Psychosoziale Belastungsfaktoren in der Arbeitswelt und Geschlecht Michael Gümbel Sujet GbR Organisationsberatung
Ebenen und Dimensionen von Geschlecht strukturelle Dimension symbolische Dimension Gesellschaftsebene Organisationsebene Individualebene
Gender in Arbeit und Gesundheit Unterschiedliche Arbeitswelten Unterschiedliche Lebenswelten Rollenbilder und Stereotype, Zuschreibungen und Bewertungen Unterschiedlicher Umgang mit Belastungen und Gesundheit Biologische Aspekte: Schwangerschaft und Stillzeit, Wechseljahre und Reproduktionsfähigkeit
Arbeitswelten Lebenswelten strukturelle Dimension Zuschreibungen und Bewertungen symbolische Dimension Gesellschaftsebene Organisationsebene Individualebene Umgang mit Belastungen und Gesundheit
Gender in Arbeit und Gesundheit Unterschiedliche Arbeitswelten Unterschiedliche Lebenswelten Rollenbilder und Stereotype, Zuschreibungen und Bewertungen Unterschiedlicher Umgang mit Belastungen und Gesundheit Biologische Aspekte: Schwangerschaft und Stillzeit, Wechseljahre und Reproduktionsfähigkeit
Gesundheit und Geschlecht Traditionell: Männer sind Verstand und Handlung. Männer können viel ab und sind stark. Männer sind gesund. Frauen sind das schwache Geschlecht, hormonell gesteuert, ihre Körperlichkeit bestimmt sie (Menstruation, Schwangerschaft, körperliche Attraktivität, Diäten ).
Gesundheit und Geschlecht Aktuell: Männer gelten als Gesundheitsmuffel. Klassisch männliche Verhaltensweisen gelten heute als gesundheitsschädlich: Hohe Risikobereitschaft Geringe Körperwahrnehmung, Schmerzen aushalten Arbeiten bis zum Umfallen = einseitige Belastung Erst bei Krankheit zum Arzt Gesundheit ist kein Thema solange sie da ist keine Verhaltens-Prävention / ungesundes Verhalten
Gesundheit und Geschlecht Ist ein traditionell weibliches Rollenbild anknüpfungsfähiger für die modernen Gesundheitskonzepte? Ernährungsdisziplin ( Diäten ) Jung und schlank bleiben wollen/müssen Dem Körper und der Seele Aufmerksamkeit schenken. Ärzt*innen auch zur Vorsorge aufsuchen.
Geschlecht und psychische Gesundheit Phobien 1:2 Alkoholerkrank. 5:1 Depression 1:2 Panikstörungen 1:3 Männer : Frauen Zitiert nach: Erster Deutscher Männergesundheitsbericht, S. 137 Aber: Zahlreiche Hinweise auf Fehldiagnosen bei Männern und Frauen (dort z.b. beim Herzinfarkt) Typisch weibliche Symptome (die dem Rollenbild eher entsprechen) eher als Hinweis auf Depression als typisch männliche Symptome (z.b. Zurückhaltung / riskantes Verhalten) Therapeut*innen vermuten bei Fällen, die ihnen als weiblich vorgelegt werden, eher psychische Erkrankungen und Therapiebedarf.
Gender in Arbeit und Gesundheit Unterschiedliche Arbeitswelten Unterschiedliche Lebenswelten Rollenbilder und Stereotype, Zuschreibungen und Bewertungen Unterschiedlicher Umgang mit Belastungen und Gesundheit Biologische Aspekte: Schwangerschaft und Stillzeit, Wechseljahre und Reproduktionsfähigkeit
Psychische Belastungen* Arbeitsanforderungen Soziale Beziehungen Arbeitsorganisation Rahmenbedingungen Alles, was von außen auf die Menschen zukommt und psychisch auf ihn/sie wirkt Beurteilung und ständige Verbesserung ist für alle Arbeitsplätze vorgeschrieben findet in der Praxis bisher noch zu wenig statt *DIN EN ISO 10075
Befragungsergebnisse zu psychischen Belastungen und Geschlecht Einige Erhebungsergebnisse auf internationaler und nationaler Ebene zum Vorkommen von Belastungen und zur Frage, ob die Belastung als solche empfunden wird Es existieren zahlreiche Hinweise auf Geschlechteraspekte bisher aber wenig Erklärungsansätze Durch kleine Fehler entstehen möglicherweise große Schäden * Männer Frauen Das kommt vor 61,5% 36,9% Das belastet mich 87,6% 92,4% Ich trage Verantwortung für das Wohlbefinden anderer * Männer Frauen Das kommt vor 31,7% 41,3% *Quelle: Unfallverhütungsbericht Arbeit 2004 Das belastet mich 66,7% 56,4%
Wirkungsweise von Stereotypen, z.b. bei der Beurteilung (vgl. Fried et al. 2000: Wenn zwei das Gleiche tun ) BeurteilendeR BeurteilteR Wahrnehmung Einordnung, Bewertung Interaktion Positiver Effekt der Ähnlichkeit Selbstbild Bild davon, was erwartet wird >>Fiktion der Objektivität in Organisationen<<
Das Projekt Gender/Stress Geschlechterrollen und Psychische Belastungen in der Arbeitswelt Projektförderung: Hans-Böckler-Stiftung und ver.di Drei Projektbetriebe: Textileinzelhandel, Finanzamt, Informations- und Kommunikationstechnik (ITK) Erhebungsphase mit qualitativen Interviews Entwicklung von Instrumenten für die Praxis Anwendung der Instrumente + Auswertung
Kriterien der Befragung nach SALSA + Ergänzungen Anforderungen und Belastungen in den Aufgaben: Ganzheitlichkeit Verantwortung Überforderung Unterforderung Ressourcen in den Aufgaben: Vielfalt Entwicklungsmöglichkeiten Handlungsspielraum Beteiligungsmöglichkeiten Belastungen und Ressourcen in den sozialen Beziehungen: Vorgesetztenverhalten Umgang mit Kolleginnen und Kollegen Unsere Ergänzungen: Kohärenz Umgang mit Kundinnen und Kunden Soziales Umfeld Vereinbarkeit Frageform (bei einem Mann): Wobei hat man hier als Frau das Gefühl, dass man mehr könnte als von einem verlangt wird? und als Mann? Frageform (bei einer Frau): Wobei hat man hier als Mann das Gefühl, dass man mehr könnte als von einem verlangt wird? und als Frau?
Psychische Belastungen und Geschlecht: Sinn der Arbeit Männern wird zugeschrieben sie seien: Hauptverdiener Stärker an Erwerbsarbeit orientiert Frauen wird zugeschrieben: Dazuverdienerin zu sein Erwerbsarbeit als Abwechslung Folgen: Höhere Anforderungen an Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft und Kompetenz bei Männern, Schwächen und Grenzen sind weniger erlaubt Abwertung von Frauen oder: Erhöhte Anforderung Das Gegenteil beweisen müssen
Besonders auffällig Selbstverständlichkeiten in einem Job/ Branche werden nicht als Belastung wahrgenommen ( wen das stresst, der ist hier falsch! ) Freundlichkeit der Verkäuferin Selbstsicherheit und Autorität eines Finanzbeamten Belastungen werden nicht bearbeitbar, weil sie im Betrieb Tabus sind: Belastung durch Attraktivitätsanforderung Ängste und Unsicherheiten insbesondere von Männern
Psychische Belastungen und Geschlecht: Hauptanforderungen in der Arbeit Kompetenzen sind geschlechtlich konnotiert: Steuerliche Fachkompetenz, Technikkompetenz, Durchsetzungsfähigkeit = männlich Mode, Softwarebedienung, Freundlichkeit = weiblich Die männlichen Kompetenzen werden in der Regel höher bewertet und als größere Anforderung gesehen.
Psychische Belastungen und Geschlecht: Kund*innenkontakt Der Kund*innenkontakt wird dort als problematisch angesehen, wo er nicht mit den Geschlechterstereotypen und den entsprechenden Machtzuschreibungen harmoniert: Steuerbeamtin und männliche Steuerpflichtige Männer in der Frauenmode Für Frauen wie Männer ist ein guter Kund*innenkontakt entweder mit der Übernahme einer stereotyp weiblichen oder männlichen Rolle verbunden oder mit unweiblich/unmännlich sein
Psychische Belastungen und Geschlecht: Entwicklungsperspektiven Wesentliche Faktoren verbessern die Aufstiegschancen für Männer: Ihnen wird eine höhere Aufstiegsorientierung zugeschrieben Wesentliche Führungskompetenzen werden männlich konnotiert Aufstieg verlangt Flexibilität, das ist von Männern oft leichter zu leisten Angenommene Geschlechtergerechtigkeit bei Aufstieg bei zahlenmäßig geringerer Repräsentanz von Männern in unteren Hierarchieebenen
Anerkennung und Unterstützung im Finanzamt Anerkennung außerhalb Unterstützung im Amt + Anerkennung im Amt Unterstützung außerhalb Frauen Männer Anerkennung im Amt Unterstützung außerhalb - Anerkennung außerhalb Unterstützung im Amt
Weiteres Vorgehen im Finanzamt Aus den Ergebnissen der Interviews wurden drei Themenfelder ausgewählt: Umgang mit schwierigen Steuerpflichtigen Fehler/ Schwächen/ Überforderung Anerkennung/ Unterstützung Diese drei Themen wurden in Arbeitsgruppen von Mitarbeiter*innen und Führungskräften bearbeitet: Problem -> Verbesserungsideen Ergebnisse auf 4 Ebenen: Senatsverwaltung Finanzamt Führungskräfte und Mitarbeiter*innen Jeder und jede für sich Weitere Aktivitäten nach Projektende.
Was haben wir für die psychischen Belastungen gelernt? Psychische Belastungen sind immer vergeschlechtlicht Tradierte Geschlechterrollenbilder erschweren eine Auseinandersetzung mit psychischen Belastungen das beeinträchtigt die Gleichstellung und die Gesundheit von Frauen und Männern Was selbstverständlich qua Geschlechterrolle scheint, verdient besondere Aufmerksamkeit in der Bearbeitung der Belastungen Diese Aspekte werden ohne Genderperspektive nicht erkannt und bleiben außen vor. Aktivitäten zum Abbau psychischer Belastungen lassen sich gut um eine Gleichstellungsperspektive erweitern
Ergebnis: Gender in der Gefährdungsbeurteilung Vorab: Strukturen schaffen Stereotype reflektieren/ Genderkompetenz Information und Beteiligung evaluieren Ziele formulieren: Geschlechtergerechtigkeit Gefährdungsbeurteilung: Grobanalyse Feinanalyse z.b. durch: Befragungen Interviews Zirkel/ Workshops Beteiligung, Geschlechtersensibles Vorgehen umsetzen Maßnahmen entwickeln Geschlechtergerechte Maßnahmen, die alle erreichen Stereotype vermeiden Geschlechterverhältnisse verändern
Weitere Informationen http://www.hamburg.de/themen/3981508/gendermainstreaming.html Michael Gümbel/Sonja Nielbock (2012): Die Last der Stereotype. Geschlechterrollenbilder und psychische Belastungen im Betrieb. Düsseldorf. Sonja Nielbock/Michael Gümbel (2010): Arbeitsbedingungen beurteilen geschlechtergerecht. Gender Mainstreaming in der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Download: http://www.sujet.org/ Handlungshilfe_GenderStress.pdf [2. Neuauflage in Vorbereitung]