Neurale Entwicklung und Plastizität I 1. Neurogenese 1.1 Proliferation 1.2 Zelldetermination und Zellstammbäume 2. Molekulare Kontrolle der neuralen Entwicklung 2.1 Mechanismen der Genregulation 2.1.1 Das Epigenom 2.1.2 Regulation der Transkription 2.1.3 Prä-mRNA-Splicing 2.2 Induktion durch Zell-Zell-Kontakt: Das Delta-Notch-Signalsystem 2.3 Induktion durch Hormone und Wachstumsfaktoren: Differenzierung von sympathoadrenalen Vorläuferzellen Literatur: Dudel et al., Neurowissenschaft (Springer) Kandel et al., Principles of Neural Science (McGraw-Hill) Reichert, Neurobiologie (Thieme) Zach et al., An Introduction to Molecular Neurobiology (Sinauer)
Neurogenese Befruchtete Eizelle Wachstum Blastula Einstülpung Gastrula Kernfragen: - Wie entsteht aus dem Ektoderm das Neuroektoderm - Wie entsteht aus dem Neuroektoderm das Nervensystem? Neuralisierende und regionalisierende Signale
Entwicklung des Zentralnervensystems Neuralrohr (entsteht bei Neurulation (Einstülpung des dorsalen Ektoderms bei der frühen Organogenese)) Hinterer Teil Rückenmark Vorderer Teil Blasen Gehirn (Segmentierte Struktur)
Determination: Festlegen einer Zellpopulation auf einen zukünftigen Differenzierungsweg Proliferative Vorläuferzellen im Neuroektoderm Neuronale Vorläuferzellen (Neuroblasten) Gliale Vorläuferzellen Epidermale Zelltypen Nervenzellen Gliazellen
Induktion: Interaktiver Vorgang, der zur Differenzierung einer Zellpopulation führt Erfolgt häufig durch Hemmung einer anderen Entwicklungsrichtung Neurogene Fähigkeit in den Zellen des Ektoderms wird durch Moleküle der BMP ( bone morphogenetic protein )-Familie unterdrückt
Proliferation Proliferation neuronaler Vorläuferzellen ist auf bestimmte Zonen beschränkt Bei der Entwicklung des ZNS vor allem Innenseite (Ventrikelseite (apikale Seite) des Neuralrohrs)
Charakterisiert durch symmetrische und asymmetrische Zellteilungen mit unterschiedlicher Orientierung der Zellteilungsebene
Embryonale Stammzellen (ES Zellen): Totipotente Zellen aus einem Wirbeltierembryo: Können sich unbegrenzt fortpflanzen wobei sie ihre Totipotenz beibehalten Teratom: Von pluri- bis totipotenten Zellen ausgehende Geschwulst: (Teratoma adultum, T. embryonale) RA NT2 NT2-N
Neuronale Differenzierungsvorgänge Determination beruht letztlich auf der (irreversiblen) Modulation der Genexpression Ergebnis von zwei Klassen von Mechanismen: - Abstammungsmechanismen (genetische Mechanismen) - Positionsmechanismen (epigenetische Mechanismen) Im menschlichen Gehirn: etwa 10 11 Nervenzellen Weniger als 30.000 Gene im menschlichen Genom Mehr als 3 Millionen mal so viel Nervenzellen wie Gene Neuronale Differenzierung meist Ergebnis beider Mechanismen
Genetisch determinierter Zellstammbaum Ausnahme: Niedere Organismen Wichtiger Modellorganismus: der Bodennematode Caenorhabditis elegans - 302 Nervenzellen - ca. 20.000 Gene - Nervenzellen stammen in stereotyper Weise von ihrer jeweiligen Vorläuferzelle ab
Molekulare Kontrolle der neuronalen Entwicklung Hierarchie der Genregulation
Molekulare Kontrolle der neuronalen Entwicklung: Das Epigenom epigenetischer Zustand einer Zelle - epigenetischer Code - epigenetische Vererbung Beeinflussung der Transkription eines Gens durch - Transkriptionsfaktoren - Interferenz-RNA - DNA-Methylierung - Histonmodifikationen ( Histon-Code, z.b. Acetylierung von Lysinen der Kernhistone eines Nukleosoms, Phosphorylierung von Serinen, Mono- bis Trimethylierung von Lysinen, Methylierung von Arginin, Ubiquitinylierung, Poly(ADP)-Ribosylierung)
Modell: PC12 Zellen Molekulare Kontrolle der neuronalen Entwicklung: Transkriptionsfaktoren + NGF Expression neuronaler Proteine Erstes nukleäres Ereignis: Induktion von fos und jun mrna Heterodimer aus fos und jun Protein bindet an der sog. TRE-Stelle in der regulatorischen Region verschiedener Gene (ist enhancer-element bestehend aus 7 bp) Beispiel für generelle Prinzipien: - Meisten Transkriptionsfaktoren bilden Dimere - TRE-Stelle ist palindromische Sequenz (5 TGACTCA3 )
Molekulare Kontrolle der neuronalen Entwicklung: DNA-Methylierung DNA-Methylierung erfolgt häufig an CpG islands (CGIs) (kurze CG reiche Sequenzen), wobei 5-Methylcytosin gebildet wird. CGIs sind häufig an Positionen, an denen die Transkription initiiert wird Methylierung inhibiert die Transkription
Molekulare Kontrolle der neuronalen Entwicklung: Prä-mRNA-Splicing Prä-mRNA enthält kodierende (Exons) und nicht-kodierende Sequenzen (Introns) Spliceosom: Snurps (snrnps) - bestehend aus small nuclear RNA (snrnas) und nukleären Proteinen und der Prä-mRNA
Induktion durch Zell-Zellkontakt: Das Delta-Notch Signalsystem Untersuchungen in Drosophila Neurogene Mutationen: Mutanten, die zuviele Neuroblasten haben Konzept der lateralen Inhibition: Benachbarte Neuroblasten verhindern, daß sich ektodermale Zellen zu Neuroblasten entwickeln Besonders gut untersucht ist die Notch-Mutante
Notch und Delta Notch Genprodukt: Transmembranprotein (300 kd) cytoplasmatische Domäne (C-Terminus) große extrazelluläre Domäne (N-Terminus) 36 EGF-like repeats als Protein-Protein Interaktionsdomäne Delta Genprodukt: kleineres Notch-homologes Transmembranprotein 9 EGF-like repeats in der extrazellulären Domäne Notch (Rezeptor) und Delta (Ligand) interagieren direkt miteinander in einer Calcium-abhängigen Weise Aktivierung des Notch-Rezeptors führt zur Hemmung der proneuronalen Genaktivität Kontrolle des Zellschicksals mittels nukleärer regulatorischer Gene ( helix-loophelix -Klasse von Transkriptionsfaktoren)
Wirkung durch selbstverstärkende Rückkopplung Aktivierte Notch-Rezeptoren setzen die Expression von Delta (und anderer neurogener Gene) herab geringere Aktivierung der Notch-Rezeptoren in der Nachbarzelle hohe Expression von Delta Entwicklung von Neuronen (viel Delta) und Gliazellen (wenig Delta)
notch signalling ist stark konserviert und bei Mehrzellern weitverbreitet (z.b. Entwicklung von Blutzellen, Immunantwort, Nierenentwicklung, Entwicklung von Blutkapillaren, Regulation der Anzahl an Stammzellen) Aktivierung von Notch erfordert eine charakteristische proteolytische Spaltung die zur Freisetzung einer intrazellulären Domäne (NICD) führt, die direkt die Transkription kontrolliert
Induktion durch Hormone und Wachstumsfaktoren: Differenzierung von sympathoadrenalen Vorläuferzellen Ursprung: Zellen der Neuralleiste ( neural crest cells ) die sich von der dorsalen Seite des Neuralrohres trennen und zunächst multipotent sind. Wandern zur ventralen Seite, dabei werden einige zu sympathoadrenalen Vorläuferzellen festgelegt. Differenzierung in eine von zwei Richtungen: - chromaffine Zellen (Nebennierenmark) - Neurone des Sympathicus
Glucokortikoidhormone Chromaffine Zellen sympathoadrenalen Vorläuferzellen FGF, NGF,?? Neurone d. Sympathicus Glucokortikoidhormone: Binden an cytosolischen Rezeptor, Hormon-Rezeptorkomplex gelangt in den Kern und bindet an spezifische Gene und reguliert die Transkription Doppelte Rolle: induziert chromaffinzell-spezifische Gene und inhibiert neuronen-spezifische Gene FGF, NGF: Binden an Membran-Rezeptor, Extrazelluläre Liganden-bindende Domäne, intrazelluläre Tyrosinkinase-Domäne Ligandenbindung induziert Rezeptordimerisierung und Tyrosinphosphorylierung von downstream Tyrosinkinasen (z.b. src im Falle von NGF) und Aktivierung von kleinen GTPasen (ras im Falle von NGF)
Die neurogene Nische Mikroumgebung in der Stammzellen vorkommen (Zell-Zell Interaktionen, Zell-ECM-Interaktionen, Wachstumsfaktoren, Physikochemische Umgebung) Neurogenese im (adulten) Gehirn: - Riechkolben - Hippocampus (subgranuläre Zone des Gyrus dentatus) (Hanson et al. (2011) Depression, Antidepressants, and Neurogenesis: A Critical Reappraisal, Neuropsychopharmacology 36:2589 2602)