Vorkurs: Grundlagen für das Mathematikstudium. Caroline Uhler

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Transkript:

Vorkurs: Grundlagen für das Mathematikstudium Caroline Uhler

Inhaltsverzeichnis 1 Logische Grundbegriffe 3 2 Elementare Mengenlehre 5 3 Relationen und Abbildungen 8 3.1 Produkte...................................... 8 3.2 Relationen...................................... 8 3.3 Abbildungen.................................... 10 4 Natürliche Zahlen 12 4.1 Peano Axiome................................... 12 4.2 Rechnen in N.................................... 13 4.3 Wohlordnungsprinzip................................ 14 4.4 Primzahlen..................................... 14 4.5 Abzählbarkeit.................................... 14 5 Beweistechniken 16 5.1 Behauptungen................................... 16 5.2 Beweistechniken.................................. 17 5.2.1 Direkter Beweis............................... 17 5.2.2 Widerspruchsbeweis (Indirekter Beweis)................. 17 5.2.3 Beweis der Kontraposition......................... 18 5.2.4 Beweis durch vollständige Induktion................... 19 5.3 Beispiele....................................... 20 6 Literatur 23 2

Kapitel 1 Logische Grundbegriffe Definition 1.1. Eine Aussage ist ein Satz, von dem man sinnvollerweise behaupten kann, dass er wahr (w) oder falsch (f) ist. Beispiel 1.2. (i) Aussagen sind: - 625 ist eine Quadratzahl. - Krokodile leben vorwiegend in der Arktis. - Am 6. September 2050 wird es in Zürich regnen. (ii) Keine Aussagen sind: - Wie spät ist es? - Der hier niedergeschriebene Satz ist falsch. Aus einfachen Aussagen lassen sich durch logische Verknüpfungen kompliziertere bilden. Dabei gibt man mit Hilfe von Wahrheitstafeln an, wie der Wahrheitswert der zusammengesetzten Aussage durch die Werte der Teilaussagen bestimmt ist. Definition 1.3. A (in Worten: nicht A ) heisst Negation einer Aussage A und ist genau dann wahr, wenn A falsch ist. A A w f f w Definition 1.4. (i) A B (in Worten: A und B ) heisst Konjunktion zweier Aussagen A und B und ist genau dann wahr, wenn sowohl A als auch B wahr sind. (ii) A B (in Worten: A oder B ) heisst Disjunktion zweier Aussagen A und B und ist genau dann falsch, wenn sowohl A als auch B falsch sind. A B A B A B w w w w w f f w f w f w f f f f Beispiel 1.5. Seien A und B Aussagen. Dann gilt: (i) ( A) = A. 3

(ii) (A B) = ( A) ( B). (iii) (A B) = ( A) ( B). Definition 1.6. (i) Die Implikation A B (in Worten: Aus A folgt B oder A impliziert B ) ist die zusammengesetzte Aussage B ( A). Dann heisst A hinreichend für B und B notwendig für A. (ii) Die Äquivalenz A B (in Worten: A gilt genau dann, wenn B gilt oder A und B sind äquivalent ) ist die zusammengesetzte Aussage (A B) (B A). Satz 1.7. (A B) ( B) A. A B A B A B w w w w w f f f f w w f f f w w Bemerkung 1.8. Die Aussage ( B) ( A) heisst Kontraposition der Aussage A B und es gilt: (A B) (( B) ( A)) Bemerkung 1.9. Weitere logische Grundbegriffe: Zeichen Bedeutung A : B A gilt definitionsgemäss, wenn B gilt a := b a ist definitionsgemäss gleich b es existiert es existiert nicht! es existiert genau ein für alle Definition 1.10. {x X : E(x)} ist die Klasse aller Elemente x der Kollektion X, welche die Eigenschaft E besitzen. Beispiel 1.11. (i) ( x X : E (x)) ( x X : E (x)) (ii) ( x X : ( y Y : E (x, y))) ( x X : ( y Y : E(x, y))) (iii) ( x X : ( y Y : E(x, y))) ( x X : ( y Y : E(x, y))) Bemerkung 1.12. x y : E(x, y) und y x : E(x, y) sind zwei verschiedene Aussagen. 4

Kapitel 2 Elementare Mengenlehre Definition 2.1. Eine Menge ist eine Zusammenfassung von bestimmten wohlunterschiedenen Objekten unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem Ganzen. [Cantor, 1895] Bemerkung 2.2. Dies ist keine mathematisch exakte Definition, sondern nur eine intuitive Beschreibung unserer Vorstellung. Die Mengentheorie beruht auf Axiomensystemen (ZFC: Zermelo/Fraenkel mit Auswahlaxiom). Definition 2.3. Seien X und Y Mengen. (i) X Y (in Worten: X ist Teilmenge von Y oder X ist in Y enthalten ) : ( x : x X x Y ). (ii) X = Y (in Worten: X ist gleich Y ) : (X Y ) (Y X). Satz 2.4. Seien X, Y und Z Mengen. Dann gilt: (i) X X (Reflexivität). (ii) ((X Y ) (Y Z)) (X Z) (Transitivität). Definition 2.5. (i) Die leere Menge ist die Menge, die kein Element enthält. (ii) Sei X eine Menge. Dann heisst P(X) := {M M X} Potenzmenge von X. Bemerkung 2.6. Sei X eine Menge. Dann gilt: (i) P(X), X P(X). Insbesondere ist P(X) nie leer. (ii) x X {x} P(X). (iii) Y X Y P(X). Beispiel 2.7. (i) P({a, b, c}) = {, {a}, {b}, {c}, {a, b}, {a, c}, {b, c}, {a, b, c}}. (ii) P( ) = { }, P({ }) = {, { }}. Definition 2.8. Sei X eine Grundmenge, A, B X zwei Teilmengen von X. Dann heisst 5

(i) die Vereinigung von A und B. A B := {x X (x A) (x B)} (ii) (iii) A B := {x X (x A) (x B)} der Durchschnitt von A und B. Gilt A B =, so sind A und B disjunkt. A\B := {x X (x A) (x / B)} das (relative) Komplement von B in A. (iv) das Komplement von A. A c := X \A Bemerkung 2.9. Sei X eine Grundmenge, A, B X zwei Teilmengen von X. Dann gilt:. A\B = A B c Satz 2.10. Sei X eine Grundmenge, A, B, C X drei Teilmengen von X. Dann gilt: (i) A B = B A, A B = B A (Kommutativität). (ii) A (B C) = (A B) C, A (B C) = (A B) C (Assoziativität). (iii) A (B C) = (A B) (A C), A (B C) = (A B) (A C) (Distributivität). Satz 2.11. Seien A und B zwei Mengen. Dann gilt: A B A B = B A B = A. Satz 2.12. Sei X eine Grundmenge, A, B X zwei Teilmengen von X. Dann gilt: (i) (A B) c = A c B c. (ii) (A B) c = A c B c. Bemerkung 2.13. Russellsche Antinomie Fregesches Komprehensionsaxiom: Zu jeder Eigenschaft E von Mengen existiert die Menge M E := {x x ist Menge und E trifft zu auf x}. 1901 entdeckte B. Russell, dass dieses Axiom zu Antinomien führt: Hierfür gilt offensichtlich der Widerspruch: M R := {x (x ist Menge) (x / x)}. M R M R M R / M R. Lösung für diese Antinomie: Beliebige (unbeschränkte) Komprehension führt zu Klassen. Erlaubt ist (ZFC-Axiomatik) beliebige Aussonderung aus bereits gegebenen Mengen. Dies bedeutet: Ist N eine Menge, E eine Eigenschaft, so ist eine Menge. N E := {x N E trifft auf x zu} N 6

Bemerkung 2.14. M R heisst Russellsche Klasse und ist keine Menge. Beispiel 2.15. Ein Barbier hängt in sein Fenster ein Schild mit folgender Aufschrift: Ich rasiere jeden Mann im Ort, der sich nicht selbst rasiert! Rasiert er sich selbst? 7

Kapitel 3 Relationen und Abbildungen 3.1 Produkte Definition 3.1. Seien A, B zwei Mengen, x, x A und y, y B. (i) (x, y) := {{x}, {x, y}} P(A B) heisst geordnetes Paar und es gilt: (x, y) = (x, y ) ((x = x ) (y = y )). (ii) Das (kartesische) Produkt von A mit B ist A B := {(x, y) P(P(A B)) x A, y B}. Bemerkung 3.2. Seien A, B zwei Mengen. Für alle x, y gilt: (x, y) A B (x A y B). Bemerkung 3.3. Sei A eine Mengen und x, y A. Dann gilt: (i) {x, y} A und {x, y} = {y, x}. (ii) (x, y) A A und im allgemeinen (x, y) (y, x). Beispiel 3.4. Sei A := {1, 2, 3}, B := {x, y}. Dann ist A B = {(1, x), (1, y), (2, x), (2, y), (3, x), (3, y)}. Satz 3.5. Seien X und Y zwei Mengen. (i) X Y = ((X = ) (Y = )). (ii) Im allgemeinen gilt: X Y Y X. 3.2 Relationen Definition 3.6. Sei M eine Menge. Eine Menge R M M heisst Relation auf M. Notation 3.7. xry : (x, y) R 8

Beispiel 3.8. Sei W die Menge aller englischen Wörter und R := {(w 1, w 2 ) W W w 1 und w 2 haben den gleichen Anfangsbuchstaben}. Konkret: all R at. Definition 3.9. Sei R eine Relation auf M. R heisst (i) reflexiv : ( x M gilt: xrx). (ii) symmetrisch : ( x, y M gilt: xry yrx). (iii) transitiv : ( x, y, z M gilt: xry yrz xrz). Erfüllt R jede dieser drei Eigenschaften, so heisst R Äquivalenzrelation auf M. Beispiel 3.10. Die Relation R W W aus Beispiel 3.8 ist eine Äquivalenzrelation. Notation 3.11. Sei R M M eine Äquivalenzrelation auf M. Wir schreiben: x R y : (x, y) R. Definition 3.12. Sei R M M eine Äquivalenzrelation auf M. Die Menge [x] := {y M y R x} heisst Äquivalenzklasse von x. Ist y [x], so heisst y ein Repräsentant von [x]. Bemerkung 3.13. Ist R eine Äquivalenzrelation auf M, so zerfällt M in paarweise disjunkte Äquivalenzklassen: Jedes Element liegt in genau einer dieser Äquivalenzklassen. Beispiel 3.14. Die Äquivalenzrelation R W W aus Beispiel 3.8 zerfällt in 26 paarweise disjunkte Äquivalenzklassen. Definition 3.15. Eine Relation R M M heisst antisymmetrisch : x, y M gilt: xry yrx x = y. Definition 3.16. (i) Eine Relation R M M heisst Ordnungsrelation auf M : R ist reflexiv, transitiv und antisymmetrisch. (ii) Ist R eine Ordnungsrelation auf M, so heisst das Paar (M, R) geordnete Menge. Beispiel 3.17. Sei M eine nichtleere Menge. Dann ist eine Ordnungsrelation auf P(M). R := {(M 1, M 2 ) P(M) P(M) M 1 M 2 } Definition 3.18. Eine Ordnungsrelation R auf M heisst linear : x, y M gilt: xry yrx. Beispiel 3.19. Sei M := R. Dann ist eine lineare Ordnungsrelation auf R. R := {(r 1, r 2 ) R R r 1 r 2 } 9

3.3 Abbildungen Definition 3.20. Seien M, N zwei Mengen. Eine Abbildung ϕ von M nach N ist eine Vorschrift, die jedem Element von M genau ein Element von N zuordnet. Wir schreiben dafür ϕ : M N, x y = ϕ(x). Bemerkung 3.21. Dies ist eine vage Definition. Was ist eine Vorschrift? Definition 3.22. Seien X, Y zwei Mengen. Eine Abbildung von M nach N ist eine Teilmenge Φ M N mit folgender Eigenschaft: x M! y N mit (x, y) Φ. Notation 3.23. (i) Wir schreiben ϕ : M N statt Φ M N und y = ϕ(x) statt (x, y) Φ. (ii) Abb(M, N) := {ϕ ϕ ist eine Abbildung von M nach N}. Definition 3.24. Sei ϕ Abb(M, N). Dann heisst M Definitionsbereich von ϕ, N Wertebereich von ϕ und ϕ(x) Bild von x unter ϕ. Definition 3.25. Sei ϕ Abb(M, N). Dann heisst (i) im(ϕ) := {y N x M mit y = ϕ(x)} Bild von ϕ. (ii) graph(ϕ) := {(x, y) M N y = ϕ(x)} Graph von ϕ. Bemerkung 3.26. Es gilt: graph(ϕ) = Φ. Definition 3.27. Sei ϕ Abb(M, N), A M, B N. Dann heisst (i) ϕ(a) := {y N x A mit y = ϕ(x)} Bild von A (unter ϕ). (ii) ϕ 1 (B) := {x M ϕ(x) B} Urbild von B (unter ϕ). Speziell: Für b N heisst ϕ 1 ({b}) Faser von ϕ über b. Bemerkung 3.28. Seien ϕ, ψ Abb(M, N). Dann gilt: ϕ = ψ (ϕ(x) = ψ(x) x M). Beispiel 3.29. (i) Die Abbildung id M : M M, x x ist die Identität (von M). (ii) Sei M N. Dann heisst die Abbildung i : M N, x x Inklusion von M in N. (iii) Seien M, N nichtleere Mengen und b N fest gewählt. Dann ist ϕ : M N, x b eine konstante Abbildung. (iv) Sei ϕ : M N eine Abbildung und es gelte A M. Dann heisst die Abbildung f A : A Y, x ϕ(x) die Restriktion von ϕ auf A. Definition 3.30. Eine Abbildung ϕ : M N heisst (i) injektiv : ( x, y M gilt: ϕ(x) = ϕ(y) x = y). 10

(ii) surjektiv : im(ϕ) = N. (iii) bijektiv : ϕ ist injektiv und surjektiv. Beispiel 3.31. (i) ϕ 1 : R R, x x 2 ist weder injektiv noch surjektiv. (ii) ϕ 2 : R 0 R, x x 2 ist injektiv, aber nicht surjektiv. (iii) ϕ 3 : R R 0, x x 2 ist surjektiv, aber nicht injektiv. (iv) ϕ 4 : R 0 R 0, x x 2 ist bijektiv. Lemma 3.32. Seien ϕ : M N, ψ : N P zwei Abbildungen. Dann existiert eine Abbildung ψ ϕ : M P, definiert durch x ψ(ϕ(x)) x M, die Komposition von ψ mit ϕ. Satz 3.33. Eine Abbildung ϕ : M N ist genau dann bijektiv, wenn es eine Abbildung ψ : N M gibt mit ψ ϕ = id M und ϕ ψ = id N. In diesem Fall ist ψ eindeutig bestimmt und heisst Umkehrabbildung zu ϕ. Notation 3.34. Ist ϕ : M N bijektiv, so wird die eindeutig bestimmte Umkehrabbildung mit ϕ 1 : N M bezeichnet. Satz 3.35. Seien ϕ : M N und ψ : N P zwei bijektive Abbildungen. Dann ist auch ψ ϕ : M P bijektiv und es gilt: (ψ ϕ) 1 = ϕ 1 ψ 1. 11

Kapitel 4 Natürliche Zahlen 4.1 Peano Axiome Definition 4.1. Eine Menge U heisst unendlich : ϕ : U U injektiv, nicht surjektiv. Axiom 4.2. Es gibt unendliche Mengen. Definition 4.3. (Peano Axiome) Eine Menge von natürlichen Zahlen ist ein Tripel (N, S, 0), das aus einer Menge N, einer Selbstabbildung S : N N und einem ausgezeichneten Element 0 N besteht und folgende Bedingungen erfüllt: 1) S ist injektiv, 2) 0 / S(N), 3) Ist M eine Teilmenge von N, für die gilt: i) 0 M, ii) S(M) M, so ist M = N. Proposition 4.4. Es existiert eine Menge von natürlichen Zahlen. Ist (N, S, 0) eine Menge von natürlichen Zahlen, so nennen wir die Elemente von N natürliche Zahlen, S die Nachfolgerabbildung und 0 die Null. Bemerkung 4.5. Die Peano Axiome können folgendermassen interpretiert werden: 1) Trifft man beim Zählen zwei Mal auf die gleiche Zahl, so hat man sich verzählt. 2) 0 als Ausgangspunkt des Zählens wird nie erreicht. 3) Dieses Axiom entspricht dem Prinzip der vollständigen Induktion Proposition 4.6. (Prinzip der vollständigen Induktion) Um eine Aussage A(n) für alle natürlichen Zahlen n zu beweisen, genügt es folgendes zu zeigen: 1) A(0) ist wahr (Induktionsanfang). 2) Wenn A(n) für irgendein n N wahr ist, so ist auch A(S(n)) wahr (Induktionsschluss). 12

Theorem 4.7. (Dedekind scher Rekursionssatz) Sei A eine Menge, a A, α : A A eine Abbildung. Dann existiert genau eine Abbildung ϕ : N A mit ϕ(0) = a und ϕ S = α ϕ. Korollar 4.8. (Einzigkeit) Seien (N, S, 0) und (N,S,0 ) zwei Mengen von natürlichen Zahlen. Dann existiert genau eine bijektive Abbildung ϕ : N N mit ϕ(0) = 0 und ϕ S = S ϕ. Also sind je zwei Mengen von natürlichen Zahlen kanonisch identifizierbar. Notation 4.9. N = {0, 1, 2,... }, wobei 1 := S(0), 2 := S(1), usw. 4.2 Rechnen in N Definition 4.10. Sei M eine nichtleere Menge. Eine Verknüpfung auf M ist eine Abbildung : M M M. Notation 4.11. a b := (a, b) M. Definition 4.12. Eine Verknüpfung : M M M auf M heisst (i) assoziativ : ( a, b, c M gilt: (a b) c = a (b c)). (ii) kommutativ : ( a, b M gilt: a b = b a). Definition 4.13. Sei H eine nichtleere Menge und eine Verknüpfung auf H. Das Paar (H, ) heisst Halbgruppe : ist assoziativ. Definition 4.14. Sei (H, ) eine Halbgruppe. Ein Element e H heisst neutrales Element : a H gilt: e a = a e = a. Proposition 4.15. Auf der Menge N der natürlichen Zahlen können auf eindeutige Weise zwei Verknüpfungen, die Addition + und die Multiplikation, sowie eine Ordnungsrelation definiert werden, so dass die folgenden Aussagen gelten: (i) Die Addition ist assoziativ, kommutativ und besitzt 0 als neutrales Element. (ii) Die Multiplikation ist assoziativ, kommutativ und besitzt 1= S(0) als neutrales Element. (iii) Es gilt das Distributivgesetz (iv) 0 n = 0 (v) N ist durch linear geordnet. (l + m) n = l n + m n l, m, n N. (vi) Zu n N gibt es kein k N mit n < k < n + 1. (vii) Die Ordnungsrelation ist monoton bezüglich +, das heisst m n m + l n + l m, n, l N. (viii) Die Ordnungsrelation ist monoton bezüglich, das heisst m n m l n l m, n, l N. 13

Satz 4.16. (Euklidischer Algorithmus oder Division mit Rest) Zu m N \{0} und n N gibt es genau ein k N und genau ein l N mit 4.3 Wohlordnungsprinzip n = k m + l und l < m. Definition 4.17. Sei (M, ) eine geordnete Menge. Ein Element m M heisst ein minimales Element für (M, ) : ( x M gilt: x m x = m) Bemerkung 4.18. Minimale Elemente können existieren, müssen aber nicht. Wenn es sie gibt, müssen sie nicht eindeutig sein. Satz 4.19. (Wohlordnungsprinzip) Die natürlichen Zahlen N sind wohlgeordnet, das heisst, jede nichtleere Teilmenge von N besitzt ein minimales Element. 4.4 Primzahlen Definition 4.20. Seien a, b Z. b 0 heisst Teiler von a : q Z mit a = q b. Notation 4.21. Ist b ein Teiler von a, so schreibt man b a (in Worten: b teilt a ). Definition 4.22. Eine Zahl p N\{0, 1} heisst Primzahl, falls für alle a, b N gilt: p (a b) (p a oder p b). Proposition 4.23. Eine Zahl p N\{0, 1} ist genau dann eine Primzahl, wenn für alle n N gilt: n p n {1, p}. Lemma 4.24. Sei n N\{0, 1}. Dann gibt es eine Primzahl p mit p n, und zwar ist der kleinste Teiler p > 1 von a eine Primzahl. Proposition 4.25. (Fundamentalsatz der elementaren Zahlentheorie) Jede natürliche Zahl n N\{0, 1} besitzt eine Darstellung n = p 1 p 2 p n als Produkt endlich vieler Primzahlen. Diese Primfaktorzerlegung ist bis auf die Reihenfolge der auftretenden Primzahlen eindeutig bestimmt. Proposition 4.26. (Satz von Euklid) Es existieren unendlich viele Primzahlen. 4.5 Abzählbarkeit Definition 4.27. Eine Menge M ist endlich : M ist nicht unendlich. Beispiel 4.28. (i) N ist unendlich. (ii) Sei m N. Dann ist N m := {n N n m} endlich. 14

Definition 4.29. Zwei Mengen M und N heissen gleichmächtig, wenn es eine bijektive Abbildung von M nach N gibt. Definition 4.30. (i) Eine Menge M heisst abzählbar : M und N sind gleichmächtig. (ii) Eine Menge M heisst überabzählbar : M ist unendlich und nicht abzählbar. Beispiel 4.31. (i) N, Z und Q sind abzählbar. (ii) R, C und P(N) sind überabzählbar. 15

Kapitel 5 Beweistechniken Beweise sind für die Mathematik existentiell. Ein Beweis besteht aus einer geschlossenen und lückenlosen Ableitung einer zuvor formulierten Behauptung aus den zugrundeliegenden Axiomen, den gegebenen Voraussetzungen und den schon bewiesenen Behauptungen. 5.1 Behauptungen Bevor man mit dem Beweisen einer Aussage beginnen kann, muss man die Behauptung verstehen. Es gibt verschiedene Arten von Behauptungen: 1) A B. A und B sind zwei Aussagen. Es ist sehr wichtig zwischen der zusammengesetzten Aussage A B und den Einzelaussagen A und B zu unterscheiden. Um zu zeigen, daß die Aussage A B immer richtig ist, können wir zwei Fälle unterscheiden. Im ersten Fall ist die Aussage A falsch. Da aber dann nach Definition 1.6 die Aussage A B immer richtig ist, egal ob die Aussage B wahr oder falsch ist, braucht man in diesem Fall nichts zu beweisen. Im zweiten Fall ist die Aussage A wahr. Dann muss aber auch die Aussage B wahr sein, um die Implikation A B wahr zu machen. Dies braucht nun einen Beweis. Das ist der Grund, warum man die Aussage A als richtig voraussetzt und unter dieser Voraussetzung dann beweist, dass die Aussage B (die Behauptung) auch richtig ist. 2) A B. Diese Aussage beweist man meist, indem man die beiden Implikationen A B und B A einzeln zeigt. 3) M = N. Die Gleichheit zweier Mengen beweist man meist, indem man die beiden Inklusionen M N und N M einzeln zeigt. 4) x M gilt A(x). Hier muss die Gültigkeit der Aussage A(x) bewiesen werden, egal welchen konkreten Wert x M annimmt. Deswegen ist hier die Voraussetzung: Sei x M ein beliebig gewähltes Element. Die Behauptung ist: Für dieses Element gilt A(x). 5) x M für das A(x) gilt. (Existenzaussage) 16

ist immer zu lesen als es gibt mindestens ein. Anderenfalls steht!. Eine Existenzaussage beweist man meist, indem man einen (geeignet konstruierten) konkreten Wert x 0 für x nennt und zeigt, dass A(x 0 ) gilt. 6)! x M für das A(x) gilt. (Existenz- und Eindeutigkeitsaussage) Hier muß man neben der Existenz eines x 0 M, welches A(x 0 ) erfüllt, auch zeigen, dass es keine weiteren Elemente y in M gibt, für welche A(y) gilt. Dies macht man meist, indem man annimmt, dass es ein weiteres Element y M gibt, für welches A(y) gilt und dann zeigt, dass y = x 0 gilt. 7) y x für das A(x) gilt. Um ein konkretes x zu konstruieren, darf man in diesem Fall y verwenden; x könnte also z.b. folgendermassen aussehen: x = y 3. 5.2 Beweistechniken Die Extraktion von Voraussetzung und Behauptung schafft Übersicht. Nun muss die Behauptung bewiesen werden. Dabei können verschiedene Beweistechniken behilflich sein. 5.2.1 Direkter Beweis Um eine Aussage der Form A B zu beweisen, verwendet man im direkten Beweis die Tatsache, dass gilt ((A C) (C B)) (A B). Um also die Gültigkeit des Satzes A B zu zeigen, wird die Aussage A B in bereits als richtig erkannte Teilaussagen (A C 1 ), (C 1 C 2 ),..., (C n B) zerlegt. Es ist hilfreich, in den Argumentationsschritten die Definitionen der Begriffe einzusetzen, die in den Aussagen vorkommen. Zudem dürfen in der Argumentation nur Sätze verwendet werden, die schon bewiesen wurden. Beispiel: Behauptung: Die Mengeninklusion ist transitiv. Beweis: Nach Definition der Transitivität ist folgendes zu zeigen: Seien M, N und P Mengen mit M N und N P. Dann gilt: M P. Die Aussage M P bedeutet definitionsgemäss: m : m M m P. Sei also m M ein beliebiges Element. Nach der Voraussetzung M N gilt: x : x M x N. Daraus folgt: m N. Nach der Voraussetzung N P gilt: y : y N y P. Daraus folgt m P. 5.2.2 Widerspruchsbeweis (Indirekter Beweis) Es soll die Wahrheit einer Implikation A B beweisen werden. Diese ist gegeben, wenn die Verneinung der Implikation, also die Aussage B A (vgl. Satz 1.7) falsch ist. Kann man eine Implikation ( B A) C zeigen, wobei C eine falsche Aussage ist, so muss B A falsch und somit A B wahr sein. 17

In der Praxis bedeutet dies: Unter der Voraussetzung A und der zusätzlichen Annahme B zieht man solange direkte Schlüsse, bis man auf einen Widerspruch C stösst. Dabei ist ein Widerspruch eine Aussage der Form Z Z. Beispiel: Behauptung: 2 ist keine rationale Zahl (oder: x 2 = 2 x ist irrational). Beweis: Annahme: 2 ist eine rationale Zahl. Dann gibt es a, b Z, so dass 2 = a/b. Wir können annehmen, dass a/b ein vollständig gekürzter Bruch ist, d.h., dass a und b teilerfremd sind. Es gilt also: 2 = a b 2 = a2 b 2 2b 2 = a 2 a 2 ist gerade a ist gerade r Z, so dass a = 2r 2b 2 = a 2 = (2r) 2 2b 2 = 4r 2 b 2 = 2r 2 b 2 ist gerade b ist gerade 2 a 2 b Das ist aber ein Widerspruch zur Annahme, dass der Bruch a/b vollständig gekürzt ist. Also ist 2 keine rationale Zahl. 5.2.3 Beweis der Kontraposition Manchmal ist es einfacher, statt der Aussage A B ihre Kontraposition B A zu beweisen. Gemäss Bemerkung 1.8 ist die Kontraposition zur gewünschten Aussage A B äquivalent. Beispiel: Behauptung: n N gilt: n 3 gerade n gerade. Beweis: Annahme: n ist ungerade. k N, so dass n = 2k + 1 n 3 = (2k + 1) 3 = 8k 3 + 12k 2 + 6k + 1 n 3 ist ungerade (da 8k 3 + 12k 2 + 6k gerade ist) 18

5.2.4 Beweis durch vollständige Induktion Dieses Beweisprinzip beruht auf Proposition 4.6 und kann angewendet werden, um Aussagen über die natürlichen Zahlen oder über andere abzählbare Mengen zu beweisen. Man kann aber niemals Aussagen über überabzählbare Mengen, wie z.b. Aussagen über die reellen Zahlen, mit vollständiger Induktion beweisen. Das Induktionsverfahren, um eine Aussage der Form A(n) ist wahr n N zu beweisen, besteht aus den folgenden Schritten: 1) Induktionsanfang: Zeigen Sie, dass die Aussage A(0) wahr ist. 2) Formulieren Sie die Induktionsvoraussetzung A(n). 3) Formulieren Sie die Induktionsbehauptung A(n + 1). 4) Induktionsschluss: Zeigen Sie, dass für beliebiges n N die folgende Implikation gilt: A(n) A(n + 1). In vielen Anwendungen ist es wichtig, den Induktionsanfang nicht bei 0, sondern bei einer Zahl n 0 N zu setzen. Durch die vollständige Induktion kann in diesem Fall gezeigt werden, dass A(n) für jedes n N, n n 0, gilt. Beispiel: Behauptung: n N, n 1 gilt: 1 + 3 + 5 + + (2n 1) = n 2. Beweis: durch vollständige Induktion. 1) Induktionsanfang bei n 0 = 1: 1 = 1 2 2) Induktionsvoraussetzung: Sei n N, n 1, und es gelte: 1+3+5+ +(2n 1) = n 2. 3) Induktionsbehauptung: 1 + 3 + 5 + + (2(n + 1) 1) = (n + 1) 2 4) Induktionsschluss: 1 + 3 + 5 + + (2(n + 1) 1) = 1 + 3 + 5 + + (2n + 1) = [1 + 3 + 5 + + (2n 1)] + (2n + 1) = n 2 + (2n + 1) (Induktionsvoraussetzung eingesetzt) = (n + 1) 2 Falsches Beispiel: Behauptung: n N, n 1 gilt: Wenn sich unter n Tieren ein Elefant befindet, dann sind alle diese Tiere Elefanten. Beweis: durch vollständige Induktion. 19

1) Induktionsanfang bei n 0 = 1: Wenn von einem Tier eines ein Elefant ist, dann sind alle diese Tiere Elefanten. 2) Induktionsvoraussetzung: Sei n N, n 1, und die Behauptung sei richtig. 3) Induktionsbehauptung: Wenn sich unter n + 1 Tieren ein Elefant befindet, dann sind alle diese Tiere Elefanten. 4) Induktionsschluss: Sei unter n + 1 Tieren eines ein Elefant. Wir stellen die Tiere so in eine Reihe, daß sich dieser Elefant unter den ersten n Tieren befindet. Nach Induktionsannahme sind dann alle diese ersten n Tiere Elefanten. Damit befindet sich aber auch unter den letzten n Tieren ein Elefant, womit diese auch alle Elefanten sein müssen. Also sind alle n + 1 Tiere Elefanten. Was ist an diesem Beweis falsch? Im Fall n + 1 = 2 kann man den Elefanten zwar so stellen, daß er bei den ersten n = 1 Tieren steht. Folglich sind alle Tiere unter den ersten n = 1 Tieren Elefanten. Aber deshalb befindet sich unter den letzten n Tieren nicht notwendigerweise ein Elefant. Der Induktionsschluß funktioniert erst für n + 1 > 2, doch die Induktionsvoraussetzung wurde nur gezeigt für n = 1. Der eigentliche Fehler des Beweises liegt also darin, daß (n + 1)/2 nicht immer größer als 1 ist. 5.3 Beispiele Das hier gelernte Handwerk reicht jedoch nicht aus, um Beweise vollständig zu führen. Kreativität ist gefragt, um die richtigen Argumente im Übergang von Voraussetzung zu Behauptung zu finden. Zudem gibt es kaum Beweise, welche nur eine Beweistechnik verwenden, sondern meist ist eine Kombination der verschiedenen Techniken gefragt. Ein Beweis ist immer eine Mischung aus Kreativität und solidem Handwerk. Im Folgenden werden wir einige Behauptungen aus den vorangegangenen Kapiteln beweisen, um die oben beschriebenen Techniken zu verdeutlichen und einzuüben. Beispiel 1: Behauptung: (Satz 3.5) Seien X und Y zwei Mengen. (i) X Y = ((X = ) (Y = )). (ii) Im allgemeinen gilt: X Y Y X. Beweis: (i) Wir müssen zwei Aussagen beweisen, nämlich die Aussage X Y = ((X = ) (Y = )) sowie deren Umkehrung. Dies deuten wir durch die Symbole und an. Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Also nehmen wir an, X Y = und die Aussage (X = ) (Y = ) sei falsch. Die Aussage (X ) (Y ) ist richtig. (nach Beispiel 1.5) x X y Y (x, y) X Y X Y 20

Dies widerspricht aber der Voraussetzung X Y =. Wir beweisen die Kontraposition der Aussage ((X = ) (Y = )) X Y =. Sei also X Y. (x, y) X Y x X y Y (X ) (Y ) ((X = ) (Y = )) (ii) Wir geben ein Gegenbeispiel an: Sei X := {1, 2} und Y := {a}. Dann gilt: X Y Y X. Beispiel 2: Behauptung: (Proposition 4.26) Es gibt unendlich viele Primzahlen. Beweis: Wir führen einen Widerspruchsbeweis. Also nehmen wir an, dass es nur endlich viele Primzahlen p 1,..., p n gibt. Wir bilden die Zahl x := p 1 p 2... p n + 1. x ist keine Primzahl, da x > p j, j = 1,..., n. Primzahl, die x teilt. (nach Lemma 4.24) i {1,..., n} mit p i x k N mit p i k = x = p 1 p 2... p n + 1 p i (k p 1... p i 1 p i+1... p n ) = 1 p i 1 Dies ist aber ein Widerspruch dazu, dass p i eine Primzahl ist. Beispiel 3: Behauptung: (Proposition 4.16) Zu m N\{0} und n N gibt es genau ein k N und genau ein l N mit n = k m + l und l < m. Beweis: (a) Wir verifizieren zuerst die Existenzaussage. Dazu wählen wir m N\{0} beliebig und setzen N := {n N k, l N mit n = k m + l, l < m}. Durch vollständige Induktion werden wir nun zeigen, dass N = N gilt, was die Existenzaussage beweist. 1) Induktionsanfang: 0 N, da 0 = 0 m + 0. 2) Induktionsvoraussetzung: Sei n N. k, l N mit n = k m + l, l < m. 3) Induktionsbehauptung: n + 1 N. 21

4) Induktionsschluss: n + 1 = (k m + l) + 1 = k m + (l + 1). Nun müssen wir zwei Fälle unterscheiden: - Fall I: Ist l + 1 < m, so ist n + 1 N. - Fall II: Ist l + 1 = m, so ist n + 1 = k m + m = (k + 1) m + 0 N. Somit gilt also N = N. (b) Um die Eindeutigkeit zu beweisen, nehmen wir an, es seien m N\{0} und k, k, l, l N mit k m + l = k m + l und l < m, l < m, gegeben. Zudem können wir annehmen, dass l l gelte. Der Fall l l kann analog behandelt werden. l l k m + l = k m + l k m + l k m k m k k Es gilt auch: l < m k m k m + l = k m + l < k m + m = (k + 1) m k < k + 1 Also erhalten wir: k k < k + 1. Nach Proposition 4.15(vi) ist dies nur für k = k möglich. Daraus folgt auch l = l und somit die Eindeutigkeit. 22

Kapitel 6 Literatur [1] H. Amann, J. Escher, Analysis I, Birkhäuser Verlag 2002. [2] O. Deiser, Einführung in die Mengenlehre, Springer Verlag 2002. [3] K. Fritzsche, Mathematik für Einsteiger, Spektrum Akademischer Verlag, 1995. 23