Allgemeine und Biopsychologie Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften

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Transkript:

Allgemeine und Biopsychologie Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften Institut für Psychologie Einführung in die Motivationspsychologie Institut für Psychologie Allgemeine & Bio-Psychologie Wintersemester 2017/208 Thema 9: Willenspsychologie Udo Rudolph Technische Universität Chemnitz

Überblick: Historische Einführung Das Realisieren von Absichten - Das Rubikonmodell der Handlungsphasen - Das Konzept der Bewusstseinslagen Kuhls Theorie der Handlungskontrolle - Prozesse der Handlungskontrolle - Handlungs- versus Lage-Orientierung Anwendungen des Konzeptes der Handlungskontrolle 2

Historische Einführung: Spätestens in der Tradition von Lewin und Atkinson hat sich die Motivationsforschung auf die WAHL von Aufgaben (Zielen) konzentriert; Kuhl (1983) bezeichnet dies als Selektionsmotivation. Sowohl um die Jahrhundertwende als auch wieder in neuerer Zeit stand und steht eine weitere Frage im Blickpunkt insbesondere der so genannten WILLENSPSYCHOLOGIE: o o o Wann kommt es zum Beginn einer Handlung? Wann wird eine Handlung beendet oder abgebrochen? Wie werden etwaige Handlungshindernisse überwunden? Diese Fragen werden zusammenfassend auch als Realisierungsmotivation bezeichnet. 3

Historische Einführung: Narziß Ach: Gründervater der Willenspsychologie. 1872 1946 geboren in Ermerhausen 1890 1895 Studium der Medizin in Würzburg 1898 1899 Studium der Psychologie in Straßburg 1899 1906 Tätigkeiten in Würzburg und Göttingen 1906 Professur für Psychologie in Berlin 1907 Professur für Psychologie in Königsberg 1922 1937 Nachfolger von Georg Elias Müller in Göttingen Wichtigste Veröffentlichung: Über die Willenstätigkeit und das Denken (1905) 4

Historische Einführung: Zitat aus Ach s Publikation von 1905: Von den zwei Seiten des Willensproblems wird bei den vorliegenden Ausführungen nur die zweite behandelt, nämlich die im Anschluß an eine Absicht oder einen Entschluß sich vollziehende Determinierung*, während dagegen die erste Seite, das Zustandekommen der Absicht, keine eingehende Behandlung erfahren hat. (Ach, 1905, S. 13; Hervorhebung hinzugefügt) Im Folgenden verstehen wir Willenspsychologie als alle motivationalen Phänomene, die mit dem Realisierung (der Umsetzung) eines einmal gefasssten Entschlusses zu tun haben. Wiederum gilt: Diese Phänomene werden zusammenfassend auch als Realisierungsmotivation bezeichnet. *Determinierung: Kontrolle von Handlungen im Dienste eines einmal gefassten Entschlusses 5

Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen Zeitlicher Ablauf des Motivationsprozesses: Gedankliche Inhalte der Motivationsphasen Endresultat der jeweiligen Phase I. Vor-Entscheidungsphase (prä-dezisionale Phase): Ausbilden von Präferenzen durch Abwägen von Erwartung und Wert o Inhalt: Wahrscheinlichkeit und Wert verschiedener Handlungsoptionen und Ziele. o Ergebnis: Intentionsbildung (Bildung von Absichten), Zielintentionen (Fazit-Tendenz). 6

Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen Wichtig: Nach der Vor-Entscheidungsphase, sofern es zum Handeln kommen soll, erfolgt das Überschreiten des Rubikon (in Anlehnung an Caesars Entscheidung am 11.1.49 v.chr., Rom anzugreifen). II. Vor-Handlungsphase (prä-volitionale Phase): Bestimmen geeigneter Handlungsgelegenheiten o Inhalt: o Ergebnis: Umsetzungsmöglichkeiten zur Realisierung der einmal getroffenen Zielintention Konkreter Handlungsplan, so genannte Fiat-Tendenz (lateinisch fiat, es geschehe); Umsetzungsintentionen (implementation intentions) 7

Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen III. Handlungsphase (volitionale oder aktionale Phase): Ausführen der Handlungen o Inhalt: Handlungen, die der Realisierung des einmal getroffenen Ziels dienen, werden ausgeführt; Handlungsplan (Umsetzungsintentionen) und Handlungsergebnis werden fortlaufend miteinander verglichen. o Ergebnis: Abschluss der Handlung, oder auch Abbruch der Handlung. 8

Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen IV. Post-aktionale Phase (post-volitionale Phase): Bewertung der Handlung nach deren Abschluss (bzw. Abbruch) o Inhalt: Bewertungen des Erreichten; Vergleich zwischen (ursprünglichem) Wunsch und (eingetretener) Wirklichkeit o Ergebnis: Neu-Bewertung von Erwartung und Wert, und zwar in Bezug auf die vormals gewählte Handlungsalternative. 9

Das Rubikon-Modell der Handlungsphasen: Überblick. Entscheidung (Intention) RUBIKON Handlungsbeginn Handlungsergebnis Vor- Entscheidungsphase Vor- Handlungsphase Handlungs- Phase (volitional) Nach- Handlungs- Phase Wünsche Ausbildung von Präferenzen durch Abwägen von Erwartung und Wert Planung des wann, wo und wie der zur Präferenz gehörigen Handlungsalternative Handlungen, die der Zielerreichung dienen, werden ausgeführt Bewertungsphase: Sind weitere Handlungen zur Zielerreichung nötig und nützlich? Wünsche Abbildung 9.1. Das Rubikon-Modell unterscheidet vier verschiedene Abschnitte im Motivationsprozess (Heckhausen, 1990, Heckhausen & Gollwitzer, 1987) 10

Das Konzept der Bewusstseinslagen Einteilung in motivationale und volitionale Bewusstseinslage Motivationale Bewusstseinslage: vorherrschend in Vor-Entscheidungs- und Nachhandlungsphase o Inhalte: Vergleich verschiedener Handlungsalternativen in Bezug auf subjektive Erwartungen und Werte o Aufmerksamkeit: wenig selektiv, offen für neue Informationen (und Handlungsalternativen) o Informationsverarbeitung: Realitätsorientierung, nicht verzerrend o Motivation: Selektionsmotivation 11

Das Konzept der Bewusstseinslagen Einteilung in motivationale und volitionale Bewusstseinslage Volitionale Bewusstseinsphase: vorherrschend in Vor-Handlungs- und Handlungsphase o Inhalte: Handlungsgelegenheiten und etwaige Hindernisse; Realisierungsmöglichkeiten der Zielintention o Aufmerksamkeit: hoch selektiv; Fokus auf Zielintention und deren Umsetzung; wenig offen neue Informationen und Handlungsalternativen o Informationserarbeitung: Realisierungsorientierung, verzerrend, optimistisch o Motivation: Realisierungsmotivation 12

Vorentscheidungsphase Vorhandlungsphase Handlungsphase Nachhandlungsphase Bewusstseinslage à Motivational volitional volitional motivational Gedankliche Inhalte Fokussierung auf subjektive Erwartungen und subjektive Werte Fokussierung auf Handlungsgelegenheiten und mögliche Hindernisse Fokussierung auf Handlungsgelegenheiten und mögliche Hindernisse Fokussierung auf subjektive Erwartungen und subjektive Werte Selektivität der Aufmerksamkeit Geringe Selektivität der Aufmerksamkeit, Offenheit für viele Informationen Hohe Selektivität der Aufmerksamkeit, Offenheit für weniger Informationen Hohe Selektivität der Aufmerksamkeit, Offenheit für weniger Informationen Geringe Selektivität der Aufmerksamkeit, Offenheit für viele Informationen Realitätsorientierung: Präzise und realitätsorientierte Informationenverarbeitung Art der Informationsverarbeitung Realisierungsorientierung: Wenig präzise, optimistische Informationsverarbeitung Realisierungsorientierung: Wenig präzise, optimistische Informationsverarbeitung Realitätsorientierung: Präzise und realitätsorientierte Informationenverarbeitung Bezeichnung in Kuhls Theorie der Handlungskontrolle Selektionsmotivation Realisierungsmotivation Realisierungsmotivation Selektionsmotivation 13

Empirische Befunde (Gollwitzer, 2001, 2001) Positive Effekte: Realisierungsintention à Handlungsbeginn: Erhöhte Wahrnehmungsbereitschaft für Gelegenheiten zur Realisierung; Höhere Wahrscheinlichkeit der Unterbrechung anderer Aktivitäten, wenn solche Gelegenheiten zur Realisierung entdeckt werden; Erhöhte Bereitschaft, tatsächlich konkret zu handeln, wenn solche Realisierungsintentionen vorliegen. 14

Empirische Befunde (Gollwitzer, 2001, 2001) Positive Effekte: Volitionale Bewusstseinslage à Handlungsbeginn Positive Illusionen in Bezug auf wahrgenommene eigene Kontroll-Möglichkeiten, wenn es um die Umsetzung der Zielintention geht; Ausblenden von kritischen Informationen, insbesondere in Bezug auf Erwartung und Wert; Die Revision in Bezug auf die Attraktivität eines Ziels wird unwahrscheinlicher. 15

Empirische Befunde (Gollwitzer, 2001, 2001) Positive Effekte: Realisierungsintentionen à Zielerreichung Volitionale Bewusstseinslage à Zielerreichung Vermehrte Anstrengungsaufwendung o z.b. bei unerwartet hoher Aufgabenschwierigkeit Ausblenden anderer Handlungsalternativen o Vermeidung von Ablenkung durch andere attraktive Ziele Wiederaufnahme von (unterbrochenen) Handlungen o insbesondere bei unvorhergesehenen Unterbrechungen 16

Die Theorie der Handlungskontrolle von Julius Kuhl (ab 1985) Prozesse der Handlungskontrolle ermöglichen die Realisierung von Absichten (Handlungsalternative). Zu diesen Prozessen gehören: Selektive Aufmerksamkeit (= Achs primärer Willensakt ), irrelevante Informationen werden ausgeblendet Enkodierkontrolle (Gedächtnis: tiefere Verarbeitung momentan wichtiger Informationen) Emotionskontrolle (förderliche Emotionen werden bevorzugt) Motivationskontrolle (bei Bedarf erneuter Motivierungsprozess, z.b. durch Erinnerung an positive Erwartungen) Umweltkontrolle (sich gegen Ablenkung schützen) Sparsame Informationsverarbeitung (Handeln nicht durch zu lange Intentionsbildung verzögern) Misserfolgsbewältigung (passende Strategien aus Langzeitgedächtnis abrufen) 17

Die Theorie der Handlungskontrolle von Julius Kuhl (ab 1985). Personen neigen zu unterschiedlichen Haltungen, wenn es um Motivation und Volition geht; die Fähigkeit zu den Prozessen der Handlungskontrolle ist einerseits situativ angeregt, andererseits auch eine stabile Disposition. Handlungsorientierung: o dient der Realisierungsmotivation (volitionale Bewusstseinslage) o Beschäftigung mit Aktivitäten, die sich auf Handlungen und Ziele beziehen Lageorientierung: o gefährdet die Realisierung der Zielintention (motivationale Bewusstseinslage) o Nachdenken über die gegenwärtige, vergangene oder zukünftige Lage o oft bei Behinderung der Handlungsausführung 18

Die Theorie der Handlungskontrolle von Julius Kuhl (ab 1985). Handlungs-Lage-Orientierung als Disposition 1. Entscheidungsbezogene Handlungs-Lage-Orientierung Wie lange braucht eine Person, um eine Entscheidung zu treffen? Handlungsorientierte Personen: Lage-orientierte Personen: eher kurz eher lang 2. Ausführungsbezogene Handlungs-Lage-Orientierung Wie ausdauernd und konzentriert ist eine Person eine Person, wenn es um das Erreichen eines Ziels geht (nachdem mit der Umsetzung bereits begonnen wurde)? Handlungsorientierte Personen: Lage-orientierte Personen: eher viel / lange eher wenig / kurz 19

Die Theorie der Handlungskontrolle von Julius Kuhl (ab 1985). Handlungs-Lage-Orientierung als Disposition 3. Misserfolgsbezogene Handlungs-Lage-Orientierung Wie leicht ist eine Person durch Misserfolge bei der Zielerreichung zu entmutigen? Handlungsorientierte Personen: Lage-orientierte Personen: eher wenig / kaum eher leicht / stark bei misserfolgsbezogener Handlungs-Lage-Orientierung (durch wiederholte Misserfolge) Lage-orientierte Personen haben nun ein Problem: o Sie brauchen länger, um zu einer Entscheidung zu kommen, o sind mit höherer Wahrscheinlichkeit ablenkbar, o und denken mehr über Misserfolge nach und werden von diesen entmutigt. 20

Anwendungen des Konzeptes der Handlungs-Lage-Orientierung Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit Was ist gelernte Hilflosigkeit? Entdeckung in Tierexperimenten: z.b. Overmier & Seligman (1967) o Nach unkontrollierbaren Elektroschocks lernen ca. 50 % der Versuchstiere nicht mehr, nun vermeidbaren Elektroschocks zu entgehen. Übertragung auf menschliches Verhalten: Hiroto (1974) o Phase 1: VPs hören kontrollierbare (KG1) vs. nicht-kontrollierbare (EG) aversive Töne oder nehmen nicht an dieser Phase teil (KG2) o Phase 2: Alle drei Gruppen hören kontrollierbare aversive Töne o Ergebnis: In beiden KG lernen ca. 80 % der Probanden, wie man die Töne vermeiden kann; in der EG gelingt dies weniger als 50 % der Probanden. Definition als Erwartung, ein Ereignis nicht kontrollieren zu können 21

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit: Deskriptives Modell (Seligman, 1975) Nicht-Kontingenz zwischen Reaktion und Ereignis (Unkontrollierbarkeit) Wahrnehmung dieser Nicht-Kontingenz (Unkontrollierbarkeit) Erwartung zukünftiger Unkontrollierbarkeit Symptome hilflosen Verhaltens Motivationale Defizite: Schwächung der Motivation, zukünftige Ereignisse zu kontrollieren (passives Verhalten) Kognitive Defizite: schlechtere Unterscheidung zwischen kontrollierbaren- und unkontrollierbaren Ereignissen Emotionale Defizite: Furcht vs. depressive Reaktion (s. nächste Folie) 22

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit: Hypothese von Seligman (1975): Bei Unsicherheit über Unkontrollierbarkeit: à Furcht Bei Sicherheit über Unkontrollierbarkeit: à Depression (Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit) Zwei motivationale Erklärungsansätze: 1. Attributionale Erklärung Attributionsdimensionen 2. Volitionale Erklärung Handlungs- vs. Lage-Orientierung 23

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit: Zur attributionalen Erklärung: Modell von Abramson, Seligman & Teasdale (1978); Schritt 1: Lokation der Ursache Globalität der Ursache Stabilität der Ursache Selbstwert Generalisierung Dauer Symptomen, die einer reaktiven Depression sehr ähnlich sind - bei Attribution auf internale, globale und stabile Ursachen. (= pessimistischer Attributionsstil ). 24

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit: Zur attributionalen Erklärung: Modell von Abramson, Seligman & Teasdale (1978); Schritt 2: Empirische Belege: Depressiver Erklärungsstil als Persondisposition und Ursache von Hilflosigkeit und Depression Hilsman & Garber (1995): Attributionsstil bei Schülern o Häufiger depressive Reaktionen nach negativer Rückmeldung (Note unter Anspruchsniveau) bei Schülern mit negativem Attributionsstil. Stiensmeyer-Pelster (1989): Bewertung des Weihnachtsfestes bei Studierenden o Studierende mit negativem Attributionsstil erleben einen negativem Verlauf des Weihnachtsfestes als stärkere emotionale Belastung. 25

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit anhand volitionaler Ansätze: Wahrnehmung von Unkontrollierbarkeit UND Handlungs-Lage-Orientierung: Inkontingenz zwischen Reaktion und Ereignis Erwartung von Unkontrollierbarkeit Lage- Orientierung Erwartung von Unkontrollierbarkeit Lage-Orientierung als Persondisposition 26

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit anhand volitionaler Ansätze: Hypothese von Kuhl (1981, 1984): Welche Funktion haben Ursachenzuschreibungen bei andauerndem Misserfolg? Attributionale Erklärung o Menschenbild des naiven Wissenschaftlers... o Ursachensuche (Ursachenzuschreibungen) als handlungsleitende Gedanken Volitionale Erklärung o Attributionen als Variante einer lage-orientierten, gedanklichen Aktivität... o Ursachenzuschreibungen als irrelevante Gedanken, die der Umsetzung der Zielintention entgegen stehen. Brunstein (1989): Umgang mit Misserfolgen bei handlungs- versus lage-orientierten Personen: höhere Erfolgserwartungen und bessere Leistungen bei handlungs-orientieren Personen 27

Die Erklärung von Gelernter Hilflosigkeit anhand volitionaler Ansätze: Resultierendes Modell (nach Stiensmeier-Pelster, 1988; 1994): Misserfolg & Nicht- Kontingenz Disposition zur Lage-Orientierung Attribution Unkontrollierbarkeit Konkrete Lage- Orientierung, handlungs-irrelevante Gedanken Symptome der Hilflosigkeit (auch Ausmaß und Dauer) 28

Klausurfrage der Woche: Folgt man der Theorie von Kuhl, so wird ein Zustand wie derjenige der Lage-Orientierung durch die folgenden Gegebenheiten beeinflusst... A Allein durch Merkmale der Person. B. Allein durch Merkmale der Situation. C. Durch Merkmale von Person UND Situation. D. In der Theorie von Kuhl gibt es kein Konzept der Lage-Orientierung. E. Durch die volitionale Bewusstseinslage. 29