Was brauchen die Eltern oder: Die Frage nach dem Unterhaltsbedarf

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Transkript:

Teil 4: Was brauchen die Eltern oder: Die Frage nach dem Unterhaltsbedarf I. Woraus sich der Unterhaltsbedarf der Eltern zusammensetzt Der typische Fall beim Elternunterhalt liegt so, dass sich der unterhaltsberechtigte Elternteil bereits in einem Pflegeheim befindet. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen Elternunterhalt bereits ein Thema ist, bevor Eltern in einem Heim untergebracht werden. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die Eltern das Rentenalter noch nicht erreicht haben und ihnen Hilfe zum Lebensunterhalt nach den 27 f. SGB XII gewährt wird. Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Elternunterhalt generell nach der Lebensstellung des Elternteils ( 1610 Absatz 1 BGB). Die Lebensstellung wiederum hängt in erster Linie von den Einkommens- und Vermögensverhältnisse ab, in welchen der Elternteil in der Vergangenheit gelebt hat. Wegen der schwachen Ausgestaltung des Elternunterhaltes kommt eine Unterhaltsverpflichtung der Kinder in aller Regel erst dann in Betracht, wenn das Existenzminimum des Elternteils unterschritten wird. Der Bedarf der Eltern gegenüber ihren Kindern entspricht deshalb regelmäßig dem Existenzminimum. Dies gilt auch dann, wenn der Elternteil zuvor in besseren Lebensverhältnissen gelebt hat. Die Gerichte greifen für die Bemessung des Bedarfs in diesen Fällen auf die in den Unterhaltstabellen enthaltenen Mindestbedarfssätze zurück. Diese belaufen sich derzeit auf 880 für Nichterwerbstätige 49

und auf 1.080 für Erwerbstätige. Dem hinzuzurechnen sind die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung. Lebt der Elternteil bereits in einem Alten- oder Pflegeheim, bestimmt sich sein Unterhaltsbedarf nach den dadurch verursachten notwendigen und angemessenen Heim- und Pflegekosten zuzüglich eines angemessenen Taschengeldes. Als Taschengeld steht dem Elternteil ein Barbetrag zur persönlichen Verwendung (z.b. für Kleidung, Zeitschriften etc.) in Höhe von 27% des sozialrechtlichen Regelsatzes nach 27 b SGB XII zur Verfügung. Da sich der Regelsatz aktuell auf 404 beläuft, ist das Taschengeld zurzeit mit (404 x 27 % =) 109,08, also rund 110, anzusetzen. Beispiel: Der Elternteil E lebt im Pflegeheim. Die Kosten für das Pflegeheim belaufen sich auf 3.500. Zusammen mit dem Taschengeldanspruch hat E einen monatlichen Unterhaltsbedarf von 3.610. II. Die Notwendigkeit einer Heimunterbringung Die durch eine Unterbringung in einem Pflegeheim entstehenden Kosten sind hoch. Solange eine Heimunterbringung nicht notwendig und der Elternteil in der Lage ist, sich im häuslichen Bereich (ggf. mit einer günstigeren ambulanten Pflegehilfe) 50

selbst zu versorgen, sind die Kosten für ein Pflegeheim von dem unterhaltspflichtigen Kind nicht zu finanzieren. Das Sozialamt ist verpflichtet, nachvollziehbar darzulegen, warum eine Heimunterbringung des Elternteils notwendig ist. Hierzu gehören Angaben zum Grund und Ausmaß der Pflegebedürftigkeit. Erhält der Elternteil kein Pflegegeld, ist dies ein Indiz dafür, dass eine Heimunterbringung nicht notwendig ist. Anders herum ist von einer notwendigen Heimunterbringung auszugehen, wenn ein Pflegegeld gezahlt wird. Hinweis: Bestehen Zweifel an der Notwendigkeit der Heimunterbringung, kann die Notwendigkeit gegenüber dem Sozialamt in Zweifel gezogen und das Sozialamt aufgefordert werden, Angaben über Grund und Ausmaß der Pflegenotwendigkeit zu machen. III. Angemessene Kosten für das Pflegeheim Die Kosten für die in Betracht kommenden Pflegeheime sind uneinheitlich und unterscheiden sich oftmals nicht unerheblich. Die Heimkosten sind aus unterhaltsrechtlicher Sicht im Rahmen des Zumutbaren von dem unterhaltsberechtigten Elternteil so gering wie möglich zu halten. Ein teurer Heimplatz muss daher von dem unterhaltspflichtigen Kind nicht akzeptiert werden. Nur wenn die Wahl eines preisgünstigeren Heims nicht zumutbar war, kommt die Übernahme eines teureren Heims in Betracht. 51

Hinweis: Eine gute Übersicht über die vor Ort vorhandenen Pflegeheime inklusive der jeweiligen Kostenstruktur kann im Internet unter www.der-pflegekompass.de oder www.aok-pflegeheimnavigator.de abgerufen werden. Gibt es in der Region günstigere Heimplätze und kann dies dem Sozialamt dargelegt werden, kann der Unterhaltsbedarf, der durch die höheren Heimkosten entsteht, in Frage gestellt werden. Gelingt es dem Sozialamt dann nicht, die Notwendigkeit des teureren Heimplatzes vernünftig zu erklären, muss die Differenz zwischen dem teureren und dem günstigeren Heimplatz im Rahmen der Elternunterhaltsverpflichtung nicht übernommen werden. Diese Überlegungen stehen jedoch stets unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit. Ein Wechsel in ein günstigeres Heim kann z.b. dann unzumutbar sein, wenn der Elternteil die Heimunterbringung zunächst noch selbst finanzieren konnte und erst später hierzu nicht mehr in der Lage ist. Auch wenn das unterhaltspflichtige Kind selbst das Heim ausgewählt hat, wird es später nicht einwenden können, dass die Heimkosten unangemessen hoch sind. 52

IV. Kurzzusammenfassung Teil 4 Der Unterhaltsbedarf eines im Pflegeheim lebenden Elternteils setzt sich aus den Heim- und Pflegekosten zuzüglich eines angemessenen Taschengeldes zusammen. Die Heimkosten können nur dann einen unterhaltsrechtlichen Bedarf auslösen, wenn die Heimunterbringung notwendig ist. Die Höhe der Heimkosten muss angemessenen sein. Im Rahmen des Zumutbaren muss der Elternteil bei entsprechender Verfügbarkeit einen möglichst günstigen Heimplatz wählen. 53

Teil 5: Was die Eltern selber haben oder: Die Frage der Bedürftigkeit Eltern können nur dann Unterhalt von ihren Kindern verlangen, wenn sie bedürftig sind. Eine Bedürftigkeit setzt voraus, dass die Eltern nicht in der Lage sind, ihren Unterhaltsbedarf durch eigene Einkünfte oder den Einsatz eigenen Vermögens zu decken. I. Eigene Einkünfte der Eltern Solange die Eltern das Rentenalter noch nicht erreicht haben, sind sie grundsätzlich verpflichtet, einer Arbeit nachzugehen und ihren Bedarf durch eigenes Einkommen zu sichern. Die Eltern können sich im Falle einer Arbeitslosigkeit nicht einfach darauf berufen, keine Einkünfte zu erzielen. Für sie gilt aus unterhaltsrechtlicher Sicht eine verschärfte Arbeitsverpflichtung. Dies bedeutet insbesondere, dass sie auch berufsfremde und unterhalb der eigentlichen Qualifikation liegende Tätigkeiten ausüben müssen. Ein Unterhaltsanspruch kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil der Elternteil nach jahrzehntelanger Erwerbslosigkeit (und etwaigem Sozialhilfebezug) ein Alter erreicht hat, in dem er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erfahrungsgemäß keine Beschäftigung mehr finden kann. Beim Elternunterhalt spielen eigene Einkünfte der Eltern aus einer Erwerbstätigkeit aber zumeist keine Rolle, weil die Eltern entweder bereits das Rentenalter überschritten haben oder aber 54