Wie Mathematik die Modellbildung vereinfacht

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39 Peter Junglas Wie Mathematik die Modellbildung vereinfaht Auszug. Im Fah Simulationstehnik müssen ingenieuerwissenshaftlihe, physikalishe und mathematishe Kenntnisse miteinander verknüpft werden. Es bietet daher die Gelegenheit, den Studierenden zu zeigen, wie Mathematik ihre konkrete Arbeit erleihtert. Dies wird am Verfahren des Physial Modeling demonstriert, das möglih wurde aufgrund besserer Methoden zur algebraishen Vereinfahung, zur automatishen Indexreduktion und Lösung von dierentiell-algebraishen Gleihungen. Simulation einfaher mehanisher Systeme Die in ingenieuerwissenshaftlihen Anwendungen bisher meistbenutzten Simulationsprogramme basieren auf der Signalussmethode. Sie erfordern das Aufstellen der Bewegungsgleihungen, die dann mit Blokdiagrammen nahgebildet werden. Für das Beispielsystem (Abb. ) können die Studenten die Bewegungsgleihung m ẍ + x = 0 () in der Regel leiht aufstellen, auh das Beispiel 2, bei dem die Feder durh eine Reihenshaltung zweier Federn ersetzt ist, bereitet ihnen wenig Shwierigkeiten. Gröÿere Probleme maht meistens das Beispiel 3, die Reihenshaltung von Feder und Dämpfer inl. äuÿerer Anregung (Abb. 2) mit der Gleihung ṡ = b F (t) x = s + F (t) (2) 00 00 00 m 00 00 00 00 Abbildung : Beispiel F(t) b Abbildung 2: Beispiel 3

40 Sind die Gleihungen erst bekannt, ist das Erstellen eines Modells, etwa mit dem Programm Simulink [0], kein Problem, das Ergebnis für Gleihung () zeigt Abb. 3. Das Modell bildet die Dierentialgleihung ab, aber von den ursprünglihen Bausteinen (Masse, Feder) ist nihts mehr zu sehen. s v s x /m Abbildung 3: Simulink-Modell Abbildung 4: MapleSim-Modell Bei neueren, auf Physial Modeling basierenden Systemen, z. B. Maple- Sim [6], verbindet man dagegen einfah Blöke für die mehanishen Bauteile miteinander (Abb. 4-6), die Bewegungsgleihungen werden daraus automatish hergeleitet. Dazu werden eine Menge neuer mathematisher Methoden benötigt ([2], [3]), die im Folgenden vorgestellt werden. Abbildung 5: MapleSim-Modell 2 Abbildung 6: MapleSim-Modell 3 Automatishe Erzeugung der Bewegungsgleihungen Zunähst werden für jeden Anshluss an einem Baustein mehrere Variablen deniert, in den Beispielen jeweils eine Kraft f und ein Weg s. Diese Variablen werden in Potenzialvariable (hier: s) und Flussvariable (hier: f) untershieden. Letztere sind in der Regel Zeitableitungen von erhaltenen Gröÿen, für sie gilt die Konvention, dass sie bei positiven Werten in den Baustein hinein zeigen. Alle Bausteine denieren Gleihungen zwishen ihren Anshlussgröÿen und ggf. weiteren internen Gröÿen. Z. B. hat ein Masse-Blok mit den Anshlussvariablen s, f und s 2, f 2 eine interne Gröÿe v m und erzeugt die Gleihungen s = s 2 v m = ṡ 2 m v m = f + f 2

Ein Feder-Blok hat keine internen Gröÿen, seine Gleihungen sind 4 f + f 2 = 0 f 2 = (s 2 s ) Der Einspannungsblok liefert die Gleihung s = 0 Darüber hinaus werden für jeden Verbindungsknoten weitere Gleihungen generiert: Alle dort zusammenlaufenden Potenzialvariablen haben denselben Wert, die Flussvariablen addieren sih zu 0 [5]. Für das Beispiel ergeben sih damit 0 Anshlussgröÿen und eine interne Gröÿe (Abb. 7), zwishen denen folgende Beziehungen gelten: s = s 2 (a) v m = ṡ 2 (b) m v m = f + f 2 () f 3 + f 4 = 0 (d) f 4 = (s 4 s 3 ) (e) s 5 = 0 (f) f = 0 (g) s 2 = s 3 (h) f 2 + f 3 = 0 (i) s 4 = s 5 (j) f 4 + f 5 = 0 (k) Abbildung 7: Gröÿen im Beispiel Shon für dieses einfahe System erhält man Gleihungen, davon zwei Dierentialgleihungen (DGLs) für die Zustandsgröÿen s 2 und v m, sowie 9 algebraishe Gleihungen. Für ein solhes dierentiell-algebraishes System (DAE-System) existiert kein universeller Solver, stattdessen muss es in ein einfaheres System überführt werden. Dies ist hier per Hand einfah, aber bei wesentlih gröÿeren Systemen wird dazu ein hinreihend shneller Algorithmus benötigt. Sortierung der Gleihungen mit dem Tarjan-Algorithmus Zur Umformung des Systems wird der Tarjan-Algorithmus [9] verwendet, eigentlih ein Färbe-Verfahren zur Aundung von Zusammenhangskomponenten in Graphen. Im ersten Shritt wird aus dem Gleihungssystem ein

42 bipartiter Graph abgeleitet, bei dem links die Gleihungen stehen, rehts die Variablen, bei Zustandsgröÿen nur deren Ableitungen. Für jede Variable, die in einer Gleihung vorkommt, wird eine entsprehende Kante erzeugt. Das Ergebnis für Beispiel zeigt Abb. 8. Nun sollen die Gleihungen numeriert und alle Kanten rot oder blau gefärbt werden, wobei von jeder Variablen bzw. jeder Gleihung genau eine rote Kante ausgeht. Dazu suht man zunähst Gleihungen, von denen genau eine ungefärbte Kante ausgeht. Eine solhe Gleihung bekommt die kleinste unvergebene Nummer, die Kante wird rot gefärbt, alle anderen Kanten der zugehörigen Variablen blau. Nah einem Durhgang durh die Gleihungen suht man unter den Variablen solhe mit genau einer ungefärbten Kante. Diese Kante wird rot gefärbt; die zugehörige Gleihung bekommt die gröÿte freie Nummer, die andere Kanten dieser Gleihung werden blau. Nah dem Durhgang durh die Variablen beginnt man wieder bei den Gleihungen und iteriert solange, bis der Graph komplett gefärbt ist oder der Algorithmus abbriht, weil es keine einzelnen ungefärbten Kanten mehr gibt. Das Ergebnis im Beispiel zeigt Abb. 9, wobei rote Kanten gestrihelt, blaue gepunktet dargestellt sind. a f a f b s 2 b s vm' vm' d f2 9 d f2 e s2' 7 e s2' f f3 3 f f3 g s3 4 g s3 h f4 5 h f4 i s4 0 i s4 j f5 6 j f5 k s5 8 k s5 Abbildung 8: Graph für Beispiel Abbildung 9: gefärbter Graph Shlieÿlih werden die Gleihungen gemäÿ ihrer Numerierung umsortiert und jede Gleihung nah der Variablen aufgelöst, die zur roten Kante gehört. Aus den mathematishen Gleihungen werden dabei Zuweisungen im Programm:

43 s := s 2 (a) ṡ 2 := v m (b) s 5 := 0 (f) f := 0 (g) s 3 := s 2 (h) s 4 := s 5 (j) f 4 := (s 4 s 3 ) (e) f 5 := f 4 (k) f 3 := f 4 (d) f 2 := f 3 (i) v m := m (f + f 2 ) () Bedenkt man noh, dass für die Zustandsgröÿen s 2 und v m Anfangswerte gegeben sind, erkennt man, dass das umgeordnete System eine gewöhnlihe DGL darstellt, die von entsprehenden Solvern leiht gelöst werden kann. Algebraishe Shleifen Stellt man für das Beispiel 2 (Masse und zwei Federn in Reihe) alle Gleihungen auf, die durh die Bausteine und Verbindungsknoten gegeben sind, erhält man 5 Gleihungen für 2 Zustandsgröÿen und 3 algebraishe Variablen. Wendet man darauf den Tarjan-Algorithmus an, erhält man den Graphen in Abb. 0. a f a f 2 5 3 b d s vm' f2 5 b s f2 e s2' 8 d s2 f f3 0 e f3 3 4 g h i s3 f4 s4 2 3 f g s3 f4 5 j f5 2 h s4' 4 k s5 6 i f5 l f6 4 j s5' 6 2 m n o s6 f7 s7 9 k l f6 s6 Abbildung 0: Graph für Beispiel 2 Abbildung : Graph für Beispiel 3 Hier ist der Algorithmus abgebrohen, ohne dass alle Kanten gefärbt wurden; es bleiben 5 Gleihungen und 5 Variablen übrig, die alle mehrere ungefärbte Kanten haben. Sortiert man die bereits numerierten Gleihungen und löst sie nah den zugehörigen Variablen auf, ergibt sih:

44 s := s 2 ṡ 2 := v m s 7 := 0 f := 0 s 3 := s 2 s 6 := s 7 f 4 s 4 = s 3 (A) f 5 + f 6 = 0 (B) f 6 + s 5 = s 6 (C) s 4 s 5 = 0 (D) f 4 + f 5 = 0 (E) f 7 := f 6 f 3 := f 4 f 2 := f 3 v m := m (f + f 2 ) Innerhalb der Zuweisungskette gibt es nun ein System aus 5 Gleihungen mit 5 Unbekannten, das im allgemeinen (nihtlinearen) Fall etwa mit einem Newton-Solver gelöst werden kann. In der Simulationstehnik spriht man von einer algebraishe Shleife, mathematish handelt es sih um ein DAE-System vom Index. Es lässt sih von speziellern Solvern (etwa DASSL []) gut lösen. In praktishen Anwendungen werden die algebraishen Shleifen oft sehr groÿ und können tausende Gleihungen umfassen. Normale Newton-Solver werden dann sehr langsam. Daher sind zur Zerlegung riesiger Shleifen in kleinere mit sehr viel weniger Variablen spezielle Methoden entwikelt worden (Tearing-Verfahren [4]). Strukturell singuläre Systeme Das Feder-Dämpfer-System (Beispiel 3) führt auf eine neue Art von Problem. Das Gleihungssystem enthält 2 Variablen, darunter 2 Zustandsgröÿen: f = F (t) (a) f 2 + f 3 = 0 (b) f 3 = (s 3 s 2 ) () f 4 + f 5 = 0 (d) f 5 = b (ṡ 5 ṡ 4 ) (e) s 6 = 0 (f) f + f 2 = 0 (g) s = s 2 (h) f 3 + f 4 = 0 (i) s 3 = s 4 (j) f 5 + f 6 = 0 (k) s 5 = s 6 (l) Der Tarjan-Algorithmus ergibt, dass von Gleihung (l) nur eine blaue Kante ausgeht (Abb. ), sie liefert keine Variable. Eine solhe Gleihung heiÿt Nebenbedingung (Constraint). Solhe Systeme heiÿen strukturell singulär, es handelt sih um DAEs mit Index > (hier: 2), für die keine direkten Solver existieren. Physikalish ist die Ursahe im Beispiel klar: Die Gleihungen enthalten zwei Zustandsgröÿen, das Modell hat aber nur einen Freiheitsgrad.

45 Die Grundidee zur Lösung besteht darin, durh Ableiten geeigneter Gleihungen den Index des Systems auf zu reduzieren. Ein systematishes Verfahren stammt von Pantelides [8]: Zusätzlih zu den Constraints werden die im Graphen mit diesen zusammenhängenden Gleihungen bestimmt und alle durh ihre Ableitungen ersetzt. Im Beispiel heiÿt dies, dass (f) und (l) ausgetausht werden gegen ṡ 6 = 0 (f ) ṡ 5 = ṡ 6 (l ) Dies liefert die neue Zustandsgröÿe s 6 und damit einen veränderten Graphen, der sih mit Tarjan problemlos färben lässt. Bei höherem Index muss man die Methode entsprehend oft iterieren. Die neuen Gleihungen werfen allerdings auh neue Probleme auf: Da die Constraints (hier: s 6 = 0) ersetzt wurden, sind sie nur erfüllt, wenn entsprehende Anfangsbedingungen gewählt werden! Darüberhinaus sind aufwändige numerishe Triks nötig, um die Constraints im Laufe der Rehnung wenigstens näherungsweise zu erhalten. Mit der Methode der Dummy-Ableitungen [7] lässt sih diese Shwierigkeit auf elegante Weise umgehen: Die neuen Gleihungen ersetzen die alten niht, sondern werden hinzugefügt. Daduh gibt es jetzt mehr Gleihungen als Unbekannte (hier: 2). Nun werden von den Zustandsgröÿen einige ausgewählt (hier: s 5, s 6 ) und niht mehr als Zustandsgröÿen aufgefasst. Konkret heiÿt dies, dass etwa s 5 und ds 5 ṡ 5 als unabhängige Gröÿen verwendet werden. Die Variable ds 5 heiÿt Dummy-Ableitung, ihr Zusammenhang zu s 5 ergibt sih niht a priori, sondern vermöge der entsprehenden Gleihungen. Die Constraints bleiben bestehen, damit sind sie automatish erhalten, auh das Problem der Anfangswerte ergibt sih nebenbei. Shlussfolgerungen Dass die Mathematik tatsählih praktishe Erleihterungen für die Ingenieure liefert, ist den Studierenden häug niht wirklih bewusst. Hier können sie es direkt sehen: Das Simulieren mit Physial Modeling stellt in vielen Fällen eine deutlihe Vereinfahung gegenüber den herkömmlihen Methoden dar. In diesem Zusammenhang stellt sih die Frage: Welhe Mathematik brauht ein Mashinenbauer? Angesihts neuer Verfahren müssen die Mathematik-Curriula immer wieder überdaht werden.

46 Insbesondere die zunehmende Bedeutung der Simulationstehnik führte in den letzten Jahren zur Einführung der Numerishen Mathematik in die Grundausbildung. Dort werden wihtige Algorithmen wie Newtonverfahren oder DGL-Solver behandelt. Die hier vorgestellten speziellen Themen wie Graphen-Algorithmen oder DAEs gehören aber eher in die Spezialvorlesungen, wo sie im Anwendungskontext beshrieben werden können. Literaturverzeihnis [] Brenan, K.E.; Campbell, S.L.; Petzold, L.R.: Numerial Solution of Initial- Value Problems in Dierential-Algebrai Equations. SIAM, Philadelphia (996). [2] Cellier, F. E.; Elmqvist, H.: Automated formula manipulation supports objetoriented ontinuous system modeling. IEEE Control Systems, 2, 3, 28-38 (993). [3] Cellier, F. E.; Kofman, E.: Continuous System Simulation. Springer-Verlag, New York (200). [4] Elmqvist, H.; Otter, M.: Methods for Tearing Systems of Equations in Objet- Oriented Modeling. In: Pro. European Simulation Multionferene, Barelona, Spain, 326-332 (994). [5] Fritzson, P.: Priniples of Objet-Oriented Modeling and Simulation with Modelia 2.. Wiley & Son, New York (2004). [6] Maplesoft. http://www.maplesoft.om/produts/maplesim/ [7] Mattsson, S. E.; Söderlind, G.: Index Redution in Dierential-Algebrai Equations Using Dummy Derivatives. SIAM J. Si. Comput., 3, 4, 677-692 (993). [8] Pantelides, C. C.: The Consistent Initialization of Dierential-Algebrai Systems. SIAM J. Si. Stat. Comput., 2, 9, 23-23 (988). [9] Tarjan, R.: Depth-rst Searh and Linear Graph Algorithms. SIAM J. Comput., 2,, 46-60 (972). [0] The MathWorks, In. http://www.mathworks.om/produts/simulink/index.html Autor Prof. Dr. rer. nat. Peter Junglas Private Fahhohshule für Wirtshaft und Tehnik Vehta/Diepholz/Oldenburg Shlesierstraÿe 3a D-49356 Diepholz E-Mail: peter@peter-junglas.de