BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 18/1932 18. Wahlperiode 08. 04. 05 Große Anfrage der Abgeordneten Harald Krüger, Olaf Böttger, Karin Eggers, Michael Fuchs, Hanna Gienow, Roland Heintze, Lydia Fischer (CDU) und Fraktion vom 11.03.05 und Antwort des Senats Betr.: Perspektiven der stationären Versorgung vor dem Hintergrund der eingeführten Fallpauschalen und Schnittstellen zum ambulanten System Seit dem Jahre 2004 werden die Leistungen der Krankenhäuser überwiegend nicht mehr tageweise abgerechnet, sondern pauschal je nach Krankheit und Schweregrad. Die Umstellung der Finanzierung durch die vorerst budgetneutrale Einführung von diagnoseorientierten Fallpauschalen stellt einen Anreiz für Krankenhäuser dar, ständig an einer Verbesserung ihrer Wirtschaftlichkeit zu arbeiten. Dies führt neben einer Reduzierung der durchschnittlichen Verweildauer des Patienten zu einer stärkeren Bedeutung ambulanter gegenüber stationärer Leistungen. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) wurden zum 1. Januar 2004 rechtliche Rahmenbedingungen zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen geschaffen. Ziel war und ist es, die gesetzliche Krankenversicherung spürbar zu entlasten und gleichzeitig eine verbesserte medizinische Versorgung zu erreichen. So wurden medizinische Versorgungszentren zugelassen, in denen interdisziplinär zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Heilberufen eine Versorgung der Patienten aus einer Hand realisiert werden kann. Zudem wurden den Krankenkassen neue Möglichkeiten der Vertragsgestaltung eingeräumt, um eine patientenorientierte interdisziplinäre Versorgung durch enge Kooperation der Leistungserbringer zu ermöglichen. Daher fragen wir den Senat: Die Behörde für Wissenschaft und Gesundheit führt als Aufsichtsbehörde gemäß 90 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Aufsicht über die landesunmittelbaren Krankenkassen AOK Hamburg, Betriebskrankenkasse (BKK) Beiersdorf AG, BKK Landesverband NORD und über die Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Vereinigung Hamburg (KVH/KZVH). Insoweit können nur zu den von diesen Krankenkassen und von der Kassenärztlichen Vereinigung abgeschlossenen Verträgen Aussagen getroffen werden. Die Beantwortung der Fragen beruht zum Teil auf Antworten der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, der AOK Hamburg und der BKK Landesverband NORD. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. In welchem Umfang wurden von den Krankenkassen a) Strukturverträge, Es besteht ein Strukturvertrag der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg mit dem BKK-Landesverband NORD zur Förderung ambulanten Operierens vom 04.11.1998 in der Fassung des 2. Nachtrages vom 21.12.2001.
Drucksache 18/1932 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 18. Wahlperiode b) Verträge über die Einführung von strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP), Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg hat mit allen in Hamburg vertretenen gesetzlichen Krankenkassen bislang zwei Verträge geschlossen: 1. Vertrag über die Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms (Disease-Management-Programm DMP) zur Verbesserung der Versorgung der ambulanten Versorgung von Typ 2 Diabetikern nach 137 SGB V auf der Grundlage von 73 a SGB V i. V. m. 73 a SGB V (zugleich Strukturvertrag i. S. 73 a SGB V) vom 18.08.2003 in der Fassung des 1. Nachtrags vom 01.11.2004. 2. Vertrag über ein strukturiertes Behandlungsprogramm (DMP) zur integrierten Versorgung von Brustkrebspatientinnen nach 137 g SGB V i. V. m. 83 SGB V (zugleich Gesamtvertrag i. S. 83 SGB V) vom 10.03.2004 in der Fassung des 1. Nachtrags vom 02.01.2005. c) Verträge über die Einführung der Integrierten Versorgung abgeschlossen? Derzeit bestehen 11 Verträge zur Einführung der Integrierten Versorgung. 2. Wie beurteilen die Krankenkassen die Erfahrungen mit den in Frage 1 genannten Verträgen? Aus Sicht der AOK Hamburg sind die DMP-Verträge durch die Vorgaben der Risikostrukturausgleichs-Verordnung (RSAV) und deren Auslegung durch das Bundesversicherungsamt insbesondere im Hinblick auf eine interdisziplinäre Kooperation der verschiedenen Leistungserbringer sehr komplex gestaltet. Die bestehenden Verträge zu den Diagnosen Diabetes mellitus Typ 2 und Brustkrebs werden rege genutzt. Ein großer Anteil der Ärzte, die die Teilnahmevoraussetzungen erfüllten, habe die Teilnahme erklärt und schreibe auch die Versicherten in die Programme ein. Erste Qualitätssicherungsmaßnahmen seien von der AOK Hamburg erfolgt. Erste Qualitätsberichte der gemeinsamen Einrichtungen wiesen auf hohe Behandlungsstandards hin. Inwieweit die Programmziele insbesondere die Optimierung der Versorgungsqualität (u. a. Vermeidung stationärer Maßnahmen) auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erreicht würden, werde durch eine begleitende Evaluation geprüft. Der BKK Landesverband NORD hält Strukturverträge nach 73 a SGB V für ein gutes und bewährtes Mittel, um die Versorgungssituation der Versicherten und Patienten zu verbessern und regionale Besonderheiten abzubilden. Die Einführung strukturierter Behandlungsprogramme (DMP) wird ebenfalls für ein geeignetes Mittel gehalten, um die Versorgungssituation insbesondere chronisch Kranker zu verbessern. Die Verbindung der DMP mit dem Risikostrukturausgleich (RSA) führe durch aufwändige Akkreditierungsverfahren und Datensammelstellen zu einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand bei den Vertragspartnern. Einzelne Kassen/-arten könnten aufgrund höherer Zuweisungen aus dem RSA hohe Preise mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren und somit das Preisniveau für die gesamte GKV bestimmen. Diese Entwicklung führe aus Sicht des BKK Landesverband NORD zu einer unnötigen Verteuerung der Gesundheitsleistungen insgesamt. Zudem hätten die häufiger erfolgenden DMP-bedingten Änderungen beim Risikostrukturausgleich-Abschlagsverfahren unkalkulierbare Auswirkungen auf die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen und die Beitragssatzkalkulation. Aus Sicht des BKK Landesverband NORD wurde durch die Änderungen im GKV- Modernisierungsgesetz die Zielsetzung der Integrierten Versorgung völlig neu definiert. Seit dem 01.01.2004 sei es den Krankenkassen auch möglich, ausschließlich mit einzelnen Ärzten oder mit einzelnen Krankenhausträgern Verträge zur Integrierten Versorgung zu schließen. Eine Beteiligung des stationären Sektors sei damit nicht mehr zwingend erforderlich. Eine durchgreifende Verbesserung der Versorgungssituation werde nach Auffassung des BKK Landesverband NORD jedoch nur durch Sektoren übergreifende Verträge gewährleistet. Der BKK Landesverband NORD sei bei mehreren Projekten beteiligt bzw. befinde sich in Vertragsverhandlungen. Verhandelt 2
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 18. Wahlperiode Drucksache 18/1932 werden diese Projekte zur Integrierten Versorgung mit dem Ziel einer Sektoren übergreifenden Versorgung. Weitere Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde nicht vor. 3. Wie viele medizinische Versorgungszentren gibt es in Hamburg und Umgebung und in welchen Regionen liegen diese? In Hamburg sind derzeit drei Medizinische Versorgungszentren (MVZ) zugelassen: Endokrinologikum Hamburg (Allgemeinmedizin, Gynäkologie, Innere Medizin, Laboratoriumsmedizin) Medizinisches Versorgungszentrum Hamburg (Dermatologie, Innere Medizin) Ambulanzzentrum des UKE GmbH (Neurologie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie) Die Zulassung der MVZ erfolgt durch den Zulassungsausschuss der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Informationen über MVZ in der Umgebung Hamburgs liegen dem Senat nicht vor. 4. Wie viele Tageskliniken mit welchen Fachrichtungen gibt es in Hamburg und im Umland? In Hamburg werden für folgende Fachgebiete teilstationäre Behandlungsplätze vorgehalten: Fachgebiet Anzahl der Tageskliniken 2004 Endoskopische Chirurgie 1 Psychiatrie und Psychotherapie 16 Kinder- und Jugendpsychiatrie 2 Innere Medizin (Hämatologie/Onkologie, Dialyse, Lungen- und Bronchialheilkunde) 7 Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgie 1 Haut- und Geschlechtskrankheiten 2 Gynäkologie 1 Frührehabilitation 1 Geriatrie 8 Kinderheilkunde 4 Neurologie (Epileptologie/Schmerztherapie) Psychosomatik inkl. Schmerztherapie 1 Ausweislich der Krankenhauspläne gibt es im Umland Hamburgs folgende Tageskliniken: Niedersachsen, Regierungsbezirk Lüneburg Schleswig-Holstein, Kreise Pinneberg und Segeberg Haut- und Geschlechtskrankheiten 1 Innere Medizin 1 Kinder- u. Jugendpsychiatrie 1 Psychiatrie 7 Dialyse 1 Kinder- u. Jugendpsychiatrie 1 Psychiatrie 2 2 3
Drucksache 18/1932 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 18. Wahlperiode a) Wie viele Beschäftigte (Ärzte, Pflegepersonal, therapeutisches Personal) in den Tageskliniken gab es im Jahre 2000 und gibt es derzeit in Hamburg? Angaben hierüber haben die Träger mit Verweis auf den Schutz ihrer Betriebsdaten nicht gemacht. In Hamburg: b) Welche der Tageskliniken halten Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie vor? Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie Kinder- und Jugendpsychiatrie Psychosomatik inkl. Schmerztherapie Anzahl der Tageskliniken 2002 6 KH Einrichtungen ca. 11 Anzahl der Einrichtungen wurde in 2002 nicht statistisch erfasst Anzahl der Tageskliniken 2004 16 1 2 1 1 Krankenhaus/ Einrichtung UKE, AK Eilbek, AK Harburg, Klinikum Nord, Albertinen-Krankenhaus (ab Mitte 2003), Asklepios Westklinikum HH (ab 2003), Ev. Krankenhaus Alsterdorf (ab Mitte 2004), Bethesda-Allgem. Krankenhaus Bergedorf, Janssen-Haus UKE, AK Harburg (ab IV. Quartal 2004) Asklepios Westklinikum Hamburg Quelle: Statistik der teilstationären Behandlungsfälle, Quartalsmeldung der Hamburger Krankenhäuser 2002 und 2004. Außerhalb Hamburgs: Heinrich-Sengelmann-Krankenhaus Bargfeld-Stegen Kreiskrankenhaus Pinneberg Kreiskrankenhäuser Uetersen u. Elmshorn TK Psychiatrie TK Dialyse TK Psychiatrie TK Kinder- u. Jugendpsychiatrie c) Wie viele Beschäftigte (Ärzte, Pflegepersonal, therapeutisches Personal) in den Tageskliniken mit Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie gab es im Jahre 2000 und gibt es derzeit in Hamburg? Angaben hierüber haben die Träger mit Verweis auf den Schutz ihrer Betriebsdaten nicht gemacht. 4
Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg 18. Wahlperiode Drucksache 18/1932 d) Welchen Stellenwert erlangen Tageskliniken und Behandlungszentren im Zuge der Gesundheitsreform für die Gesundheitsversorgung in Hamburg? Die Bereitstellung tagesklinischer Angebote hat schon vor Verabschiedung des GKV- Modernisierungsgesetzes in Hamburg eine große Rolle gespielt. Ergänzend haben die sich neu ergebenden gesetzlichen Möglichkeiten zu veränderten Angebotsstrukturen geführt, die durch Verträge der integrierten Versorgung und die Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren umgesetzt wurden. Über deren Stellenwert kann erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Bewertung erster Erfahrungen geurteilt werden. 5. Welche Maßnahmen des Krankenhausplans zur Erweiterung der teilstationären und tagesklinischen Angebote konnten mittlerweile umgesetzt werden? Folgende Maßnahmen des Krankenhausplans wurden umgesetzt: Tagesklinik Kinder- und Jugendpsychiatrie : AK Harburg Tagesklinik Psychiatrie und Psychotherapie: Asklepios Westklinikum, Bethesda AK Bergedorf, Ev. Krankenhaus Alsterdorf, Albertinen-Krankenhaus Psychosomatik incl. Schmerztherapie: Asklepios Westklinikum Geriatrie: Kath. Marienkrankenhaus Neurologie/Epileptologie: Ev. Krankenhaus Alsterdorf 6. Welche konkreten Folgen wird die größere Gewichtung des ambulanten Bereichs auf die Krankenhauslandschaft in Hamburg haben? Die größere Bedeutung des ambulanten Bereichs führt insbesondere zu einer Zunahme der ambulant durchgeführten Operationen in Krankenhäusern. In welchem Umfang hiervon Auswirkungen auf die Krankenhauslandschaft ausgehen, kann wegen der gleichzeitig verlaufenden Veränderungsprozesse (Reduzierung der Verweildauern; Neustrukturierung der Ablauforganisation ausgelöst durch Einführung DRG- System; Zunahme der vor- und nachstationären Behandlungsfälle) nicht quantifiziert werden. 7. Welche Auswirkungen ergeben sich vor dem Hintergrund der Einführung von Fallpauschalen auf die Krankhausplanung Hamburgs? Die Frage, in welchem Umfang und in welcher konkreten Ausprägung die Umstellung des Vergütungssystems auf Fallpauschalen, d. h. die Orientierung an DRGs (diagnosis related groups), die Krankenhausplanung verändern wird, ist derzeit Gegenstand von Erörterungen auf Länderebene. Bis auf Weiteres bestehen sowohl der Sicherstellungsauftrag des jeweiligen Landes für die stationäre Krankenversorgung ihrer Bevölkerung wie auch die gesetzliche Festsetzung, dass innerhalb der Krankenhausplanung konkrete Krankenhausstandorte mit Fachgebieten und Bettenzahlen auszuweisen sind, fort. Allerdings ist bei zurückgehender Liegedauer und gleichzeitig stagnierenden Fallzahlen mit einem geringeren Bettenbedarf zu rechnen. 8. Wie wird sichergestellt, dass bei frühzeitiger Entlassung aus der stationären Behandlung im Krankenhaus der Übergang in die ambulante Nachsorge sicher erfolgt? Die Organisation des Übergangs zwischen stationärer Behandlung und ambulanter Nachsorge liegt in der Verantwortung der jeweiligen Krankenhäuser. Diese haben eine Reihe von Modellen (zeitnahe Erstellung der Arztbriefe, Vermittlung in Überleitungspflege etc.) entwickelt, damit die weiter verkürzten Verweildauern im stationären Bereich den Behandlungserfolg nicht negativ beeinträchtigen. 5