Kernthesen der Bundesvereinigung Lebenshilfe zur Inklusiven Bildung in der Schule

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Transkript:

Positionspapier der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Bundesgeschäftsstelle Leipziger Platz 15 10117 Berlin Bundesvereinigung@Lebenshilfe.de www.lebenshilfe.de Kernthesen der Bundesvereinigung Lebenshilfe zur Inklusiven Bildung in der Schule Januar 2016 Die Bundesvereinigung Lebenshilfe setzt sich als Selbsthilfevereinigung mit ca. 130.000 Mitgliedern seit über 50 Jahren für die Belange von Menschen mit geistiger Behinderung und ihren Familien ein und verfolgt dabei die Leitlinien von Teilhabe und Inklusion, wie sie auch durch das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) seit 2009 in Deutschland gesetzlich festgeschrieben sind.

Einführung Inklusion zu verwirklichen ist ein gesellschaftlicher Auftrag. Er umfasst mehr als das in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (BRK) verbriefte Recht auf Teilhabe und Chancengleichheit der Menschen mit Behinderung. Die zentrale Frage ist vielmehr: Wie können wir die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen in allen Lebensbereichen ermöglichen? Dies umzusetzen, ist die Herausforderung, der sich unsere Gesellschaft heute stellen muss. Dabei ist Inklusion Sinnbild einer humanen Gesellschaft: Inklusion setzt das um, was Grundlage von allgemeinen Menschenrechten ist, die Gleichheit aller Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit. Wie in Artikel 3 unseres Grundgesetzes ausgeführt, dürfen Menschen wegen dieser Unterschiedlichkeit nicht diskriminiert werden, nicht wegen ihres Geschlechtes, nicht wegen ihrer Religion oder Herkunft und nicht wegen einer Behinderung. Damit ist die Verwirklichung von Inklusion eine grundlegende rechtliche und ethische Verpflichtung für unsere Gesellschaft. Daneben ist es wesentlich, gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen: Dazu gehört die stetig wachsende Vielfalt (Heterogenität) unserer Gesellschaft. Wir leben beispielsweise in einer Einwanderungsgesellschaft, ein Drittel der unter 6-jährigen Kinder hat einen sogenannten Migrationshintergrund. Auch hier gilt: Kein Mensch darf ausgegrenzt oder isoliert werden. Wir brauchen den Beitrag aller für unser Zusammenleben, und das Inklusionsprinzip bezieht alle gesellschaftlichen Gruppen ein. Dabei erfordert Inklusion, vorrangig die Institutionen den Eigenheiten und Fähigkeiten der Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. Die Aufgabe des Bildungssystems ist es, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Es muss auf die zunehmende Heterogenität reagieren, Vielfalt als Chance nutzen und allen Menschen bestmögliche Bildung ohne jede Form der Diskriminierung ermöglichen. Schulen sind hier auch deshalb besonders gefordert, weil alle Menschen zur Schule gehen und Schulen damit unser Zusammenleben und unsere Gesellschaft gerade auch für die Zukunft prägen. Grundvoraussetzung, um sich zu einem inklusiven Bildungssystem weiterzuentwickeln, ist ein gleichberechtigter Zugang für alle zu inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Bildungsangeboten an Grund- und weiterführenden Schulen. Genau dazu verpflichtet uns die BRK in Artikel. 24 sowie das Diskriminierungsverbot in Artikel 5. Für die Weiterentwicklung von Schulen und ihren Unterrichtsformen bedeutet das eine Kehrtwende, einen Paradigmenwechsel. Schulische Inklusion macht es erforderlich, individuelle, differenzierte und bedarfsorientierte Bildungsangebote zu entwickeln, die die Förderung aller Kinder und Jugendlichen in heterogenen Lerngruppen in den Mittelpunkt stellen. Hierfür gibt es gute Grundlagen mit etablierten pädagogischen Konzepten für den Unterricht in heterogenen Gruppen, mit langjährigen Erfahrungen aus gemeinsamem Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung und nicht zuletzt auch mit Formen individualisierter Förderangebote, wie sie die Sonderpädagogik entwickelt und umgesetzt hat. Die Differenzierung kann auch die Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Seite 2

Bildung homogener Lerngruppen beinhalten, die sich beispielsweise an spezifischen Interessen oder an individuellen Lernvoraussetzungen orientiert. Die wachsende Zahl der Schulen, an denen gemeinsames Lernen auch heute schon gelingt, zeigt uns, dass Inklusion für alle gewinnbringend umgesetzt werden kann. Zugleich finden sich andernorts Schulen, in denen die bedarfsorientierte Umsetzung eines inklusiven Konzepts nicht funktioniert häufig aufgrund mangelnder finanzieller und personeller Ressourcen. Wenn Schülerinnen und Schüler nicht die Lernangebote und Unterstützung bekommen, die sie benötigen, wenn Lehrerinnen und Lehrer, Erzieher und Erzieherinnen, grundsätzlich alle am Bildungsprozess Beteiligte, ohne ausreichende Vorbereitung oder Unterstützung im gemeinsamen Unterricht eingesetzt werden, kann dies zu Schwierigkeiten und Überforderung von Lehrer(inne)n und Schüler(inne)n führen. Mancherorts weichen Eltern mit ihren Kindern in andere Bundesländer aus, weil ihnen das inklusive Bildungsangebot nicht gut genug erscheint und sie notwendige Rahmenbedingungen und Ausstattung der Regelschulen vermissen. Einige Eltern wählen auch nur deshalb eine Förderschule. Das entspricht keineswegs dem Ziel der gleichberechtigten Teilhabe und unserem Verständnis von Inklusion. Die Bundesvereinigung Lebenshilfe setzt sich deshalb dafür ein, dass das Recht auf inklusive Bildung mit hoher Qualität in Deutschland umgesetzt wird und dabei auch die besonderen Bedarfe von Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung einschließlich derer mit hohem und spezifischem Unterstützungsbedarf, etwa im Bereich der Kommunikation berücksichtigt werden. 1. Heute die inklusiven Schulen von morgen gestalten Artikel 24 der BRK verpflichtet Deutschland sicherzustellen, dass Kinder mit Behinderungen nicht auf Grund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden Von dieser Vorgabe sind wir noch immer weit entfernt. Obwohl es in Deutschland seit 40 Jahren gute Erfahrungen mit dem gemeinsamen Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit und ohne Behinderung gibt, belegen die Zahlen des Bildungsberichts 2014 einen enormen Handlungsbedarf bei der Umsetzung von schulischer Inklusion. Zwar besuchen immer mehr Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung gemeinsam Kindertagesstätten und Schulen. Jedoch nimmt mit zunehmendem Alter der Anteil der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die Regeleinrichtungen besuchen, deutlich ab. Sind es im Vorschulbereich mehr als zwei Drittel, so beträgt der Anteil im Grundschulbereich nur noch rund 44 Prozent. Im Sekundarbereich I besuchen nur noch 23 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf eine allgemeine Schule. Vor allem Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung wird inklusive Bildung bisher weitgehend Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Seite 3

vorenthalten: Nur 7 Prozent von ihnen werden im gemeinsamen Unterricht an allgemeinen Schulen unterrichtet. Auch wenn die Entwicklung insgesamt positiv ist, so sehen wir doch, dass der Umbau des Bildungssystems und die (Weiter-)Entwicklung zu inklusiven Schulen und dafür geeigneten Unterrichtsformen entschiedenes Handeln und Zeit brauchen. Umso wichtiger ist es, jetzt die Weichen zu stellen, um zukünftig die gemeinsame Beschulung aller Schülerinnen und Schüler zu ermöglichen. Unabhängig davon, ob sie mit oder ohne Behinderung leben, aus Deutschland oder anderen Ländern kommen und unterschiedlichen Religionen, Geschlechtern und sozialen Schichten angehören. Das Ziel, ein inklusives Bildungswesen zu schaffen, ist durch Artikel 24 BRK gesetzt und an vielen Stellen, wie zum Beispiel bei der Reform der Schulgesetze und der Lehrerbildung, haben wir uns bereits auf den Weg gemacht. Es geht also nicht mehr um die Frage, ob dieses Ziel verfolgt werden soll, sondern wie für alle Schülerinnen und Schüler zugängliche Inklusive Schulen entwickelt und umgesetzt werden können. Inklusive Bildung in der Schule bedeutet für die Lebenshilfe: Alle Kinder und Jugendlichen können eine inklusive Schule besuchen. Kinder mit und ohne Behinderung können gemeinsam lernen und aufwachsen. In allen Schulen muss es die sonderpädagogischen und begleitenden Hilfen geben, die Kinder mit Behinderung bei der Bildung brauchen. (Grundsatzprogramm S. 37) Das ist unser Ziel, das in unserem Grundsatzprogramm verankert ist. Auf dem Weg dahin ist es notwendig, die bereits vorhandenen Inklusiven Schulen weiter auszubauen und den unterschiedlichen Bedingungen in den Ländern und Kommunen mit vielfältigen Konzepten (Schwerpunktschulen, Kooperationsklassen, Partnerklassen etc.) für gemeinsamen Unterricht gerecht zu werden. Die Entwicklung inklusiver Schulen ist ein wichtiges Ziel bei der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention. Wir fordern, dass alle Schulen allen Kindern und Jugendlichen offen stehen und sie gut fördern können. Auf dem Weg dahin ist es wichtig, vielfältige inklusive Angebote (Schwerpunktschulen, Kooperationsklassen, Partnerklassen etc.) zu entwickeln und die notwendigen strukturellen Veränderungen auf den Weg zu bringen. 2. Inklusion ist unteilbar kein Kind darf ausgeschlossen werden. Es ist die Aufgabe inklusiver Schulen, qualifizierte Bildung für alle Kinder und Jugendlichen anzubieten. Dennoch werden hierbei Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung häufig nicht berücksichtigt. Dies widerspricht dem Prinzip der Inklusion und steht der Entwicklung und Umsetzung umfassender Konzepte für gemeinsamen Unterricht entgegen. Schülerinnen und Schüler mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung wie auch Kinder und Jugendliche mit hohem Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Seite 4

Förder- und Unterstützungsbedarf müssen bei der Entwicklung inklusiver Schulen und Bildungsangebote einbezogen werden. Hierfür müssen gemäß Artikel 24 der BRK angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen und in allen Schulen wirksame, individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen in einem Umfeld, das die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet, angeboten werden. Für Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf im Schwerpunkt Geistige Entwicklung oder hohem Förder- und Unterstützungsbedarf müssen Bildungsangebote im Rahmen von gemeinsamem Unterricht gemacht werden. Alle Kinder und Jugendliche sind bei der Entwicklung inklusiver Schulen zu berücksichtigen und die dafür nötigen finanziellen und personellen Ressourcen und individuell notwendigen Rahmenbedingungen sind bereitzustellen. 3. Inklusive Schulen und inklusiver Unterricht erfordern strukturelle Veränderungen und geeignete Rahmenbedingungen. Um inklusive Schulen und inklusiven Unterricht zu ermöglichen, braucht es fachliche und strukturelle Veränderungen und geeignete personelle und räumliche Rahmenbedingungen. Diese betreffen die gesetzlichen Grundlagen ebenso wie die bauliche, sächliche und personelle Ausstattung von Schulen. Allgemein- wie Sonderpädagogik müssen auf dem Weg zu Inklusiven Schulen weiterhin neue Methoden etablieren und Bildungsinhalte entwickeln, um sicherzustellen, dass für alle Kinder und Jugendliche angemessene Bildungsziele und -methoden verfügbar sind. Die Lehrerbildung in Allgemein- und Sonderpädagogik muss grundlegend umgestellt werden: Dies schließt die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern und alle an schulischen Bildungsprozessen Beteiligten ein, um sie zur Gestaltung inklusiven Unterrichts zu befähigen. Sonderpädagogische Inhalte sollen grundsätzlich Bausteine der Allgemeinpädagogik sein. Auch die Ausbildung und Befähigung weiterer beteiligter Fachkräfte ist nötig. Die Bildungsziele und Lehrpläne müssen verändert und die Prüfungsvorgaben daran angepasst werden. Nicht zuletzt ist die positive Einstellung und Haltung zu Inklusion von allen Beteiligten entscheidend. Für die Gestaltung inklusiven Unterrichts bedeutet das, dass Lehrerinnen und Lehrer mit und ohne sonderpädagogische Ausbildung nicht nur gemeinsam und gleichberechtigt unterrichten, sondern gemeinsam die Verantwortung für den Bildungserfolg und die Persönlichkeitsentwicklung aller Schülerinnen und Schüler übernehmen. Sowohl allgemeine als auch Förderschulen sollen sich in ihren Konzeptionen, ihrem Selbstverständnis und ihrer Praxis entsprechend entwickeln. Es kann sinnvoll sein, wenn sie sich aufeinander zu bewegen, zusammenarbeiten, mit- und voneinander lernen wie Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Seite 5

auch sich in inklusive Schulen umwandeln. In diesem Schulentwicklungsprozess orientieren sie sich am Bedarf ihrer Schülerinnen und Schüler. Sie müssen nicht von vornherein alle denkbaren Möglichkeiten (unterschiedliche Förderbedarfe oder bauliche Voraussetzungen) vorhalten. Inklusive Schulen sollen mit Trägern der Jugend- und Behindertenhilfe eng kooperieren. Multiprofessionelle Teams unter Einbeziehung von verschiedenen therapeutischen Fachrichtungen sollen selbstverständlich sein. Allgemeine und Sonderpädagogik müssen die jeweils vorhandenen Kompetenzen aufgreifen, sich gemeinsam weiterentwickeln, um die Entwicklung inklusiver Schulen fachlich zu befördern. Dazu gehört auch, die Lehrerbildung umzustellen. Schulen müssen personell, sächlich und räumlich so ausgestattet werden, dass sie geeignete Rahmenbedingungen für gemeinsamen Unterricht aufweisen. Auch Schulen in Trägerschaft der Lebenshilfe machen Angebote zum gemeinsamen Unterricht in kooperativer Form oder indem sie sich zu inklusiven Schulen entwickeln. 4. Die Entwicklung inklusiver Schulen ist nicht auf Grundschulen oder bestimmte Schultypen beschränkt. Gemeinsamer Unterricht wird besonders häufig in Grundschulen angeboten, daneben auch in weiterführenden Schulen aller Schultypen wie auch in einzelnen Förderschulen. Gesamt- und Gemeinschaftsschulen, die bereits jetzt verschiedene Schulabschlüsse ermöglichen (zieldifferenziert), sind oft besonders gut dafür geeignet, sich zu Inklusiven Schulen weiterzuentwickeln. Dennoch müssen sich alle weiterführenden und auch die berufsbildenden Schulen ebenfalls der Inklusion öffnen. Auch Förderschulen haben gute Voraussetzungen dafür, gemeinsamen Unterricht anzubieten oder als Kompetenzzentren zu unterstützen. Für eine gelingende Inklusion und die Sicherung sozialer Integration und Teilhabe im Gemeinwesen braucht es neben der Entwicklung inklusiver Konzepte und Bildungspläne, die einen zieldifferenten Unterricht begründen und der Entwicklung inklusiver Schulen auch eine übergreifende, kommunale und regionale Schulentwicklungsplanung. Nur so können sich Schulen den individuellen Bedarfen ihrer Schülerschaft entsprechend weiterentwickeln. Insbesondere schulische Übergänge von der Kindertagesstätte bis hin zur beruflichen Bildung können im Rahmen einer solchen Angebotsplanung besser gestaltet werden. Damit werden für alle Schülerinnen und Schüler optimale Bildungsbiografien ermöglicht. Die Anforderung zur Entwicklung inklusiver Schulen gilt für alle Schultypen, daher muss die Unterstützung für die Entwicklung zur Inklusiven Schule und zum Angebot gemeinsamen Unterrichts auch allen Schultypen offenstehen. Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Seite 6

Um soziale Integration sicherzustellen und optimale individuelle Bildungsbiografien zu ermöglichen, bedarf es einer kommunalen und regionalen Schulentwicklungsplanung. Die Lebenshilfe bringt sich und ihre Kompetenzen in die Weiterentwicklung von Schulen und in die regionale Planung ein. 5. Eltern vertreten die Interessen ihrer Kinder und können aus den zur Verfügung stehenden Schulen wählen Eltern kommt in der Begleitung ihrer Kinder beim Durchlaufen der Bildungslaufbahn und bei der Schulwahl eine herausgehobene Rolle zu dies ist besonders wichtig, wenn Kinder und Jugendliche im Zusammenhang mit einer Behinderung individueller Unterstützung bedürfen. Die Lebenshilfe unterstützt Eltern auf diesem Weg, z.b. durch Beratung, Austausch unter Eltern und in der konkreten Durchsetzung der Ansprüche ihrer Kinder. Im Mittelpunkt stehen dabei die Bedürfnisse und das Wohl des Kindes. Kinder und Jugendliche mit Behinderung haben ein Recht auf ein qualitativ hochwertiges Bildungsangebot, das alle Schülerinnen und Schüler ihrem Bedarf entsprechend fördert unabhängig von der Schulform. Eltern haben als Sorgeberechtigte die Aufgabe, sich für die Wahrung dieses Rechts ihrer Kinder einzusetzen. Sie werden dabei unterstützt, beispielsweise durch Ombudsstellen, und ihre Beteiligung an der Eltern-Selbstvertretung wird in allen Schulformen sichergestellt. Außerdem müssen Eltern die Möglichkeit haben, aus den vor Ort zu Verfügung stehenden Schulen diejenige auszuwählen, die ihrem Kind die besten Bildungs- und Fördermöglichkeiten bietet. Dies kann eine inklusive oder eine Förderschule sein. Im Mittelpunkt steht das Wohl des Kindes und damit das Recht auf qualitativ hochwertige Bildung. Um dies für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderung sicherzustellen, müssen Eltern sich an der Eltern-Selbstvertretung beteiligen können und das Recht haben, aus allen zur Verfügung stehenden Schulen zu wählen. Dies kann eine inklusive oder eine Förderschule sein. Um die Interessen ihrer Kinder wirksam vertreten und um eine gute Wahl treffen zu können brauchen Eltern unabhängige Beratung, Begleitung und Unterstützung bei der Durchsetzung der Interessen ihres Kindes. Bundesvereinigung Lebenshilfe e.v. Seite 7