Eine Einführung in das Moral-Hazard- oder Hidden-Effort-Problem: Fixe oder variable Bezahlung?

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Transkript:

Eine Einführung in das Moral-Hazard- oder Hidden-Effort-Problem: Fixe oder variable Bezahlung? Dr. Annette Kirstein Quellen: Lazear, E.P. (1996), Personnel Economics, Cambridge: MIT Press, 13-16. Salanié, B. (1997), The Economics of Contracts, Cambridge: MIT Press, 107-122 Anreize in Unternehmen und Märkten vom 10. Dezember 2008

Einführung Situationsbeschreibung Grundlagen Ein einfaches Modell Annahmen Die Lösung des Modells Die Ergebnisse Diskussion Realitätsbezug Überlegungen zur Effizienz Zusammenfassung Gliederung

Einführung Situationsbeschreibung Grundlagen Ein einfaches Modell Annahmen Die Lösung des Modells Die Ergebnisse Diskussion Realitätsbezug Überlegungen zur Effizienz Zusammenfassung Gliederung

Das Moral Hazard Problem: entsteht bei Delegation einer Aufgabe (Prinzipal P delegiert Aufgabe an Agenten A); Aufgabenerfüllung beeinflusst die Wohlfahrt des P; P kann die Anstrengung von A nicht vollständig (kostenlos) beobachten, oder A hat gegenüber P Vorteil an Fachwissen, Erfahrung..., P kann nicht wissen, wie sehr A sich tatsächlich anstrengt (= Hidden Effort). Folge: Moral Hazard Problem (= Gefahr, dass A sich opportunistisch verhält), weil P vom Output des A nicht auf die Höhe seiner Anstrengung schließen kann.

Beispiele Prinzipal (uninformierte Partei) - Agent (informierte Partei): Patient - Arzt, Versicherungsgeber - Versicherungsnehmer, Chef - Mitarbeiter, Unternehmenseigentümer - Manager.

Zwei Grundtypen der Entlohnung Variable Entlohnung: A wird für seine Leistung nach einem output-basierten Maß für Leistung entlohnt. Einfachstes Beispiel: Stücklohn (piece rate) Fixe Entlohnung: Die Bezahlung des A ist unabhängig vom produzierten Output, z.b. weil Output schwer zu messen oder definieren ist, oder weil der Output von Faktoren abhängt, auf die A keinen Einfluß hat.

Anwendungsbeispiel: Eine Firma will entscheiden, wieviel Provision sie einem Verkäufer geben soll. Die Firma will ihren Profit maximieren. Die Firma muss den Verkäufer ausreichend bezahlen, damit er (1) überhaupt für die Firma arbeitet und (2) sich richtig anstrengt.

Einführung Situationsbeschreibung Grundlagen Ein einfaches Modell Annahmen Die Lösung des Modells Die Ergebnisse Diskussion Realitätsbezug Überlegungen zur Effizienz Zusammenfassung Gliederung

Annahmen /1 Produktion von Output q R wird an A delegiert (q ist z.b. ME eines Gutes, Umsatz in GE, ein Projekt); Anreizschema: linearer Vertrag mit Lohn = α + βq; Firma wählt Entlohnungsparameter α R, β R + 0 ; Agent risikoneutral, z.b.: u(α + βq) = α + βq; Prinzipal risikoneutral; P und A verhalten sich (erwartungs)nutzenmaximierend und sind rational (rational = verhalten sich konsistent in Bezug auf ihr Ziel der (erwartungs)nutzenmaximierung). Output hängt von Anstrengung des A (e R) und Zufall (Zufallsvariable ν) ab: q(e, ν) = e + ν es gelte: E(ν) = 0

Annahmen /2 Der Agent spürt Arbeitsleid (ermüdet mit zunehmender Anstrengung oder hat Opportunitätskosten der Arbeit): C(e) mit C > 0, C > 0. Interaktionsstruktur (sequentielles Spiel, Ultimatum): (1) P bietet A einen Vertrag (α, β) an. (2) A entscheidet, ob er annimmt. Nimmt A an, gilt der Vertrag. Lehnt A ab, erhalten beide ihren Reservationsnutzen. Der Reservationsnutzen von A, P sei per Annahme 0.

Rückwärtsinduktion: Die Anstrengungswahl des Agenten max α + βe[q] C(e) e = α + βe[e + ν] C(e) = α + βe C(e) Bedingung 1. Ordnung: C (e) = β C (e) = β ist Arbeitsangebotsfunktion des A (A wählt e so, dass Grenzkosten = Grenzerlös gilt). P muss sie bei Wahl von α, β als gegeben betrachten. Mit C > 0 und Risikoneutralität steigt e in β. Höhere Lohnrate β erhöht also die Anstrengung, d.h. die Arbeitsangebotsfunktion hat positive Steigung.

Die Wahl von α, β der Firma max α,β E[q] (α + βe[q]) = e (α + βe) unter folgenden Nebenbedingungen: 1. Teilnahmebedingung des A (= individual rationality constraint, IR): α + βe C(e) 0, α, β gehen linear negativ in Zielfunktion des P ein, werden daher so gering wie möglich gewählt: α + βe = C(e); 2. Anreizbedingung des A (= incentive compatibility constraint, IC): e = argmax α + βe C(e).

Der optimale variable Lohn β Die bindende Teilnahmebedingung eingesetzt in das Optimierungskalkül der Firma: max α,β e C(e) Bedingungen 1. Ordnung: β = [1 C (e)] e β = 0 C (e) = 1 = β α = 0.

Der variable Lohnanteil β β = 1 C (e ) = 1. β = 1 unter den gegebenen Annahmen! β = 1 induziert Effizienz: Mit E[q] = e generiert eine Einheit Effort (im Erwartungswert) eine Einheit Output; im Marginalkalkül gilt bei Wahl von β = 1 also: Grenzkosten der Anstrengung des Agenten = C (e ) = 1 = marginaler sozialer Wert der Anstrengung.

Der fixe Lohnanteil α α wird so gewählt, dass der Agent den Vertrag annimmt (d.h. IR erfüllt ist): α + β e C(e ) = 0. α kann auch negativ sein!

Rechenbeispiel: C(e) = e 2, d.h. C (e) = 2e; Optimalwahl des Agenten: C (e) = 2e = β e = β/2. Optimalwahl der Firma: [1 C (e)] e β = 0 [1 2β/2] 1 2 = 0 β = 1. bei β = 1 wählt der Agent e = 1/2. IR erfordert: α + β e C(e ) = 0 α = (e ) 2 β e = 1 4 Einnahmen der Firma: E[q] (α + βe[q]) = 1 2 + 1 4 1 2 = 1 4. Nutzen des Agenten: E[α + βq] C(e) = 1 4 + 1 2 1 4 = 0; (Nutzenniveau der Outside Option war per Annahme 0).

Einführung Situationsbeschreibung Grundlagen Ein einfaches Modell Annahmen Die Lösung des Modells Die Ergebnisse Diskussion Realitätsbezug Überlegungen zur Effizienz Zusammenfassung Gliederung

Ein typischer Vertrag in der Realität β = 1 impliziert, dass der Agent den gesamten Output erhält (oder: 100% Beteiligung am Output; Agent ist Residual Claimant ); α < 0 impliziert, dass der Agent den Job zum Preis α kauft. Beispiel dafür in der realen Welt: Franchising; z.b. Taxifahren: die Taximiete kostet α, der Taxifahrer darf seine gesamten Einnahmen behalten: Lohn = α + βq.

Wie effizient wäre ein geänderter Vertrag? Was würde passieren, wenn der Taxifahrer nur 50% seiner Einnahmen behalten dürfte? β = 1/2 impliziert ê = β/2 = 1/4; damit ist α = 1/16 1/8 = 1/16; Firma erhält: E[q] (α + βe[q]) = 1 4 + 1 16 1 8 = 3 16 < 1 4 ; Agent erhält: E[α + βq] C(e) = 1 16 + 1 8 1 16 = 0. Dieses Anreizschema ist ineffizient. Grund: A trägt die gesamten Kosten C(e), erhält aber nur die Hälfte des mit e geschaffenen erwarteten Wertes (βe[q] = E[q]/2). UND: Gefahr, dass der Taxifahrer nicht alle Einnahmen angibt (Kontrolle evtl. teuer!).

Was wäre bei Beobachtbarkeit von e? Annahme: A erhält Lohn w für ein bestimmtes e. Die Firma wählt Entlohnungsparameter w optimal, max e w w u.d.n. dass A den Vertrag annimmt (IR): w C(e) = 0 w = C(e); Anreizkompatibilität (IC) bei beobachtbarem e irrelevant! Für C(e) = e 2 gilt w = e 2, d.h. der Agent wählt e = w. max w w w 1 2 w 1 = 0 w = 1 4. Agent wählt e = 1 2 (effizient - besser geht s nicht!). Erwarteter Profit der Firma ist: 1 2 1 4 = 1 4. Nutzen des Agenten ist C(e ) w = 1 4 1 4 = 0.

Einführung Situationsbeschreibung Grundlagen Ein einfaches Modell Annahmen Die Lösung des Modells Die Ergebnisse Diskussion Realitätsbezug Überlegungen zur Effizienz Zusammenfassung Gliederung

Zusammenfassung und Ausblick Delegiert ein P unter den hier betrachteten Voraussetzungen eine Aufgabe an einen A, ist der Franchise-Vertrag (α < 0, β = 1) optimal. (Voraussetzungen: unbeobachtbare Anstrengung, risikoneutraler A und P, konvexe Kosten der Anstrengung, stetige Anstrengungsniveaus und Outputniveaus, linearer Vertrag, Ultimatumangebot des P...) Damit beeinflusst P den A durch die Entlohnung so, dass A - indem er eigennutzmaximierend handelt (per Annahme) - die Ziele des P verfolgt. Der o.g. Vertrag ist sogar first-best effizient, d.h. erreicht die Effizienz der bestmöglichen Situation (mit beobachtbarer Anstrengung). Problem: Was ist bei Risikoaversion des Agenten?