Aktienmarkt: Wie viel ist eingepreist?

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Transkript:

Mai. 00 Nov. 00 Mai. 01 Nov. 01 Mai. 02 Nov. 02 Mai. 03 Nov. 03 Mai. 04 Nov. 04 Mai. 05 Nov. 05 Mai. 06 Nov. 06 Mai. 07 Nov. 07 Mai. 08 Nov. 08 Mai. 09 Nov. 09 Mai. 10 Nov. 10 Mai. 11 Nov. 11 Mai. 12 Nov. 12 Mai. 13 Nov. 13 Mai. 14 Nov. 14 Dez. 13 Feb. 14 Apr. 14 Jun. 14 Aug. 14 Okt. 14 Dez. 14 Feb. 15 Apr. 15 Jun. 15 Aug. 15 3. SEPTEMBER 2015 KONJ UNKT UR UND ST RAT EGIE Aktienmarkt: Wie viel ist eingepreist? In den letzten Wochen waren starke Nerven gefragt: Seit Mitte Juni verlor der DAX in der Spitze fast 18% an Wert, der S&P 500 gab um rund 12% nach. Als fundamentale Gründe für den Kursrutsch wurden die Schwäche der chinesischen Wirtschaft und weiterer Schwellenländer angeführt, im Nebensatz wurde auch auf das Risiko hingewiesen, das mit der anstehenden US-Zinserhöhung einhergeht. Diese könnte Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern beschleunigen und vorhandene Probleme damit verstärken. 40 20 0-20 -40-60 Länderallokationsmodell: Brasilien, China und Russland Währungsfonds weisen dessen Autoren darauf hin, dass das Weltwirtschaftswachstum insbesondere dann negativ beeinflusst werden würde, wenn sich alle hier angesprochenen Schwierigkeiten zur gleichen Zeit materialisieren sollten. Dennoch haben wir Probleme damit, die jüngsten Turbulenzen am Aktienmarkt ausschließlich mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Schwellenländern und der möglicherweise anstehenden Zinserhöhung in den USA zu erklären. Denn beide Themen sind beileibe nicht neu: Auf die zunehmende strukturelle Schwäche der chinesischen Wirtschaft hatten wir bereits im April 2014 hingewiesen. Tatsächlich haben sich die Daten seither weiter verschlechtert, worauf wir ebenfalls hingewiesen hatten. Aus dem blauem Himmel ist die China-Schwäche daher keinesfalls gekommen; wir tun uns folglich schwer, den Kursrutsch in weiten Teilen damit zu erklären. Ähnliches gilt für die Schwierigkeiten, mit denen die russische und brasilianische Wirtschaft zu kämpfen haben: sie sind durchaus schwerwiegend, aber nicht neu. -80-100 7,0 Leitzins USA (in Prozent) 6,0 Brasilien China Russland Diese Sorgen sind aus unserer Sicht durchaus berechtigt, denn tatsächlich läuft es in vielen Schwellenländern wirtschaftlich nicht rund. So verschlechtern sich die wichtigsten konjunkturellen Frühindikatoren in Brasilien, China und Russland bereits seit längerer Zeit, alle Volkswirtschaften wachsen mittlerweile deutlich langsamer als im langjährigen Mittel (dieses entspricht in der Grafik der Nulllinie). In Brasilien ist die Schwäche besonders ausgeprägt: Dort sind die Daten aktuell so schlecht wie zum Höhepunkt der Finanzkrise. Und auch in anderen Schwellenländern wie Thailand, der Türkei und Taiwan hat die Konjunkturdynamik abgenommen. Ebenfalls nicht von der Hand zu weisen: Ein starker US- Dollar schadet den Schwellenländern auch realwirtschaftlich. Der Ansteckungseffekt geschieht vor allem über die Geldpolitik in den Schwellenländern: Diese muss aufgrund der schwachen heimischen Währung auf die importierte Inflation und die Gefahr von Kapitalabflüssen reagieren, und kann trotzt der wirtschaftlichen Schwäche im eigenen Land die Zinsen nicht senken oder muss sie sogar erhöhen. Die Wirtschaft wird genau zum falschen Zeitpunkt ausgebremst. Hohe Risiken bestehen darüber hinaus, wenn Unternehmen aus den Schwellenländern die niedrigen Zinsen genutzt haben, um sich in US-Dollar zu finanzieren. Mit steigenden Zinsen in den USA und einer schwächeren heimischen Währung drohen im schlimmsten Fall Zahlungsausfälle, die ebenfalls negative realwirtschaftliche Effekte nach sich ziehen. Diese Themen sind so brennend, dass darüber auch auf dem kommenden G-20-Treffen der Finanzminister und der Notenbankchefs diskutiert werden dürfte. In einem jüngst veröffentlichten Diskussionspapier des Internationalen 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 Dies gilt auch für die Diskussion um die erste Zinserhöhung in den USA seit Juni 2006. Unserem bescheidenen Urteil nach handelt es sich dabei vermutlich um die am intensivsten vorbereitete und kommunizierte Änderung der Geldpolitik, die es in einem entwickelten Land jemals gab. So mussten Investoren dem Grunde nach bereits seit Mai 2013 darüber nachdenken, welche Auswirkungen eine weniger expansive Geldpolitik für die Unternehmen und Märkte haben wird. Damals deutete Fed-Chef Ben Bernanke erstmals an, dass die US-Notenbank ihr Anleiheaufkaufprogramm reduzieren könnte; dies war der erste, sehr vorsichtige Schritt, eine von der Finanzkrise geprägte Notfallpolitik allmählich auslaufen zu lassen. Seither haben die Fed-Direktoren in zahllosen Redebeiträgen die Öffentlichkeit mit dem Für und Wider einer geldpolitischen Straffung vertraut gemacht. Letztlich verbleiben zwar Unsicherheiten, zu welchem Zeitpunkt die erste Zinserhöhung kommen wird; sobald dies jedoch feststeht, verschwindet ein Faktor aus dem Markt, der das Sentiment bislang belastet haben könnte. Wir erwarten ohnehin, dass das Wohl und Wehe der US-Wirtschaft nicht von einer oder zwei Zinsschritten in Höhe von jeweils 25 Basispunkten abhängt. Insofern bekräftigen wir unsere Einschätzung der vergangenen Woche, dass die Korrektur am Aktienmarkt zumin- 1

Mrz 00 Mrz 01 Mrz 02 Mrz 03 Mrz 04 Mrz 05 Mrz 06 Mrz 07 Mrz 08 Mrz 09 Mrz 10 Mrz 11 Mrz 12 Mrz 13 Mrz 14 Mrz 15 Okt 05 Okt 06 Okt 07 Okt 08 Okt 09 Okt 10 Okt 11 Okt 12 Okt 13 Okt 14 dest zu einem Großteil technisch bedingt war und in einem von geringer Liquidität geprägten Markt unterschiedslos Aktien abgestoßen worden sind. Dennoch lassen sich die hier angesprochenen Schwierigkeiten in den Schwellenländern nicht wegdiskutieren. Insofern muss es für Investoren darum gehen, die Folgen schwächerer Wachstumsraten in den Schwellenländern richtig abschätzen zu können. Für die Konjunktur in den entwickelten Volkswirtschaften hat ein geringeres Wachstum in den Schwellenländern vermutlich jedoch schwächere Auswirkungen, als man angesichts der Börsenturbulenzen vermuten würde. So hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) 2014 berechnet, wie stark ein Rückgang des Wachstums in China bzw. allen Schwellenländern zusammen die entwickelten Volkswirtschaften treffen würde. Der wichtigste Übertragungskanal ist der internationale Handel, auf den sich die hier genannten Zahlen beziehen. Bei einem Rückgang des Wachstums um einen Prozentpunkt in China würde die Eurozone demnach um rund 0,15 Prozentpunkte weniger stark wachsen, in den USA wäre ein Rückgang des BIP von 0,1 Prozentpunkten zu erwarten. China: Industrieproduktion und Stromverbrauch jeweils 7%), dann würde das Gesamtjahreswachstum bei nur noch 2,8% liegen, um vier Prozentpunkte niedriger als der IWF unterstellt. Dann müsste man von unserer ohnehin vorsichtigen Wachstumsprognose für die Eurozone von bisher 1,1% (Konsens: 1,4%) 0,6 Prozentpunkte abziehen, übrig bliebe ein kleines Wachstumsplus von 0,. Das wäre eine schlechte, aber keine katastrophale Entwicklung. In den USA würde die Wirtschaft selbst bei einem schwachen zweiten Halbjahr in China noch um knapp 2% wachsen. Wir halten es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass es dazu kommt; unsere Berechnungen sollen dazu beitragen, einer gefühlt diffusen Bedrohungslage wieder stärker mit konkreten Szenarien entgegentreten zu können. Zudem sollte nicht übersehen werden, dass die chinesische Regierung ihre Stützungsbemühungen für die Wirtschaft zuletzt verstärkt hat; die jüngst ergriffenen Maßnahmen zielen vor allem darauf ab, die Kreditvergabe wieder anzukurbeln. Auch die Abwertung des Renminbi sowie die niedrigen Rohstoffpreise dürften dazu beitragen, dass die chinesische Wirtschaft 2015 und 2016 keine harte wirtschaftliche Landung hinlegen wird. China: Kreditvergabe und Industrieproduktion 3 3 2 2 3 2 2 - - - - - Elektrizitätsproduktion (y/y; r.s.) Industrieproduktion (y/y; r.s.) Industrieproduktion (y/y; gegl.) Kreditvergabe (y/y; gegl.; r.s.) Für das Jahr 2015 rechnet der IWF in China mit einem BIP- Wachstum von 6,8%, 2016 soll die Wirtschaft um 6,3% wachsen. Wir halten es für plausibel, dass die offizielle Statistik ein Wachstum in dieser Größenordnung ausweisen wird. Doch die Exporte anderer Länder nach China, die chinesische Stromproduktion und die Daten aus Hongkong und Taiwan, die wir als weitere Indikationen für das Wachstum in China heranziehen, zeigen, dass im verarbeitenden Gewerbe 2015 vermutlich nur ein geringes Wachstum zu verzeichnen war. So liegt die Stromproduktion in den Monaten bis zum Juli 2015 lediglich um 0, höher als in denselben Monaten des Jahres 2014, in den drei Jahren davor legte die Stromproduktion im Mittel jeweils um rund gegenüber dem Vorjahr zu. Die Exporte der Eurozone nach China sind bis dato stark rückläufig und liegen im ersten Halbjahr 2015 um rund 17% unter dem Niveau des ersten Halbjahres 2014. Diese Entwicklung ist mit einer offiziellen Wachstumsrate von 7% nicht gänzlich kompatibel. Unterstellt man also extrem vorsichtig, dass die chinesische Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte gegenüber den jeweiligen Vorjahresquartalen überhaupt gar nicht mehr wächst (im ersten und zweiten Quartal lagen die Zuwachsraten bei Deutlich stärker fielen die Wachstumseffekte aus, wenn alle Emerging Markets um einen Prozentpunkt weniger stark wachsen würden. Dies hätte ein um 0,3 Prozentpunkte geringeres Wachstum in der Eurozone zur Folge, in den USA betrüge der negative Effekt nach IWF-Berechnungen 0,2 Prozentpunkte. Bislang erwartet der Währungsfonds im laufenden Jahr ein Schwellenländerwachstum von 4,2%, 2016 soll es auf 4,7% ansteigen. Sollte sich der negative Trend in den Schwellenländern dennoch verstärken, und das Wachstum etwa 2016 auf 3,7% fallen (ein Prozentpunkt weniger als vom IWF prognostiziert), dann hätte dies dementsprechend durchaus negative Auswirkungen auf die Industrieländer, ein Rezessionsszenario ließe sich daraus aber immer noch nicht ableiten. Eine anhaltende Wachstumsschwäche der Schwellenländer macht es vielmehr wahrscheinlicher, dass sich das konjunkturelle Bild aus dem Jahr 2015 in das Jahr 2016 hinein fortsetzt: Die Weltwirtschaft würde dann lediglich mit einer geringen Geschwindigkeit wachsen; während die Industrieländer ein solides Wachstum verzeichnen, bleiben die Schwellenländer erneut hinter ihrem Potenzial zurück. Auch der Inflationsdruck würde in einem derartigen Umfeld global sehr gering bleiben, und die Notenbanken müss- 2

Jan. 09 Jul. 09 Jan. 10 Jul. 10 Jan. 11 Jul. 11 Jan. 12 Jul. 12 Jan. 13 Jul. 13 Jan. 14 Jul. 14 Jan. 15 Jul. 15 Jan. 16 Jan. 85 Jan. 87 Jan. 89 Jan. 91 Jan. 93 Jan. 95 Jan. 97 Jan. 99 Jan. 01 Jan. 03 Jan. 05 Jan. 07 Jan. 09 Jan. 11 Jan. 13 Jan. 15 ten ihre Niedrigzinspolitik überwiegend fortsetzen oder sogar nochmals verstärken. Für den Aktieninvestor ist die aktuelle Situation herausfordernd, weil einige übliche Regeln in Frage gestellt werden könnten. So würde man klassischerweise unterstellen, dass die Unternehmensgewinne in den Industrieländern selbst dann weiter ansteigen, wenn sich die hier illustrierten, sehr negativen Szenarien in den Schwellenländern bewahrheiten sollten. Denn deutlich rückläufige Unternehmensgewinne in den Industrieländern sind in der Vergangenheit regelmäßig nur in Rezessionen in den Industrieländern zu beobachten gewesen. Wir rechnen jedoch nicht mit einer Rezession. Doch einige Unternehmen könnten unter einer Wachstumsabschwächung in den Schwellenländern überdurchschnittlich stark leiden, weil sie dort zuletzt einen nennenswerten Anteil ihrer Gewinne erwirtschaftet haben und auch die Wachstumsraten in den letzten Jahren überdurchschnittlich hoch waren. Es ist bereits seit einiger Zeit zu beobachten, dass Aktien mit einem starken Schwellenländergeschäft eher skeptisch beurteilt werden. Dies könnte auch zunächst so bleiben, bis besser absehbar ist, wie ausgeprägt die Wachstumsschwäche in den Schwellenländern ausfällt. Vor diesem Hintergrund raten wir auch, dazu bei der Selektion zumindest temporär Unternehmen den Vorzug zu geben, die ein sehr starkes Standbein in den Industrieländern haben. 900 800 700 600 DAX: IBES-Gewinnschätzungen 2013-2016 + +13% 2013 2014 2015 2016 12 M Fwd EPS (r.s.) Auf der Basis der Daten von Thomson Reuters (mehrheitlich für das Geschäftsjahr 2014) schätzen wir, dass bei den DAX-Unternehmen im Mittel der Unternehmenserträge aus dem Raum Asien/Pazifik kommen, rund fünf Prozent aus Südamerika. Da nicht für alle Unternehmen Daten vorhanden sind und auch die geographischen Abgrenzung unterschiedlich ausfallen, sind diese Schätzungen ausdrücklich als grobe Indikation zu verstehen. Dennoch kann man damit illustrieren, welche Auswirkungen eine rückläufige Aktivität in den Schwellenländer ungefähr auf die DAX- Gewinne hätte. So würde etwa ein überraschender (bisher in den Schätzungen nicht enthaltener) Rückgang der Gewinne in der Region Asien/Pazifik und in Südamerika von jeweils dazu führen, dass die DAX-Gewinne in den kommenden 12 Monaten um rund 3% niedriger liegen als bislang von den Unternehmensanalysten geschätzt. Aktuell erwarten die Unternehmensanalysten für das Jahr 2016 einen Gewinn von rund 880 DAX-Punkten, ein Plus 900 800 700 600 500 400 von knapp gegenüber dem laufenden Jahr. Unterstellt man nun unter Vorsichtsaspekten, dass die Schwellenländerschwäche voll durchschlagen wird, wäre immer noch ein Gewinn von rund 850 Punkten möglich. Damit ergibt sich bei dem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis im DAX von 12 ein fairer Wert von rechnerisch rund 10.150 Punkten, was ungefähr dem aktuellen Kursniveau entspricht. 30 25 20 15 10 5 Kurs-Gewinn-Verhältnis verschiedener Aktienmärkte (auf Basis der Gewinnerwartungen für die nächsten 12 Monate) DAX S&P 500 Euro Stoxx 50 Allerdings halten wir den jüngsten Rückgang des Kurs- Gewinn-Verhältnisses im DAX nicht für gerechtfertigt. Gerade im Hinblick auf die hier skizzierten mittelfristigen Aussichten bekräftigen wir unsere Erwartung, dass das Zinsniveau global noch länger außerordentlich niedrig bleiben wird. Daher halten wir grundsätzlich höhere Kurs- Gewinn-Verhältnisse für wahrscheinlich, sobald wieder etwas Ruhe am Markt einkehrt. Unterstellt man etwa vorsichtig ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13, das im August 2015 im Mittel gezahlt wurde, ergäbe sich rechnerisch ein Kursziel von rund 11.000 DAX-Punkten für das Jahresende 2015. Wenn sich die Sorge um die Schwellenländer in den kommenden Monaten als übertrieben herausstellen sollte, dann würden wir es prinzipiell durchaus auch für denkbar halten, dass das DAX-KGV wieder den bisherigen Jahresmittelwert von 13,5 erreicht damit ergäbe sich dann ein DAX-Ziel von rund 11.500 Punkten. Neben der Entwicklung in den Schwellenländern sind die nächsten Meilensteine, die für den Aktienmarkt entscheidend sein könnten, der Fed-Zinsentscheid am 17. September und die Wahlen in Griechenland am 20. September. Für die Aktienmärkte wäre es positiv, wenn die bestehenden Unsicherheiten zumindest teilweise ausgeräumt werden könnten. Darüber hinaus gilt es die Äußerungen der Europäischen Zentralbank im Auge zu behalten: Bereits in der heutigen Pressekonferenz hat Notenbankchef Mario Draghi unseres Erachtens unmissverständlich betont, dass die EZB einer wirtschaftlichen Abschwächung und damit einer geringeren Inflationsrate nicht tatenlos zusehen wird: Das bestehende Anleiheaufkaufprogramm könne angepasst, erweitert und zeitlich gestreckt werden. Wie um diesen Punkt zu unterstreichen hat der EZB-Stab seine Inflationsund BIP-Prognosen für die Eurozone nach unten revidiert, und darauf hingewiesen, dass weitere Abwärtsrisiken bestehen. Eine weitere EZB-Intervention ist damit näher gerückt. Wir halten es für wahrscheinlich, dass eine Erweiterung des Anleiheaufkaufprogramms für den Aktienmarkt ein klar positives Signal wäre. 3

Jan. 15 Feb. 15 Mrz. 15 Apr. 15 Mai. 15 Jun. 15 Jul. 15 Aug. 15 Sep. 15 Wochenausblick für die Zeit vom 7. September bis 11. September 2015 Apr Mai Jun Jul Aug Sept Veröffentlichung D: Industrieproduktion, m/m 0,7% 0, -1,2% -0,2% 07. September D: Industrieproduktion, y/y 0,6% 2,3% 0,8% 1,6% 07. September D: Handelsbilanz, Mrd. Euro 21,5 22,6 22,1 22,3 08. September E-19: Sentix 20,0 19,6 17,1 18,5 18,4 18,0 07. September MMWB-Schätzungen in rot 3,0 Chart der Woche: Währungssturm am Bosporus Wechselkurs Türkische Lira gegen US-Dollar (Türkische Lira pro US-Dollar) 2,9 2,8 2,7 2,6 2,5 2,4 2,3 2,2 Wie viele Schwellenländer hat die Türkei derzeit nicht nur mit einer schwachen Wirtschaft, sondern auch mit einer schwachen Landeswährung zu kämpfen. Die türkische Lira wertet seit Monaten kräftig ab und fällt dabei von einem Rekordtief zum nächsten. Seit Jahresbeginn verlor die Lira gegenüber dem US-Dollar rund 26% (17% gegenüber dem Euro). Zeitgleich mit der Abwertung des chinesischen Yuan Mitte August hat sich diese Talfahrt sogar noch beschleunigt: Im August verlor die türkische Währung gegenüber dem US-Dollar fast 7% an Wert. Die Gründe hierfür sind vielfältig, so belasten nicht nur außenwirtschaftliche Themen, wie die Konjunktursorgen um China oder die anstehende Zinserhöhung in den USA, sondern auch die heimische Wirtschaft schwächelt. Vor allem die für die Türkei so wichtige Tourismusbranche hat seit Jahresbeginn deutliche Einbuße verzeichnet. Ein weiterer Grund für die Talfahrt der Lira ist die politisch ungewisse Lage in der Türkei. Nachdem die Verhandlungen zur Regierungsbildung gescheitert sind, steht das Land vor Neuwahlen. Dazu kommt, dass die Regierung eine militärische Offensive sowohl gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK als auch gegen den Islamischen Staat gestartet hat. Seitdem kommt es fast täglich zu Anschlägen der PKK auf türkische Sicherheitskräfte, was wiederum Gift für die Tourismusbranche ist. Die türkische Zentralbank hob als Reaktion auf die anhaltende starke Abwertung ihrer Währung den auf die Mindestreserve gezahlten Zinssatz für kurzfristige Währungsanleihen an und erhöhte die Höchstgrenze, bis zu der die Banken Devisengeschäfte mit der Notenbank machen können. Zudem verlängerte die türkische Regierung die Schul- und Semesterferien um zwei Wochen, um den schwachen inländischen Tourismus anzukurbeln. Dieses Maßnahmenpaket wird den Abwertungstrend zwar kaum umkehren, aber könnte zumindest den Wechselkurs stabilisieren, was auch das Ziel der Zentralbank sein dürfte. 4

Stand Veränderung zum 03.09.2015 27.08.2015 31.07.2015 02.06.2015 31.12.2014 Aktienmärkte 16:41-1 Woche -1 Monat -3 Monate YTD Dow Jones 16351-1,8% -7,6% -9,2% -8,3% S&P 500 1949-2, -7,4% -7,6% -5,3% Nasdaq 4750-1,3% -7,4% -6,4% 0,3% DAX 10048-2,6% -11,1% -11,3% 2, MDAX 19370-1,4% -6,7% -5,4% 14,4% TecDAX 1677-1, -5,3% -0,8% 22,3% EuroStoxx 50 3199-2, -11,2% -10,2% 1,7% Stoxx 50 3022-2,6% -11,9% -11,4% 0,6% SMI (Swiss Market Index) 8626-2,1% -8, -6,3% -4, Nikkei 225 18095-2,6% -12,1% -11,9% 3,7% Brasilien BOVESPA 46464-2,6% -8,7% -14,3% -7,1% Russland RTS 789-1,9% -8,1% -18,9% -0,2% Indien BSE 30 25454-3, -9, -6,4% -7,4% China Shanghai Composite 3160 2, -13,7% -35,6% -2,3% MSCI Welt (in ) 1616-1,9% -10,8% -11,2% 1,9% MSCI Emerging Markets (in ) 797-1,8% -13,9% -21,9% -10,1% Zinsen und Rentenmärkte Bund-Future 153,14-60 -126 1-273 Bobl-Future 130,03-21 -28 161-25 Schatz-Future 111,25-5 -5 12 16 3 Monats $ Libor 0,33 1 2 5 8 10-jährige US Treasuries 2,19 3-1 -7 2 10-jährige Bunds 0,80 5 18 9 25 10-jährige JGB 0,37-2 -4-4 4 US Treas 10Y Performance 564,02-0,2% 0,3% 1,2% 1,1% Bund 10Y Performance 569,01-0, -1,3% -0,4% -1, REX Performance Index 469,18-0,3% -0,6% -0,3% -0,6% Hypothekenzinsen USA 3,84 0-14 -3 1 IBOXX AA, 1,39 7 18 23 50 IBOXX BBB, 2,17 6 25 37 38 ML US High Yield 7,56-10 32 105 61 JPM EMBI+, Index 695-0,3% -1,1% -1,8% 0, Wandelanleihen Exane 25 6644 0, -3,1% -3,2% 2,8% Rohstoffmärkte CRB Index 395,04 0,9% -1,4% -7,4% -11,7% MG Base Metal Index 247,43 2,3% -4,1% -14,2% -18,6% Rohöl Brent 50,97 19,1% -4,8% -21, -11,1% Gold 1134,44 1, 3,7% -4,8% -4,4% Silber 14,57 0,6% -1,7% -13,2% -7, Aluminium 1579,00 2,4% -0,2% -7,2% -13, Kupfer 5136,50-0,8% -1,6% -14,8% -19,3% Frachtraten Baltic Dry Index 906 0,1% -19,9% 53,3% 15,9% Devisenmärkte EUR/ USD 1,13-0,3% 2,6% 2, -7,3% EUR/ GBP 0,73 0,7% 3,7% 1,1% -5,4% EUR/ JPY 135,21-0,3% -0,8% -1,7% -6,9% EUR/ CHF 1,09 0,9% 2,9% 4,6% -9,6% USD/ JPY 120,33-0,6% -2,9% -3,1% 0, Carsten Klude +49 40 3282-2572 cklude@mmwarburg.com Dr. Christian Jasperneite +49 40 3282-2439 cjasperneite@mmwarburg.com Matthias Thiel +49 40 3282-2401 mthiel@mmwarburg.com Martin Hasse +49 40 3282-2411 mhasse@mmwarburg.com Dr. Rebekka Haller +49 40 3282-2452 rhaller@mmwarburg.com Diese Ausarbeitung stellt weder ein Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots dar, sondern dient allein der Orientierung und Darstellung von möglichen geschäftlichen Aktivitäten. Diese Information erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und ist daher unverbindlich. Die hierin zum Ausdruck gebrachten Meinungen können sich jederzeit ohne vorherige Ankündigung ändern. Soweit Aussagen über Preise, Zinssätze oder sonstige Indikationen getroffen werden, beziehen sich diese ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erstellung der Information und enthalten keine Aussage über die zukünftige Entwicklung, insbesondere nicht hinsichtlich zukünftiger Gewinne oder Verluste. Diese Information stellt ferner keinen Rat oder eine Empfehlung dar und ersetzt nicht eine kunden- und produktgerechte Beratung. Diese Information ist vertraulich und ausschließlich für den hierin bezeichneten Adressaten bestimmt. Jede über die Nutzung durch den Adressaten hinausgehende Verwendung ist ohne unsere Zustimmung unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien sowie sonstige Veröffentlichung des gesamten Inhalts oder von Teilen. 5