Hilfe zur Pflege & Elternunterhalt. Eine Einführung

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Transkript:

Die Pflegeversicherung wurde als Teilleistungs- bzw. Teilkaskoversicherung konzipiert. D.h. die Leistungen nach dem SGB XI sind in aller Regel nicht bedarfsdeckend. Wenn nicht Angehörige oder sonstige private Pflegepersonen Hilfen unentgeltlich erbringen gilt: Um den Hilfebedarf im notwendigen Umfang durch professionelle Dienste und Einrichtungen zu decken, müssen pflegebedürftige Menschen in aller Regel auf eigenes Einkommen (z.b. Rente) und Vermögen (insbesondere Ersparnisse) zurückgreifen.

Auch gibt es Menschen, die zwar wegen Krankheit oder Behinderung einen Bedarf an (pflegerischer) Unterstützung jedoch aus unterschiedlichen Gründen keinen Anspruch gegenüber der Pflegeversicherung haben, z.b. weil der Hilfebedarf nicht die im SGB XI vorgesehene Voraussetzung der Dauerhaftigkeit (mind. 6 Monate) erfüllt oder die Vorversicherungszeit von 2 Jahren (noch) nicht erfüllt ist. Auch in diesen Fällen sind notwenige Hilfen vorrangig aus eigenen Mitteln zu finanzieren.

Ist es pflegebedürftigen Personen sowie ihren Ehe- bzw. Lebenspartnern (bei pflegebed. Kindern auch den Eltern) nicht möglich oder zumutbar, dass sie die für die Pflege benötigten Mittel aus ihrem Einkommen und Vermögen aufbringen, spricht man von Bedürftigkeit. Der Staat übernimmt dann auf Antrag die Finanzierung der Hilfen im individuell erforderlichen Umfang als steuerfinanzierte Fürsorgeleistung der Sozialhilfe. Entsprechende Leistungen, deren Ausgestaltung und die Voraussetzungen zur Gewährung sind unter dem Begriff Hilfe zur Pflege im 7. Kapitel des Sozialgesetzbuch 12. Buch (SGB XII) speziell in den 61 ff. geregelt. Die unterschiedlichen Pflegeleistungen, die nach dem SGB XII gewährt werden können, sind mit denen des SGB XI weitestgehend deckungsgleich, - z.b. Pflegegeld, häusliche Pflegehilfe, Verhinderungspflege, Tagespflege.

Voraussetzung für die Hilfegewährung ist stets, dass sozialrechtliche Bedürftigkeit vorliegt und die beantragte Leistung dem individuellem Bedarf entspricht (Grundsatz der Erforderlichkeit). Generell hat der Sozialhilfeträger nach den Besonderheiten des Einzelfalles auch die Angemessenheit (und damit auch die Wirtschaftlichkeit) der beantragten Leistung zu prüfen. Dabei ist insbesondere der Grundsatz ambulant vor stationär zu berücksichtigen. Konkret gehen ambulante Leistungen teilstationären und diese wiederum vollstationären Leistungen vor!

Die Sozialhilfe unterliegt ferner dem Grundsatz der Nachrangigkeit. Vorrangig einzusetzen sind: Eigenes Einkommen im zumutbaren Maß, vorhandene Geld-/Finanzanlagen (auch kapitalbildende Versicherungen), weitere Vermögensgegenstände wie Kfz. und Immobilien, soweit deren Verwertung im Einzelfall nicht unzumutbar ist, geldwerte Rechte wie Nießbrauch einer Wohnung, die Rückforderung von Schenkungen und auch Unterhaltsansprüche gegen Verwandte. Sind solche Mittel ausreichend vorhanden gilt der Antragsteller als nicht bedürftig. Selbstverständlich sind auch zur Finanzierung von Pflege vorgesehene Leistungen von privaten Versicherungsunternehmen und von Sozialversicherungen insbesondere die Leistungen des SBG XI vorrangig und somit auf den Bedarf voll anzurechnen!

Dagegen stehen insbesondere folgende finanzielle Mittel der Bedürftigkeit nicht entgegen ( Schonvermögen ): Einkommen bis zu einer individuell zu berechnenden Einkommensgrenze, Ersparnisse bis zu 5.000 (Alleinstehende) bzw. 10.000 (Ehepaare), eine selbst oder vom Ehepartner bewohnte angemessene Immobilie und Bestattungsvorsorgeverträge im angemessenen Umfang. Eheleute gelten als Einstandsgemeinschaft, d.h. deren Einkommen und Vermögen werden zusammengenommen betrachtet. Aus dem gemeinsamen Einkommen wird unter Berücksichtigung des individuellen Bedarfes für den Lebensunterhalt ein Kostenbeitrag errechnet, der zur Finanzierung der Pflegekosten einzusetzen ist.

Bei Gewährung von Sozialhilfe gehen Ansprüche des Antragstellers gegenüber Dritten auf den Sozialhilfeträger (i.d.r. Landkreis oder Landeswohlfahrtsverband) über. Dieser kann dann die Ansprüche als eigenes Recht geltend machen und z.b. Unterhalt oder die Rückforderung von Schenkungen notfalls vor Gericht durchsetzen. Übertragenes Vermögen (z.b. eine Immobilie) kann nur zurückgefordert werden, wenn die Schenkung nicht länger als 10 Jahre zurückliegt. Es werden nur Unterhaltsansprüche gegenüber Verwandten ersten Grades (Eltern bzw. Kindern des Bedürftigen) übergeleitet! Wenn Kinder zur Finanzierung des Bedarfes ihrer Eltern herangezogen werden, spricht man von Elternunterhalt. Nach bisheriger Praxis der meisten Sozialhilfeträger werden Ansprüche auf Elternunterhalt überwiegend nur bei stationärer Pflege (Tagespflege oder dauerhafte Pflege im Heim) geltend gemacht!

Elternunterhalt kann grundsätzlich nur dann gefordert werden, wenn das in Anspruch genommene Kind (nach den Leitlinien der höheren Rechtsprechung) leistungsfähig ist! Grundsatz der höheren Rechtsprechung ist, dass es für die Kinder nicht zumutbar sei, ihren bisherigen Lebensstandard dauerhaft und spürbar einzuschränken, um den Elternunterhalt zu erfüllen. Geschützt ist in diesem Zusammenhang ein (bereinigtes) Nettomonatseinkommen von mindestens 1.800 für alleinstehende Kinder bzw. 3.240 für Ehepaare (einschließl. pauschal berücksichtigter Wohnkosten). Vorrangige Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Kindern vermindern rechnerisch das verfügbare Einkommen und somit die Leistungsfähigkeit, - ebenso wie Aufwendungen für die Arbeit (Werbungskosten) und besondere laufende Belastungen (z.b. für Kredite).

Weiterhin ist (mindestens!) folgendes Vermögen des unterhaltspflichtigen Kindes vor Zugriff geschützt: Angemessene, selbst bewohnte Wohnimmobilie (bis 2-Familien-Haus), Notgroschen i.h.v. 3 Bruttogehältern, mind. jedoch 10.000, zusätzlich eigenes Altersvorsorgevermögen, das sich aus 5% des Bruttoeinkommens über die bisherigen Berufsjahre, verzinst mit 4% p.a. errechnet (bei z.b. 3.000 Bruttogehalt über 30 Arbeitsjahre -> mehr als 100.000 ). Befinden sich die unterhaltspflichtigen Kinder selbst bereits in Altersruhestand, wird das Altersvorsorgevermögen unter Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung in ein fiktives Zusatzeinkommen umgerechnet.

Empfehlenswerte Informationsmaterialien zu den Themen Hilfe zur Pflege und Elternunterhalt : o o Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz (Hrsg): Teures Heim was tun, wenn das Geld nicht reicht? Quelle (Stand 08/2017): https://www.verbraucherzentralerlp.de/media247682a.pdf Bezirk Oberfranken (Hrsg.): Sozialhilfe für Senioren Quelle (Stand 08/2017): https://www.bezirkoberfranken.de/fileadmin/user_upload/publikationen/downloads/2-sozialhilfefuer-senioren-low.pdf

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!