GELDPOLITIK IN UND AUSSERHALB VON KRISENZEITEN

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Transkript:

THEMENBLATT 5 GELDPOLITIK IN UND AUSSERHALB VON KRISENZEITEN Die Geldpolitik ist neben anderen Politikbereichen wie der Budgetpolitik oder der Bildungspolitik ein Instrument, um lenkend in das Wirtschaftsgeschehen eines Landes oder eines Währungsraumes einzugreifen. Das vorrangige Ziel der Geldpolitik im Euroraum ist die Gewährleistung von Preisstabilität, wobei diese als jährlicher Anstieg des Harmonisierten Verbraucherpreisindex von unter aber nahe 2 % auf mittlere Frist definiert ist. Die hauptsächliche Steuerungsvariable der Geldpolitik ist ein kurzfristiger Zinssatz, der im gesamten Euro- Währungsgebiet gleich ist. Mit diesem Zinssatz beeinflusst das Eurosystem das Wirtschaftsgeschehen und greift stabilisierend ein. Die Geldpolitik versucht Booms sowie Rezessionen in einer Wirtschaft entgegenzuwirken, um in der Folge eine stabilisierende Wirkung auf die Inflationsrate auszuüben. In Krisenzeiten kann die Geldpolitik jedoch auch auf andere Instrumente zurückgreifen, die über den kurzfristigen Zinssatz hinaus Effekte auf die gesamte Zinslandschaft haben. Autorin: Claudia Kwapil Stand: 2015 1 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Abschnitt 1: Wie Geldpolitik auf die Wirtschaft wirkt Das vorrangige Ziel der Geldpolitik ist die Gewährleistung von Preisstabilität.1 Warum wurde diese Aufgabe gerade der Geldpolitik zugeteilt? Ist sie für diese Aufgabe gut geeignet? Wer macht Geldpolitik? Auf welche Weise beeinflusst die Geldpolitik die Wirtschaft im Allgemeinen und die Inflation im Besonderen? Wie hängen die Zentralbankzinsen mit den eigenen Sparbuch- und Kreditzinsen zusammen? Diese und darüber hinausgehende Fragen werden in diesem Themenblatt beantwortet. 1.1. ZENTRALBANK BANKEN MENSCHEN Die Aufgabe von Banken ist es, die Ersparnisse der Menschen sicher aufzubewahren und diese an die Wirtschaft als Kredite zu vergeben. Zudem wird über das Bankensystem Bargeld, das die Menschen für ihren täglichen Bedarf benötigen, verteilt. D.h., Banken leihen sich von der Zentralbank Geld, sogenanntes Zentralbankgeld, um einerseits die Ausgabe von Bargeld und andererseits andere Aktivitäten wie zum Beispiel den Ausgleich von Zwischenbankverbindlichkeiten oder die Erfüllung der Mindestreservepflicht zu finanzieren. Zentralbankgeld wird in Form befristeter Kredite also in Form von Krediten, die automatisch zu einem vereinbarten Zeitpunkt enden verliehen. Dafür müssen die Banken der Zentralbank Zinsen bezahlen. Diese Zinsen werden geldpolitische Leitzinsen genannt. Da die Zentralbank die einzige Stelle ist, die Zentralbankgeld schaffen kann, kann sie über das Niveau dieser Zinsen frei bestimmen. Müssen Banken mehr (oder weniger) für diese Kredite bezahlen, so geben sie diesen Zinsvorteil bzw. -nachteil meist mit einer zeitlichen Verzögerung an ihre Kunden weiter. Auf diese Weise hat die Zentralbank zwar nicht unmittelbar aber doch einen bestimmenden Einfluss auf die Spar- und Kreditzinsen (Kundenzinsen) der Menschen. 1.2. ÄNDERUNGEN DER LEITZINSEN Kundenzinsen Hoch = hohe Zinsen auf Spareinlagen = hohe Zinsen für Kredite Niedrig = niedrige Zinsen auf Spareinlagen = niedrige Zinsen für Kredite es wird mehr gespart weniger konsumiert bzw. investiert es wird weniger gespart mehr konsumiert bzw. investiert Die zuvor erwähnten Kundenzinsen sind für die Spar-, Konsum- und Investitionsentscheidungen der privaten Haushalte und Unternehmen wichtig: Höhere Zinsen sind ein Anreiz mehr zu sparen und weniger zu konsumieren. Gleichzeitig verteuern höhere Zinsen Kredite auch das ist ein Anreiz, mehr zu sparen und weniger zu konsumieren oder weniger zu investieren. 1 Für detaillierte Ausführungen zum Preisstabilitätsziel siehe das Themenblatt Preisstabilität Inflation Deflation 2 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Dabei unterscheidet man zwischen nominellen Zinsen (das sind die Zinsen, die man zum Beispiel auf einem Sparbuch bekommt) und Realzinsen. Realzinsen sind die nominellen Zinsen abzüglich der Inflationserwartungen. Dazu ein Beispiel: Beim Eröffnen eines gebundenen Sparbuchs, wenn sich die Sparerin überlegt, wieviel Geld sie nach der Bindungsfrist zurückbekommen wird, ist es für sie nicht nur wichtig, wie viel sie an nominellen Zinsen in der Zeit verdienen wird, sondern auch wieviel sie sich am Ende abzüglich der (erwarteten) Preissteigerungen, die in der Zwischenzeit stattfinden werden also real um dieses Geld kaufen können wird. In der Theorie geht man davon aus, dass nicht die nominellen Zinsen die Konsum- und Investitionsentscheidungen prägen, sondern die Realzinsen. Höhere Realzinsen machen Sparen für private Haushalte attraktiver. Sie geben daher weniger Geld aus, was zu einer Dämpfung der Konsumnachfrage führt. Zudem machen höhere Realzinsen eine Kreditaufnahme zur Finanzierung von Konsum und Investitionen für private Haushalte und Unternehmen teurer und dämpfen dadurch die Gesamtnachfrage in einer Volkswirtschaft. Wenn Menschen und Unternehmen weniger konsumieren bzw. investieren, also die aktuelle Nachfrage in einer Volkswirtschaft fällt, senken die Unternehmen in der Regel ihre Preise, um trotzdem ihre Waren und Dienstleistungen verkaufen zu können. Das gleiche gilt für den Arbeitsmarkt: Werden weniger Arbeitskräfte für die in diesem Beispiel nun geringere Produktion benötigt, steigt die Arbeitslosigkeit. Lohnforderungen werden zurückhaltender gestaltet und das Lohnniveau steigt weniger stark (oder sinkt in extremen Situationen sogar). In der Folge wird es auf Grund der gesunkenen Lohnkosten für die Unternehmen billiger zu produzieren und sie erhöhen ihre Verkaufspreise weniger stark oder sie senken diese sogar. All diese Faktoren wirken auf das allgemeine Preisniveau und die Inflation wird gedämpft (oder die Verbraucherpreise sinken). Höhere Realzinsen Sparen wird attraktiver, Kredite werden teurer Gesamtnachfrage nach Waren und Dienstleistungen wird gedämpft Produktion steigt weniger stark (oder sinkt) Weniger Arbeitskräfte werden benötigt, Arbeitslosigkeit steigt Inflation wird gedämpft oder die Verbraucherpreise sinken sogar Lohnforderungen werden angepasst Produktion wird (relativ) billiger Verbraucherpreise steigen weniger stark (oder sinken) 3 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Auf diese Weise führen Änderungen der geldpolitischen Leitzinsen zuerst zu Änderungen in den Kundenzinsen, in weiterer Folge zu einer Veränderung der Produktionsmenge in einer Volkswirtschaft (auch Brutto inlandsprodukt oder BIP genannt) und schließlich zu einer Veränderung der Preise und Löhne und damit zu einer Veränderung der Inflationsrate. Geldpolitische Maßnahmen schlagen daher in der Regel mit erheblicher zeitlicher Verzögerung auf das reale BIP (also die Wirtschaftsleistung eines Landes) und anschließend auf die Preisentwicklung durch. So reagiert die Realwirtschaft auf eine Erhöhung der Leitzinsen erst nach rund ½ bis 1 Jahr mit einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums. Wie zuvor beschrieben, setzt der Effekt auf die Preise erst nach der Reaktion der Realwirtschaft ein. Die in der Folge geringeren Preise führen letztendlich wieder zu einem Anstieg der Nachfrage und damit zu einem Anstieg der Produktion und sorgen dafür, dass der Effekt auf die Realwirtschaft nur temporär ist und das reale BIP langsam zu seinem Ursprungsniveau zurückkehrt. Mit anderen Worten hat die Geldpolitik langfristig keinen Effekt auf die Realwirtschaft, sondern kann nur kurzfristig glättend auf sie wirken. Einen langfristigen Effekt hat die Geldpolitik hingegen auf das Preisniveau und damit auf die Inflation. Auf Grund dieses Zusammenhangs ist die Geldpolitik nicht dazu geeignet, die Produktion bzw. das reale BIP langfristig zu beeinflussen. Sie ist aber hervorragend dazu geeignet, die Entwicklung der Realwirtschaft zu glätten sowie die Inflation in einer Volkswirtschaft zu steuern. Deshalb wird Zentralbanken das Mandat zur Gewährleistung von Preisstabilität explizit zugewiesen. 1.3. DIE KONKRETE UMSETZUNG DER GELDPOLITIK Wir haben bereits erwähnt, dass sich Banken bei der Zentralbank Geld ausleihen. Im Euroraum tun sie das beim Eurosystem, das aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den 19 an der gemeinsamen Währung teilnehmenden nationalen Zentralbanken besteht. Aber wie funktioniert das in der Praxis? Das Eurosystem bietet den Geschäftsbanken Zentralbankgeld zu den geldpolitischen Leitzinssätzen an. Grafik 1 Geldpolitische Leitzinssätze der EZB in % 6,0 5,5 5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0-0,5 Jän.99 Jän.01 Jän.03 Jän.05 Jän.07 Jän.09 Jän.11 Jän.13 Quelle: Thomson Reuters, EZ B. Hauptrefinanzierungsgeschäft (HRG ) Spitzenrefinanzierungsfazilität (SRF) Einlagefazilität (EF) EO N IA Es gibt, wie auch in Grafik 1 zu sehen, drei unterschiedliche Leitzinssätze: den Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft (HRG), jenen für die Spitzenrefinanzierungsfazilität (SRF) sowie jenen für die Einlagefazilität (EF). Grafik 1 zeigt sämtliche Leitzinsänderungen seit Beginn der Wirtschafts- und Währungsunion im Jahr 1999, wobei der HRG-Zinssatz das wichtigste Signal für den geldpolitischen Kurs ist. Das Ziel dieser drei Leitzinssätze ist die Steuerung des EONIA (ebenfalls in Grafik 1 zu sehen). Zum EONIA (Euro Over- Night Index Average) handeln Banken untereinander Zentralbankgeld. Sie gewähren sich zu diesem Zinssatz über Nacht unbesicherte Interbankkredite. Zentralbankgeld zirkuliert folglich zu diesem Preis (EONIA) durch das Bankensystem, wobei die Menge an Zentralbankgeld eine wichtige Bestimmungsgröße für den Preis ist. 4 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Im Hauptrefinanzierungsgeschäft wird den Banken Zentralbankgeld befristet für eine Woche zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus wird es in der Regel auch für längere Laufzeiten, zum Beispiel für drei Monate, angeboten. Laufen die jeweiligen Kredite aus, wird ein neuer Kredit angeboten. Durch die ständige Erneuerung der Kredite kann die Zentralbankgeldmenge durch die Zentralbank laufend angepasst werden. Um die richtige Menge an Zentralbankgeld zur Verfügung zu stellen, erstellt das Eurosystem Prognosen zum Liquiditätsbedarf des Bankensystems. In diesen Prognosen wird zum Beispiel der Bargeldbedarf berücksichtigt. Entspricht die zugeteilte Zentralbankgeldmenge dem Liquiditätsbedarf der Banken, so wird sich der EONIA, also der Zinssatz den das Eurosystem steuern will, in der Nähe des Zinssatzes des HRG bewegen. Sollten die Banken zwischen zwei Hauptrefinanzierungsgeschäften einen dringenden Bedarf an Zentralbankgeld haben, so können sie sich an die Spitzenrefinanzierungsfazilität wenden und müssen den dort geltenden (etwas höheren) SRF-Zinssatz bezahlen. Im anderen Fall, wenn eine Bank realisiert, dass sie sich zu viel Zentralbankgeld ausgeliehen hat, kann sie dieses in der Zwischenzeit in der Einlagefazilität parken und lukriert aber nur den dort geltenden (etwas niedrigeren) EF-Zinssatz. Kreditgeschäfte der EZB Hauptrefinanzierungsgeschäft (HRG) Spitzenrefinanzierungsfazilität (SRF) Einlagefazilität (EF) Banken können bei der EZB einwöchige bzw. dreimonatige Kredite (auch andere Laufzeiten sind möglich) aufnehmen Bank zahlt dafür den HRG-Zinssatz Ergänzend zum HRG: Gewährung eines Übernachtkredits an eine Bank - Bank zahlt dafür einen höheren Zinssatz als beim HRG Bank kann nicht benötigtes Geld bei der EZB kurzfristig anlegen Bank erhält dafür einen Zinssatz, der niedriger ist als der HRG-Zinssatz Bank hinterlegt während der Kreditlaufzeit Wertpapiere als Sicherheit Die EZB steuert mit Hilfe dieser drei Zinssätze den EONIA. Wie auch bei anderen Krediten üblich, verlangt die Kreditgeberin in diesem Fall die Zentralbank Sicherheiten zur Absicherung gegen einen möglichen Zahlungsausfall. Sicherheiten sind Wertpapiere (z.b. Staatsoder Bankanleihen), die bei der Zentralbank für die Laufzeit des Kredits hinterlegt werden müssen. Sollte der Kredit am Ende der Laufzeit nicht zurückbezahlt werden, kann die Zentralbank diese Sicherheiten verwerten und erleidet keinen Verlust. Zentralbankkredite sind also besicherte Kredite. Die Zentralbank kann entscheiden, welche Sicherheiten sie als Pfand akzeptiert, und hat auch dadurch Einfluss darauf, wieviel Zentralbankgeld sich die Banken ausleihen können. Den Zinssatz im Hauptrefinanzierungsgeschäft müssen die Banken sowohl für die einwöchigen als auch für die dreimonatigen Kredite bezahlen. Als Alternative zur Veranlagung in der EF oder als Alternative zur Deckung eines dringenden Liquiditätsbedarfs in der SRF, können Banken Zentralbankgeld auch untereinander handeln. Dies geschieht auf dem sogenannten Interbankenmarkt. Der EONIA ist der dort geltende Zinssatz. In der Regel finden die Banken auf dem Interbankenmarkt günstigere Konditionen als die Zinsen der ständigen Fazilitäten (EF und SRF). Die Zinsen für die EF und SRF bilden somit die automatische Ober- und Untergrenze für die Übernachtzinssätze am 5 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Geldmarkt. Wie Grafik 1 zeigt, bewegt sich der EONIA seit Beginn der Währungsunion (wie vom System vorgesehen) innerhalb dieses Korridors. Mit anderen Worten steuert die EZB mit Hilfe der drei geldpolitischen Leitzinssätze den EONIA und in weiterer Folge die kurzfristigen Geldmarktzinsen, die wiederum die Kundenzinsen der Banken stark beeinflussen. Abschnitt 2: Die Geldpolitik in Krisenzeiten unkonventionelle Maßnahmen Grafik 2 Liquiditätsbereitstellung durch das Eurosystem L iquiditätsbereitstellung im Euroraum 1400 1200 1000 800 600 400 200 nach Fristigkeit, Mrd EUR 0 Jän.07 Jän.08 Jän.09 Jän.10 Jän.11 Jän.12 Jän.13 Jän.14 Wie bereits in Abschnitt 1.3. beschrieben, hat das Eurosystem vor der Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2007 ihren Ausgang genommen hat, den Bedarf der Banken an Zentralbankgeld in Form von einwöchigen Krediten (in Grafik 2: HRG) und dreimonatigen Krediten (in Grafik 2: 3M) gedeckt. Zudem entsprach, wie Grafik 2 deutlich macht, die zugeteilte Zentralbankgeld-menge dem Liquiditätsbedarf des Banken-systems (in der Grafik: Liquiditätsbedarf). Die bunte Fläche in Grafik 2 liegt also auf der gleichen Höhe wie die schwarze Linie. Auf jene Teile in Grafik 2, die den Zeitraum nach 2008 betreffen, wird im Folgenden eingegangen. 2.1. DIE ZENTRALBANK ERSETZT DEN C BPP 1-3 SMP 4J INTERBANKENMARKT 12M - 3J 6M 3M 1M HRG Liquiditätsbedarf Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise2, die den Quelle: EZ B, eigene Berechnungen. europäischen Bankensektor im Jahr 2008 erreichte, ist der Austausch von Zentralbankgeld innerhalb des Bankensystems zusammengebrochen. Banken haben das gegenseitige Vertrauen verloren und das Zentralbankgeld hörte auf im System zu zirkulieren. Kommt es auf dem Interbankenmarkt, auf dem Banken einander Geld leihen, zu Liquiditätsengpässen, so kann die Zentralbank die Situation entschärfen, indem sie den Banken zusätzliches Zentralbankgeld zur Verfügung stellt. Auf diese Weise kann sie verhindern, dass Banken, die zur Refinanzierung ihrer langfristigen Kredite (an Kunden) auf kurzfristiges Geld angewiesen sind, in Situationen mit Liquiditätsanspannungen ernsthafte Probleme bekommen. Anders ausgedrückt: Das Eurosystem hat in Folge der Krise zeitweise die Funktion des Interbankenmarktes übernommen. Dabei hörte das Eurosystem auf, den Liquiditätsbedarf des Bankensektors zu prognostizieren, sondern befriedigte ab Herbst 2008 die gesamte Nachfrage der Banken nach Zentralbankgeld, sofern diese ausreichend Sicherheiten hinterlegen konnten. Wie Grafik 2 zeigt, war durch den Wegfall des Interbankenmarktes für die Versorgung des Bankensektors ein deutlich höheres Die EZB (Europäische Zentralbank) verteilt Zentralbankgeld an die Banken Bank 1 nimmt Einlagen an und vergibt Kredite Bank 2 nimmt Einlagen an und vergibt Kredite Bank 3 nimmt Einlagen an und vergibt Kredite Menschen und Unternehmen 2 Für eine detaillierte Behandlung von Krisen siehe das Themenblatt Wirtschaftskrise Finanzkrise Schuldenkrise 6 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Volumen an Zentralbankgeld notwendig. Die Banken fragten mehr Zentralbankgeld nach als ihrem eigentlichen Liquiditätsbedarf entsprach (die bunte Fläche in Grafik 2 übersteigt zeitweise den Liquiditätsbedarf bei Weitem). Da die effiziente Verteilung von Zentralbankgeld durch den Markt nicht funktionierte, musste jede Bank selbst für einen ausreichenden Liquiditätspuffer sorgen, was zu deutlich mehr Zentralbankgeldhaltung (zum Beispiel auf der Einlagefazilität) führte. Damit die Liquiditätshilfe wirksam ist und auch dort ankommt, wo sie am dringendsten benötigt wird, erweiterte das Eurosystem das Verzeichnis der zugelassenen Sicherheiten, wodurch die Banken einen größeren Teil ihrer Wertpapiere zur Erlangung von Zentralbankgeld nutzen konnten. Da das Eurosystem in gewisser Weise den Interbankenmarkt ersetzen musste, begann es im Jahr 2008 zudem das Zentralbankgeld mit längeren Laufzeiten zuerst für ein und sechs Monate (in Grafik 2: 1M und 6M), später mit Laufzeiten bis zu 3 Jahren (in Grafik 2: 12M 3J) anzubieten. 2.2. GELDPOLITIK AN DER LEITZINSUNTERGRENZE 3 Der Zusammenbruch des Interbankenmarktes war jedoch nicht das einzige Problem, dem sich die Geldpolitik im Euroraum gegenüber sah. Die Finanzkrise griff auf die Realwirtschaft über und führte im Euroraum zur größten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Wie in Grafik 1 zu sehen, reagierte die Geldpolitik des Eurosystems mit einer Senkung der Leitzinsen von 4,25 % (Zinssatz im HRG) im Jahr 2008 auf zunächst 1 % im Jahr 2009 und nach Ausbruch der Staatsschuldenkrise schrittweise auf 0,05 % bis 2014. In einer Staatsschuldenkrise wird daran gezweifelt, ob ein Staat seine Schulden zurückbezahlen kann. In diesem Fall verlangen die Kreditgeber des Staates einen höheren Risikoaufschlag, um für das gestiegene Ausfallsrisiko entschädigt zu werden. Dies verteuert die Kreditaufnahme des betroffenen Staates und macht die Refinanzierung der bereits bestehenden Schulden noch unwahrscheinlicher. Ein Teufelskreis kommt in Gang, der zu immer höheren Zinsen führt. Dabei gibt es ein Zinsniveau, das die Insolvenz des betroffenen Staates erzwingt, und die Zweifel des Marktes realisieren sich in diesem Fall. Im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise im Euroraum kämpfte und kämpft teilweise noch immer die Geldpolitik des Eurosystems mit neuen Herausforderungen. Banken und Staaten haben sich in manchen Ländern in eine gegenseitige Abhängigkeit manövriert: Geht es den Banken schlecht, steigen die Risiken für den Staatshaushalt. Der Staat hatte in der Vergangenheit bei einer groben Schieflage einer großen Bank oft keine andere Wahl als einzuspringen, um negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft zu verhindern. Solche Rettungsmaßnahmen belasten jedoch die Staatsfinanzen. Wird daran gezweifelt, dass ein Staat seine Schulden zurückbezahlen kann, wirkt das wiederum auf die Banken zurück, weil ihnen dann nicht nur ein Rettungsanker fehlt, sondern weil sie zudem hohe Bestände an Staatsanleihen des eigenen Landes in ihren Bilanzen halten, die durch die Krise rapide an Wert verloren haben. So stiegen die Zinsen für die Refinanzierung (zum Beispiel in Form von Anleihen) einiger finanziell angeschlagener Staaten Hand in Hand mit jenen der Banken. Diesen Teufelskreis galt es zu durchbrechen. Die betroffenen Banken, die für ihre eigene Refinanzierung nun höhere Zinsen bezahlen mussten (Ausnahme: Zentralbankkredite), konnten damit die niedrigen geldpolitischen Zinsen nicht an ihre Kunden weitergeben (wie das im theoretischen Idealfall in Abschnitt 1.2. beschrieben ist). D.h., in unterschiedlichen Regionen des Euroraums herrschten unterschiedliche Finanzierungsbedingungen für Unternehmen und Haushalte. Dies widerspricht einerseits dem grundlegenden Gedanken einer Währungsunion und führte andererseits zu einer Situation, in welcher der lockere geldpolitische Kurs gerade dort nicht ankam, wo er am dringendsten gebraucht wurde. Diesen regional unterschiedlichen Zinsniveaus galt es ebenso entgegenzuwirken, wie der unterschiedlichen Bereitschaft der Banken Kredite zu vergeben. Insbesondere Banken in finanziell angeschlagenen Ländern, wo die Bankenrefinanzierung teuer und schwierig ist, sind in ihrer Kreditvergabe besonders zurückhaltend. 1 Für eine detaillierte Behandlung von Krisen siehe das Themenblatt Wirtschaftskrise Finanzkrise Schuldenkrise 7 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Bereits im Jahr 2009 schwankte der EONIA nur noch knapp über null und es wurde klar, dass der Spielraum der konventionellen Geldpolitik, also jener Geldpolitik, die über Leitzinsen arbeitet, weitgehend ausgeschöpft ist. Andere Instrumente wurden benötigt, um das Zinsniveau im Euroraum weiter zu senken. Mit September 2014 war dann die absolute Zinsuntergrenze von null (engl. Zero Lower Bound) tatsächlich erreicht. In der Folge werden die unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen des Eurosystems im Detail besprochen: Unkonventionelle Maßnahmen des Eurosystems Zeitraum des Programms Name Ziel Juli 2009 Juni 2010 CBPP 1 Ankurbelung der Kreditvergabe Mai 2010 September 2012 SMP Senkung der Risikoprämien bei Staatsanleihen November 2011 Oktober 2012 CBPP 2 Ankurbelung der Kreditvergabe September 2012 OMT Senkung der Risikoprämien bei Staatsanleihen Juli 2013 Forward guidance Senkung der Zinserwartungen September 2014 TLTROs Ankurbelung der Kreditvergabe Oktober 2014 CBPP 3 Ankurbelung der Kreditvergabe November 2014 ABSPP Ankurbelung der Kreditvergabe Jänner 2015 EAPP Gewährleistung von Preisstabilität Tabelle 1 2.2.1. ANKURBELUNG DER KREDITVERGABE Die Finanzierung über den Bankensektor ist von zentraler Bedeutung im Euroraum, insbesondere für kleine und mittelgroße Unternehmen sowie für Haushalte, denen keine anderen Finanzierungsquellen (wie zum Beispiel Anleihen) zur Verfügung stehen. Fallen die Banken (zumindest teilweise) als Finanzierungsquellen aus oder ist der Kredit zu teuer, so besteht die Gefahr, dass sich die wirtschaftlich ohnehin schon schwierige Situation verschlechtert, weil Investitions- oder Konsumprojekte ohne diese Finanzierung nicht umgesetzt werden können. Ankurbelung der Kreditvergabe Ankauf von gedeckten Schuldverschreibungen - CBPP - Ankauf von Asset Backed Securities - ABSPP - Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte - TLTROs - Ein zentrales Element der geldpolitischen Maßnahmen zur Krisenbekämpfung im Euroraum war und ist deshalb die Ankurbelung der Kreditvergabe. Das Eurosystem führte ab Juli 2009 drei Programme zum Ankauf von gedeckten Schuldverschreibungen (engl. Covered Bonds Purchase Programme, in Grafik 2: CBPP 1-3) durch, die ein wichtiges Finanzierungsinstrument europäischer Banken sind. Mit einem Ankaufprogramm kann eine Notenbank signalisieren, dass sie die jeweiligen Wertpapiere für sicher und daher für kaufwürdig hält und damit die Einschätzung am Markt zu diesen Wertpapieren positiv beeinflussen. Außerdem bietet sie mit einem Ankaufprogramm allen jenen Marktteilnehmern, die das Wertpapier für unsicher halten, eine Möglichkeit es abzustoßen. 8 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Durch die zusätzliche Nachfrage in diesem Marktsegment wird ein Teil des Angebots aufgesogen; damit kommt es zu einem Anstieg der Kurse dieser Wertpapiere bzw. zu einem Sinken ihrer Renditen. Schließlich können die Renditen auch in anderen Finanzmarktsegmenten sinken, weil sich Anleger nach anderen Investitionsmöglichkeiten umsehen und es folglich auch dort zu steigender Nachfrage kommt. Durch den dämpfenden Effekt auf die Finanzierungskosten der Banken und auch durch die verbesserte Verfügbarkeit von Finanzierung soll den Banken die Kreditvergabe an ihre Kunden wieder ermöglicht bzw. erleichtert werden. Die gleiche Logik und Argumentation gilt für das Ankaufprogramm für Asset Backed Securities (engl. Asset Backed Securities Purchase Programme oder ABSPP), in dessen Rahmen sichere und transparente ABS gekauft werden. Mit der angestrebten Belebung des ABS-Marktes soll Banken die Verbriefung von Krediten an KMUs und deren Verkauf an andere Investoren erleichtert werden. Damit soll den Banken ein erhebliches Hemmnis für die langfristige Kreditvergabe an KMUs genommen werden, nämlich die Unsicherheit, in schwierigeren Zeiten dem Ausfallsrisiko und der niedrigen Liquidität dieser Kredite ausgesetzt zu sein. Ein funktionierender ABS- Markt liefert folglich einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Liquidität der Notenbank bei jenen ankommt, die sie auch brauchen. Ebenfalls um die Kreditgewährung anzukurbeln und damit der Konjunktur und in weiterer Folge der Inflation einen positiven Impuls zu geben, wurden gezielte längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (engl. Targeted Long-Term Refinancing Operations oder TLTROs) im Jahr 2014 ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Programms wurde den Banken ab September 2014 Zentralbankgeld zusätzlich zu den bestehenden Zentralbankkreditgeschäften (siehe Abschnitt 2.1.) mit einer maximalen Laufzeit von 4 Jahren (in Grafik 2: 4J) zur Verfügung gestellt. Im Unterschied zu den bis dahin angebotenen Liquiditätshilfen ist dieses Programm jedoch an die Bedingung geknüpft, dass das Zentralbankgeld von den Banken für Kredite an Unternehmen und private Haushalte (jedoch nicht für den Kauf von Immobilien) verwendet werden muss. 2.2.2. SENKUNG DER RISIKOPRÄMIEN BEI STAATSANLEIHEN Wie zu Beginn des Kapitels 2.2 ausführlich beschrieben, erschwerte eine Staatsschuldenkrise in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise in etwa ab dem Jahr 2010 die konjunkturelle Entwicklung im Euroraum. Steigende Staatsanleiherenditen verteuerten durch den zuvor beschriebenen Wirkungszusammenhang die Refinanzierung der Banken, was ihre Kreditvergabe erschwerte. Aus diesem Grund wollte das Eurosystem mit dem Programm für die Wertpapiermärkte (engl. Securities Markets Programme oder wie in Grafik 2: SMP) dem Renditeanstieg bei Staatsanleihen entgegenwirken, indem es Staatsanleihen direkt kaufte. Dieses Programm wurde im Mai 2010 gestartet und im September 2012 durch das Programm der geldpolitischen Outright-Geschäfte (engl. Outright Monetary Transactions oder OMT) ersetzt. Untermauert wurde die Glaubwürdigkeit des (damals noch in Planung befindlichen) OMT-Programms mit dem Satz des EZB-Rats Präsidenten Mario Draghi, der am 26. Juli 2012 sagte: The ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough. Zu diesem Zeitpunkt bestand nämlich im Euroraum die Gefahr, dass der Vertrauensverlust der Finanz märkte in die Bonität einiger Euroraumländer die Renditen ihrer Staatsanleihen immer weiter nach oben treibt. Höhere Renditen verteuern die Refinanzierung der bestehenden Staatsschulden und belasten den Staats haushalt zusätzlich. Die Zahlungsfähigkeit des betroffenen Staates wird damit noch mehr gefährdet und die Renditen steigen immer weiter an. Auf diese Weise kann eine festgefahrene Meinung an den Finanzmärkten (egal, ob sie richtig oder falsch ist) einen Staat in eine Zahlungsunfähigkeit drängen, in welcher er zum Beispiel keine Löhne und Gehälter an seine Staatsbediensteten oder keine Zinsen an die Besitzer seiner Anleihen bezahlen kann. Ein Austritt aus dem Euroraum könnte damit unausweichlich werden. Beide Programme zum Ankauf von Staatsanleihen haben zum Ziel, dem Renditeanstieg entgegenzuwirken und ein Auseinanderbrechen des Euroraumes zu verhindern. 9 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Senkung der Risikoprämien bei Staatsanleihen Bis September 2012: Programm für Wertpapiermärkte - SMP - Ab September 2012: Programm der geldpolitischen Outright-Geschäfte - OMT - Im Gegensatz zum SMP ist das OMT jedoch an Bedingungen geknüpft. D.h., es kann ausschließlich im Rahmen einer Inanspruchnahme der ESM-Rettungsfazilität (Teil des europäischen Rettungsschirms, um die Zahlungsunfähigkeit von Staaten zu verhindern) genutzt werden, wobei nicht notwendigerweise ein volles Anpassungsprogramm durchlaufen werden muss. Der EZB-Rat bekundete mit dem OMT seine Bereitschaft, Staatsanleihen ohne Beschränkung im Volumen an den Sekundärmärkten anzukaufen. Alleine die Ankündigung des Programms hatte eine deutlich dämpfende Wirkung auf die Renditen von Staatsanleihen im Euroraum, sodass auf das OMT-Programm selbst (noch) nicht zurückgegriffen werden musste. 2.2.3. SENKUNG DER ZINSERWARTUNGEN (FORWARD GUIDANCE) Wie in Abschnitt 1.1. beschrieben, sind für die wirtschaftlichen Entscheidungen der Menschen im Euroraum die Kundenzinsen der Banken von großer Bedeutung. Diese Kundenzinsen hängen jedoch nicht nur von den aktuellen geldpolitischen Leitzinsen ab, sondern auch von den Erwartungen über die zukünftige Entwicklung dieser Leitzinsen. Banken verändern ihre Kundenzinsen nicht wöchentlich und berücksichtigen deshalb bei der Festlegung ihrer Zinssätze auch erwartete Veränderungen in der Zinslandschaft. Diesen Zusammenhang machte sich das Eurosystem zunutze und fokussierte auch auf die Steuerung der Zinserwartungen. Im Juli 2013 begann daher der EZB-Rat, Hinweise über die weitere Entwicklung der Leitzinsen zu geben, um zu signalisieren, dass die Leitzinsen für längere Zeit auf einem niedrigen Niveau bleiben werden; er übte damit einen dämpfenden Effekt auf (für die Realwirtschaft wichtige) Zinsen aus. Diese Vorgehensweise wurde in der Fachsprache als Forward guidance bekannt und vom EZB-Rat seither eingesetzt. 2.2.4. GEWÄHRLEISTUNG VON PREISSTABILITÄT Das jüngste Programm des Eurosystems wurde in einer Situation beschlossen, in der sich die Konjunktur sehr schwach entwickelte und sich sowohl die Inflation als auch die Inflationserwartungen deutlich unter dem Preisstabilitätsziel bewegten. Das Programm beinhaltet sämtliche unter den Punkten 2.2.1 bis 2.2.3 genannte Zwischenziele und definiert schließlich die Gewährleistung von Preisstabilität als sein Hauptziel. Im Rahmen des erweiterten Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (engl. Expanded Asset Purchase Programme oder EAPP) werden am Sekundärmarkt Staatsanleihen ebenso wie die unter Punkt 2.2.1 genannten gedeckten Schuldverschreibungen (CB) und Asset Backed Securities (ABS) vom Eurosystem erworben. Das monatliche Volumen, welches seit März 2015 gekauft wird, beträgt 60 Mrd EUR. Die Ankäufe sollen mindestens bis September 2016 und in jedem Fall so lange erfolgen, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung in Richtung 2 % erkennt. Dieses Ankaufprogramm wirkt über folgende Kanäle: Das Eurosystem kauft CB und ABS und unterstützt damit die Kreditvergabe der Banken (wie in Abschnitt 2.2.1 beschrieben). Zudem erwirbt es Staatsanleihen von Ländern im Euroraum und senkt damit auch deren Renditen. Die durch die Notenbankkäufe frei gewordenen Mittel können wiederum von den Verkäuferinnen der Wertpapiere zum Erwerb anderer Vermögenswerte und/oder zur Kreditvergabe an die Realwirtschaft verwendet werden. Damit sollte der Realwirtschaft nicht nur mehr Finanzierungsvolumen zur Verfügung stehen, sondern es wird auch eine breite Palette an für die Realwirtschaft wichtigen Zinssätzen gesenkt. 10 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Weiters gibt die Dauer des Programms von mindestens bis September 2016 einen konkreten Hinweis, wie lange mit niedrigen Zinsen im Euroraum gerechnet werden kann. Dies unterstreicht die Forward Guidance und hilft, wie in Abschnitt 2.2.3 beschrieben, auch über diesen Kanal die Zinsen zu senken. Das große Volumen der Ankäufe unterstreicht die Entschlossenheit des Eurosystems die Inflationsentwicklung wieder in Richtung 2 % zu bringen und sollte damit über zwei weitere Kanäle positiv auf die Wirtschaft wirken: Erstens kann eine derartig große Politikmaßnahme das Vertrauen in die europäische Wirtschaft zurückbringen und auf diese Weise für mehr Investitionen sorgen. Zweitens kann die Entschlossenheit des Eurosystems auch zu einem Anstieg der Inflationserwartungen führen. Da die Inflationserwartungen für den Lohn- und Preisbildungsprozess wichtig sind, können sie auf diesem Weg direkten Einfluss auf die Preisentwicklung im Euroraum nehmen. Alle genannten Wirkungskanäle sollen gemeinsam zu einer Konjunkturbelegung und in der Folge zu einer Rückkehr zu Preisstabilität beitragen. 11 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN

Weitere Informationen http://www.oenb.at http://www.ecb.int http://ec.europa.eu Erklärungen zu Fachbegriffen siehe OeNB-Glossar unter http://www.oenb.at/service/glossar.html?letter=a Medieninhaber und Herausgeber: Oesterreichische Nationalbank Otto-Wagner-Platz 3, 1090 Wien Postfach 61, 1011 Wien www.oenb.at oenb.info@oenb.at Tel. (+43-1) 40420-6666 Fax (+43-1) 40420-6698 Oesterreichische Nationalbank, 2015 Stand: August 2015 12 THEMENBLATT 5, GELDPOLITIK IN NORMALEN UND IN KRISENZEITEN