Pressekonferenz Zukunft Bildung und Betreuung - Das Ganztagsschulprogramm der Bundesregierung und seine Bilanz für Hamburg
Ganztagsschulen Historischer Rückblick: Im 19. Jahrhundert waren in Deutschland wie in anderen Ländern auch Schulen Ganztagsschulen. Unterrichtet wurde von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr. Die deutsche Vormittagsschule setzte sich Ende des 19. Jahrhunderts zuerst im höheren Schulwesen, dann im Volksschulbereich durch. Gründe im höheren Schulwesen: Klagen über die langen Schulwege und die Sorge der Überbelastung der Schülerinnen und Schüler. Gründe im Volksschulbereich: Rücksicht auf die verbreitete Kinderarbeit und Einführung von Schichtunterricht wegen Überfüllung der Klassen. In anderen Ländern blieben die Schulen Ganztagsschulen und übernahmen neben der Unterrichtsvermittlung erzieherische, sozialpädagogische und sozialpolitische Aufgaben. (Quelle: Ludwig, Harald: Die Entwicklung der modernen Ganztagsschule. Aus: U. Ladenthin (Hrsg.): Die Ganztagsschule, Juventa Verlag 2005)
Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung Größtes schulpolitisches Investitionsprogramm in Deutschland 4 Milliarden Euro Investitionen von 2003 bis 2007 Hat die deutsche Schullandschaft nachhaltig verändert Ganztagsschulen stoßen auf breite Akzeptanz Bildungspolitisch und familienpolitisch notwendig
Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung Ziele des Programms aus der Präambel: Schaffung einer modernen Infrastruktur für Ganztagsschulen in Deutschland Anstoß für ein bedarfsorientiertes Angebot in allen Regionen Qualitätsverbesserung Stärkung der frühzeitigen und individuellen Förderung Bedarf an qualifizierten Erwerbspersonen Schaffung zusätzlicher Ganztagsschulen und qualitative Weiterentwicklung der bestehenden Ganztagsschulen
Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung Das Programm: Laufzeit des Bundesprogramms der SPD-geführten Bundesregierung: 2003 bis 2007 Volumen: 4 Mrd. Euro Für Hamburg standen insgesamt 66,7 Millionen Euro zum Ausbau von Ganztagsschulen zur Verfügung: 2003 2004 2005 2006 2007 Summe 5.008.505 16.695.017 16.695.017 16.695.017 11.686.512 66.780.069
Bundesprogramm Zukunft Bildung und Betreuung Ganztagsschulen laut KMK-Definition: Voll gebunden: Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen Teilweise gebunden: ein Teil der Schülerinnen und Schüler verpflichtet sich, an mindestens drei Wochentagen für jeweils mindestens sieben Zeitstunden an den ganztägigen Angeboten der Schule teilzunehmen Offene Form: an mindestens drei Wochentagen wird den Schülerinnen und Schülern für mindestens sieben Zeitstunden ein Angebot gemacht. Die Teilnahme muss für ein Schulhalbjahr verbindlich erklärt werden. Hamburger Regelungen sind entsprechend: Eine Ganztagsschule liegt vor, wenn Unterricht und ergänzende Angebote an mindestens drei Tagen über sieben Zeitstunden angeboten werden. Bei der offenen Form erklären Schüler/innen für mindestens ein Schulhalbjahr ihre verbindliche Teilnahme; in der voll gebundenen Form sind Unterricht und ergänzende Angebote für alle Schülerinnen und Schüler verpflichtend.
Kritik: Mittel wurden nicht ausgegeben Das Programm in Hamburg: Der Senat hat zwischen 2003 bis 2007 lediglich 53,7 Mio. der 66,8 Mio. Euro für Hamburg für den Umbau von Schulen zu Ganztagsschulen verwendet. 13 Mio. Euro aus dem Programm sind noch nicht ausgegeben. Auch sind keine weiteren Komplementärmittel in den Haushalt eingestellt (10 Prozent der Bundesmittel). Am 24. November 2006 wurde das Programm Zukunft Bildung und Betreuung bis Ende 2009 verlängert. Der Senat ist aufgefordert, die restlichen 13 Mio. Euro für die Einrichtung von Ganztagsschulen zügig zu verwenden.
Verteilung der Bundesmittel in Hamburg 54% 25% 15% 6% Gymnasien GHR Gesamtschulen Sonderschulen
Kritik: Mittel vor allem für das Abi nach 12 Jahren Die Verteilung der Bundesmittel auf die Schulformen Die Gymnasien erhalten überproportional viel (54,2%) und die Sonderschulen am wenigsten Geld (6,2%). In Hamburg ist die Schulzeitverkürzung an Gymnasien auf 12 Jahre bis zum Abitur aus dem Bundesprogramm finanziert worden Gelder wurden nicht nach sozialen Kriterien vergeben Schüler bekommen lediglich Nachmittagsunterricht mit Mittagspause angeboten. Ein solches Angebot macht noch keine Ganztagsschule aus
Kritik: fragwürdige Mittelverteilung auf Schulformen Verteilung der Bundesmittel nach Schulformen 2003 bis 2007 Bundesmittel 2003-2007 in Euro in Prozent Gesamtschulen 7.853.912 14,6% Gesamtschulen Gymnasien 29.107.421 54,2% Gymnasien Grundschulen 3.293.424 6,1% Grundschulen Grund-, Haupt- und Realschulen 9.442.132 13.451.720 17,6% 25,0% Grund-, Haupt- und Realschulen Hauptschulen 17.203 0,0% Hauptschulen Haupt- und Realschulen 698.961 1,3% Haupt- und Realschulen Sonderschulen 3.329.017 6,2% Sonderschulen insgesamt 53.742.070 100,0% ingesamt
Kritik: Ausbau von Ganztagsschulen sozial ungerecht Betrachtet man die Verteilung der Schülerinnen und Schüler der Schulformen in den Ganztagsschulen, wird das soziale sowie pädagogische Ungleichgewicht noch deutlicher: Gerade 8,2% der Grundschulkinder besuchen eine Ganztagsschule. Nur 6,7% der Haupt- und Realschüler besuchen eine Ganztagsschule. Lediglich 2,2% der Förderschüler besuchen eine Ganztagsschule. 3,3% der Schüler von Sonderschulen besuchen eine Ganztagsschule dabei wären Ganztagsschulunterricht hier pädagogisch besonders sinnvoll. Aber: 17,6% der Gesamtschülerinnen und -Schüler und 58,3% der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten besuchen eine Ganztagsschule.
Kritik: Ausbau von Ganztagsschulen sozial ungerecht Viele Haupt- und Realschulen, Grundschulen, Gesamtschulen und Sonderschulen haben Anträge auf Umwandlung in Ganztagsschulen gestellt, die nicht berücksichtigt wurden (s. Schriftliche Kleine Anfrage 18/6394, Frage 10): Grund-, Haupt- und Realschulen: Gesamtschulen: Sonderschulen: Gymnasien: 29 Schulen 15 Schulen 1 Schule 2 Schulen
Kritik: Einsparungen an bestehenden Ganztagsschulen An den bestehenden Ganztagsschulen werden in vier Schritten ab dem Schuljahr 2005/2006 bis 2008/2009 rund 60% der Mittel für den Ganztagsbetriebe abgebaut. (Senatsdrucksache 18/525; Rahmenkonzept für Ganztagsschulen in Hamburg) Je 15% in den Jahren 2005 bis 2008. Betroffen sind Ganztagsschulen, die in ihren Stadtteilen wichtige Aufgaben haben. Auswahl: Ganztagsschule St. Pauli (GHR), Ganztagsschule Hegholt (IHR), Theodor-Haubach-Schule in Altona-Nord (GHR), Schule Slomannstieg auf der Veddel (GHR), Gymnasium Klosterschule, Gesamtschule Wilhelmsburg oder die Gesamtschule Allermöhe. Dies sind Ganztagsschulen, die gezielt durch SPD-Senate in sozialen Brennpunkten eingerichtet wurden. Die jetzigen Einsparungen verschärfen die soziale Spaltung der Stadt
Kritik: Einsparungen an bestehenden Ganztagsschulen Beispiel: Folgen der Einsparungen an der Theodor- Haubachschule in Altona-Nord. (KESS Index 2) (Siehe Schriftliche Kleine Anfrage 18/6512 von Britta Ernst) Folgen der Einsparungen im Schuljahr 2005/2006: Reduzierung der Pausenbetreuung, Wegfall von drei Hausaufgaben- und Förderkursen á 90 Minuten (Englisch Klassenstufe 9, je ein Hausaufgaben- und Förderkurs für die Klassenstufen 5 und 6), Abbau von 0,6 Lehrerstellen, Reduzierung der Unterrichts- und Honorarstunden um 50%, weniger Vertretung am Nachmittag. Weitere Folgen im Schuljahr 2006/2007: Ersatz von Lehrkräften durch Sozialpädagogen bei der Betreuung mittags und in Pausen, Wegfall einer Doppelbesetzung in der Beobachtungsstufe, Wegfall des Fußballkurses (90 Min.), Wegfall der Anleitung von Schülern und Schülerinnen, selbst Kurse durchzuführen (2 x 90Min.). Reduzierung des Angebotes für auffällige Schülerinnen und Schüler um 2 Stunden in der Woche. Abbau von 1,3 Lehrerstellen und 0,4 Sozialpädagogen.
Kritik: Einsparungen an bestehenden Ganztagsschulen Beispiel: Folgen der Einsparungen an der Gesamtschule Wilhelmsburg (KESS Index I) (Siehe Schriftliche Kleine Anfrage 18/6552 von Sabine Boeddinghaus) Folgen der Einsparungen im Schuljahr 2005/2006: Abbau von Betreuungsangeboten in der Mittagspause und am Nachmittag, Reduzierung des Wahlpflichtangebotes, Erhöhung der Gruppengrößen, Verringerung der Zahl der Erzieherinnen und Erzieher während der Ferienbetreuung. Aufhebung von Klassenteilungen, Reduzierung der Hausaufgabenhilfe. Abbau von 1,2 Lehrerstellen und 0,4 Erzieherstellen, Wegfall von 304 Honorarstunden Unterricht. Das Ganztagsangebot endet am Freitag in der Grundschule eine Stunde früher. Weitere Folgen der Einsparungen im Schuljahr 2006/2007: weitere Reduzierung des Wahlpflichtangebotes, Vergrößerung der Gruppe, Reduzierung Hausaufgabenbetreuung. Abbau um 1,3 Lehrerstellen und 2 Erzieherstellen
Kritik: Ganztagsschulen ohne Konzept Es fehlt an einer gesteuerten Qualitätsoffensive Die Kooperation der Schulen mit außerschulischen Trägern wird nicht unterstützt. Klagen der Eltern, über weniger Möglichkeiten, Sport zu treiben oder ein Musikinstrument zu lernen Es gibt kein vernünftiges Raumprogramm für den Ganztagsbedarf. BBS unterstützt Qualitätsentwicklung nicht, wi Rhythmisierung, Abkehr vom 45 Minuten Unterricht, systematische Einbau von Förderangeboten Das Hamburger Ganztagsschulmodell reduziert sich weitgehend auf Schule mit Kantine : Das reicht nicht.
Was wollen die Eltern? Ergebnisse einer Befragung* von 2004 zeigen deutlich: 70% der Eltern in Deutschland begrüßen den Ausbau von Ganztagsschulen, bei den Jüngeren unter 35 Jahren sind es sogar 77%. 28% würden ihr Kind auf jeden Fall auf eine Ganztagsschule schicken, 44 % unter Umständen. Der Wunsch nach besserer pädagogischer Förderung steht bei der Entscheidung im Vordergrund: Für 45% der Eltern ist dies sehr wichtig, für weitere 41% wichtig. Auch die Vereinbarkeit von Familien und Beruf spielt als Grund eine große Rolle: 37% der Eltern finden dies sehr wichtig, 38% wichtig. * Infratest Dimap
Fazit Der weitere Ausbau von Ganztagschulen ist notwendig: Bildungspolitische, sozialpolitische und familienpolitische Gründe sprechen dafür. Der CDU-Senat hat die Mittel zweckentfremdet und zur Finanzierung der Schulzeitverkürzung an den Gymnasien verwendet. Beim Ausbau der Ganztagsschulen hat der Senat falsche Prioritäten gesetzt. Die Mittel sind nicht vorwiegend den lernschwächeren Schülerinnen und Schülern sowie denen aus sozial benachteiligten Stadtteilen zu Gute gekommen. Verschärfend wurden die laufenden Mittel für den Ganztagsbetrieb durch Umschichtungen aus den bestehenden Ganztagsschulen finanziert. Das verschärft die soziale Spaltung in der Stadt. Es fehlt eine konzeptionelle Begleitung des Ganztagsschulausbaus in Hamburg durch die BBS: fehlende Raumplanung, keine Unterstützung der Kooperation mit außerschulischen Trägern, keinen Überblick über die Folgen der Einsparungen
Gute Ganztagsschulen - Forderungen der SPD Antrag SPD-Fraktion in die Bürgerschaft: Landesprogramm Ganztagsschule 13 Millionen Euro verwenden, Komplementärmittel bereitstellen Dann ergänzendes Landesprogramm, um Ganztagsschulausbau fortzusetzen: 100 neue Ganztagsschulen in 6 Jahren Schwerpunkt: Grundschulen, soziale Lage Verbindung Hortangebote mit Ganztagsschulen an Grundschulen Qualität in den Mittelpunkt stellen. Mehr Verbindlichkeit anstreben. Rhythmisierung des Schulalltags. Umfrage unter Eltern, um deren Wünsche zu erfahren (Bedarfsanalyse) Stärkung bestehender Ganztagsschulen, sofortiger Stopp der Einsparungen Antrag SPD-Fraktion: Raumplanung für Ganztagsschulen