Axiomatische Mengenlehre

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Transkript:

Axiomatische Mengenlehre Die Wahl von Axiomen für ein Gebiet ist nicht völlig beliebig. Zumeist steht im Hintergrund die Absicht, damit gewisse Theoreme beweisen zu können. Darüber hinaus sollte die Anzahl von Axiomen nicht zu umfangreich sein, das Axiomensystem sollte einfach und transparent sein, und jedes Axiom sollte auch eine intuitive Bedeutung haben. In den folgenden Kapiteln wird das Axiomensystem von Zermelo-Fraenkel vorgestellt, sowie die Rolle des Auswahlaxioms diskutiert. Des weiteren werden (mit Hilfe des Auswahlaxioms) Kardinalzahlen eingeführt, welche die Mächtigkeit von Mengen beschreiben. Die folgenden Axiome der Mengenlehre werden etwas abweichend vom Buch von Cameron aufgeführt. In der Sprache 1. Ordnung kommt ein einziges zweistelliges Relationssymbol vor (die Enthaltensein-Relation). Dies wird üblicherweise in der Form x y (statt etwa (x, y) R) geschrieben. Für die einfachere Lesbarkeit wurde die Klammernsetzung liberal gehalten. Axiome der Mengenlehre (nach Zermelo-Fraenkel) (ZF 1) (Existenz von Mengen) ( x)(x = x) (ZF 2) (Extensionalität) ( x)( y) (x = y ( z)(z x z y)) Bemerkung. Dies besagt, dass zwei Mengen gleich sind wenn sie dieselben Elemente haben. Des weiteren folgt daraus, dass es höchstens eine Menge geben kann, die kein Element enthält. 1

(ZF 3) (Paarmengenaxiom) ( x)( y)( z)( u) (u z u = x u = y) Bemerkung. z ist die Menge, welche x und y als Elemente enthält. Mit x = y folgt aus (ZF 3), dass {x} eine Menge ist. Eine weitere Anwendung liefert, dass {x, {x}} eine Menge ist. Damit kann in weiterer Folge das geordnete Paar (x, y) = {{x}, {x, y}} definiert werden. (ZF 4) (Aussonderungsschema) Für jede Formel ϕ(x), in der y nicht frei vorkommt, ( z)( y)( x) (x y x z ϕ(x)) Bemerkung. Die Menge y, die aus allen x aus z besteht, die ϕ(x) erfüllen, wird mit {x z : ϕ(x)} bezeichnet. Ist a irgendeine Menge, dann ist damit {x a : (x = x)} eine Menge, die leere Menge. Sie ist nach (ZF 2) eindeutig bestimmt und hängt nicht von a ab. Sie wird mit bezeichnet. Des weiteren kann gezeigt werden, dass es keine Menge gibt, die alle Mengen enthält, i.e. (( z)( x) x z) (Angenommen, es gibt eine Menge a mit ( y) y a. Ist ϕ(x) die Formel x / x (genauer (x x)), dann existiert b = {x a : x / x}. Wegen b a genau dann wenn b / a erhalten wir einen Widerspruch.) Bemerkung. Man schreibt in der Regel x y als Abkürzung für z (z x z y). x y bedeutet x y x y (Teilmenge bzw. echte Teilmenge). (ZF 5) (Vereinigungsaxiom) ( x)( y)( z) (z y ( u) (u x z u)) Bemerkung. Dies ist die Vereinigung x = {z : u (u x z u)}. Für x wird der Durchschnitt von x als Menge derjenigen z definiert, 2

für die gilt u (u x z u). Dieser Durchschnitt wird mit x bezeichnet. Man setzt =. (ZF 6) (Potenzmengenaxiom) ( x)( y)( z) (z y z x) Bemerkung. Dies liefert die Potenzmenge Px von x. Damit kann nun das kartesische Produkt x y von zwei Mengen x und y als Teilmenge von P(P(x y)) definiert werden. Aus P(P(x y)) sondere man jene Menge aus, die durch die Formel ϕ(z) beschrieben wird, die aussagt, dass z ein geordnetes Paar (u, v) ist mit u x und v y. In weiterer Folge können dann Relationen und Funktionen sowie Bild und Urbild einer Funktion erklärt werden. (ZF 7) (Ersetzungsschema) Für jede Formel ϕ(x, y), in der y nicht frei vorkommt, und einer Menge a ( x a) ( 1 y) ϕ(x, y) ( z) ( x a) ( y z) ϕ(x, y) Bemerkung. Dieses Axiom sichert, dass für jede Funktion F, die durch eine Formel repräsentiert werden kann, für jede Menge a auch alle y für welche es ein x a gibt mit F (x) = y, eine Menge bilden. Wir erhalten dabei nur dann neue Mengen, wenn durch ϕ(x, y) eine Funktion repräsentiert wird, die keine Menge ist. (ZF 8) (Fundierungsaxiom) ( x) (x ( y x) ( z x) z / y) Bemerkung. Damit wird sicher gestellt, dass sich keine Menge selbst als Element enthalten kann. (Sei y eine Menge. Wegen (ZF 3) ist dann x = {y} eine Menge, welches 3

y als einziges Element enthält. Mit (ZF 8) ist dann y x =. Wegen y x kann nicht y y gelten.) Des weiteren kann es keine endliche Menge {a 0,..., a n 1 } geben mit a 0 a 1... a n 1 a 0. (ZF 9) (Unendlichkeitsaxiom) ( x) ( x ( u)(u x {u} x)) Bemerkung. Mit der Bezeichnung s(a) = a {a} heisst dies, dass falls a x dann auch s(a) x. Ist nun a x, dann sind die s(a), s(s(a)),... Elemente von a und nach dem Fundierungsaxiom voneinander verschieden. Damit ist x unendlich. Eine Menge a heisst auch induktiv wenn a b a (s(b) a). Der Durchschnitt einer beliebigen nichtleeren Familie von induktiven Mengen ist ebenfalls eine induktive Menge. Somit gibt es eine kleinste induktive Menge. Diese wird mit ω bezeichnet. (AC) (Auswahlaxiom) Jede Menge von nichtleeren Mengen hat eine Auswahlfunktion, i.e. zu jeder Menge A mit A und / A gibt es eine Funktion, die auf A definiert ist und f(a) a für jedes a A. Bemerkung. Wenn A nur ein Element besitzt, i.e. A = {a}, sei b a. Dann ist {(a, b)} eine Auswahlfunktion (f(a) = b). Analoges gilt, wenn A nur endlich viele Elemente besitzt. Weiters kann die Existenz einer Auswahlfunktion gezeigt werden, wenn A wohlgeordnet ist. (Stets muss natürlich gelten / a.) Aus den ersten 9 Axiomen folgt allerdings nicht, dass für jede Menge von nichtleeren Mengen eine Auswahlfunktion existiert. Definition. Die Axiome (ZF 1) - (ZF 9) werden zusammengefasst mit ZF bezeichnet. Die Ergänzung mit (AC) liefert ZFC. 4

Bemerkung. Das Fundierungsaxiom ist gleichbedeutend zur Aussage, dass es keine unendlichen absteigenden Ketten... x 2 x 1 x 0 (bzgl. der Enthaltenseinrelation) geben kann. Dies ist allerdings ein Metatheorem, weil die Nicht-Existenz einer derartigen Kette nicht in Form einer Formel 1. Ordnung dargestellt werden kann. Angenommen, eine derartige Kette existiert. Sei x = {x n : n N}. Ist y irgendein Element von x, dann ist y = x n für ein gewisses n, und damit ist x n+1 y x, ein Widerspruch zum Fundierungsaxiom. Angenommen, das Fundierungsaxiom gilt nicht, dann gibt es eine Menge x und für alle y x ist x y. Setze x 0 = x, und wähle induktiv x n+1 x x n. Diese Elemente bilden eine unendliche absteigende Kette. (Mittels Induktion wird zudem auch gezeigt, dass x n x für alle n ) (Man beachte, dass in dieser Argumentation das Auswahlaxiom verwendet wird) 5