1 Die natürlichen Zahlen und vollständige Induktion

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1 Die natürlichen Zahlen und vollständige Indution 1.1 Einführung Mit Æ bezeichnen wir die Menge der natürlichen Zahlen Æ = {1,2,3,...}. Manche Autoren lassen die natürlichen Zahlen auch mit der Null beginnen, wir schreiben dafür Æ 0 = {0,1,2,...} = Æ {0}. Wir wollen die folgende Formel für die Summe der ersten n ungeraden Zahlen beweisen (A n 1+3+5+...+(2n 1 = n 2, n = 1,2,3,... Für n = 1 erhalten wir auf der linen Seite 1 und auf der rechten 1 2 = 1. Überprüfen wir ferner den Fall n = 2: Lins steht 1 + 3 = 4 und rechts 2 2 = 4. Da wir auch den Fall n = 3 leicht im Kopf berechnen önnen, ist die Formel also für n = 1,2,3 richtig. Ein Physier wäre mit diesem Argument vielleicht schon zufrieden und würde hieraus ühn auf die Richtigeit von (A n für alle n folgern. Wir nennen dies einen Indutionsschluss, weil eine allgemeine Behauptung durch Nachweis von endlich vielen Fällen aufgestellt wird. Dem Physier bleibt freilich nichts anderes übrig: Er ann ein von ihm postuliertes Gesetz nur in endlich vielen Fällen experimentell nachweisen, obwohl es in unendlich vielen Fällen gültig sein soll. In der Mathemati muss die Behauptung (A n dagegen für jedes n bewiesen werden. Bei der Überprüfung von (A n ann man auf bereits Berechnetes zurücgreifen: (1.1 1+3+5 = (1+3+5 = 4+5 = 9 1+3+5+7 = (1+3+5+7 = 9+7 = 16 1+3+5+7+9 = (1+3+5+7+9 = 16+9 = 25 Wie wir gleich sehen werden, ann man hieraus einen vollständigen Beweis machen, es fehlt nur noch ein Schema, das diese Rechnung allgemeingültig macht. Wir önnen (A 1,(A 2,... mit Hilfe des Prinzips der vollständigen Indution beweisen. Dazu beweist man zwei Dinge: (i (A 1 (=Indutionsanfang oder Indutionsveranerung, (ii (A n (A n+1 für alle n Æ (=Indutionsschritt. Der Beweis von (A 1 ist nichts anderes als dass man nachrechnet, dass (A 1 eine wahre Aussage ist, was wir bereits getan haben. Der zweite Schritt lässt sich so interpretieren: Unter der Voraussetzung, dass wir schon wissen, dass die Indutionsvoraussetzung (A n richtig ist, önnen wir auch die Richtigeit von (A n+1 nachweisen. Warum ist mit diesen beiden Schritten tatsächlich der Nachweis von (A n für jedes n Æ erfolgt? Wir betrachten den unendlich langen Zug in Abbildung 1. Die Aussage (A n ist richtig soll in diesem Bild bedeuten Der Waggon n fährt. Wir nehmen zunächst an, dass die Waggons nicht miteinander geoppelt sind. Wenn also (A 1 bewiesen ist, so fährt die Loomotive los allerdings allein, weil nichts aneinandergeoppelt ist. Haben wir (A 1 (A 2 bewiesen, so haben wir die Wahrheit von (A 2 an die Wahrheit von (A 1 geoppelt: Mit (A 1 wahr, ist auch (A 2 wahr. Fährt die Loomotive los, so auch Waggon 2. Im Indutionsschritt sind sogar alle Waggons miteinder geoppelt. Fährt nun die Loomotive aufgrund der Indutionsveranerung los, so auch der unendlich lange Zug. Nun önnen wir (A n beweisen. (A 1 ist ja richtig. Zum Nachweis von (A n+1 dürfen wir nun (A n verwenden. Wir schauen (A n+1 tief in die Augen und ommen dann mit dem gleichen 1

1 2 3 Abbildung 1: Der Indutionszug Verfahren wie bei (1.1 auf 1+3+...+(2n 1+(2(n+1 1 ( = 1+3+...+(2n 1 +(2(n+1 1 Damit ist (A n+1 bewiesen. = n 2 +(2(n+1 1 = n 2 +2n+1 = (n+1 2. Es sei darauf hingewiesen, dass bei der wahren Impliation Wenn es regnet, ist die Straße nass weder etwas über Regen noch über eine nasse Straße ausgesagt wird. Genauso sagt (A n (A n+1 für sich alleine genommen weder etwas über (A n noch über (A n+1 aus. Die Schlussweise, die wir zum Nachweis der Korretheit der vollständigen Indution anwenden, heißt modus ponens und lässt sich so darstellen: Wenn es regnet, dann ist die Straße nass A B Es regnet A - Die Straße ist nass B Der Beweis von (A n baut sich schrittweise auf: (A 1 ist die Indutionsvoraussetzung, dann wird der Indutionsschritt für n = 1 angewendet, also ist (A 1 (A 2 ebenfalls bewiesen, nach dem modus ponens daher auch (A 2. Durch fortgesetzte Anwendung des Indutionsschritts begleitet vom modus ponens erhält man den Beweis von (A n für alle n. 1.2 Bernoulli-Ungleichung Das Prinzip der vollständigen Indution lässt sich auf vielfältige Weise verallgemeinern. Ist beispielsweise (A n eine Aussage, die für alle n n 0 definiert ist für ein n 0 Æ 0, so haben wir mit (i (A n0, (ii (A n (A n+1 für alle n n 0, die Aussage (A n für alle n n 0 bewiesen. In diesem Fall hat die Loomotive nur einen anderen Namen beommen, nämlich n 0, an der Strutur des Zuges hat sich nichts geändert. Mit diesem verallgemeinerten Indutionsprinzip beweisen wir Satz (Bernoulli-Ungleichung Für jede reelle Zahl a 1 und für jedes n Æ 0 gilt (B n (1+a n 1+na. Beweis: In diesem Fall önnen wir die Indution mit n 0 = 0 veranern, denn (1+a 0 = 1. Für n 0 gilt unter Verwendung der Indutionsvoraussetzung (B n (1+a n+1 = (1+a n (1+a (1+na(1+a = 1+na+a+na 2 1+(n+1a. 2

1.3 Die Fibonacci-Zahlen Die Fibonacci-Zahlen F n sind definiert durch die Anfangsvorgaben sowie durch die Reursion F 0 = 0, F 1 = 1, F n+1 = F n +F n 1 für alle n Æ. Wir beommen die Folge F 0,F 1,... der Fibonacci-Zahlen, indem wir die letzte Formel suzessive für n = 1,2... anwenden. Für n = 1 ergibt sich also F 2 = F 1 + F 0 = 1 + 0 = 1. Allgemeiner ist jede Fibonacci-Zahl die Summe ihrer beiden Vorgänger. In der Definition haben wir also ein verallgemeinertes Indutionsprinzip ennengelernt: Da jede Fibonacci-Zahl F n+1 von ihren beiden Vorgängern F n,f n 1 abhängt, benötigen wir zwei Indutionsanfänge F 0 und F 1. Damit sind die Fibonacci-Zahlen für alle natürlichen Zahlen definiert und lassen sich, da nur die beiden vorherigen Fibonacci-Zahlen addiert werden müssen, leicht hinschreiben: F 0 = 0, F 1 = 1, F 2 = 1, F 3 = 2, F 4 = 3, F 5 = 5, F 6 = 8, F 7 = 13, F 8 = 21, F 9 = 34. Erfunden hat die Fibonacci-Zahlen der Mathematier Leonardo von Pisa (ca 1170-1240, der später Fibonacci genannt wurde. Mit den Fibonacci-Zahlen soll die Kaninchenaufgabe gelöst werden, also wie viele Kaninchen im Laufe einer Zeitspanne aus einem Paar entstehen. Es wird angenommen, das jedes Paar allmonatlich ein neues Paar in die Welt setzt, das wiederum nach zwei Monaten ein weiteres Paar produziert. Man nimmt also an, dass die neugeborenen Kaninchen nicht sofort geschlechtsreif sind. Todesfälle werden nicht berücsichtigt. Hat man im ersten Monat ein neugeborenes Paar (N, so im zweiten Monat ein geschlechtsreifes Paar (G und im dritten Monat 2 Paare, nämlich 1N+1G. Im 4. Monat hat man 3 Paare, nämlich 1N+2G. Bezeichnet man mit F n die Anzahl der Kaninchenpaare im Monat n, so ommen im Monat n+1 gerade F n 1 hinzu: F n+1 = F n + F n 1 Paare in n+1 Paare in n geschlechtsreife Paare in n Wäre jedes neugeborene Paar sofort geschlechtsreif, so hätte man stattdessen die Reursion F n+1 = 2F n, was eine Verdoppelung der Paare in jedem Monat bedeuten würde. Die Berücsichtigung der Geschlechtsreife führt dagegen zu einem langsameren Wachstum der Population, nämlich F 6 F 5 = 8 5 = 1,6, F 7 F 6 = 13 8 = 1,625, F 8 F 7 = 21 13 = 1,615..., F 9 = 34 F 8 21 = 1,619..., F 10 = 55 F 9 34 = 1,617... Das sieht recht geheimnisvoll aus: Die Quotienten scheinen um einen nicht offensichtlichen Wert zu oszillieren, der in der Nähe von 1,618 liegt. Nun wollen wir die verwandte Frage disutieren, für welche positiven Zahlen a die Abschätzung F n a n für alle n Æ 0 richtig ist. Um erst einmal die Strutur des Beweises zu verstehen, machen wir es uns einfach und beweisen die Aussagen (D n F n 2 n für alle n Æ 0. Wir wollen das Indutionsprinzip verwenden, haben aber Schwierigeiten, weil in F n+1 = F n +F n 1 sowohl F n als auch F n 1 vorommen. Wir zeigen daher (i (D 0 und (D 1 (=Indutionsanfang, 3

(ii (D n 1,(D n (D n+1 für alle n Æ (=Indutionsschritt. Wir önnen leicht durchprobieren, dass damit die Behauptung für alle n Æ 0 bewiesen ist. (D 0 und (D 1 sind nach dem ersten Schritt richtig. Zum Beweis von (D 2 setzen wir im zweiten Schritt n = 1, und erhalten, da (D 0 und (D 1 richtig sind, die Behauptung (D 2. Für die größeren n geht das ganz genauso. Der Beweis von (D 0 und (D 1 ist F 0 = 0 1 = 2 0, F 1 = 1 2 = 2 1. Zum Nachweis von (D n+1 dürfen wir die Indutionsvoraussetzung verwenden. Demnach gilt F n 2 n, F n 1 2 n 1 (1.2 F n+1 = F n +F n 1 2 n +2 n 1 2 2 n = 2 n+1. Damit ist (D n+1 bewiesen. Kommen wir nun zur Ausgangsfrage zurüc, für welche a > 0 die Abschätzung F n a n für alle n in Æ 0 richtig ist. Gleichzeitig soll hier gezeigt werden, dass mit dem Prinzip der vollständigen Indution nicht nur vermutete Aussagen bewiesen, sondern auch völlig neue Erenntnisse hergeleitet werden önnen, wenn man mit dem Prinzip reativ umgeht. Der Beweis der neuen Aussage läuft genauso wie vorher. Der Indutionsanfang F 0 a 0 und F 1 a ist für jedes a 1 richtig. Die Hauptschwierigeit ist der Schritt (1.2, den wir ganz analog durchführen wollen: F n+1 = F n +F n 1 a n +a n 1! a n+1. Das Ausrufezeichen bedeutet hier, dass wir diejenigen a herausfinden müssen, für die a n +a n 1 a n+1 richtig ist. Da a 1 wegen des Indutionsanfangs, önnen wir hier ürzen und erhalten (1.3 a+1 a 2 und somit a Φ = 1 5 2 + 2 = 1.618033..., was im Einlang mit den obigen Untersuchungen von F n+1 /F n steht. Die Zahl Φ heißt goldener Schnitt und löst folgendes Problem: Gesucht ist das Verhältnis der Seitenlängen a, b eines Rechtecs mit a b = a+b lange Seite Summe der Seiten =. a urze Seite lange Seite Mit Φ = a/b folgt hieraus Φ = 1 + Φ 1 und Φ 2 = Φ + 1, was gerade die mit (1.3 verbundene quadratische Gleichung ist. 4

1.4 Mächtigeit der Potenzmenge Für jede Menge A gilt A und A A, letzteres ist Bestandteil der Definition der Teilmenge. A ist ebenfalls eine Konsequenz aus der Definition der Teilmenge, B A x (x B x A Auf der rechten Seite trifft die Voraussetzung x B auf die leere Menge nie zu, sie ist also immer falsch. Aus der Wahrheitstafel für die Impliation folgt jedoch, dass die Impliation auf jeden Fall wahr ist, wenn die Voraussetzung falsch ist. Die Menge A 2 = {1,2} besitzt daher die Teilmengen,{1},{2},{1,2}. Die Potenzmenge P(A einer Menge A ist definiert als die Menge aller Teilmengen von A, daher P({1,2} = {,{1},{2},{1,2} }. Wir wollen die Anzahl der Teilmengen der Menge A n = {1,2,...,n} bestimmen. Dazu bietet sich vollständige Indution über n an, allerdings müssen wir erst einmal wissen, was wir beweisen sollen die Indution sagt uns das ja nicht. Durch Probieren stellen wir zunächst eine Hypothese auf: A 1 :,{1} 2 A 2 :,{1},{2},{1,2} 4 A 3 :,{1},{2},{3},{1,2},{1,3},{2,3},{1,2,3} 8 Die Vermutung ist also: A n besitzt 2 n Teilmengen. Für n = 1 ist die Behauptung richtig (=Indutionsanfang. Sei 2 n die Anzahl der Teilmengen von A n (=Indutionsvoraussetzung. Die Beweisidee bei solchen ombinatorischen Problemen ist die Struturierung der zu zählenden Objete nach dem Motto Teile und Herrsche. Wir zerlegen die Teilmengen von A n+1 in zwei Gruppen: I : Teilmengen, die n+1 nicht enthalten, II : Teilmengen, die n+1 enthalten. Gruppe I enthält genau die Teilmengen von A n, das sind nach Indutionsvoraussetzung 2 n. In den Teilmengen von Gruppe II önnen wir das Element n + 1 weglassen und wir erhalten eine Teilmenge von A n. Umgeehrt önnen wir jede Teilmenge von A n durch Anfügen von n + 1 zu einer Teilmenge von Gruppe II machen. Damit enthält auch Gruppe II genau 2 n Teilmengen, zusammen also 2 n +2 n = 2 n+1, wie zu beweisen war. Wir haben damit gezeigt: Satz Die Anzahl der Teilmengen einer n-elementigen Menge ist 2 n. 1.5 Permutationen und Faultät Eine Permutation von (1, 2,..., n ist eine Umstellung der Zahlen 1,...,n. Beispielsweise besitzt (1,2,3 die Permutationen (1,2,3, (1,3,2, (2,1,3, (2,3,1, (3,1,2, (3,2,1. Für eine Zahl n Æ ist n! (gesprochen: n Faultät definiert durch Die Faultäten wachsen sehr schnell in n, n! = 1 2 n. 3! = 6, 4! = 24, 5! = 120, 6! = 720, 20! = 2.43... 10 18. 5

Rein aus pratischen Gründen setzt man 0! = 1. Satz Die Anzahl der Permutationen von (1,2,...,n ist n!. Beweis: Man ann das durch vollständige Indution über n beweisen. Einfacher ist die Überlegung, auf wie viele Arten man die Zahlen 1,2,...,n auf n nummerierte Kästchen verteilen ann. Für die Zahl 1 hat man n Möglicheiten, für die Zahl 2 sind es n 1, für die letzte Zahl n verbleibt nur noch eine Möglicheit. 1.6 Die Binomialoeffizienten Für n Æ 0 sind die Binomialoeffizienten folgendermaßen definiert ( n n! = für 0 n.!(n! Dass all diese Werte natürliche Zahlen sind, werden wir später sehen. Wichtig sind im Folgenden die Fälle (1.4 0 = n! 0!n! = 1, = n! n n!0! = 1. Wir beweisen die technische Formel Lemma ( n ( n ( n+1 1 + =, Beweis: Wir bringen die line Seite auf den Hauptnenner, ( ( n n n! + = 1 ( 1!(n +1! + n!!(n! = n! n!(n +1 +!(n +1!!(n +1! = ( (n+1! n+1!(n+1! =. Man interpretiert das Lemma durch das Pascalsche Dreiec: n=0 1 n=1 1 1 n=2 1 2 1 n=3 1 3 3 1 n=4 1 4 6 4 1 n=5 1 5 10 10 5 1 Jede neue Zeile wird rechts und lins um 1 ergänzt, was den Werten und in (1.4 0 n entspricht, die übrigen Einträge erhält man aus dem Lemma, jeder Eintrag ist die Summe der lins und rechts über ihm stehenden Zahlen. Satz Die Zahl der -elementigen Teilmengen einer n-elementigen Menge ist. Beweis: Wir zeigen dies durch vollständige Indution über n. Für n = 0 ist die Behauptung richtig, denn die leere Menge enthält nur sich selbst als Teilmenge. Die Behauptung ist auch richtig 6

für = 0 und = n, in beiden Fällen haben wir nur eine Teilmenge, die leere Menge bzw. die Menge selbst, was mit den Werten in (1.4 übereinstimmt. Nach dem Prinzip Teile und Herrsche struturierenwirdie-elementigenteilmengendermengea n+1 = {1,2,...,n+1}inzweiGruppen: I : -elementige Teilmengen, die n + 1 nicht enthalten, II : -elementige Teilmengen, die n + 1 enthalten. Gruppe I besteht genau aus den -elementigen Teilmengen der Menge A n = {1,2,...,n}, nach Indutionsvoraussetzung sind das. In den Teilmengen der Gruppe II önnen wir das Element n + 1 weglassen und erhalten eine 1-elementige Teilmenge von A n. Umgeehrt önnen wir jede 1-elementige Teilmenge von A n um das Element n+1 ergänzen und erhalten eine Teilmenge von Gruppe II. Nach Indutionsvoraussetzung ist die Zahl der Teilmengen in Gruppe II gerade Teilmengen gilt daher mit obigem Lemma Gruppe I+Gruppe II = Damit ist der Indutionsbeweis erfolgreich abgeschlossen. 1 +1 + =. 1. Für die Gesamtzahl der Beim Lotto 6 aus 49 ist die Wahrscheinlicheit, alle sechs Zahlen richtig getippt zu haben, gleich der Wahrscheinlicheit, aus der Gesamtheit der 6-elementigen Teilmengen von {1, 2,..., 49} die richtige herausgefunden zu haben. Die Zahl der Möglicheiten ist ( 49 6 = 49! 6!43! = 49 (2 4 6 47 46 (3 5 3 44 = 49 47 46 3 44 = 13983816. 1 2 3 4 5 6 Die Wahrscheinlicheit für sechs Richtige ist daher ungefähr 1 : 14 Millionen. 1.7 Mathematische Struturen lassen sich in der Form Ë = {S,e 1,...,e l,f 1,...,f m,r 1,...,R n } schreiben mit S Grundmenge e i ausgezeichnete Elemente (meist neutrale Elemente, f j Abbildungen (meist zweistellige Operationen wie +, R (meist zweistellige Relationen. 1.8 Gruppen Eine Gruppe = (G,e, besteht aus einer Menge G, einer zweistelligen Operation mit z = x y G, und einem ausgezeichneten Element e G, so dass: (G1 (Assoziativgesetz Für alle x,y,z G gilt (x y z = x (y z. (G2 (Neutrales Element Für alle x G gilt e x = x e = x. 7

(G3 (Inverses Element Zu jedem x G gibt es ein x 1 G mit x 1 x = x x 1 = e. Die Axiome sind in dieser Form redundant. Z.B. genügt es, an Stelle von (G2 nur x e = x zu fordern, was in der Literatur manchmal geschieht. In diesem Fall muss man e x = x mit Hilfe der anderen Axiome explizit beweisen, was wir uns ersparen möchten. Endliche Gruppen gibt man mit einer Gruppentafel an, in der die Ergebnisse von x y eingetragen werden. Wir bezeichnen die Gruppenelemente mit 0,1,2,..., wobei 0 das neutrale Element ist. Die Gruppe mit 3 Elementen ist eindeutig bestimmt: 0 1 2 0 0 1 2 1 1 2 0 2 2 0 1. Vierelementige Gruppen gibt es schon mehrere: 0 1 2 3 0 0 1 2 3 1 1 2 3 0 2 2 3 0 1 3 3 0 1 2 0 1 2 3 0 0 1 2 3 1 1 0 3 2 2 2 3 0 1 3 3 2 1 0 Gruppen mit unendlicher Grundmenge sind die ganzen und die rationalen Zahlen = (,0,+, = (É,0,+, = (É\{0},1,, die im nächsten Kapitel besprochen werden. Dagegen bilden die natürlichen Zahlen mit der Addition eine Gruppe, weil wir die positiven Zahlen nicht invertieren önnen. Also: Konrete Gruppen önnen alles mögliche sein. Daher ist es hier wie meist in der Algebra wichtig, dass die Beweise streng aus den Axiomen folgen. Als Beispiel zeigen wir den folgenden Satz In jeder Gruppe sind die Gleichungen x a = b und a x = b eindeutig nach x auflösbar. Beweis: Man muss hier vorsichtig sein, weil das Kommutativgesetz x y = y x nicht unbedingt gelten muss. Als Lösung von x a = b vermuten wir x = b a 1, x b = (b a 1 a (G1 = b (a 1 a (G3 = b e (G2 = b. Für den Beweis der Eindeutigeit nehmen wir an, dass die Gleichung x y = b von zwei Gruppenelementen x,x gelöst wird. Aus x a = x a folgt durch Multipliation von rechts mit a 1, dass x = x. Die eindeutige Lösbareit von a x = b zeigt man ganz analog. Auf Grund dieses Satzes sind die Gruppentafeln Lateinische Quadrate, bei denen in jeder Zeile und in jeder Spalte jedes Element genau einmal vorommt. Eine Gruppe heißt abelsch oder ommutativ, wenn zusätzlich das Kommutativgesetz gilt: (G4 Für alle x,y G gilt x y = y x. Bei einer ommutativen Gruppe schreibt man meist + statt mit dem neutralen Element 0. Dies erinnert an die ganzen Zahlen = (Z,0,+, die ja eine ommutative Gruppe bilden. 8

1.9 Modelle Eine onrete Menge (mit zugehörigen ausgezeichneten Elementen, Operationen und Relationen, in der die Axiome einer mathematischen Strutur gelten, heißt Modell dieser Strutur. Alles, was wir als Beispiele von Gruppen bezeichnet haben, sind Modelle der Gruppe. Modelle sind daher onret, haben philosophisch gesprochen ein eigenes Sein in der mathematischen Welt. Dagegen ist eine mathematische Strutur i.a. abstrat. Das Axiomensystem der Gruppe definiert gleichzeitig, was eine Gruppe ist. 1.10 Ein Axiomensystem für die natürlichen Zahlen Was ist eine Gruppe? Einzig mögliche Antwort ist, die Gruppenaxiome zu nennen. Was sind die natürlichen Zahlen? Die vernünftige Antwort ist: Das sind die Zahlen 1,2,3,... Abgesehen davon, wie man die einzelnen natürlichen Zahlen nennt, sind sie eindeutig bestimmt. Ein Axiomensystem für die natürlichen Zahlen ist daher eher beschreibend als definierend. Ich brauche mich doch nicht durch ein Axiomensystem darüber belehren zu lassen, was eine natürliche Zahl ist! Wie die meisten Axiomensysteme haben die Gruppenaxiome sehr unterschiedliche Modelle. Die Axiome für die natürlichen Zahlen müssen so formuliert werden, dass es nur ein einziges Modell gibt eine sportliche Herausforderung, die der Mathematier Giuseppe Peano Ende des 19. Jahrhunderts erfolgreich angenommen hat. In moderner Schreibweise sind die natürlichen Zahlen eine Strutur Æ = (N,1,f mit dem ausgezeichneten Element 1 und einer einstelligen Abbildung f : N N, die als Nachfolger interpretiert wird. Die Axiome sind dann (P1 Für alle m,n: Wenn f(m = f(n, so gilt m = n, (P2 Es gibt ein n N mit f(n = 1, (P3 Für alle Teilmengen M N gilt: Ist 1 M und folgt aus n M, dass auch f(n M, so M = N. (P1 bedeutet, dass f injetiv ist, dass es also höchstens ein Urbild zu jedem n N gibt. (P2 besagt, dass 1 nicht im Bild f(n von f liegt. Beanntlich heißt eine Abbildung g : X Y surjetiv, wenn der Bildbereich g(x mit Y übereinstimmt. (P2 besagt also insbesondere, dass f nicht surjetiv ist. Was lässt sich daraus für die Modelle von (P1 und (P2 (ohne (P3 schließen? Wäre N eine endliche Menge, so müsste wegen der Injetivität der Bildbereich f(n genauso viel Elemente enthalten wie der Urbildbereich N, also N = f(n. Andererseits darf f nicht surjetiv sein, womit wir einen Widerspruch erhalten. Die Axiome (P1 und (P2 zwingen die Modelle dazu, unendlich viele Elemente zu besitzen. Um die Rolle von (P3 zu erläutern, betrachten wir folgendes Modell von (P1 und (P2. Neben den normalen natürlichen Zahlen N 1 = {1,2,3,...} mit 1 als ausgezeichnetem Element soll die Grundmenge noch die Elemente der Menge N 2 = {a,b} enthalten. Der Nachfolger auf N 1 ist wie üblich als f(n = n+1 definiert. Auf N 2 setzen wir f(a = b und f(b = a. Damit ist N = N 1 N 2 zusammen mit der so definierten Nachfolgerabbildung ein Modell von (P1 und (P2. Denn nach wie vor ist f injetiv und 1 liegt nicht im Bild von f. (P3 ist aber nicht erfüllt: Wir wählen M = N 1 und es ist jetzt in der Tat 1 N 1 und aus n N 1 folgt auch f(n = n+1 N 1, aber N 1 stimmt nicht mit N überein. Das Axiom (P3 der vollständigen Indution sorgt also dafür, dass unter allen Modellen von (P1 und (P2 das minimale genommen wird: N soll nur aus 1,f(1,f(f(1,... bestehen. 9

Aufgaben Die den Aufgaben beigefügten Zahlen sollen eine grobe Information über den Schwierigeitsgrad geben: 1=trivial, 2=heminormal, 3=normal, 4=dotoral, 5=suizidal. 1.1 (2 Man beweise die Gleichungen S 1 n : = 1+2+...+n = 1 2 n(n+1 S 2 n : = 1 2 +2 2 +...+n 2 = 1 6 n(n+1(2n+1 S 3 n : = 1 3 +2 3 +...+n 3 = [ ] 2 1 2 n(n+1 = (1+2+...+n 2. 1.2 (2 Seien F n+1 = F n +F n 1, F 1 = F 2 = 1 die Fibonacci-Zahlen. Zeigen Sie a n Fi 2 = F n F n+1, i=1 b F 1 +F 2 +...+F n = F n+2 1, c F 1 +F 3 +...+F 2n+1 = F 2n+2, d 1+F 2 +F 4 +...+F 2n = F 2n+1, e F 1 F 2 +F 2 F 3 +...+F 2n 1 F 2n = F 2 2n. 1.3 (3 Bestimmen Sie mit Hilfe der Fibonacci-Zahlen die Anzahl f n der Folgen der Länge n bestehend aus Elementen der Menge {0, 1}, so dass niemals zwei Nullen hintereinanderstehen. Beispielsweise ist die Folge 10111 erlaubt, die Folge 10011 nicht. Hinweis: Man unterteile die Menge dieser Folgen in zwei disjunte Teilmengen, nämlich mit 0 bzw. 1 als letztem Folgenglied. 1.4 (2 Fibonaccis Annahmen über die Entwiclung einer Kaninchenpopulation seien dahingehend abgeändert, daß ein neugeborenes Paar erst nach 2 Monaten zeugungsfähig wird. Wir erhalten eine reursiv definierte Folge L n mit L 1 = L 2 = L 3 = 1. Bestimmen Sie die Reursionsgleichung für L n. Ist eine Abschätzung der Form L n ( 3 2 n richtig? 1.5 (3 Man beweise durch Indution für n = 1,2,3... : a n ( 1 2 = ( 1 n+1 2 =1, b 2n =1 ( 1 +1 = 2n =n+1 1, c (1+x(1+x 2 (1+x 4...(1+x 2n = 1 x2n+1 d 1 x (x 1, x 1 x 2 + x2 1 x 4 + x4 n 1 x2 +...+ = 1 1 x8 1 x 2n 1 x 1 (x 1. 1 x 2n 10

1.6 (3 Die rationalen Zahlen H n = n =1 1 für n Æ, H 0 = 0, heißen harmonische Zahlen. Man beweise für n Æ 0 a b n 1 H = nh n n, =0 n 1 =0 H = n(n 1 2 H n n(n 1. 4 1.7 (4 n Autos stehen auf einer Kreislinie. Die Autos besitzen zusammen so viel Benzin, um damit einmal um den Kreis herumzufahren. Zeigen Sie, dass es ein Auto gibt, das den Kreis einmal umrunden ann, wenn es das Benzin der Autos, bei denen es vorbeiommt, mitnehmen darf. Hinweis: Der Einfachheit halber nehme man an, dass das Umrunden des Kreises eine Entfernungseinheit beträgt und dass man dazu eine Einheit Benzin benötigt. Das Auto i erhält t i Benzin mit t i = 1. 11