LG München I, Endurteil v. 09.02.2015 35 O 3496/14 Titel: Zu den Voraussetzungen für eine wirksame Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle; Minimalanforderungen an den erforderlichen Sachvortrag Normenketten: InsO 41 Abs. 2, 45 S. 1, 103, 119, 174 Abs. 1, Abs. 2, 181, 182 BGB 274 Abs. 2 ZPO 91 S. 1, 708 Nr. 11, 711, 756, 765 Leitsätze: 1 Werden bei der Anmeldung einer Forderung zur Insolvenztabelle die Anforderungen des 174 Abs. 1 und 2 InsO nicht erfüllt, ist die Anmeldung unwirksam. (redaktioneller Leitsatz) 2 Eine unwirksame Forderungsanmeldung können nicht auf den tatsächlich bezahlten Betrag reduziert werden (Anschluss an OLG München, Urt. v. 28.10.1984-18 U 1309/13). (redaktioneller Leitsatz) Schlagworte: Forderungsanmeldung, Insolvenzschuldnerin, Insolvenztabelle, Grund und Höhe der Forderung, Unirksamkeit, keine Reduzierung Rechtsmittelinstanz: OLG München, Endurteil vom 15.06.2015 13 U 927/15 Tenor Endurteil 1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen. 2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet. Beschluss Der Streitwert wird auf 500,00 festgesetzt. Tatbestand Tatbestand Die Klagepartei begehrt die Feststellung zur Insolvenztabelle, dass ihr Insolvenzforderungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von drei Kommanditbeteiligungen an der... und... (im Folgenden: Fonds) im Insolvenzverfahren über das Vermögen der... (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) zustehen. Die Klagepartei hat sich mit Zeichnungsdatum vom 25.10.2008 am Fonds beteiligt. Der Kläger verpflichtete sich im Rahmen der Beteiligungsvariante... zur Zahlung von 5% der Beteiligungssumme in Höhe von 25.000,00 zzgl. 5% Abwicklungsgebühr und ermächtigte die Fondgesellschaft mit der Abbuchung von monatlichen Raten in Höhe von 100,00 (Anlage K 2).
Zudem beteiligte sich der Kläger im Rahmen der Beteiligungsvariante... mit einer Beteiligungshöhe von 50.000,00 zzgl. 2,5% Abwicklungsgebühr (Anlage K 2). Diese Summe war so zu erbringen, dass zuerst eine Einmalzahlung in Höhe von 50,0% der Beteiligungssumme als Ersteinlage zzgl. 2,5% der Beteiligungssumme als Abwicklungsgebühr zu zahlen waren. In der Folgezeit sollte die zweite Hälfte der Beteiligungssumme durch Ausschüttungen verrechnet werden. Diese Beteiligung wurde zu einem späteren Zeitpunkt auf eine Summe von 20.000,00 reduziert (Anlage K 2). Die Klägerin verpflichtete sich im Rahmen der Beteiligungsvariante... zur Zahlung von 5% der Beteiligungssumme in Höhe von 25.000,00 zzgl. 5% Abwicklungsgebühr und ermächtigte die Fondgesellschaft mit der Abbuchung von monatlichen Raten in Höhe von 100,00 (Anlage K 2). Die Insolvenzschuldnerin ist Gründungs- und Komplementärgesellschafterin der Fondsgesellschaft. Über ihr Vermögen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 26.04.2013... das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit drei Schreiben vom 07.06.2013 (Anlage K 4) meldete die Klagepartei Beträge in Höhe von 26.270,00, von 26.270,00 und von 21.020,00 als erstrangige Insolvenzforderungen an. Laut dieser Anmeldung stützt die Klagepartei diese Forderungen auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten und wegen der nicht anleger- und nicht anlagegerechten Beratung im Zusammenhang mit dem Beitritt zum geschlossenen... und... Den Forderungsanmeldungen lagen Kopien der Beitrittserklärungen und der Zertifikate bei. In dem Anmeldeformular war die Hauptforderung mit insgesamt 73.500,00 angegeben. Ein Betrag in Höhe von insgesamt 60,00 wurde als Kosten für die Forderungsanmeldung angegeben. Die Klagepartei behauptet, dass sie bislang insgesamt 26.718,04 auf ihre Beteiligungen gezahlt habe. Die Klagepartei ist der Ansicht, dass die Insolvenzschuldnerin ihr wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne haften würde. Der Prospekt sei fehlerhaft. Hinsichtlich der einzelnen behaupteten Prospektfehler wird auf das Vorbringen der Klagepartei Bezug genommen. Weiter sei die Klagepartei falsch beraten worden. Das Verschulden des Beraters sei der Beklagtenpartei zuzurechnen. Als Schadensersatz begehrt die Klagepartei die von ihr geleisteten Einlagen sowie den Differenzbetrag zwischen der Beteiligungshöhe zuzüglich Abwicklungsgebühr abzüglich der geleisteten Einlage als drohenden Schadensersatzanspruch. Die Klagepartei beantragt zuletzt: 1. Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der..., eine Insolvenzforderung in Höhe von 73.500,00 Zug-um-Zug gegen die Abtretung aller Rechte aus den Kommanditbeteiligungen an der... und..., Anteilsnummern 1611210, 1610643 und 1610644 im Gesamtnennwert in Höhe von 70.000,00 zusteht. 2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung zu Ziffer 1) im Verzug befindet. Hilfsweise: Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der..., Aktenzeichen Insolvenzverfahren:..., eine Insolvenzforderung in Höhe von 70.000,00 zusteht. Hilfsweise: Es wird zur Insolvenztabelle festgestellt, dass der Klagepartei im Insolvenzverfahren über das Vermögen der... Aktenzeichen Insolvenzverfahren:..., eine Insolvenzforderung in Höhe von 26.270,00 zusteht. Die Beklagtenpartei beantragt: Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Klage und auch die Hilfsanträge unzulässig seien. Die Forderungsanmeldung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Eine Zug-um-Zug-Anmeldung sei unzulässig, vielmehr sei der Wert der Zug-um-Zug-Einschränkung nach 45 Satz 1 InsO auf einen Geldbetrag zu schätzen. Zumindest seien die von der Klagepartei erworbenen Beteiligungen nicht vollkommen wertlos. Soweit ein Freistellungsanspruch geltend gemacht wird, liegt zumindest keine ordnungsgemäße Anmeldung zur Insolvenztabelle vor. Es handele sich zudem um eine aufschiebend bedingte Insolvenzforderung des Befreiungsgläubigers, bedingt durch die Erfüllung der gegenüber dem Dritten bestehenden Freistellungsverbindlichkeiten. Diesen kann die Klagepartei zumindest nicht unbedingt geltend machen. Zudem wäre nach 41 Absatz 2 InsO eine Abzinsung vorzunehmen. Zumindest sei die Klage auch unbegründet, weil keine Prospektfehler vorliegen würden und auch kein Beratungsverschulden gegeben sei. Eine Fehlerhaftigkeit des Prospekts sei nicht gegeben. Die liquiden Mittel auf dem Insolvenzanderkonto seien gerade ausreichend, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu tragen. Deshalb sei der Mindeststreitwert von 500,00 anzusetzen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 22.08.2014 auf den Einzelrichter übertragen. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 19.01.2015 wird Bezug genommen. Entscheidungsgründe Entscheidungsgründe A. Die Klage ist unzulässig. Die von der Klagepartei geltend gemachten materiellrechtlichen Ansprüche entsprechen nicht den Forderungsanmeldungen zur Insolvenztabelle. Zudem waren die von der Klagepartei vorgenommenen Anmeldungen vollständig unwirksam, weil sie die Minimalanforderungen an den erforderlichen Sachvortrag nicht erfüllen. I. Der Klage fehlt die besondere Sachurteilsvoraussetzung der Anmeldung zur Insolvenztabelle ( 181 InsO). Es kann nur dann auf die Feststellung zur Insolvenztabelle geklagt werden, wenn diese Forderung zuvor zur Insolvenztabelle angemeldet wurde. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Widerspruchsberechtigten Gelegenheit bekommen, zu der Forderung Stellung nehmen zu können. Der Inhalt der Anmeldung richtet sich nach 174 Absatz 1 und 2 InsO. Der Grund und der Betrag der Forderung sind schriftlich beim Insolvenzverwalter anzugeben. Insgesamt gelten insofern keine strengen Maßstäbe und es ist ausreichend, wenn ein Lebenssachverhalt dargestellt wird, der die Forderung als begründet erscheinen lässt. Eine rechtliche Bewertung muss nicht erfolgen. Wenn diese Anforderungen aber nicht erfüllt sind, so ist die Forderungsanmeldung unwirksam (MüKoInsO/Riedel InsO 174 Rn. 26). Denn dann sind die anderen Widerspruchsberechtigten nicht in der Lage die Forderung zu prüfen. Vor diesem Hintergrund sind die von der Klagepartei erfolgten Anmeldungen vollständig unzulässig und können auch nicht auf den von der Klagepartei tatsächlich bezahlten Betrag reduziert werden. Diesbezüglich wird auf das Urteil des OLG München vom 28.10.2014 (Az.: 18 U 1309/13) Bezug genommen. 1. Keine Zug-um-Zug-Verurteilung
Die von der Klagepartei geforderte Aufnahme einer Zug-um-Zug-Verurteilung in die Insolvenztabelle ist bereits aus Rechtsgründen nicht möglich (dazu: BGH, Urteil vom 23.10.2003, IX ZR 165/02). Die insolvenzrechtliche gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger aus der Masse kann nämlich nur dann durchgeführt werden, wenn sich die Forderungen für die Berechnung der Quote eignen. Deshalb sind nach 45 Satz 1 InsO Forderungen, die nicht auf Geld gerichtet sind oder deren Geldbetrag unbestimmt ist, mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. Wenn Zug-um-Zug-Leistungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden könnten, würde dies dem Gläubiger entgegen 45, 174 Absatz 2 InsO das insolvenzfeste Recht geben, die Beteiligung gegen den Willen des Insolvenzverwalters - wenn auch hinsichtlich des Rückzahlungsanspruchs auf die Quote beschränkt - rückabzuwickeln. Hierfür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Der Vertrag zwischen der Klagepartei und der Schuldnerin wirkt als schuldrechtliche Vereinbarung nur nach Maßgabe der 103 ff. InsO gegen die Insolvenzmasse. Diese Vorschriften sind nicht abdingbar ( 119 InsO). Die Insolvenzordnung selbst kennt in dem Feststellungs- und Verteilungsverfahren nach 174 ff. keine den 756, 765 ZPO entsprechende Regelung. 2 Unzulässigkeit des Hilfsantrags (vollständige Beteiligungssumme ohne Zug-um-Zug) Soweit die volle Zeichnungssumme geltend gemacht wird, enthält dieser Betrag nach den Ausführungen der Klagepartei auch Befreiungsansprüche. Unabhängig von der Frage, ob die Klagepartei diese Ansprüche überhaupt geltend machen kann oder ob es sich um aufschiebend bedingte Forderungen handelt, steht der klageweisen Geltendmachung bereits entgegen, dass diese Ansprüche nicht ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet wurden. Vorliegend wurde ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten und wegen der nicht anleger- und nicht anlagegerechten Beratung im Zusammenhang mit dem Beitritt zum geschlossenen Immobilienfonds.... Mit Ausnahme der beanspruchten jeweiligen Pauschale in Höhe von 20,00 für die Korrespondenz der Klägervertreter mit dem Insolvenzverwalter im Zusammenhang mit der Anmeldung wird nicht erläutert, wie sich die geltend gemachten Beträge in Höhe von 26.250,00, von 26.250,00 und von 21.000,00 zusammensetzen. Dies erschließt sich auch nicht aus den jeweils beigefügten Anlagen. Ersichtlich ist nur, dass der geltend gemachte Betrag der Beteiligungshöhe der Klagepartei entspricht. Der Forderungsanmeldung lässt sich insbesondere nicht entnehmen, dass in den vorgenannten Beträgen auch Befreiungsansprüche enthalten sein sollen, welche gemäß 45 Satz 1 InsO mit dem Schätzwert im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung angesetzt worden sind. Die Belastung mit einer Verbindlichkeit kann zwar einen zu ersetzenden Schaden darstellen. Es wird aber kein Lebenssachverhalt vorgetragen, aus dem sich ergibt, dass - und ggf. in welcher Höhe - die Klagepartei aktuell von einem Dritten im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung in Anspruch genommen wird. Ebenso wenig wird dargelegt, nach welchen Kriterien die Bewertung der behaupteten Befreiungsansprüche vorgenommen worden ist. Etwaige Befreiungsansprüche sind deshalb zumindest nicht ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet worden. 3. Unzulässigkeit des Hilfsantrags (Höhe der geleisteten Einlage) Eine Kürzung der angemeldeten Forderung um die jeweils darin enthaltenen, nicht ordnungsgemäß angemeldeten Befreiungsansprüche kommt im vorliegenden Fall schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klagepartei zwar in ihrer Klageschrift darlegt, wie hoch der von der Klagepartei gezahlte Betrag ist. Die Forderungsanmeldung hat eine derartige Erläuterung jedoch nicht enthalten. Insbesondere lässt sich der Anmeldung nicht entnehmen, ob und in welcher Höhe die Klagepartei Ausschüttungen erhalten hat, die nach der Beteiligungsvariante... mit der Einlageverpflichtung verrechnet wurden und in welcher Höhe die Klagepartei Einlagen im Rahmen der Beteiligungsvariante... geleistet hat. Weiterhin fehlt es an jeglichem Vortrag hinsichtlich der Bewertung der Befreiungsansprüche und hinsichtlich des grundsätzlich abzuziehenden Wertes der bei der Klagepartei noch vorhandenen Beteiligung. Deshalb war eine Bewertung der Forderungen der Klagepartei weder für den Insolvenzverwalter noch für andere Gläubiger möglich.
Auch daran scheitert die Möglichkeit einer anspruchserhaltenden Reduktion auf die tatsächlich geleisteten Einlagen. 4. Auslagenpauschale Dahinstehen kann, ob hinsichtlich der Auslagenpauschale in Höhe von insgesamt 60,00 eine ordnungsgemäße Forderungsanmeldung vorliegt. Mangels einer ordnungsgemäßen Anmeldung der jeweiligen Hauptforderung kann der Klagepartei auch kein Anspruch auf diese im Zusammenhang mit der Anmeldung beanspruchten Nebenforderung zustehen. 5. Unzulässigkeit des Feststellungsantrags (Verzug) Die Feststellung des Annahmeverzugs soll es der Klagepartei ermöglichen gemäß 274 Absatz 2 BGB ihren Anspruch ohne Bewirkung der Zug-um-Zug zu erbringenden Übertragung der Rechte aus der Beteiligung im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen zu können. Dafür besteht aber kein Rechtsschutzbedürfnis, da die Anmeldung einer Zug-um-Zug-Leistung zur Tabelle nicht möglich ist (s.o.). II. Die Kostenentscheidung beruht auf 91 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus 708 Nr. 11, 711 ZPO. B. Der Streitwert war gemäß 182 InsO auf 500,00 festzusetzen. Er ist auf den Wert festzusetzen, den der Gläubiger zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bei Verteilung der Insolvenzmasse zu erwarten hat. Dabei ist die voraussichtliche Quote vom Prozessgericht zu schätzen (MükoInsO/Schumacher InsO 182 Rn. 8). Maßgeblich sind insofern die Angaben des Beklagten, der als Insolvenzverwalter bestellt ist. Ihm obliegt insbesondere auch die Entscheidung, ob er die im Sachstandsbericht vom 04.03.2014 erwähnten Organhaftungsansprüche geltend machen möchte. Da dies vorliegend nicht der Fall ist, kann keine Quote für die Insolvenzgläubiger erwartet werden. Der Streitwert war deshalb auf den Mindeststreitwert von 500,00 festzusetzen. Der Vortrag der Klagepartei rechtfertigt keine andere Einschätzung, zumal die Ausführungen keinen über Vermutungen hinausgehenden Tatsachenvortrag enthalten.