Ehrbarer Staat? Die deutsche Generationenbilanz Update 2017: Nachhaltigkeit im Klammergriff des Wahlkampfes Bernd Raffelhüschen Lewe Bahnsen Gerrit Manthei Stiftung Marktwirtschaft Forschungszentrum Generationenverträge Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Pressegespräch am 12. Juli 2017 in Berlin 1
KERNAUSSAGEN I. Leichter Positivtrend beim Schuldenabbau Nach aktuellem Stand beläuft sich die Nachhaltigkeitslücke aus expliziten und impliziten Staatsschulden für Deutschland auf 223,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (Update 2017). Umgerechnet entspricht dies der Summe von 6,8 Billionen Euro. Im Jahresvergleich hat die Nachhaltigkeitslücke leicht abgenommen (Update 2016: 230,6 Prozent des BIP). II. III. Chance vertan: Größere Anstrengungen wünschenswert Anstatt in Zeiten sprudelnder Steuerquellen mutiger zu konsolidieren und mit Weitblick Reformen zum Abbau der Nachhaltigkeitslücke anzugehen, verleiteten die hohen Steuer- und Beitragseinnahmen die Politik zum Nichtstun. Teure Versprechen: Wahlkampf auf Kosten der Zukunft Steuer- und Beitragseinnahmen in Rekordhöhe verführen die Politik in einem Wahlkampfjahr zu vollmundigen Versprechungen, zum Beispiel bei der Rente. Diese würden künftige Generationen stark belasten. Im Falle einer Zinswende kämen auf die Gebietskörperschaften weitere langfristige Kosten hinzu allein beim Bund bis zu 1,4 Billionen Euro. 2
Entwicklung der deutschen Staatsfinanzen Einnahmen, Ausgaben und Defizite/Überschüsse in Mrd. Euro, öffentlicher Gesamthaushalt (Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen) 1.500 1.400 1.300 1.200 1.100 1.000 900 800 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Defizit Überschuss Einnahmen Ausgaben Quelle: Eurostat, eigene Darstellung (Stand: April 2017). 3
Annahmen zur künftigen Entwicklung der Außenwanderung Nettozuwanderung in tausend Personen 1.200 1.000 800 600 400 200 langfristig: 150.000 Zuzüge netto 0-200 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 Status quo 2016 Status quo 2017 Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Darstellung. Ab 2016: eigene Schätzungen. 4
5
Verbesserung der Nachhaltigkeitsbilanz Nachhaltigkeitslücke (= Summe aus impliziter und expliziter Staatsschuld) in Prozent des BIP Update 2016 Update 2017 74,9% Explizite Staatsschuld Explizite Staatsschuld 71,2% 230,6% 223,7% 155,7% Implizite Staatsschuld Implizite Staatsschuld 152,6% Notwendige Erhöhung bei Steuern und Sozialabgaben um 11,0% oder Einsparung von staatlichen Leistungen um 9,2% 6,7 Billionen Euro 6,8 Billionen Euro Notwendige Erhöhung bei Steuern und Sozialabgaben um 10,2% oder Einsparung von staatlichen Leistungen um 8,7% BIP im Basisjahr 2014 = 2,916 Billionen Euro BIP im Basisjahr 2015 = 3,033 Billionen Euro 6
Der Staat weist nur ein Drittel der Schulden aus Impliziter und expliziter Teil der Staatsschulden im Zeitverlauf in Prozent des BIP 81,1% 72,9% 63,9% 75,5% 78,8% 73,0% 64,1% 64,6% 66,3% 67,6% 67,5% 68,0% 18,9% 27,1% 36,1% 24,5% 21,2% 27,0% 35,9% 35,4% 33,7% 32,4% 32,5% 31,8% 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Explizite Staatsschuld Implizite Staatsschuld 7
Implizite Schulden der Sozialversicherungen im Jahresvergleich Implizite Staatsschuld in Prozent des BIP 209,4 233,2 128,8 155,7 152,6 95,4 75,9 74,7 38,6 34,2-0,5-4,5 GRV GKV SPV Sonstige Sozialversicherungen* Sozialversicherungen Update 2016 Update 2017-53,7-80,6 Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) Öffentlicher Gesamthaushalt (= Gebietskörperschaften + Sozialversicherungen) * Die sonstigen Sozialversicherungen umfassen die Bundesagentur für Arbeit, die landwirtschaftlichen Alterskassen und die Gesetzliche Unfallversicherung. 8
Angleichung? Wieso Angleichung? Durchschnittliche Zahlbeträge der Versichertenrenten 2015 in Euro pro Monat West Ost Männer 1.040 1.124 Frauen 580 846 Quelle: Rentenversicherung in Zeitreihen 2016. 9
Wahlkampfjahr 2017 Ein Potpourri 10
KERNAUSSAGEN I. Finger weg von der Rente! Dass die Demografie das deutsche Sozialversicherungssystem vor große Herausforderungen stellt, ist mittlerweile selbst in der Politik den meisten klar geworden. Umso erstaunlicher ist es, dass trotzdem in jedem Wahlkampf aufs Neue Rentengeschenke versprochen werden. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass eine doppelte (bzw. dreifache) Haltelinie im Rentenniveau und beim Beitragssatz (sowie beim Renteneintrittsalter) lediglich populistische Ideen, nicht aber realistische Alternativen sind. II. Weitere Wahlversprechen In Zeiten sprudelnder Steuerquellen werden eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen sowie Steuersenkungen gefordert. Diese würden zwar isoliert betrachtet die Nachhaltigkeitslücke erhöhen, gingen aber mit positiven Leistungsanreizen einher und können bei intelligenter Ausgestaltung Wachstumseffekte generieren und den Wohlstand erhöhen. III. Die Zinswende wird teuer Derzeit profitiert der Bundeshaushalt über die Maßen vom niedrigen Zinsniveau. Der Anteil am Bundeshaushalt, welcher für die Zinszahlungen aufgebracht werden muss, ist im Durchschnitt der letzten Jahre nur gut halb so hoch wie der vor der Finanzkrise. Kommt die Zinswende, so könnte diese Deutschland allein aufgrund der Bundesschuld langfristig bis zu 1,4 Billionen Euro kosten. 11
Die Rente im Wahlkampf 12
Nachhaltigkeitslücke* in Prozent des BIP Haltelinien beim Rentenniveau 350% 330,2% 300% 274,9% 250% 223,7% 200% 150% 100% 50% 0% Status quo Niveau fix bei 47,9% Niveau fix bei 53,0% * Bei einem konstanten Beitragssatz von heute 18,7 Prozent. 13
Beitragssatzentwicklung* in Prozent des Arbeitsentgelts 33% 31% 29% 27% 25% 23% 21% 19% 17% Haltelinien beim Rentenniveau 15% 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 2065 2070 2075 2080 Status quo Niveau fix bei 47,9% Niveau fix bei 53,0% * Der Beitragssatz müsste sich wie dargestellt entwickeln, um langfristig die Nachhaltigkeitslücke zu schließen. 14
Rentenniveau in Prozent des Durchschnittsverdienstes 50,0% 47,5% 45,0% 42,5% 40,0% 37,5% 35,0% 32,5% Entwicklung des Rentenniveaus 30,0% 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 2065 2070 2075 2080 Status quo 15
Ergebnis: Die Quadratur des Kreises ist eben nicht möglich. 1. Stabilisierung des Rentenniveaus und. 2. Deckelung des Beitragssatzes. also 1 + 2 = doppelte Haltelinie ist nicht möglich, wenn. das Renteneintrittsalter nicht angehoben wird! 16
Nachhaltigkeitslücke in Prozent des BIP Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70* 250% 200% 223,7% 207,9% 204,7% 150% 100% 50% 0% Status quo Rente mit 70 (1 Monat pro Jahr) Rente mit 70 (2 Monate pro Jahr) * Unterstellt wird hierbei, dass die Anpassung des Renteneintrittsalters ab 2030 nahtlos an die Anpassung der Rente mit 67 anschließt. 17
27% Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre Beitragssatz in Prozent des Arbeitsentgelts 25% 23% 21% 19% 17% 15% 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 2065 2070 2075 2080 Status quo Rente ab 70 (1 Monat pro Jahr) Rente ab 70 (2 Monate pro Jahr) 18
Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre Rentenniveau in Prozent des Durchschnittsverdienstes 49% 47% 45% 43% 41% 39% 37% 35% 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 2050 2055 2060 2065 2070 2075 2080 Status quo Rente ab 70 (1 Monat pro Jahr) Rente ab 70 (2 Monate pro Jahr) 19
Steuern und Investitionen 20
mit Wachstum? mit Wachstum? Ehrbarer Staat? Die Generationenbilanz Update 2017 Nachhaltigkeitslücke in Prozent des BIP Steuersenkungen 300% 250% 223,7% 245,4% 267,1% 200% 150% 100% 50% 0% Status quo Senkung um 15 Mrd. Euro Senkung um 30 Mrd. Euro 21
mit Wachstum? mit Wachstum? Ehrbarer Staat? Die Generationenbilanz Update 2017 Nachhaltigkeitslücke in Prozent des BIP Erhöhung der Investitionsquote (Staat) 300% 250% 223,7% 243,7% 270,9% 200% 150% 100% 50% 0% Status quo (2,1%)* Investitionsquote auf 2,5% Investitionsquote auf 3,0% * Im Jahr 2016 betrugen die Bruttoinvestitionen des Staates knapp 66,8 Milliarden Euro. 22
Was wäre eigentlich, wenn. die Zinswende kommt? 23
Zinsausgaben des Bundes in Prozent der Gesamtausgaben 18% Gefahren einer Zinswende 16% 16,0% 15,5% 14,9% 14,4% 14,4% 14,4% 14,4% 14,3% 14,2% 14% 13,0% 12% 10,9% 11,1% 9,9% 10,2% 10% 8,8% 8% 6% 7,0% 7,5% 5,9% 5,8% 5,6% 6,3% 4% 2% 0% Quelle: BMF, Finanzbericht 2017, eigene Darstellung. 24
Folgen einer kommenden Zinswende Unterstellt man, dass der Bund in Zukunft wieder gut 14 Prozent seines Haushaltes für die Bundesschuld ausgeben muss, beträgt der Barwert der künftigen Zinsmehrausgaben: 1,37 Billionen Euro 25