Der Capability-Approach eine normative Grundlage für Case Management? Fachtag Case Management in der Sozialen Arbeit 12.02.2015 Hildesheim Prof. Dr. Martin Schmid, Hochschule Koblenz
Ausgangslage Innerhalb der Sozialen Arbeit schwindet das Interesse an Case Management Vorwürfe: Nichts Neues Zu technokratisch Neoliberales Konzept, einseitig auf Effektivität und Effizienz bezogen Nicht der Klient / die Klientin steht im Vordergrund, sondern Organisationen, Systeme, Kosten und Verfahren
Case Management: Das Verfahren Intake Assessment Einzelfallebene Hilfeplanung Linking Organisationsebene Monitoring Re-Assessment Ebene der Hilfeund Versorgungssysteme Evaluation 3
Schwachstellen des CM-Ansatzes Theoriedefizit Normatives Defizit Methodisches Defizit
Case Manager als Fachkräfte für Inklusionsvermittlung 5 Familie Soziale Netzwerke Gesund-... heit Recht Arbeits- markt Erziehungssystem Wohnungsmarkt
Der Capability Approach: Sen Entwickelt zunächst seit 1979 von dem indischen Ökonomen und Nobelpreisträger Armatya Sen Capabilities bedeutet Befähigungen oder Verwirklichungschancen Unterscheidung zwischen Fähigkeiten und Befähigungen Nicht Güter, sondern die Befähigung zur Nutzung der Güter stehen im Zentrum Positive Freiheit, sich für ein als erstrebenwert betrachtetes Leben entscheiden zu können
Der Capability Approach: Sen Ursprüngliches Ziel: Entwicklung mehrdimensionaler messbarer Indikatoren für gutes, gelingendes Leben und Gerechtigkeit Nicht nur Einkommen, sondern auch andere Dimensionen Befähigungsgerechtigkeit versus Verteilungsgerechtigkeit Beispiele: Human Development Index (HDI), Human Powerty Index (HPI) 2. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung
Weiterentwicklung des Capability- Approach durch Martha Nussbaum Martha Nussbaum: amerikanische Philosophin Frage nach dem guten Leben Inhaber von Menschenrechten müssen mit Ressourcen ausgestattet werden Capabilities als Minimum für ein menschenwürdiges Leben und soziale Gerechtigkeit Liste fundamentaler Befähigungen als sozialer Bedingungen, die es Menschen erlauben, eines erfülltes gutes Leben zu führen
Weiterentwicklung des Capability- Approach durch Martha Nussbaum Kein Zwang zum guten Leben, sondern Ermöglichen von freien Entscheidungen für individuelle Lebensentwürfe Universelle Gültigkeit Strukturebene (Gesellschaft) und Handlungsebene (Handlungsbefähigung) Ermöglichung und Befähigung zusammen ergeben die Chancen auf ein gutes Leben Normativer Referenzrahmen für Sozialpolitik, soziale Leistungen (und für Soziale Arbeit, Pädagogik, Case Management?)
Capabilities 1. Leben (nicht frühzeitig sterben) 2. Körperliche Gesundheit (Ernährung, Unterkunft) 3. Körperliche Integrität (Schutz vor Gewalt und sexuellen Übergriffen) 4. Sinne, Vorstellungskraft, Denken (sich seiner Sinne und seines Verstandes zu bedienen) 5. Gefühle (Bindungen zu Dingen und Personen) 6. Praktische Vernunft (eigene Lebensplanung, Gewissens- und Religionsfreiheit) 7. Zugehörigkeit (Anerkennung anderer und durch andere) 8. Andere Spezies (Anteilnahme und Beziehung zu Tieren, Pflanzen, Natur) 9. Spiel (Lachen, Spielen, erholsame Tätigkeiten genießen) 10. Kontrolle über die eigene Umwelt (Politische Partizipation, Eigentum, Arbeit)
Und was bedeutet das fürs Case Management? Menschenrechtliche Fundierung und Begründung der Sozialen Arbeit und des Case Managements in der Sozialen Arbeit Stärkung der Position gegenüber anderen mächtigen Akteuren aus Organisationen und Hilfeund Versorgungssystemen Stärkung gegenüber Kostenfragen Verhältnis capabilities Assessment?
Diskussion in arbeitsfeldbezogenen Kleingruppen Welche Bedeutung haben Menschenrechte und Menschenwürde in Ihrem Arbeitsfeld? Welche Relevanz hat der capability approach für Ihr Arbeitsfeld? Passen die zehn capabilities zu den zentralen Bereichen, die in Ihrem Arbeitsfeld bearbeitet werden? Liste der zehn capabilities Assessmentinstrumente in Ihrem Arbeitsfeld?
Literatur Klassen, M. (2014): Case Management, Capability Approach und Bedürfnisse. Case Management2014/1, 24-30. Nussbaum, M. (1999): Gerechtigkeit oder das gute Leben. Frankfurt a.m.: Suhrkamp. Nussbaum, Martha (2010): Die Grenzen der Gerechtigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit. Frankfurt/Main: Suhrkamp. Otto, H.-U., Ziegler, H. (Hrsg.) (2008): Capabilities Handlungsbefähigung und Verwirklichungschancen in der Erziehungswissenschaft. Wiesbaden: Springer VS. Röh, D. (2013): Die sozialen Grundlagen der Menschenrechte transforming rights into capabilities. In: Mührel, E./Birgmeier, B. (Hrsg.), Menschenrechte und Demokratie. Perspektiven für die Entwicklung der Sozialen Arbeit als Profession und wissenschaftliche Disziplin. Wiesbaden: Springer VS, 143-161. Sen, Amartya (2007): Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. München: dtv.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Martin Schmid Hochschule Koblenz Fachbereich Sozialwissenschaften martin.schmid@hs-koblenz.de