(Cauchysche Integralformel)

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Transkript:

H.J. Oberle Komplexe Funktionen SoSe 203 8. Die Cauhyshe Integralformel Satz (8.) (Cauhyshe Integralformel) Ist f : D C holomorph auf einem Gebiet D und ist : [a, b] D \ {z 0 } ein geshlossener, zum Punkt z 0 D homotoper stkw. C -Weg, der z 0 einmal in positivem Sinn umläuft, so gilt f(z 0 ) = 2 π i dz. (8.2) Beweis: Der Weg lässt sih innerhalb des Gebietes D \ {z 0 } auf einen Kreis r (t) = z 0 + re i t, 0 t 2 π, um z 0 mit hinreihend kleinem Radius r zusammenziehen, 6

und r sind also in D \ {z 0 } homotop. Damit folgt dz = = r = i 2 π 0 dz f(z 0 + re i t ) re i t 2π 0 ire i t dt f(z 0 + r e i t ) dt 2 π i f(z 0 ), für r 0. Da die linke Seite von r unabhängig ist, folgt dz = 2 π i f(z 0 ). 7

Bemerkungen (8.3) a) Für einen beliebigen zu z 0 homotopen Weg in D \ {z 0 } gilt dz = 2 π i Uml(, z 0 ) f(z 0 ). (8.4) b) Heuristishe Herleitung: Mit dem Taylorshen Satz gilt = f(z 0 ) + k= f (k) (z 0 ) k! ( ) k = f(z 0) + g(z); g(z) holomorph auf D, dz = f(z 0 ) dz + = 2 π i f(z 0 ) + 0. g(z) dz 8

Beispiel (8.5) Wir berehnen d z + z 2. für den rehts angegebenen Weg.. Weg: Mittels (7.0): d z + z 2 = d z (z + i) (z i) = i 2 = i 2 ( z + i z i d z z + i i 2 ) d z d z z i i y i i x = i 2 ( 2 π i) i 2 (2 π i) = 2 π. 9

2. Weg: Mittels Cauhysher Integralformel: Wir teilen die Kurve auf, = + 2, wobei die Teilkurve in Im z 0, 2 die in Im z 0 beshreibt. d z + z 2 = /(z + i) (z i) d z + 2 /(z i) (z + i) d z = 2 π i ( ) ( ) 2 π i = 2 π. i + i i i Wir notieren einige Folgerungen, die sih aus der Cauhyshen Integralformel ergeben. Folgerung (8.6) (Mittelwerteigenshaft) Ist f holomorph auf einem Gebiet D, so gilt für z 0 D, K r (z 0 ) D: f(z 0 ) = 2 π f(z 0 + r e i t ) dt. (8.7) 2 π Beweis: Folgt aus dem Beweis von (8.), Seite 7. 0 20

Folgerung (8.8) (Maximumprinzip) a) Ist f holomorph auf einem Gebiet D und besitzt ein Maximum in z 0 D, so ist f konstant. b) Ist f holomorph auf einem Gebiet D und stetig auf D, so nimmt die Funktion f ihr Maximum auf D in einem Punkt aus D an. Beweis: Ist f in einem Punkt z 0 D maximal, so gilt mit M := f(z 0 ) für jeden Kreis mit K r (z 0 ) D nah (8.7): M = f(z 0 ) 2 π 2 π 0 f(z 0 + r e i t ) dt 2 π 2 π 0 M dt = M. Daher muss durhgehend Gleihheit gelten und damit insbesondere = M für alle z mit r gelten. Damit ist f konstant auf der Kreissheibe und durh Fortsetzung dieses Verfahrens sieht man, dass f auh auf D konstant ist. 2

Mittels der Cauhy-Riemannshen Differentialgleihung folgt hieraus aber unmittelbar, dass auh f = u x + iv x identish vershwindet, und somit f konstant ist. (Übungsaufgabe!) Folgerung (8.9) (Fundamentalsatz der Algebra) Ist p(z) = n k=0 a k z k ein Polynom vom Grad n, so besitzt p wenigstens eine Nullstelle in C. Beweis: Sei also a n 0 und n. Nehmen wir, dass p keine Nullstelle besitzt, so ist f := /p auf ganz C holomorph. Nun gilt = a n z n + a n z n +... + a 0 = z n a n + a n /z +... + a 0 /z n 0 (z ) 22

Daher muss f in einem Punkt z 0 C maximal werden. Nah dem Maximumprinzip ist f somit konstant auf C und daher ist auh das Ausgangspolynom p konstant auf C. Sei also p(z) = α, z C, dann folgt für z 0: a n + a n /z +... + a 0 /z n = α/z n. Grenzwertbildung z ergibt a n = 0, im Widerspruh zur Annahme! Satz (8.0) (Taylor Entwiklung) a) Ist f auf einem Gebiet D C holomorph, z 0 G und K r (z 0 ) D, so ist f in K r (z 0 ) in eine Potenzreihe entwikelbar = k=0 a k ( ) k, < r. (8.) Insbesondere ist f auf D beliebig oft komplex differenzierbar. 23

b) a k = f (k) (z 0 ), k 0, (8.2) k! ) Für den Konvergenzradius R der obigen Taylor-Reihe gilt R sup{r > 0 : K r (z 0 ) D}. d) Verallgemeinerte Cauhyshe Integralformel: Beweis: f (n) (z 0 ) = n! 2 π i z z 0 =r Aufgrund der Cauhyshen Integralformel gilt für = 2 π i w z 0 =r dz (8.3) ( ) n+ f(w) w z d w, < r wobei der Kreis w z 0 = r einmal im positiven Sinn durhlaufen wird. Wir formen den Integranden um: 24

w z = w z 0 w z 0 (w z 0 ) ( ) = w z 0 ( )/(w z 0 ) = w z 0 f(w) w z = k=0 k=0 ( w z 0 ) k f(w) (w z 0 ) k+ () k. Da die obige Reihe auf den Kreis w z 0 = r absolut und gleihmäßig konvergiert, kann Summation und Integration vertausht werden, vgl. Satz (6.9). Wir erhalten somit = k=0 [ 2 π i w z o =r f(w) (w z 0 ) k+ d w] ( ) k. 25

Satz (8.4) (Cauhyshe Ungleihung) Sei f holomorph auf einem Gebiet D C, z 0 D und r > 0, so dass K r (z 0 ) D. Für die Koeffizienten der Taylor-Entwiklung von f um z 0 gilt dann die Abshätzung n! f (n) (z 0 ) M(r) ; M(r) := max rn. z z 0 =r Beweis: Dies ist eine unmittelbare Folgerung aus der verallgemeinerten Cauhyshen Integralformel: n! f (n) (z 0 ) = 2 π i n! f (n) (z 0 ) 2 π z z 0 =r max z z 0 =r ( ) ( n+ n+ dz ) 2 π r = M(r) r n. 26

Satz (8.5) (Liouville) Ist f : C C holomorph auf C und beshränkt, so ist f konstant. Beweis: Da f beshränkt ist, ist auh M(r) beshränkt für r ]0, [. Aus der Cauhyshen Ungleihung folgt damit für n = f (z 0 ) M(r) 0, für r. r Da z 0 C beliebig ist, vershwindet f auf ganz C. Somit ist f konstant. 27