreipe 1 1 Institut für Pathologie, Medizinische Hochschule, Hannover 2 Dept. of Disease & Stress Biology, John Innes Centre, Norwich 3 Institut für Zell und Molekularpathologie der Medizinischen Hochschule Hannover 4 Institut für Pathologie, Klinikum Fulda Diagnostik und Immunhistochemie des medullären Mammakarzinoms Tab. 1 Das medulläre Mammakarzinom stellt eine Sonderform der invasiven Karzinome der Mamma dar. Es weist trotz einer hoch malignen G3-Morphologie eine geringere Progressionsneigung und bessere Prognose auf, selbst dann, wenn Lymphknotenmetastasen vorliegen. Die Inzidenzrate der medullären Mammakarzinome betrug in einer neueren epidemiologischen Studie 1,5% mit einem Anteil von 1,1 7% an den invasiven Mammakarzinomen [1, 2, 4]. Anderson [1] und andere beschrieben, dass medulläre Mammakarzinome überwiegend jüngere Frauen vor dem 50. Lebensjahr betreffen. Die diagnostische Reproduzierbarkeit der morphologischen Kriterien hat sich sowohl in Hinblick auf die Interals auch die Intrabeobachterkonstanz als sehr eingeschränkt herausgestellt [5, 8]. Eine besondere differenzialdiagnostische Schwierigkeit ergibt sich aus der Überschneidung mit hochmalignen G3-Karzinomen, die bestimmte medulläre Eigenschaften, wie z. B. eine lymphoplasmazelluläre Infiltration aufweisen können, ohne dass das Vollbild eines medullären Karzinoms ausgebildet ist. Diese z. T. auch als atypische medulläre Mammakarzinome bezeichneten Tumoren bilden jedoch keine eigene Untergruppe und weisen auch keine günstigere Prognose auf, sondern verhalten sich wie andere G3-Karzinome [6]. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Suche nach weiteren objektivierenden Parametern, die die diagnostischen Kriterien erhärten können (. Tab. 1). Mit diesem Ziel wurde eine Studie zur Anwendung immunhistochemischer Marker bei der Diagnostik medullären Mammakarzinome durchgeführt. Histomorphologische Diagnosekriterien des medullären Mammakarzinoms Hauptkriterien Synzytiales Wachstumsmuster >75%, mehr als 4 5 Zellagen Makroskopisch und mikroskopisch komplett gut umschrieben Keine glandulären oder tubulären Strukturen Diffuses, nicht auf die Peripherie beschränktes lymphoplasmazelluläres Infiltrat Niederer Differenzierungsgrad G3 Nebenkriterien Fokale Nekrosen und plattenepitheliale Differenzierung Lymphfollikel, Epitheloidzellgranulome Atypische Riesenzellen (Intraduktale Komponente?) Material und Methoden Wir untersuchten 67 Mammakarzinome aus den Jahren 1986 bis 2004, die als medullär oder atypisch medullär eingeordnet worden waren und welche wir nach den WHO-Kriterien anhand von HE-Schnitten vom Gesamttumor reklassifizierten. Dabei wurden 32 Fälle als typisch medulläre Mammakarzinome und 35 als wenig differenzierte duktal-invasive Mammakarzinome mit medullären Eigenschaften eingeordnet. Das durchschnittliche Erkrankungsalter der Patientinnen mit medullärem Mammakarzinom betrug 48 Jahre und das derjenigen mit duktal-invasiven Mammakarzinomen 51 Jahre. Darunter befanden sich 4 Fälle mit auffälliger Familienanamnese mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren. Für die immunhistochemischen Studien wurden aus dem Randbereich des in Paraffin eingebetteten Haupttumorpräparates Stanzen mit einem Durchmesser von 1 mm entnommen und in einem so genannten Multiblock (ein Paraffinblock mit bis zu 60 schachbrettartig angeordneten Gewebeproben unterschiedlicher Herkunft) zusammengesetzt. Von diesen wurden 4 μm dicke Schnitte angefertigt und auf beschichteten Objektträgern mit den immunhistochemischen Markern Östrogen- (ER-)/Progesteronrezeptor (PR), 358 Der Pathologe 5 2006

Abb. 1 8 Typisches medulläres Mammakarzinom. a Histologisch eher verdrängend als infiltrierend vorwachsende Tumorperipherie. b,c Bei Fehlen glandulärer oder tubulärer Formationen zeigen mehr als 70% der Zellen ein synzytiales Wachstum in breiten Zellkomplexen von 4 5 Zelllagen und vesikuläre Kerne mit großen Nukleolen und vielen Mitosen. d Typische Ausbildung von wahrscheinlich durch Regression bedingten Zysten. e Charakteristisch hoher Ki-67-Markierungsindex Androgenrezeptor, Her-2/neu, bcl-2, p53, Ki-67, Cyclin D1, Ck 5/6, Ck 14, Ck 18, Ck 19, EGF-R, E-Cadherin, Beta-Catenin, CD 117, CD 44v6, Annexin, Ki-A10, CD 20, CD 3, SKP 2 und p27 gefärbt. Die Auswertung der immunhistochemischen Färbungen erfolgte am Doppelmikroskop nach vorheriger Festlegung der Auswertekriterien und Diskussion strittiger Fälle. Ergebnisse Histopathologie des medullären Mammakarzinoms Die insbesondere von der WHO berücksichtigten histopathologischen Kriterien (. Tab. 1), deren strikte Anwendung empfohlen wird, wurden erstmals 1977 durch Ridolfi et al. [7] beschrieben. Diese beinhalten ein synzytiales Wachstumsmuster in >75% der Tumormasse mit Anordnung der Tumorzellen in 4 5 Zelllagen, in einem lockeren, insgesamt gering entwickelten Bindegewebestroma (. Abb. 1 a e). Weiterhin muss der Tumor makroskopisch und mikroskopisch komplett umschrieben sein und ein diffus durchset- Der Pathologe 5 2006 359

Zusammenfassung Abstract Pathologe 2006 27:358 362 DOI 10.1007/s00292-006-0850-1 Springer Medizin Verlag 2006 S. Milde J. Gaedcke R. v. Wasielewski H. Bruchardt L. Wingen D. Gadzicki H. Arps H. H. Kreipe Diagnostik und Immunhistochemie des medullären Mammakarzinoms Zusammenfassung Das medulläre Mammakarzinom stellt wegen der paradoxen Assoziation von hohem Grad der Dedifferenzierung und Atypie mit einer eher günstigen Prognose eine diagnostische Herausforderung dar. Dabei sind makroskopischer und mikroskopischer Befund maßgeblich, die Haupt- und Nebenkriterien zu berücksichtigen haben. Dagegen ist die Bedeutung des Immunphänotyps noch nicht abschließend geklärt. Da die diagnostische Reproduzierbarkeit der morphologischen Kriterien eingeschränkt ist, haben wir überprüft, inwieweit die Immunhistologie zur Diagnosesicherung herangezogen werden kann. Bei 32 medullären Mammakarzinomen wurden 23 verschiedene Marker analysiert und mit wenig differenzierten duktal-invasiven Mammakarzinomen mit partiellen medullären Eigenschaften (so genannte atypische medulläre Mammakarzinome ) verglichen. Dabei zeigte der sehr charakteristische, aber nicht spezifische Immunphänotyp eine starke Überlappung mit dem so genannten Basalzellphänotyp des Mammakarzinoms (Negativität für Steroidhormonrezptoren und Her2, Positivität für Basalzellzytokeratine). Mit keinem der angewandten Marker konnte eine spezifische Diskriminierung erreicht werden. Medulläre Mammakarzinome exprimierten signifikant häufiger EGF-R. Werden die charakteristischen morphologischen Kriterien, die nur am Resektat und nicht an der Stanze zu erheben sind, mit dem immunhistochemischen Nachweis des charakteristischen Immunphänotyps kombiniert, lässt sich die diagnostische Sicherheit deutlich erhöhen. Schlüsselwörter Medulläres Mammakarzinom Basalzellphänotyp Diagnosekriterien Immunhistochemie EGF Diagnosis and immunophenotype of medullary breast cancer Abstract Medullary carcinoma of the breast has a relatively favorable prognosis despite its malignant histopathological appearance, providing a challenge for the pathologically based diagnosis of breast cancer. Macroscopic and microscopic findings combined provide diagnostic criteria. The importance of the immunophenotype of medullary carcinoma is not well defined. Because the reproducibility of morphological criteria is limited, we conducted an immunohistochemical study in search of markers that could facilitate histopathological classification. We examined 32 medullary carcinomas in comparison with 30 high grade ductal invasive carcinomas with similar morphology using 23 different immunohistochemical markers. The results showed an overlap with the so called basal like subtype of invasive breast cancer (negativity for steroid hormone receptor, positivity for basal cytokeratins). None of the immunohistochemical markers enabled a specific discrimination between the two groups. Medullary carcinomas overexpress EGF-R more frequently (P<0.004). In combining the characteristic morphological criteria and the immunohistochemical detection of the basal like phenotype and EGFR, a higher diagnostic accuracy can be achieved. The immunophenotype alone does not allow a definite classification of medullary carcinoma. Keywords Medullary breast cancer Ductal invasive breast cancer Diagnostic criteria Immunohistochemistry EGFR zendes, nicht auf die Tumorperipherie beschränktes lymphoplasmazelluläres Infiltrat aufweisen. Die Zelldifferenzierung sollte gering (Grad 3) und die mitotische Aktivität hoch sein. Als Ausschlusskriterien gelten glanduläre oder tubuläre Strukturen, die auch nicht als geringe Tumorkomponente vorkommen dürfen, was allerdings in der Literatur unterschiedlich eingeschätzt wird [9]. Als fakultative Merkmale sind fokale Nekrosen, plattenepitheliale Differenzierung, Lymphfollikel und Epitheloidzellgranulome sowie atypische Riesenzellen erlaubt. Umstritten und ungeklärt, ob mit der Diagnose eines medullären Mammakarzinoms vereinbar, ist die Präsenz einer intraduktalen Komponente (. Abb. 2 c), welche für einen Teil der Autoren ein Ausschlusskriterium [6], für andere jedoch ein akzeptables Nebenkriterium darstellt [7, 8]. Die Kombination eines duktal-invasiven Mammakarzinoms mit einigen Eigenschaften des medullären Karzinoms, ohne dass das Vollbild vorliegt, sollte nicht mehr als atypisches medulläres Mammakarzinom bezeichnet werden. Vielmehr sollte hier der Begriff wenig differenziertes duktal-invasives Mammakarzinom bevorzugt werden (. Abb. 2 a c,. Abb. 3). Immunhistochemie medullärer Mammakarzinome Immunhistochemisch fanden wir für die meisten Marker keine signifikanten Unterschiede zwischen medullären und schlecht differenzierten duktal-invasiven Karzinomen mit medullären Eigenschaften (. Tab. 2). Eine Negativität in mehr als 90% medullärer Mammakarzinome zeigte sich für Her-2/neu, bcl-6, bcl-2, CD 44v6, Ck 14, Cyclin D1, Annexin und Ki-A10. Ein diffuses Verteilungsmuster fand sich bei SKP 2, p27, Ck 5/6 und p53. Die Untersuchung des lymphoplasmazellulären Infiltrates mit CD 20 und CD 3 und weiteren T-Zell-Markern (CD 56, CD 57, Granzyme, Perforin) ergab keine Hinweise auf Unterschiede zwischen den Gruppen. Der Median für Ki- 67 zeigte keine signifikante Differenz zwischen medullären (44,61%) und duktal-invasiven Mammakarzinomen (42,79%). 360 Der Pathologe 5 2006

Abb. 2 8 Wenig differenziertes duktal-invasives Mammakarzinom mit Eigenschaften des medullären Karzinoms. a Glatte Begrenzung und dichte lymphozytäre Randreaktion. b Weniger synzytiales Wachstum, häufig in 2- bis 3-lagigen Trabekeln, vereinzelt auch mit angedeuteten glandulären Lumina. c Intraduktale Ausbreitung immunphänotypischen Expressionsmusters gelang nicht. Die Steroidhormonrezeptoren waren bei den medullären Mammakarzinomen alle negativ bzw. nur vereinzelt schwach positiv. Ein Fall mit starker ER-Überexpression, wurde als duktal-invasives Karzinom reklassifiziert. 70,8% der medullären Mammakarzinome waren Androgenrezeptor-negativ, wobei sich kein Unterschied gegenüber den duktal-invasiven Abb. 3 9 Gelegentlich muss die Metastase eines wenig differenzierten Karzinoms in einem intramammären Lymphknoten abgegrenzt werden. Hierbei ist weniger die Kapsel als der Nachweis eines subkapsulären Sinus von entscheidender differenzialdiagnostischer Bedeutung Mammakarzinomen (68,6% negativ) darstellen ließ. Signifikante Unterschiede im Chi- Quadrat-Test zwischen den untersuchten Karzinomgruppen fanden sich bei ER, Ck 18 und EGF-R mit einer Negativität für ER und einer Überexpression der anderen genannten Marker. Eine eindeutige Zuordnung aufgrund eines spezifischen Diskussion In dieser Studie wurden verschiedene immunhistochemische, gegen funktionelle und strukturelle Proteine gerichtete Marker an medullären und duktal invasiven Mammkarzinomen schlechter Differenzierung mit partiellen medullären Eigenschaften untersucht. Dabei fand sich eine deutliche Überlappung des medullären Mammakarzinoms mit dem so genannten basalen Phänotyp des invasiven Mammakarzinoms. Genexpressionsstudien an invasiven Mammakarzinomen haben einen prognostisch ungünstigen Phänotyp beschrieben, der sich durch eine Expression hochmolekularer Zytokeratine (Ck 5, Ck 14) und eine Steroidhormonrezeptornegativität auszeichnet und der als Basalzellphänotyp bezeichnet wird [10]. Wie bereits die konventionelle Histomorphologie mit dem hohen Grad der Der Pathologe 5 2006 361

Schwerpunkt: Mammapathologie Tab. 2 Immunophänotypisierung medullärer Mammakarzinome und wenig differenzierter duktal-invasiver Mammakarzinome mit medullären Eigenschaften Medullär (n=32) Duktal-invasiv (n=35) Unterschied Negativ <10% Positiv Negativ <10% Positiv [p] (%) (%) (%) (%) (%) (%) ER 31 (96,9) 1 (3,1) 0 (0) 27 (77,1) 1 (2,9) 7 (20,0) 0,028 PR 31 (96,9) 1 (3,1) 0 (0) 32 (91,4) 1 (2,99 2 (5,7) 0,390 Her-2/ 31 (96,9) 1 (3,1) 31 (88,6) 4 (11,4) 0,207 neu Ck 5/6 19 (61,3) 4 (12,9) 8 (25,8) 15 (42,9) 5 (14,3) 15 (42,9) 0,290 EGF-R 1 (3,2) 1 (3,2) 29 (93,5) 14 (41,2) 2 (5,9) 18 (52,9) 0,001 Ck 18 13 (41,9) 6 (19,4) 12 (38,7) 11 (31,4) 1 (2,9) 23 (65,7) 0,031 Bcl-2 22 (68,8) 4 (12,5) 6 (18,8) 20 (57,1) 2 (5,7) 13 (37,1) 0,201 Ck 14 29 (93,5) 2 (6,5) 33 (97,1) 1 (2,9) 0,465 Dedifferenzierung und Atypie, zeigt sich auch in der Immunphänotypisierung eine paradox erscheinende Überschneidung von einerseits Eigenschaften, die gesteigerte Malignität anzeigen, und andererseits eine nachweislich geringere Progressionsneigung. Im Vergleich zu den wenig differenzierten Karzinomen mit partiellen medullären Eigenschaften (so geannte atypische medulläre Mammakarzinome ) ergaben sich signifikante Unterschiede in Hinblick auf die Expression von ER, EGF-R und Ck 18. Mit den zur Anwendung gekommenen Markern konnte ein charakteristisches immunhistochemisches Expressionsprofil des medullären Mammakarzinoms etabliert werden, das allerdings nicht spezifisch ist, da es auch bei nichtmedullären Mammakarzinomen angetroffen wird. Solange weder immunhistochemisch noch molekularpathologisch eindeutig diskriminierende, spezifische Marker für das medulläre Mammakarzinom verfügbar sind, nehmen morphologische Kriterien die zentrale Rolle in der Diagnostik ein. Ergänzend und absichernd kann der charakteristische Immunphänotyp herangezogen werden. Dieser ist gekennzeichnet durch eine Negativität für ER/PR, Her-2/ neu, eine hohe Proliferationsaktivität sowie eine Überlappung mit dem basalen Phänotyp, einschließlich einer EGF-R- Positivität. Dieser Befund wurde in einer weiteren nach Abschluss dieser Untersuchung publizierten Studie bestätigt [3]. Wegen der prognostischen Implikationen, die sich aus einer inkorrekten Einordnung eines hochmalignen G3-Mammakarzinoms als medulläres Mammakarzinom ergeben, sollte die Diagnose nur gestellt werden, wenn das idealtypische Vollbild ausgeprägt ist. Hieraus ergibt sich, dass die Diagnose, solange spezifisch diskriminierende immunhistochemische Eigenschaften nicht bekannt sind, nicht aus der Tumorstanze, sondern nur am Resektat zu stellen ist. Fazit für die Praxis Das medulläre Mammakarzinom fällt durch seine gute Prognose trotz des hoch malignen histopathologischen Erscheinungsbildes auf. Umso wichtiger ist die sichere Unterscheidung von morphologisch ähnlichen, schlecht differenzierten G3-Karzinomen mit nur partieller Expression von medullären Eigenschaften (so genanntes atypisches medulläres Mammakarzinom ), die sich wie andere G3-Tumoren verhalten. Um dies zu erreichen, ist die strikte Anwendung der von der WHO erstellten histopathologischen Haupt- und Nebenkriterien erforderlich (. Tab. 1). Die Diagnose ist nur am Resektat und nicht an der Stanze zu stellen. Unterstützend zur Diagnosesicherung kann der charakteristische, allerdings nicht spezifisch diskriminierende Immunphänotyp mit Negativität für ER/ PR und Her-2/neu sowie Positivität für EGF-R und hohem Ki-67-Markierungsindex herangezogen werden. Korrespondierender Autor Prof. Dr. H. H. Kreipe Institut für Pathologie, Medizinische Hochschule Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover Kreipe.Hans@MH-Hannover.de Danksagung. Wir danken Herrn Prof. Dr. W. Wierich, Recklinghausen, für die Überlassung von Tumorgewebe (4 Fälle von typischem medullären Mammakarzinom). Interessenkonflikt. Keine Angaben Literatur 1. Anderson WF, Chu KC, Chang S, Sherman ME (2004) Comparison of age-specific incidence rate patterns for different histopathologic types of breast carcinoma. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 13: 1128 1135 2. Bloom HJ, Richardson WW, Field JR (1970) Host resistance and survival in carcinoma of breast: a study of 104 cases of medullary carcinoma in a series of 1411 cases of breast cancer followed for 20 years. BMJ 3: 181 188 3. Jacquemier J, Padovani L, Rabayrol L et al. (2005) European Working Group for Breast Screening Pathology; Breast Cancer Linkage Consortium. Typical medullary breast carcinomas have a basal/myoepithelial phenotype. J Pathol 207: 260 268 4. Pedersen L, Holck S, Schiodt T et al. 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