Übungen im Zivilrecht II I. Zustandekommen von Verträgen: 1. Sachverhalt: An den kurz vor seinem Abschluss stehenden Studenten Romeo (R) der Betriebswirtschaft, der während seines Studiums in Potsdam besonders intensiv die angebotenen Rechtsfächer studiert hat, tritt der Geschäftsführer (G) der Blöhmer GmbH heran, um ihn als kaufmännischen Angestellten mit Prokura rechtlich zu binden. R, der durchaus Interesse an dieser gut dotierten Tätigkeit hat, tritt in entsprechende Verhandlungen zur Gestaltung seines Dienstvertrages. Am Ende sind 25 Paragraphen des Dienstvertrages perfekt. R erklärt aber, es müsse noch eine zusätzliche Abfindungsregelung getroffen werden, die genau festschreibt, was nach seinem möglichen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere in Bezug auf die Einhaltung von Wettbewerbsbeschränkungen, gelten soll. Ehe es dazu kommt, wird Julia, eine Kommilitonin des R, die in der Rechtsausbildung ebenfalls immer beste Ergebnisse erzielte, als Prokuristin bei der Blöhmer GmbH eingestellt. Besteht dessen ungeachtet auch seitens des R eine arbeitsrechtliche Bindung zur Blöhmer GmbH? 2. Sachverhalt: Vermieter Victor will seinem Gewerbemieter Manfred die Miete für die Geschäftsräume erhöhen und sagt ihm, er wolle demnächst 200,- mehr pro Monat haben. Victor und Manfred sprechen darüber in der Folgezeit mehrfach und einigen sich schließlich auf eine Mieterhöhung von 150,-. Als der nächste Mietzahlungstermin herankommt, bemerken beide, dass sie vergessen haben, eine genaue Festlegung darüber zu treffen, ab welchem Monat die Mieterhöhung gelten soll. Wie ist die Rechtslage? 3. Sachverhalt: Student Stefan besucht auf einer Ferienreise eine Gastwirtschaft in Köln. Dort liest er auf der Speisekarte: Halver Hahn 3,80. Da er erstens hungrig und zweitens knapp bei Kasse ist, freut er sich über das günstige Angebot und bestellt das Gericht. Seine Freude wurde jedoch sehr getrübt, als ihm der Kellner das Mahl brachte, denn anstelle eines halben Hünchens bekam er ein Käsebrot. Er wies den Kellner auf dessen Versehen hin; dieser entgegnete ihm jedoch, dass er in der Tat ein Käsebrot bestellt habe, denn in Köln bezeichne man nun einmal ein Käsebrot als Halver Hahn. Ist hier zwischen Stefan und der Gastwirtschaft ein Vertrag zu Stande gekommen? 4. Sachverhalt: Konrad will von Volker, dem mehrere Grundstücke gehören, ein bestimmtes Grundstück kaufen. Beide sind sich betreffs des konkreten Grundstücks, das Gegenstand des Kaufvertrages werden soll, einig. Beide sind der Ansicht, dass die entsprechende Parzelle die Nummer 37 trägt. Mit dieser Bezeichnung wird der Kaufvertrag beim Notar beurkundet. Die Parzelle, die Konrad und Volker meinen, trägt aber die Nummer 36. Beide Parzellen gehören dem Volker. Nachdem sich herausstellt, dass die Parzelle, die die Nummer 37 tatsächlich trägt, viel schöner und werthaltiger ist, verlangt Konrad von Volker auf der Grundlage des notariell beurkundeten Kaufvertrages die Übereignung und Übergabe dieses besseren Grundstücks.
2 5. Sachverhalt: Kaufmann Kramer kauft beim Autohändler Hubert einen LKW für sein Geschäft. Nach Lieferung des Wagens stellt der Kramer fest, dass dieser nicht in seine Garage passt, weil er größer ist, als er angenommen hatte. Daraufhin verlangt der Kramer vom Autohändler Hubert, ihm den bereits überwiesenen Betrag des Kaufpreises zurückzuerstatten. Ist dies möglich? 6. Sachverhalt: Victor verkauft an Klaus ein Grundstück für 200,- pro qm und glaubt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Kurz darauf erfährt er, dass Grundstücke dieser Art und Lage schon seit längerem für 300,- pro qm gehandelt werden. Was kann Victor tun? 7. Sachverhalt: Diesmal verkauft Victor an Klaus (siehe Sachverhalt 6) nur deswegen so preiswert, weil ihm entgangen ist, dass das Grundstück von der Gemeinde inzwischen zu Baugelände erklärt wurde. Was kann hier der Victor tun? 8. Sachverhalt: Der Geschäftsführer der Kobold GmbH in Wuppertal stellt den gerade examinierten Wirtschaftsingenieur Winfried ein. Dabei geht er davon aus, dass es sich bei Winfried um einen Ingenieur mit wirtschaftlichen Kenntnissen handle. Als der Geschäftsführer nach einigen Wochen jedoch feststellt, dass es sich genau umgekehrt um einen Wirtschaftswissenschaftler mit Ingenieurkenntnissen handelt, will er den Vertrag auflösen. 9. Sachverhalt: Der Unternehmer Valentin aus Cottbus schickt am 15. Mai an die im Genossenschaftsregister eingetragene Konsumgenossenschaft Güterfelde ein bis zum 19. Mai gültiges verbindliches Vertragsangebot über die Lieferung besonders preisgünstiger Haushaltswaren. Der zuständige Bearbeiter schreibt dem Valentin, dass er für seine Firma die Vertragsofferte annimmt und gibt das Schreiben zur Post. Dieses Schreiben gelangt am Freitag, dem 19. Mai um 11.30 Uhr in den Postbriefkasten des Unternehmens des Valentin. Da aber bereits um 11.00 Uhr der Postbriefkasten gelehrt wurde, erfährt Valentin erst am Montag, dem 22. Mai von der Annahme des Vertragsangebots. Zu diesem Zeitpunkt hat Valentin jedoch schon anderweitig die betreffenden Haushaltswaren zum Sonderpreis veräußert. Hat die Konsumgenossenschaft Güterfelde e.g. gegenüber dem Valentin Anspruch auf Lieferung entsprechender Haushaltswaren zum Sonderpreis? 9a. Sachverhalt (Abwandlung des 9. Sachverhalts): Da bei der Konsumgenossenschaft im Moment kein Bedarf besteht, gibt der zuständige Bearbeiter das Angebot am 17. Mai an seinen Bekannten, Herrn Glück, weiter, der als Kleingewerbetreibender ein Haushaltswarengeschäft in Potsdam betreibt, um ihm eine persönliche Gefälligkeit zu erweisen. Herr Glück freut sich über das außerordentlich günstige Angebot und schreibt sofort dem Valentin, dass er für seine Firma die Vertragsofferte annimmt. Dieses Schreiben gelangt am 19. Mai um 14.00 Uhr in die Hände des Valentin. Zu diesem Zeitpunkt hat er jedoch schon anderweitig die betreffenden Haushaltswaren zum Sonderpreis veräußert. Hat Herr Glück Anspruch auf Lieferung entsprechender Haushaltswaren zum Sonderpreis?
3 10. Sachverhalt: Der schon längere Zeit nicht so erfolgreiche freischaffende Ingenieur I verkauft dem niedergelassenen Chirurgen C ein angeblich von ihm entwickeltes medizinisches Gerät zur Verjüngung der menschlichen Zellen, was es aber in Wirklichkeit gar nicht gibt und was auch niemals in der von I präsentierten Art und Weise entwickelt werden könnte. Man einigt sich über den Zeitpunkt der Übergabe dieses Wunderwerks der Technik und über den Preis in Höhe von 1,3 Mio.. Kommt zwischen I und C tatsächlich ein Vertrag zustande? II. Vertragsstörungen: 11. Sachverhalt: V verkauft dem K ein Einfamilienhaus zu einem für ein Haus dieser Art üblichen Preis von 450.000. Obwohl V bereits seit geraumer Zeit wusste, dass sein Haus vom Hausbock befallen war, teilte er dies dem K nicht mit. Fünfeinhalb Jahre nach dem Kauf bemerkt K den Schädlingsbefall und verlangt von V Ersatz der Reparaturkosten für das Haus in Höhe von 30.000 sowie Ersatz für seine vom Hausbock beschädigten Möbel in Höhe von 12.000. V beruft sich auf den Vertrag, wonach das Haus wie besichtigt (also ohne Gewährleistung) verkauft wurde und außerdem auf den Eintritt der Verjährung. 12. Sachverhalt: Der Transportunternehmer Theobald Trapp verpflichtet sich vertraglich, den Umzug des X zu übernehmen. Sein als Möbelpacker angestellter A - der, wie schon so oft, am Abend vor dem Umzug heftig dem Alkohol zusprach - lässt aus Unachtsamkeit den Schrank des X fallen. Dabei wird der Schrank des X völlig zerstört und der zufällig auf der Treppe stehende Briefträger B verletzt. a) An wen und auf welcher rechtlichen Grundlage kann sich X zwecks Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wenden? b) An wen und auf welcher rechtlichen Grundlage kann sich B zwecks Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wenden? 13. Sachverhalt: Die Lehmann Lebkuchen OHG kauft von Maschinen-Müller e. Kfm. eine gut erhaltene gebrauchte Teigrührmaschine zum Preis von 19.000,-. Als Liefertermin wird die 11. KW 2002 (11.-17.3.2002) vereinbart. Da der Müller sich den Liefertermin irrtümlich für die 21. KW vorgemerkt hatte, wartete die Firma Lehmann Lebkuchen OHG in der Woche vom 11.- 17.3.2002 vergeblich auf die bestellte Maschine. Deshalb mahnt der Prokurist der Lehmann Lebkuchen OHG sogleich am 18.3.2002 die Lieferung an. Das Versehen klärt sich, und die Maschine wird am 28.3.2002 geliefert. Infolge der eingetretenen Lieferverzögerung entsteht der Lehmann Lebkuchen OHG ein kurzfristiger Produktionsausfall und dadurch ein Schaden in Höhe von 1.500,-. a) Haftet die Firma Maschinen-Müller e. Kfm. für diesen Schaden? b) Was könnte die Lehmann Lebkuchen OHG, die unbedingt eine solche Maschine noch im Monat März benötigt, tun, wenn die Firma Maschinen-Müller e. Kfm. tatsächlich erst in der 21. KW (20.-26.5.2002) die Teigrührmaschine liefern könnte, da sie diese bis zum 25.5.2002 an die Großbäckerei Cottbus-Back-GmbH vermietet hat? c) Wie müsste entschieden werden, wenn die Maschine überhaupt nicht geliefert werden kann, da diese am 24.3.2002 bei einem Einbruch bei Maschinen-Müller e. Kfm. gestohlen wird und der Lehmann Lebkuchen OHG dadurch ein Schaden in Höhe von 3.500,- entsteht?
4 14. Sachverhalt: Die Bausteine-GmbH in Potsdam verkauft an das Bauunternehmen Gustav-Hausbau in Cottbus 5000 Standard-Ziegelsteine aus ihrem gut bestückten Lager zum Sonderpreis. Im Vertrag wird Cottbus als Leistungsort vereinbart. Infolge eines Zugunglücks zwischen Potsdam und Cottbus, verschuldet von der Deutschen Bahn AG, werden die verladenen Ziegelsteine vernichtet. Die Firma Gustav-Hausbau, die von dem bedauerlichen Vorfall durch die Bausteine- GmbH unterrichtet wird, verlangt weiterhin die Lieferung des vereinbarten Postens Ziegelsteine zum Sonderpreis. Die Bausteine-GmbH vertritt jedoch die Ansicht, dass infolge der Vernichtung der Ware durch Fremdverschulden (Deutsche Bahn AG) die Angelegenheit für sie erledigt sei. Wenn Gustav-Hausbau nach wie vor auf eine entsprechende Lieferung der noch ausreichend vorhandenen Ziegelsteine bestehe, müsse ein neuer Vertrag abgeschlossen werden; dann könne jedoch nicht mehr der ursprünglich gewährte Sonderpreis Gegenstand sein. a) Hat das Bauunternehmen Gustav-Hausbau das Recht, nach wie vor zum Sonderpreis die Lieferung von 5000 Standard Ziegelsteinen zu verlangen? b) Muss die Firma Gustav-Hausbau den Posten zerstörter Ziegelsteine bezahlen? 15. Sachverhalt: Abermals kauft die Firma Gustav-Hausbau in Cottbus von der Bausteine-GmbH in Potsdam 5000 Standard-Ziegelsteine. Diesmal verlangt jedoch die Bausteine-GmbH, dass ihr Firmensitz in Potsdam als Leistungsort vertraglich gelten soll. Da die Firma Gustav-Hausbau jedoch keine geeigneten Transportmöglichkeiten hat, um die Ware aus Potsdam abzuholen, bittet sie den Prokuristen der Bausteine-GmbH, die Steine unter Anrechnung der zusätzlichen Kosten nach Cottbus zu versenden. Darauf lässt sich der Prokurist ein und übergibt die 5000 Standard-Ziegelsteine dem Transportunternehmen Brandenburg-Trans GmbH. Auf dem Weg nach Cottbus kommt der Fahrer des LKW jedoch in ein plötzlich hereinbrechendes schweres Unwetter und gerät mit dem Fahrzeug ins Schleudern. Infolgedessen geht die gesamte Ladung zu Bruch. a) Hat das Bauunternehmen Gustav-Hausbau diesmal das Recht, nach wie vor zum Sonderpreis die Lieferung von 5000 Standard Ziegelsteinen zu verlangen? b) Muss die Firma Gustav-Hausbau diesmal den Posten zerstörter Ziegelsteine bezahlen? 16. Sachverhalt: Und wieder kauft die Firma Gustav-Hausbau in Cottbus von der Bausteine-GmbH in Potsdam 5000 Standard-Ziegelsteine. Auch diesmal verlangt die Bausteine-GmbH, dass ihr Firmensitz in Potsdam als Leistungsort vertraglich gelten soll. Jetzt wird aber tatsächlich die Abholung der Ware vom Lager der Bausteine-GmbH in Potsdam durch die Firma Gustav-Hausbau vereinbart. Ein Mitarbeiter der Gustav-Hausbau lädt die Steine auf den LKW seiner Firma und fährt damit nach Cottbus. Auch er kommt unverschuldet (plötzlich hereinbrechendes Unwetter) mit seinem Fahrzeug ins Schleudern und bringt nur noch kaputte Ziegelsteine zu seiner Firma. Da die Steine demzufolge bei der Fa. Gustav-Hausbau qualitativ nicht so eintreffen, wie vereinbart, verweigert die Firma die Bezahlung. 17. Sachverhalt: Letztmalig will es die Firma Gustav-Hausbau in Cottbus mit der Bausteine-GmbH in Potsdam versuchen. Wieder kauft die Firma Gustav-Hausbau 5000 Standard-Ziegelsteine und wiederum verlangt die Bausteine-GmbH, dass ihr Firmensitz in Potsdam als Leistungsort vertraglich gelten soll. Demnach wird die Abholung der Ware vom Lager der Bausteine-GmbH in Potsdam durch die Firma Gustav-Hausbau am 25.3.2002 vereinbart. Da der Mitarbeiter der Gustav-Hausbau, der die Steine aus Potsdam wie vereinbart abholen sollte, am Morgen des
5 25.3.2002 nicht zur Arbeit erscheint, da er die Nacht zuvor zu heftig den 40 Geburtstag seines besten Freundes gefeiert hatte, gerät die Angelegenheit in der Firma ins Vergessen. Erst als am 29.3.2002 der Geschäftsführer der Bausteine-GmbH aus Potsdam die Sekretärin des Firmeninhabers der Gustav-Hausbau anruft und mitteilt, dass übers Wochenende in das Lager des Unternehmens eingebrochen wurde und unter anderem die zur Abholung am 25.3.2002 bereitgestellten Paletten mit den 5000 Standard-Ziegelsteinen gestohlen wurden, erinnerte man sich in Cottbus an den Vertrag und die vereinbarte Abholung der Steine. Wie steht es diesmal mit den Ansprüchen? a) auf erneute Lieferung der 5000 Ziegelsteine zum vereinbarten Sonderpreis? b) auf Bezahlung der gestohlenen 5000 Ziegelsteine? 18. Sachverhalt: V gibt seinen PKW VW Golf beim Kfz-Händler H in Zahlung. Dabei soll V Eigentümer des Fahrzeugs bleiben und H namens des V verkaufen. Der Wagen hatte früher einen Unfall, was von einem Fachmann unstreitig hätte erkannt werden können. Da V aber gegenüber H angibt, dass der Wagen einwandfrei sei, hält H eine Überprüfung für entbehrlich. Bei den Verkaufsverhandlungen mit dem Käufer K tritt H für V als dessen Stellvertreter auf und erklärt dem K, dass der Wagen in Ordnung sei, worauf sich K zum Kauf des Wagens entschließt. Hat K neben der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen gegen V unter Umständen auch die Möglichkeit, gegen den Händler H vorzugehen? 19. Sachverhalt: Unternehmer Kramer kauft von Fischer, einem renommierten Fachhändler für Baumaschinen, eine automatische Betonzubereitungsanlage. Der Maschine war eine Bedienungsanleitung beigefügt, die von der Herstellerfirma verfasst und von Fischer mit einem Firmenstempel versehen worden war. Die Maschine arbeitete zunächst einwandfrei. Bei der Errichtung eines Fundaments im Winter erreichte jedoch der hergestellte Beton nicht die erforderliche Druckfestigkeit. Das Fundament musste unter hohen Kosten (insgesamt 15.000,- ) weggebrochen und neu errichtet werden. Ursache war, dass die Entlüftungsvorrichtung bei der Zementwaage in der Dosieranlage mit Zementrückständen und Eis verkrustet war, weshalb die Waage nicht einwandfrei arbeiten konnte. In der Bedienungsanleitung war auf die Notwendigkeit, die Entlüftungsanlage zu überwachen und freizuhalten, nicht hingewiesen worden. Auch Fischer wies beim Verkauf der Betonzubereitungsanlage nicht auf dieses Erfordernis hin. Kann Kramer von Fischer Ersatz des durch den Abbruch und die Neuerrichtung des Fundaments entstandenen Schadens in Höhe von 15.000,- verlangen?