Lernstile, Lernkultur und Alter I n n s b r u c k Folie Nr. 1
Unser Fahrplan Wiederholung Neuro (in 10 Minuten) Lernstile Lernkultur Faktor Alter TOP7 Lernstile, Lernkultur und der Faktor Alter Die neurobiologische Forschung zeigt, dass Menschen unterschiedlich lernen und jede(r) seinen/ihren eigenen Lernstil (intellectual style) hat. Dieser Lernstil ist jedoch auch geprägt von der sog. Lernkultur, also dem was man mit Unterricht verbindet. Ältere Lernende haben wie alle Lernenden einen spezifischen Lernstil, aber auch ihre Erfahrungen mit dem früheren schulischen Fremdsprachenunterricht. In diesem Seminar werden die Faktoren Lernstil und Lernkultur anschaulich vorgestellt und dann eine große Studie mit der Lerngruppe 65+ vorgestellt und diskutiert. Gen Ende werden die ebenfalls erhobenen TOP7 der Aktivierungen dieser Zielgruppe vorgestellt. Folie Nr. 2
Methoden: Neurolab; Linguistiklabor EEG, eyetracker Mediziner Urin- & Speichelmessung; kostenintensiv! Folie Nr. 3
Wie funktioniert lernen? Lernen = Aufbau von Neuronenpopulationen 100 Milliarden Neuronen; 1 Neuron bis zu 10.000 synaptische Verbindungen 100 Milliarden bereits bei der Geburt, aber nicht verknüpft Folie Nr. 4
Im Gehirn ist das Wissen in Form von neuronalen Netzen gespeichert, jede neue Information verändert die neuronale Struktur des Gehirns (-> Plastizität). Feste Wissensbestände bilden starke neuronale Netzwerke; eine neue sehr sehr leichter Verknüpfung entsteht bereits nach ca. 20 Minuten Training -> Netzwerk nach ca. einer Woche Nichtaktivierung wieder gelöscht. Folie Nr. 5
Reiz kommt, limbisches System prüft ob relevant Wenn relevant, erste schwache neuronale Verknüpfung Festigung durch Wiederholung, Mehrkanaligkeit, Emotionen Limbisches System Cortex Subkortikaler Bereich Nicht andockbare Vokabel: 20x wahrnehmen, 80mal anwenden Andere Wissensbestände abhängig von Interesse Neuronaler Umbauprozess im Schlaf, 24 Stunden, weitere Wiederholungen Folie Nr. 6
Das limbisches System (u.a. Hippocampus, Amygdala) ist das Zentrum für bewusste und unbewusste Emotionen Jeder Reiz wird hier emotional bewertet! Limbisches System Quelle: nach Spektrum der Wissenschaften Erste Hürde: das limbische System muss die Information als relevant bewerten -> zentral ist hier die Lehrperson, als auch die angekündigte Methode Folie Nr. 7
Das limbische System wird auch im Unterricht mit vielen Reizen konfrontiert. Umgangssprachlich: zum einen Ohr rein, zum anderen hinaus -> das, was vom limbischen System nicht aufgenommen wird, kann auch nicht weitergeleitet und damit gelernt werden Folie Nr. 8
Alles, was durch den Torwächter Limbisches System durchkommt, verändert die Struktur des Gehirns -> Plastizität des Gehirns -> neue Verbindungen zwischen den Neuronen! Methode xy, z.b. Stationenlernen Limbisches System Unterschiedliche Reize werden als relevant eingeschätzt Unterschiedliche Lehrpersönlichkeiten werden als motivierend eingeschätzt Unterschiedliche Methoden/Aktivitäten werden durch das limbische System anders bewertet Folie Nr. 9
Zusammenfassung Lernprozess: Emotionen Neurotransmitter-Cocktails + Motivation Ein und dieselbe Aktivität wird von Lernenden unterschiedlich bewertet! -> Lernstile und Lernkultur Folie Nr. 10
L e r n s t i l e : Unterschiede als Kontinuum zu verstehen, also z.b. bezüglich selbstgesteuertem Lernen Absolute Autonomie Vollständige Fremdsteuerung Regelgesteuert selbst entdeckend Reproduzieren kreativ tätig sein Einstellung zu Fehlern Spiele, Projekte Lehrerzentrierung Folie Nr. 11
Lernstile (auch intellectual styles) Definitionen Definition nach Grotjahn 2003: 326f.: In dieser weiten Bedeutung bezeichnet der Terminus Lernstil intraindividuell relativ stabile, zumeist situations- und aufgabenunspezifische Präferenzen (Dispositionen, Gewohnheiten) von Lernern sowohl bei der Verarbeitung als auch bei der sozialen Interaktion. Auf internationaler Ebene hat sich der Begriff des intellectual style herausgebildet: Präferenz für kognitive Komplexität, Strukturiertheit, Konformität, Autonomie und soziale Eingebundenheit bei der Bearbeitung von Aufgaben (vgl. Zhang/Sternberg 2005). Stil als Präferenz für Wege der Informationsverarbeitung und den Umgang mit Aufgaben beschreiben (vgl. Zhang/Sternberg 2005, 2; Zhang/Sternberg/Rayner 2012, 1). Folie Nr. 12
Übergeordneter kognitiver Lernstil: die Feldabhängigkeit (Witkin) Feldabhängigkeit/Feldunabhängigkeit Grad, in dem die Umwelt die Informationenaufnahme und Informationsverarbeitung beeinflusst Feldabhängig -> das Umfeld des Lernens nimmt eine wichtige Rolle ein Mag ich den Lehrenden? Ist mir die Lerngruppe sympathisch? Sind die Räumlichkeiten lernförderlich? Gefällt mir das Lehrwerk? Gefallen mir der Aufbau des Unterrichts und die Methoden? Folie Nr. 13
Feldunabhängig -> das Umfeld spielt keine zentrale Rolle Wenn ich etwas lernen möchte, ist mir das Umfeld recht egal ich kann auch mit einer weniger sympathischen Lehrkraft, einem mäßigen Lehrwerk, einer nicht zu mir passenden Lernendengruppe lernen, wenn ich intrinsisch motiviert bin ich schaffe mir dann meinen eigenen Weg zu lernen -> Bei feldabhängige Lernenden sagt das limbische System schneller: Und bei Methoden, die sie entweder nicht kennen (Lernkultur) oder ihnen weniger liegen, kommt es schneller zu Stressreaktionen -> Beispiel Misophonie Folie Nr. 14
UMFRAGEErgebnisse einer eigenen Studie Können Sie sich beim Lernen konzentrieren, wenn in Ihrer unmittelbaren Nähe jemand einen Apfel oder eine Karotte isst? Klar, wieso sollte mich das stören 30% Das ist mir noch nie aufgefallen 27% Nein, auf Dauer werde ich nervös, wenn ich dem Geräusch lauschen muss 31% Es macht mich wild, wenn ich das Geräusch höre 12% Müssen Sie vor dem Arbeiten am PC den Schreibtisch oder gar die Küche aufräumen? Ja, vor der Arbeit am Schreibtisch muss ich erst alles aufräumen Ja, sowohl Schreibtisch als auch Küche müssen aufgeräumt sein, eh ich loslegen kann Nein, der Schreibtisch sieht doch eh gleich wieder unordentlich aus Nein, ich arbeite am besten im Chaos Folie Nr. 15
Abhängig vom Lernstil möchte man Immer korrigiert werden möglichst nur indirekt korrigiert werden Möchte man eher lehrerzentrierten oder stärker lernerautonomen Unterricht Möchte man viele Tests bis hin zu keinen Tests Bevorzugt man Frontalunterricht oder aber viele Aktivitäten, inkl. Spielen Die neurobiologische Forschung zeigt, dass die Speicherleistung eine bessere ist, wenn man selbst aktiv ist und auch Regeln selbst entdeckt aber für manche Lernenden scheint die Handlungsorientierung zumindest zu Beginn eher kontraproduktiv zu sein ich möchte hier nicht spielen & raten, sondern etwas lernen -> limbisches System & Adrenalin
Lernstile sind genetisch und durch die Sozialisation geprägt -> schulische Sozialisation -> Lernkultur L e r n k u l t u r ist die Gesamtheit der für eine bestimmte Zeit typischen Lernformen und Lehrstile sowie die ihnen zugrunde liegenden anthropologischen, psychologischen, gesellschaftlichen und pädagogischen Orientierungen. (Weinert 1997: 12) Lernende haben also bestimmte Rollenvorstellungen von sich selbst, bestimmte Erwartungen an den Lehrer, an den Unterricht, an Methoden, [ ] an Inhalte, Arbeitsund Übungsformen, an Lehrmaterialien und Medien [ ] (Eßer 2006: 8) Wer einen traditionellen, eher kognitiven Zugang gewöhnt ist, lehnt aktuelle, aktivierende Aufgaben oftmals zu Beginn/dauerhaft ab! -> Limbisches System / fehlende Reizweiterleitung ABER: Lernkulturell geprägte Lernstile sind nicht statisch, also veränderbar! Folie Nr. 17
Behaviorismus Kognitivismus Konstruktivismus Digital interkultureller kommunikativ-lernerzentrierter emotionaler Ansatz Grammatik, Wortschatz, Übersetzen Grammatik- Übersetzungs-Methode + Interactive Whiteboard, Lernplattformen, PC+ Internet, Podcasts, Wissen um Emotionen, starke Handlungsorientierung, Sprachlernberatung, Portfolio, Apps Interkultureller Ansatz + interkulturelle Wahrnehmungsschulung, Videos Verzicht auf Muttersprache Sprechen, sprechen, sprechen Direkte Methode Kommunikativer Ansatz + Kommunikative Lernziele erkennen, Partner- & Gruppenarbeit, Lernerorientierung, Signalgrammatik, Kassetten Audiovisuelle/- linguale Methode + Sprachlabor, pattern drills Zeit bis 1882 1882 1960er 1980er 1990er Seit 2000 Folie Nr. 18
Alle Alterstufen: unterschiedliche Lernstile Ältere Lernende: großer Einfluss der Lernkultur / Lernbiografie Auch und ganz besonders ältere Lernende haben also bestimmte Rollenvorstellungen von sich selbst, bestimmte Erwartungen an den Lehrer, an den Unterricht, an Methoden, [ ] an Inhalte, Arbeits- und Übungsformen, an Lehrmaterialien und Medien [ ] (Eßer 2006: 8) Ziel der folgenden Studie: Einfluss der Lernbiografie/Lernkultur zu erheben Folie Nr. 19
Zur Studie Fragebogenstudie (Papierversion) Population: Teilnehmende an sog. Seniorensprachkursen Zeitraum: September 2016 bis März 2017 Anschreiben unterschiedlicher Anbieter von Sprachkursen für Senioren, u.a. Vhs überegional https://www.mrsjoyce.de/ https://www.elka-lernen.de/ (gezielt für Ältere) Uni Mainz Seniorenkurse http://www.weiterbildung-in-hamburg.de/seniorenkurse/ (keine Beteiligung der privaten Institutionen) Rücklauf: 447; nicht auswertbar: 8; N = 439 -> Zuverlässiges Ausfüllen durch die ältere Generation Auswertung mit GrafStat Folie Nr. 20
Leider nur 8 TN aus Deutschkurs Folie Nr. 21
Geschlecht: 15 ohne Angabe Folie Nr. 22
Generierung des Fragebogens - Literaturrecherche, Seniorenstudie des bvv, Gespräche mit Kursteilnehmenden - Zeitvorgabe: nicht länger als 10 Minuten - Abfrage: Sprachkurs, Geschlecht, Alter - 17 Aussagen, ungerade Likert-Skala (7 Stufen) Wie sehr stimmen Sie den folgenden Aussagen zu? sehr gar nicht; Freitextmöglichkeit: Auswertung folgt - Vorabkritik: nach Absprache wurde nicht erfragt, ob die TN mit dem Kurs zufrieden sind man erkennt jedoch an den Fragen 1, 2, 3 und 6, inwiefern die TN ihren Kurs schätzen oder aber nicht - Die Auswertung macht sehr deutlich, dass auch bei der Altersgruppe unterschiedlichste Lernstile auszumachen sind; die Lernbiografie/kultur ist jedoch ebenfalls deutlich (!?) zu erkennen Folie Nr. 23
(1) Die Themen sind so besser auf meine Interessen abgestimmt Folie Nr. 24
(2) Der Zusammenhalt in der Gruppe ist m.e. größer Folie Nr. 25
(3) Man geht mehr auf meine Methodenwünsche ein. Folie Nr. 26
(4) Es geht mit weniger Zeitdruck voran. Folie Nr. 27
(6) Die Atmosphäre ist viel entspannter. Folie Nr. 28
(7) Ich finde hier auch Freunde und Bekannte, mit denen ich mich außerhalb des Kurses treffe. (Häufiges Vorurteil, dass man Sprachkurs als Kontaktbörse betrachtet). Folie Nr. 29
Ausgesprochen spannend sind die nächsten drei Fragen, die sich mit dem intergenerationellen Lernen beschäftigen. Die in der Wissenschaft genannten Typen spiegeln sich in der Studie wider. (8) Die Anwesenheit jüngerer, macht mich nervös. Folie Nr. 30
(9) Jüngere Lernende geben mir das Gefühl, dass ich nicht schnell genug bin. Folie Nr. 31
(11) Ich brauche genaue Grammatikerklärungen (-> Lernbiografie, entdeckende GR) Folie Nr. 32
(12) Ich fühle mich sicherer, wenn wir Wörter oder Sätze auch übersetzen. (-> Lernbiografie) Folie Nr. 33
(13) Ich mag Rollenspiele im Kurs -> Notwendigkeit eines Methodenmix wird deutlich. Folie Nr. 34
(14) Ich mag kreative Aufgaben, z.b. in Gruppenarbeit Poster erstellen. Folie Nr. 35
(15) Ich mag Spiele sehr gern. Folie Nr. 36
(16) Ich mag kleine Tests, um zu überprüfen, was ich schon kann. Folie Nr. 37
(17) Hörtexte in regulären Lehrwerken sind oft zu schnell. Folie Nr. 38
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Weitere Ergebnisse: Wichtig ist vielen TN die Uhrzeit am frühen Nachmittag! Eine sehr wichtige Rolle spielt die Lehrkraft! Notwendig: noch gezieltere Vergleichsstudie mit jüngeren Lernenden Vermutung: Vorlieben sind dort ähnlich; Notwendigkeit für spezielle Seniorenkurse ergibt sich meines Erachtens vorwiegend aufgrund der gefühlten Nervosität Und eventuell aufgrund des verstärkten Übersetzungswunsches!? Und dem Fokus auf Grammatik? Folie Nr. 40
A. Aktivierende Methoden für ältere Lernende Die TOP 7 Folie Nr. 41
1. Slow--Dating (Speed-Dating mit Zeit) Sie suchen sich einen Gesprächspartner und haben dann 3 Minuten Zeit, sich zu unterhalten Thema: abgestimmt auf die Lektion (Kennenlernen; Urlaubspläne; Hobbies etc.) - Eventuell mit vorgefertigtem Fragenzettel Nach 2Minuten suchen Sie einen neuen Partner und tauschen sich aus. Thema heute: was machst du nach dem Workshop jeder trifft auf DREI Personen
2. Wahre Falsche Geschichte Schreiben Sie drei Aussagen/Geschichten aus Ihrer Jugend auf (3 Minuten) Verfassen Sie eine unwahre Aussage/Geschichte und tragen Sie reihum Ihre Aussagen/Geschichten vor, die anderen müssen erraten, welche Geschichte nicht stimmt. Folie Nr. 43
3. Jede(r) schreibt eine Aussage zu seiner Jugend auf. Die Kursleitung sammelt die Texte und verteilt sie neu. Jeder sucht nun den Partner, dessen Aussage er auf seinem Zettel hat 1960 habe ich. Nach der Schule habe ich Meinen ersten Urlaub habe ich in Ein wichtiges Erlebnis in meinem Leben war Folie Nr. 44
4. Das war ich das bin ich (Foto notwendig) dann z.b. meine Stärken heute Folie Nr. 45
5. Meine Lebenskurve Folie Nr. 46
6. Dreieck der Gemeinsamkeiten (alternativ Viereck) Es werden Kleingruppen mit je drei TN gebildet. Diese erhalten einen Papierbogen sowie 3 Stifte. An die Ecken eines vorbereiteten Dreiecks werden die Namen geschrieben. Nun suchen die TN nach Gemeinsamkeiten, die zwischen zwei TN an die Seiten, zwischen allen TN in die Mitte geschrieben werden; Besonderheiten können an den jeweiligen Ecken ergänzt werden. Am Ende des Spiels können die Plakate den anderen TN der Gruppe vorgestellt werden. Wenn Raum das zulässt Folie Nr. 47
7. Persönlichkeiten erraten / Berufe erraten Wer bin ich? Folie Nr. 48
Vielen Dank für Ihre Mitarbeit grein@uni-mainz.de www.marionneurodidaktik.wordpress.com Folie Nr. 49